"Dieses Spiel ist sinnlos." Missmutig starrte ich auf die Karten in meiner Hand. Nach der gestrigen Aktion hatten wir heute alle frei bekommen und Anne, Lukas und Paul verbrachten die Zeit damit, mir ein Spiel namens Skat beizubringen. Ich hatte bis jetzt noch keinen Sinn oder etwas logisches daran erkannt, aber weil ich nichts anderes zu tun hatte, spielte ich mit.
"Wenn du dich ein bisschen anstrengen würdest, würdest du es gar nicht so schlimm finden." Lukas sah konzentriert in seine Karten, während ich nur die Augen verdrehte.
"Du merkst überhaupt nicht, dass deine Karten ziemlich gut sind, oder, Prinzessin?" Erschrocken, dass Damon so plötzlich hinter mir stand, um mir über die Schulter zu sehen, zuckte ich zusammen. "Nein, merke ich nicht", gab ich genervt zurück; war ich denn wirklich zu blöd für dieses Spiel?
"Es ist ja unfair, wenn du ihr hilfst." Empörte sich Anne, als Damon sich, noch immer meine Karten betrachtend, neben mich setzte. Er grinste sie nur an, wie immer amüsierte er sich köstlich, wenn sich jemand über ihn beschwerte. "Wenn ich ihr nicht helfe, hat sie innerhalb der nächsten zwei Runden verloren und das wäre doch langweilig."
"Weißt du was? Am besten, du spielst für mich und ich lerne durchs zusehen." Entschlossen drückte ich ihm meine Karten in die Hand und lehnte mich zurück. Auch wenn ich es nie zugeben würde, war ich ziemlich froh aus dem Spiel raus zu sein. Anne hingegen war alles andere als begeistert, sie schien absolut keine Lust zu haben, dass Damon meinen Platz einnahm. Wenigstens schienen Lukas und Paul kein Problem damit zu haben, wahrscheinlich waren sie sogar ganz froh, dass sie keine Rücksicht mehr auf mich nehmen mussten.
Ich beobachtete das Spiel noch eine Weile, doch irgendwann verlor ich die Lust daran, was vielleicht auch daran lag, dass alle so darauf bedacht waren nichts preiszugeben, dass keiner ein Wort sagte. Gelangweilt rutschte ich schließlich ein Stück nach hinten und legte mich mit angewinkelten Beinen auf die Bank. Vor ein paar Tagen hatte ich eine kleine Glaskugel gefunden, die ich nun über mir schweben ließ. Vermutlich gab ich ein ziemlich lustiges Bild ab, denn Damon beobachtete mich schmunzelnd.
"Was?" Ohne von meiner Tätigkeit abzuweichen sah ich ihn fragend an. Meine Freunde schienen bereits verschwunden zu sein; komisch, dass ich das schon wieder nicht mitbekommen hatte.
"Dir ist echt langweilig, kann das sein?" Ich ließ die Kugel nun in einer kreisförmigen Bahn fliegen. "Du bist auch nicht besser, hast du nichts anderes zu tun, als mich zu beobachten?"
Blitzschnell versuchte er die Kugel aus der Luft zu schnappen, doch ich ließ sie rechtzeitig ein Stückchen höher schweben. "Nein, habe ich nicht. Abgesehen davon ist es ziemlich witzig, dich zu beobachten."
Ich verdrehte nur die Augen und versuchte mit einem kleinen Apfel und der Kugel die Erde und den Mond darzustellen. Das erforderte mehr Konzentration, als ich erwartet hätte, aber nach ein paar Minuten drehten sich beide umeinander. "Kann ich dich was fragen?"
"Kannst du schon, vielleicht antworte ich ja sogar." Damon warf noch einen kleinen Stein in mein improvisiertes Universum, den ich mit Mühe ebenfalls zum Schweben brachte. Blöderweise waren dabei die anderen beiden Objekte aus ihrer Bahn gerutscht, was ich erstmal korrigieren musste. Jetzt stellte der Apfel die Sonne, der Stein den Mars und die Kugel die Venus dar. "Wie kann es sein, dass du immer hier bist? Ich meine, wenn du undercover für Newton arbeitest, müsstest du doch bei ihm sein..."
"Ich bin sozusagen nur einer von mehreren Rebellen, die für ihn arbeiten. Wer gerade Zeit hat oder etwas Wichtiges bei ihm herausfinden will, ist dort. Newton selbst fällt das gar nicht auf, er denkt, das wäre irgendwie um besser unentdeckt zu bleiben." Er zuckte mit den Schultern und suchte nach einem neuen Planeten, den er mir zuwerfen konnte. Schließlich knüllte er ein Stück Papier zusammen, welches jetzt wohl die Erde darstellen sollte. Er machte Anstalten es mir zuzuwerfen, doch ich hinderte ihn mit einem Tritt daran. "Lass es, ich habe schon so Schwierigkeiten nicht aus dem Konzept zu kommen." Ich versuchte das alles so echt wie möglich zu machen, doch dafür mussten sich alle drei um die eigene Achse drehen und Mars und Venus mussten in einem unterschiedlichen Tempo um die Sonne rotieren. Das war alles andere als einfach, es wunderte mich schon, dass ich es zumindest halbwegs hinbekam. "Und was machst du da so? Wenn du nicht gerade einer flüchtenden Person hinterher läufst."
"Nichts Besonderes." Damon fing an die Papierkugel in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen. "In der Regel begleite ich nur Newton und pass auf, dass ihn niemand umbringt. Manchmal bekomme ich dabei so ein paar interessante Dinge mit, zum Beispiel, dass ihm seine Verlobte kurz vor der Hochzeit weggelaufen ist." Das brachte mich für einen Moment raus und die Venus rammte den Mars. Schnell brachte ich sie wieder in Position und sah meinen Ausbilder stirnrunzelnd an. "Und das hat dich so neugierig gemacht, dass du beschlossen hast dabei zu helfen mich zu finden?"
"Nein." Er hatte inzwischen damit begonnen mit seiner Papierkugel auf den, in der Luft schwebenden, Apfel zu werfen. "Ich bin neugierig geworden, als ich erfahren habe, dass du aus einem Hochhaus geflüchtet und mehr als drei Tage lang untergetaucht bist. Warum bist du überhaupt von deiner Freundin abgehauen?" Ich wehrte die Angriffe erfolgreich ab und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie überrascht ich war, dass er davon wusste. "Ich weiß nicht, was du meinst."
"Ach komm schon, ich kauf dir Geschichte von wegen du bist ihr nur zufällig über den Weg gelaufen und hast sie bedroht, damit sie dir hilft, nicht ab. Alleine hättest du niemals solange durchgehalten und ich hätte dich früher gefunden. Also, warum bist du nicht dort geblieben?" Er sah mich neugierig an, was ich jedoch nur mit einem Schweigen beantwortete; ich würde Haley nicht verraten, auch nicht an Damon. Am Ende kam er noch auf die Idee, auch sie hierher zu bringen und das wollte ich ihr nicht antun.
"Ach komm schon, Prinzessin. Ich habe deine Fragen beantwortet, jetzt bist du dran."
"Woher wusstest du, dass ich an dem Hang aus dem Zug springen würde?", versuchte ich vom Thema abzulenken. Damon schnalzte aufgrund meiner Weigerung zu antworten missbilligend mit der Zunge, ließ sich jedoch trotzdem dazu herab meine Frage nicht so im Raum stehen zu lassen. "Ich wusste es nicht. Ganz im Gegenteil, ich hatte es schon fast aufgegeben dich zu suchen und konnte mein Glück kaum fassen, als du quasi direkt vor meinen Füßen gelandet bist." Ich hatte mein Mini-Universum inzwischen aufgegeben und warf meinem Ausbilder einen ungläubigen Blick zu. "Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass du ganz zufällig dort warst." "Doch will ich." Er stand auf. "Komm, Prinzessin, ich habe eine Idee, was du machen könntest." Ich kniff misstrauisch die Augen zusammen; Damons Ideen endeten in der Regel damit, dass mein ganzer Körper schmerzte. "Ich finde es hier eigentlich ganz sch... Verdammt Damon, das ist nicht witzig." Er hatte mich einfach von der Bank runtergeschubst und grinste mich nun an.
"Finde ich schon. Kommst du jetzt mit, oder willst du weiter hier rumgammeln? Es wird dir gefallen, glaub mir." Genervt ergriff ich seine Hand und ließ mich hochziehen. "Ich weiß nicht, ob mir jemals eine deiner Ideen gefallen wird."
Neugierig sah ich mich um; Damon hatte mich in einen Teil des Hauptquartiers geschleppt, den ich noch nie betreten hatte. Hier schienen die Wissenschaftler zu arbeiten, doch sicher war ich mir dabei nicht. Während des gesamten Weges hatte ich versucht aus Damon heraus zubekommen, was er mit mir vorhatte, doch er schwieg beharrlich.
"Clara. Was macht die Arbeit?" Ich blieb unsicher in der Tür stehen, während mein Ausbilder selbstverständlich auf eine junge Frau zu schlenderte.
"Mehr als deine würde ich sagen; im Gegensatz zu dir erreiche ich wenigstens etwas." Auf den zweiten Blick erkannte ich, dass das Mädchen höchstens zwei Jahre älter als ich sein konnte; dieser dunkelgraue Kittel machte sie irgendwie älter. Damon winkte mich schmunzelnd zu sich.
"Deine ganzen Erfindungen bringen nichts, wenn es niemanden gibt, der sie benutzen kann, also tu nicht so wichtig. Du wolltest doch letztens eine Testperson, und tadaaa, ich habe eine mitgebracht." Er zeigte grinsend auf mich und hielt mich schnell am Handgelenk fest, weil ich versuchte zurückzuweichen.
"Moment mal, ich werde mich nicht für irgendwelche Experimente zur Verfügung stellen." Ärgerlich versuchte ich mich erfolglos zu befreien. "Ich wusste doch, dass das wieder so eine bescheuerte Idee ist..."
Die junge Wissenschaftlerin sah mich neugierig an. "Ich bin Clara und du heißt....?"
"Lola", antwortete mein Ausbilder an meiner Stelle. "Ihr war langweilig, also dachte ich mir, dass sie mal die Simulation probieren könnte."
"Keine Sorge, dass ist völlig ungefährlich. Es ist eine Art Programm, dass zur Übung von verschiedenen Situationen eingesetzt werden soll. Und Damon wird dich dabei begleiten." Sie zwinkerte mir zu und holte irgendetwas aus einem Schrank.
"Augenblick", Damon folgte ihr und zerrte mich dabei mit, "was soll das heißen, ich begleite sie?" Clara zuckte nur mit den Schultern. "Das war deine Idee und ich will testen, ob es mit zwei Personen gleichzeitig auch funktioniert. Also...." Sie zeigte auf ein kleines Sofa, auf welches sich Damon schließlich fallen ließ und mich zwang das selbe zu tun. "Warum werde ich eigentlich nie gefragt, ob ich so eine Scheiße überhaupt mitmachen will?", murmelte ich genervt. Allmählich war ich es wirklich Leid, wie er immer mit mir umsprang. Ein letztes Mal versuchte ich zu entkommen, doch Damons Hand hielt mich noch immer davon ab. Resigniert ließ ich zu, dass Clara irgendwelche Kabel an mich anschloss.
"Damon?" Ich stand zwischen zwei hohen Mauern und sah mich um; hatte Clara nicht gesagt, dass mein Ausbilder mich begleiten würde?
"Glaub nicht, dass ich dir helfen werde, Prinzessin", missmutig stand er neben mir und sah mich an. "Ich bin nur mitgekommen, um zu sehen, ob du das hinkriegst. Im Endeffekt ist das Ziel, die einzelnen Stationen so schnell wie möglich zu durchlaufen." Ratlos ging ich ein paar Schritte nach vorne. Überall waren diese Wände, ich konnte nicht erkennen, ob es einen Ausgang gab. "Das ist ein Labyrinth...." Diese Erkenntnis brachte mich zwar auch nicht weiter, aber zumindest wusste ich nun, dass zielloses Umherirren sinnlos war. Es gab sicher einen Trick, um hier raus zukommen, doch da ich weder wusste, in welcher Richtung der Ausgang lag, noch, ob es hier so einfach war zum Beispiel immer nach Links zu laufen, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Theoretisch müsste mich Damon einfach auf die Mauer heben, aber da er mir nicht helfen wollte....
So schnell ich konnte, rannte ich auf die nächste Wand zu. Anstatt davor abzubremsen sprang ich und schaffte es ein paar Schritte daran hochzulaufen und mich am Rand festzuhalten. Ächzend stemmte ich mich nach oben; jetzt, wo ich auf der Mauer stand, konnte ich den Ausgang problemlos sehen und erreichen. Damit schien ich die Aufgabe gelöst zu haben, denn die Umgebung verschwamm vor meinen Augen.
Nun stand ich vor einer verschlossenen Tür. Ich ging jedenfalls davon aus, dass sie verschlossen war. Trotzdem versuchte ich mein Glück und rüttelte an der Klinke.
"Und, was hast du jetzt vor? Eintreten kannst du vergessen und aufbrechen dürfte auch nicht funktionieren...." Damon lehnte lässig an der Wand und beobachtete mich. Ungerührt hob ich eine Augenbraue und zog mein Messer aus dem Stiefel. Die Tür war durch ein Codefenster verschlossen; ohne zu zögern hebelte ich den Kasten auf und schnitt eines der Kabel durch. Entweder ging jetzt ein Alarm los, oder ich hatte es geschafft. Tatsächlich verschwam die Umgebung erneut, das war ja einfacher als ich dachte. Inzwischen waren wir gefesselt in einem anderen Raum gelandet. Meine Hände waren auf dem Rücken mit Handschellen festgemacht, die konnte ich alleine unmöglich öffnen. "Hilf mir, Damon." Auffordernd drehte ich mich zu ihm um. Anstatt sich zu bewegen sah er mich nur spöttisch an. "Ich glaube, wir haben im Moment ein ganz anderes Problem, sei mal leise." Verwirrt lauschte ich; zu meiner Überraschung hörte ich ein leises, regelmäßiges Piepen, als würde jemand einen Countdown runterzählen. "Oh scheiße." Irgendwo hier musste eine Bombe sein. Panisch scannte ich den Raum mit meinen Blicken ab, konnte jedoch nichts erkennen.
Ein lauter Knall ertönte und der Raum verdunkelte sich.
Blinzelnd kam ich wieder zu mir; ich saß noch immer neben Damon in diesem komischen Wissenschaftsbüro.
"Die ersten zwei Stationen hast du echt gut gemeistert, so schnell war bis jetzt noch niemand." Clara lächelte mir anerkennend zu.
"Dafür wärest du von der Bombe zerfetzt worden." Mein Ausbilder stand ungerührt auf, worauf ich ihn wütend anfunkelte. "Wusstest du denn, wo sie war?"
"Nein, wusste er nicht." Clara antwortete, bevor Damon reagieren konnte. Ich musste grinsen, zumindest war ich also nicht die einzige, die gestorben wäre.