Das gekaperte Herz

By Bobby_Andrews

1.5K 366 1.1K

⭐️ HONOURABLE MENTION ONC 2024 ⭐️ |ABENTEUER| Hannah Morgan ist clever, furchtlos und die wahrscheinlich jüng... More

Was hier entsteht
Widmung
Prolog
1 | Mahaifa - Zuflucht der Free
2 | An Board der Wavedancer
3 | Doppelter Verrat auf der Sturmwind
4 | Aarochelle - Insel der Vesthalien
5 | Celestiale Couture
6 | Der erste Hinweis
7 | Aufbruch
8 | Grünwald
9 | Im Dschungel
10 | Der geheime Tempel
11 | In der Bucht
12 | Serenity Bay
13 | Ein Sturm zieht auf
15 | Der Bienenkönig
16 | Die wandelnde Insel
17 | Der Schatz
Epilog
Nachwort

14 | Kampf der Titanen

61 13 88
By Bobby_Andrews

Es dauerte eine Weile, bis auf der Sturmwind Ruhe eingekehrt war. Darrel hatte die Neuigkeiten seiner Freunde freudig aufgenommen und sie hatten noch ein wenig geplaudert und Rum getrunken. Irgendwann waren Yan und Ronan gemeinsam in Ronans Kabine verschwunden und Darrel hatte kurz überlegt, sich ebenfalls zur Ruhe zu legen. Doch nun, da alle schliefen, musste jemand auf das Schiff aufpassen. Da er ohnehin aufgekratzt war, entschied er, es wie Hannah zu machen, und legte sich mit seinem Ledermantel an Deck, um die Sterne zu beobachten, die langsam von den aufziehenden Wolken verdeckt wurden. Selbst hinter dem Schutz der Reling spürte Darrel, wie der aufkommende Wind kälter wurde, und war nur froh, dass die Bucht und die Insel einen gewissen Schutz boten. Langsam übermannte auch ihn die Müdigkeit, und er schloss für einen Moment die Augen.

Ein eiskalter Schauer lief Darrel über den Rücken, als ein gleißend heller Blitz am Himmel über seinem Schiff zuckte und kurz darauf ein heftiges Krachen ertönte. Der Donner schickte einen unheilvollen Groll durch die Luft, während sich dunkle Wolken über dem Meer zu wälzen schienen, als ob sie drohend nach dem Schiff griffen. Der erste Regen fiel auf seine Haut, und Darrel spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Ein unbestimmtes Gefühl der Gefahr breitete sich in ihm aus, als ob etwas Unheilvolles in der Dunkelheit lauerte und nur darauf wartete, zuzuschlagen. Er stand auf und wandte sich um, doch die Szene, die sich ihm bot, verstärkte nur sein beklemmendes Unbehagen. Auf dem Meer tobte der Sturm bereits in voller Wucht. Schwarze Wellenberge türmten sich gegen den nachtgrauen Himmel und verdeckten immer wieder den Horizont, als ob sie die Welt verschlucken wollten.

Während Darrel hoffte, dass sein Schiff den Sturm gut überstehen würde, sah er tatsächlich auf einem der Wellenberge ein Schiff auftauchen – eine düstere Silhouette in der Finsternis, wie ein Geist, der aus den Abgründen des Ozeans auftauchte. Wer auch immer das war, musste auf direktem Weg in den sicheren Hafen sein, doch in dieser peitschenden Dunkelheit schien es keine Zuflucht zu geben. Wahrscheinlich war das Schiff zuvor in den Sturm geraten und nicht schnell genug durch die Strudel gekommen. Auch er und Hannah hatten damit ihre Probleme gehabt. Unwillkürlich richtete Darrel seinen Blick auf den Liegeplatz, an dem er die Wavedancer erwartete. Doch ein heftiger Schock durchfuhr ihn, als er im Licht eines weiteren Blitzes erkannte: Hannahs Schiff war nicht mehr da!

Die Wavedancer tanzte mutig über die wilden Wellen, ihr Bug schnitt scharf durch die aufbrausende See. Hannah stand aufrecht am Steuerrad, ihre Augen fest auf das tosende Wasser gerichtet. Der Himmel war nun pechschwarz, nur ab und an von jäh auflodernden Blitzen erhellt, und der Sturm heulte wie ein wütender Geist. Unwillkürlich spürte Hannah einen Stich des Zweifels. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, mitten in der Nacht und im tobenden Sturm aufzubrechen. In ihrem Ärger und ihrer Enttäuschung hatte sie nicht darauf warten wollen, dass ihre Freunde am nächsten Morgen Pläne schmiedeten. Doch nun, da sie die Mannschaft in dieser stürmischen Dunkelheit gezwungen hatte, zu solch später Stunde aufzubrechen, erschien ihr die Entscheidung als reiner Leichtsinn. Aber die Einsamkeit hatte sie so sehr bedrückt, dass sie dem Impuls nicht hatte widerstehen können. Als die Stimmen der Sturmwind langsam verstummt waren, war Yan nicht zurückgekehrt. Hannah konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie jetzt in den Armen ihres Liebhabers lag und die Wärme und Geborgenheit genoss, die Hannah sich ebenso sehnlichst gewünscht hätte.

Der Regen peitschte der Piratenkapitänin ins Gesicht, und sie war irgendwie dankbar darüber, tarnte das Nass aus den Wolken und der See ihre Tränen und Schwäche, die sie in diesem Moment fühlte. »Achtung! Untiefe voraus!« Die Stimme aus dem Ausguck war kaum gegen das Tosen des Windes zu hören, doch auch Hannah nahm eine Bewegung aus dem vor ihnen liegenden Tal wahr, die nicht nur dem Sturm geschuldet war: Aus den dunklen Tiefen des Ozeans brach plötzlich ein monströses Wesen durch die Wasseroberfläche. Hannah erkannte im Licht eines Blitzes die Umrisse eines Riesenkraken, mit Tentakeln so gewaltig wie Schiffsmasten und Augen, die in der Dunkelheit bedrohlich glühten. Ein panischer Schreck fuhr in ihre Glieder. Sie kannte den ungebetenen Besucher, der ihr schon einmal begegnet war. Seitdem hatte sie einen Teil des Ozeans gemieden. Konnte es sein, dass der Krake nun in dieser Region seine neue Heimat gefunden hatte? Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, um sich über die Gefühle des Ungeheuers Gedanken zu machen. »Alle Mann an Deck! Bereitmachen zum Kampf!«, brüllte Hannah, ihr Herz pochte wild vor Aufregung und Angst.

Das Tier schien ihre Angst förmlich zu riechen, denn mit einem donnernden Brüllen schoss der Kraken vor und erreichte die Wavedancer, noch ehe ihre Crew die Kanonen geladen hatte. Die Bestie erhob sich aus den finsteren Tiefen und streckte sich zum Schiff empor, das im Vergleich zu seiner Größe wie ein winziges Beiboot erschien. Die mutige Crew der Wavedancer stürmte herbei, ihre Waffen erhoben, ihre Augen glühend vor Entschlossenheit gegen das mächtige Ungeheuer anzukämpfen. Doch der Kraken umklammerte das Schiff mit seinen gewaltigen Armen. Wasser perlte von den glitschigen Tentakeln auf das Deck, während die tapfere Besatzung beinahe aussichtslos gegen die mastdicken Arme des Monsters ankämpfte, die das Schiff fest umklammerten.

Der Kraken erwies sich als mächtiger Gegner, und die Wavedancer bebte und ächzte unter der ungeheuren Kraft seiner Umklammerung. Hannah kämpfte verzweifelt darum, sich und ihre Crew in Sicherheit zu bringen, aber das Deck wurde bereits von den peitschenden Tentakeln zerfetzt, während das eindringende Wasser drohte, das Schiff zu fluten. Mit flinken Bewegungen zerschnitt Hannah die Taue des Beiboots und drängte ihre Leute dazu, in der kleinen Nussschale Platz zu finden. Gerade als das Boot auf dem Wasser aufsetzte, zermalmte der Kraken mit einem letzten, gewaltigen Ruck das Schiff. Die Masten brachen wie Streichhölzer entzwei, und die Wavedancer wurde auseinandergerissen. Hilflos musste Hannah mitansehen, wie ihr geliebtes Schiff begann zu sinken, während der Rest der Besatzung ins tosende Wasser geschleudert wurde. In einem Augenblick wurde ihre Heimat Opfer der gnadenlosen See. Alles, was Hannah je bedeutet hatte – die Erinnerungen an ihre Eltern, ihre Pflichten als Kapitänin, sogar ihre Lebensgrundlage – wurde durch ihre Sturheit und Überheblichkeit zerstört.

Hannah sah dem Untergang bereits ins Auge, während der Krake keine Anstalten machte, sie und ihre Crew am Leben zu lassen, nachdem er sie erfolgreich vom Schiff vertrieben hatte. Doch Hannah war nicht bereit, sich kampflos zu ergeben. Mit geballten Fäusten, einem letzten Aufbäumen der entschlossenen Sturmtochter, rief sie gegen den Sturm an: "Ist das alles, was du kannst?" Der Krake ließ tatsächlich seine Aufmerksamkeit von den Crewmitgliedern im Wasser ab und fixierte Hannah mit seinen glühenden Augen.

»Erinnerst du dich an mich? Ich bin diejenige, die du willst! Die anderen haben nichts mit unserem Streit zu tun. Komm und hol mich, lass die anderen gehen!«, forderte sie das Ungeheuer heraus, das schon ihre Familie auf dem Gewissen hatte. Hannah war sich sicher, dass der Krake von den Göttern der See geschickt worden war, um den Tribut einzufordern, der ihm damals entgangen war. Doch sie hatte es geschafft zu überleben, dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen, den Teufel ausgetrickst und die See um eine weitere Seele betrogen. Wenn sie das Unrecht mit ihrem eigenen Leben ausgleichen konnte, bestand vielleicht eine Chance, dass ihre Crew überlebte.

Der Krake schien zu überlegen. Um ihre Forderung zu unterstreichen, sprang Hannah mit einem kühnen Sprung ins kalte Wasser der tosenden See. Sie war bereit, ihr Leben für das ihrer Freunde zu opfern.

Die Wellen hoben und senkten sie, während der Krake sich langsam auf sie zubewegte. Mit jedem Anstieg der Wellen näherte sich der gefürchtete Gigant. Als er fast bei ihr war, schloss sie die Augen, um nicht mit ansehen zu müssen, wie er sie verschlang. Doch dann spürte sie etwas Festes unter ihren Füßen. Als sie die Augen öffnete, erblickte sie einen gewaltigen Felsen, der aus dem Wasser aufragte und ein fürchterliches Brüllen ausstieß. Was, bei Nephrim, hatte die See ihr da geschickt?

Hannah konnte kaum glauben, dass sie nicht bereits Krakenfutter geworden war. Während der Felsen oder was auch immer es war, weiter in die Höhe wuchs, strömte das Wasser, das sie umgeben hatte, zu den Seiten hinunter. War es ein Felsen, ein Tier? Hannah konnte es nicht sagen. Klar war nur, dass dieses Ding sich zwischen sie und die Gefahr gestellt hatte. Dann hörte sie ein tiefes Brüllen und sah, wie sich das Ding immer weiter aus dem Wasser erhob. Es war, wenn man die Masse, auf der Hannah stand, dazurechnete, sogar noch größer als der Riesenkrake, und es schien genauso wütend zu sein.

Hannah sah den oberen Teil der Gestalt im Schein eines Blitzes, der kurz den Himmel erhellte. Es war der Kopf einer - wie es schien - gigantischen Schildkröte. Wahrscheinlich war der Krake in ihr Revier eingedrungen, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Mit einem Fauchen öffnete sie ihr dreimastergroßes Maul. Der Körper des Meeresbewohners bebte, als die Schildkröte mit dem Kopf vorschoss und den Kraken an einem seiner Tentakel erwischte. Hannah fiel auf die Knie und hielt sich an einer Seepocke fest, die auf dem Rücken des Tieres wuchs, um nicht heruntergeschleudert zu werden.

Von ihrer Position aus beobachtete sie voller Demut den epischen Kampf, den sich die beiden Giganten direkt vor ihren Augen lieferten. Die Wellen türmten sich um sie herum auf, und der Wind peitschte ihr Haar wild umher, während der Krake und die Schildkröte sich in einem gewaltigen Schlagabtausch befanden. Mit jedem Schlag, den die Schildkröte austeilte, spürte Hannah die Erschütterung bis in ihre Knochen.

Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust, als der Krake mit seinen Tentakeln wild um sich schlug und die Schildkröte immer wieder am Rücken traf. Hanna hatte Mühe, den tödlichen Schlägen auszuweichen. Plötzlich spürte Hannah einen starken Ruck, als die Schildkröte ihren mächtigen Körper gegen den Kraken warf. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sah, wie die Schildkröte den Kraken mit ihrem mächtigen Maul angriff und einen der Tentakel abriss. Das Brüllen des Kraken war ohrenbetäubend und als der Kampf zwischen den Giganten einen Höhepunkt erreichte, spürte Hannah, wie ihre Kräfte im eisigen Wind langsam schwanden.

Ihre Rettung hatte ihr nur eine kurze Atempause verschafft. Doch als Hannah mitten im Chaos und der Verzweiflung bereits glaubte, dass ihr Ende näher rückte, tauchte plötzlich ein Schiff am Horizont auf. Sie konnte es kaum glauben! Nie zuvor war Hannah so erleichtert gewesen, die Silhouette der Sturmwind zu erkennen. Die Besatzung warf Rettungsringe und Leinen aus, und die Mitglieder der Wavedancer wurden in letzter Minute an Bord gezogen, gerade rechtzeitig, bevor die Überreste des Schiffes in den dunklen, hungrigen Tiefen des Ozeans verschwanden.

Hannah sammelte ihre letzten Kräfte und lief den Rücken des Tieres entlang, bis sie am hinteren Teil ankam. Mutig stürzte sie sich erneut in die See und gab ihr letztes, um in Richtung des Schiffes zu schwimmen, ihre einzige Hoffnung. Doch egal wie sehr sie sich auch anstrengte, das Schiff schien sich nicht zu nähern. Die Bewegungen ihrer Arme wurden langsamer, das Atmen fiel ihr immer schwerer, und die Müdigkeit drohte sie zu überwältigen. Mit einem letzten Zug spürte sie, dass dies wohl das Ende ihrer Reise sein würde. Dann ließ sie sich sinken, hinab unter die Wasseroberfläche und dem Grund des Meeres entgegen.

Darrel konnte Hannah gerade noch erblicken, ihre braunen Haare im wirbelnden Meerwasser. Doch bevor er reagieren konnte, war sie verschwunden, von den dunklen Wellen verschluckt. Sein Herz schlug wild vor Sorge, und ohne zu zögern, entschied er sich zum Handeln.

Mit einem kühnen Hechtsprung verließ Darrel die Sicherheit der Reling und tauchte kopfüber in die aufgewühlten Fluten. Die eisige Kälte des Ozeans umfing ihn, als er tiefer und tiefer in die Tiefe glitt, auf der verzweifelten Suche nach seiner Freundin.

Seine Lungen brannten vor dem Mangel an Luft, aber Darrels Gedanken waren nur bei ihr. Er zwang sich weiter, durch das trübe Wasser zu stoßen, die Angst um Hannah trieb ihn an. Das Meer war beinahe schwarz, und er wunderte sich, dass er überhaupt etwas erkennen konnte. Doch die einzelnen Luftblasen, die ihm unter der Wasseroberfläche entgegentrieben, verrieten ihm, dass er auf dem richtigen Weg war. Und dann sah er sie: Ihr Körper schwebte wie eine geisterhafte Marionette nur ein paar Meter unter der Wasseroberfläche. Ihre Haare umspielten ihr Gesicht in einer gespenstischen Weise, und ihre Arme trieben hilflos an ihrem Körper.

Darrel spürte einen Stich des Entsetzens in seiner Brust, als er erkannte, dass sie bewusstlos war. Doch er kämpfte darum, seine Panik zu überwinden. Mit zwei kräftigen Zügen schwamm er zu ihr hinüber, und mit einem letzten Anflug von Kraft packte er sie und zog sie an die Oberfläche. Sein einziger Gedanke war es, sie zu retten, koste es, was es wolle. Nur Sekunden später tauchte ein Rettungsring neben ihm im Wasser auf. Er griff danach und klammerte sich daran fest, während er Hannah im Arm hielt und sich zum Schiff ziehen ließ. Hoffentlich war sie noch am Leben...


(22.900 Wörter)

Dieses Bild habe ich als Inspiration gefunden:

*Bildnachweis: https://aiartshop.com/products/kraken-attack


Original Inspiration war allerdings dieses gute Stück aus meiner Schattplattensammlung (für die jungen Leute unter euch: das sind diese großen flachen schwarzen Teller mit den Rillen):

Continue Reading

You'll Also Like

2.3K 676 29
In a world where the majority no longer dream, and happy thoughts are easily lost, nineteen-year-old Eli sells memories. With no family or home, the...
73.7K 6.8K 24
After a mysterious vehicle runs them off the road, Alex and his bandmates must fight for their lives to escape a vicious pack of wolves who bear unse...
4.5K 548 20
What are wings for if not for flying with dragons in the realm where islands float in the sky? The life of order and monotony is not enough for a win...
2.1K 236 14
Luke and Naluma have had a rough year, but their Force-bonded love has gotten them through the death of a student a few months earlier. However, Luke...