wild (bxb)

By Cupid42hearts

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Marlon versucht ein ganz normaler Junge zu sein und ein ganz normales Leben zu führen. Er lebt bei seiner Ta... More

*Vorwort*
*(1) Ein Blick*
*(2) Schwachstelle*
*(3) Lächeln*
*(4) Abweisung*
*(5) Maske*
*(6) Fühlen*
*(7) Herausforderung*
*(8) Schreie*
*(9) Lästern*
*(10) Zuhause*
*(11) Hand*
*(12) Augen*
*(13) Verletzt*
*(14) Kontrolle*
*(15) Keine Erklärung*
*(16) Weitermachen*
*(17) Unmenschlich*
*(18) Reden*
*(19) Seiten*
*(20) Herzschläge*
*(21) Farben*
*(22) Gerechtigkeit*
*(23) Aufwachen*
*(24) Abgefuckt*
*(25) Zuhause*
*(26) Rätsel*
*(27) Ausnahme*
*(28) Frust*
*(29) Schlamm*
*(30) Lady und Lord*
*(31) Angriff*
*(32) Blut*
*(33) Gefühle*
*(34) Bleiben*
*(35) Illusion*
*(36) Verwandlung*
*(37) Beschützen*
*(38) Liebe*
*(39) - D*
*(40) Turteltauben*
*(41) Öffentlich*
*(42) Duft*
*(43) Allein zuhause*
*(44) Biest*
*(45) Urteil*
*(46) Sinn*
*(47) Ohne ihn*
*(49) Gefahr*
*(50) - D*
*(51) Davonlaufen*
*(52) Auslösen*
*(53) Mühe*
*(54) Unerwartet*
*(55) Party*
*(56) Hier bei mir*
*(57) Probleme*
*(58) Bleiben*
*(59) Reden*
*(60) Vereint*
*(61) Ärger*
*(62) Vergangenheit*
*(63) Besuch*
*(64) Gesundheit*
*(65) Provokation*
*(66) Auftritt*
*(68)-D*
*(69)-D*
*(70)-D*
*(71)-D*
*(72)-D*
*(73) Aufwachen*
*(74) Wissen*
*(75) Gebrochen*
*(76) Kälte*
*(77) Zurück*
*(78) Flucht*
*(79) Schuld*
*(80) Ignoranz*
*(81) Symptome*
*(82) Besuch*
*(83) Schnell*
*(84) Klartext*
*(85) Entscheidung*
*(86) Mächtig*
*(87) Gewinnen*
*(88) Kategorien*

*(67) Lecker*

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By Cupid42hearts

Du teilst alles mit ihm, weil es ohne ihn sowieso nichts wert ist.

~~~

Wir verbrachten etwa eine halbe Stunde mit der Band und Rico in der Umkleide, bevor sie uns rausschickten, um letzte Vorbereitungen zu treffen.

Wir hatten erfahren, dass sich das Programm geändert hatte. Eine andere Band war ausgefallen und Mikas bekam dafür mehr Bühnenzeit. Ich freute mich für ihn, wusste allerdings noch nicht, welche Probleme deshalb auftreten würden.

Wir saßen in erster Reihe vor der Bühne, auf Sitzsäcken, die auf dem Boden der gesamten Halle verteilt waren. Damian hatte extra mit Leuten neben uns getauscht, um einen größeren Sitzsack zu bekommen, damit wir uns zu zweit auf einen setzen konnten.

„Ich will auch kuscheln", schmollte Finn.

Instinktiv wollte ich ihn anbieten, sich dazuzulegen. Irgendetwas in mir hielt mich davon ab und veranlasste mich dazu, Damian durch meinen Blick zu fragen, ob er okay damit war.

Ihm war klar, dass mit Finn zu kuscheln vor unserer Beziehung Standard für mich gewesen war. Das hieß aber nicht, dass er damit einverstanden sein musste, wenn es so weiterging. Die Umstände hatten sich immerhin geändert. Finn und ich waren zwar noch immer beste Freunde, aber ich hatte nun einen Freund. Und dieser wollte mich für sich. Deshalb überließ ich die Entscheidung ihm.

Damian wirkte im ersten Moment überrascht, schaute dann kritisch zu Finn, der schmollend vor uns stand und uns seine besten Bettel-Augen zeigte.

Damian verdrehte die Augen, löste sich von mir und lief durch die Halle.

„Was macht er?", fragte Finn verwirrt.

Noch ehe ich mir sicher sein konnte, schleppte Damian einen weiteren Sitzsatz für zwei bei uns an.

Er warf ihn neben unseren, sodass sie direkt ineinander übergingen und zeigte von Finn auf den Sitzsack. „Du darfst neben Marlon sitzen und seine Hand halten."

„Wie gnädig." Finn warf sich neben wir auf den Sitzsack, nahm meine Hand wie ein Kind die seines Vaters, und winkte Alisha zu sich: „Knuddel mit mir!"

Sie verkniff sich ihren Kommentar dazu und kam seiner Aufforderung nach. Immerhin zeigte Finn endlich mal, was er brauchte. Das war nicht selbstverständlich.

Obwohl meine Sorge um Finn mich belastete, brachte es mich zum Lächeln, wie Damian mit verschränkten Armen vor uns stand und sich anschaute, was er vollbracht hatte.

Ich legte meinen Arm zur Seite, als einladende Geste für meinen Freund. „Komm her, Schnuffelhase."

Er rümpfte die Nase, zögerte aber keine Sekunde, um der Aufforderung nachzukommen. Seine Arme ließ er verschränkt, während er sich in den Sitzsack gammelte und an mich lehnte. Ich schloss meinen Arm um seine Schultern und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe.

„Ich liebe dich."

Er verdrehte die Augen, starrte weiter geradeaus und brummte: „Ich dich mehr."

Das Ganze ging etwa für eine drei Sekunden so weiter, bis sein Grinsen aus ihm herausbrach und den Blick zu mir wandte. Dadurch erkannte er, dass ich mich zu ihm gelehnt hatte, so weit, dass unsere Lippen einander streiften, als er den Kopf drehte.

„Wir könnten jetzt auch in deinem Bett sein", flüsterte er. „Nur wir beide. Nackt. Fesseln an meinen Handgelenken, Gleitgel an meinem Loch und hmpf-"

Ich presste meine Lippen auf seine, riss meine Hand aus Finns und legte sie an Damians Wange. Er erwiderte meine gierigen Küsse, lächelte dabei aber so breit, dass unsere Zähne aneinanderkrachten. Er leckte darüber und ich biss neckend in seine Zunge.

„Hey!" Er knuffte mir in die Seite und schaute mir aus geringster Distanz in die Augen.

Ich liebte es, das Farbspiel seiner Iris zu beobachten. So sehen, wie sein Glück mit seiner Erregung kämpfte und nie zu wissen, was davon gewinnen würde.

„Wir schauen uns Mikas Auftritt an, bleiben noch eine Stunde und dann bekomme ich plötzlich Kopfschmerzen und du bringst mich nachhause", flüsterte ich an seine Lippen. "Wir schleichen uns in mein Zimmer, ich schließe meine Tür ab und bis ich damit fertig bin, liegst du nackt auf meinem Bett, deine Arme bereit, gefesselt zu werden und Beine gespreizt, sodass ich meinen harten Schwanz an dir reiben kann, während ich dich festbinde. Dann gebe ich dir eine Minute locker zu werden, bevor ich meinen Schwanz in dich schiebe und dich solange ficke, bis Liter meiner Wichse aus deinem wunden Arsch laufen. Du wirst mich dafür hassen und trotzdem mehr wollen. Und ich werde dich saubermachen, eincremen und kuscheln, bis du einschläfst, obwohl du noch hart bist, weil du kleiner horny Ficker einfach nicht genug kriegen kannst. Wenn du dann am Morgen immer noch hart bist, mache ich es dir mit dem Mund. Ich habe keine Ahnung, was ich tue und obwohl du geduldig mit mir sein willst, kommt irgendwann der Moment, an dem du dir meinen Kopf packst und meinen Rachen fickst, bis mir Tränen über die Wangen laufen. Du merkst es, machst vorsichtiger weiter, streichst mir die Tränen weg, ziehst deinen Schwanz aus meinem Mund und wichst mir aufs Gesicht. Dann leckst du es runter und küsst mich. Ich bin so hart, dass ich nur daran denken muss, dass du mich anfassen könntest und ich komme. Klingt das nach einem Plan?"

Damian starrte mich an ohne zu blinzeln. 

Sein Mund stand offen und ich konnte nicht anders als ihm einen Kuss auf den Mundwinkel zu hauchen. „Ich nehme das als ja."

Er begann zu nicken, erst langsam, dann immer schneller.

Mit der Spitze meines Zeigefingers drückte ich sein Kinn nach oben, wodurch er den Mund schloss. Ich drückte ihm einen keuschen Kuss auf die Lippen, der meinen schmutzigen Worten in allem widersprach.

„Fuck", brachte er schließlich hervor. „Ich glaube, ich bin ein bisschen gekommen."

Ich lachte. Mein Kopf fiel dabei auf seine Brust. Er tätschelte mir den Kopf, während ich über die Absurdität dieser Situation lachte.

Dirty talk war gar nicht so schwer, solange man eine genaue Vorstellung von dem hatte, was man wollte und die Worte aus sich herausfließen ließ.

Ich hatte nicht vorgehabt, dass meine Aussage so schmutzig und vor allem detaillreich wurde. Bei Damian musste ich nicht darauf achten, was ich wie sagte. Diese Wirkung hätte ich mir auch niemals erhofft. Hätte ich es beabsichtigt und ernsthaft versucht, wäre es wahrscheinlich auf alle erdenklichen Arten schiefgelaufen und ich wäre in Schande versunken.

So allerdings, fühlte es total natürlich an.

War es überhaupt dirty talk, wenn ich einfach nur beschrieb, was höchstwahrscheinlich passieren würde?

Je mehr ich darüber nachdachte, desto heißer fühlten sich meine Wangen an.

Um meine Verlegenheit zu verstecken, ließ ich meinen Kopf auf Damians Brust liegen. Er rutschte im Sitzsack etwas nach oben, um mich besser halten zu können und so blieben wir dann liegen, während mein rasendes Herz die ganzen Schläge nachholte, die es vergessen hatte, als ich begriffen hatte, was da aus meinem Mund gekommen war.

Erst, als die Lichter ausgingen, die Halle ruhiger wurde und Mikas Band angekündigt wurde, setzte ich mich wieder auf – nur so weit, dass ich auf die Bühne sehen konnte. Mein Kopf machte es sich auf Damians Schulter gemütlich und, als ich zu ihm hochschaute, entging mit nicht, dass Rico nur ein paar Säcke weiter saß und verhasst zu uns blickte.

Okay, ob er wirklich viel sah, war zweifelhaft. Durch die gedimmte Beleuchtung war es ziemlich dunkel in der Halle. Das meiste Licht kam von der Bühne selbst. Es passte zum ruhigen, gemütlichen Ambiente und der melancholischen Musik.

Bis auf Ricos Existenz war es eigentlich ganz schön. Ich liebte es, so nah bei Damian zu sein. Auch in aller Öffentlichkeit. Alle sollten sehen, dass wir zusammengehörten. Dass dieser leicht grimmige, unfassbar attraktive und unerreichbar scheinende junge Mann mich liebte. Und ich ihn. Dass es nichts gab, das uns voneinander trennen konnte. Schon gar keine Urteile bedeutungsloser Idioten.

Das einzige, das an dieser Perfektion kratzte, waren Hannis Probleme, seine Töne zu halten. Ich wusste, wie er in ihren Bandproben klang und wie sich seine Auftritte normalerweise anhörten. Das hier gerade kam nicht mal annähernd an sein Potenzial heran.

Der Grund war ziemlich leicht zu erschließen: er hustete und griff immer wieder zu einer Wasserflasche, um etwas zu trinken. Doch sein Hals blieb rau. Gegen Ende des letzten Songs vor der Pause, brachte er kaum mehr einen Ton hervor und er signalisierte Mika durch eine Handbewegung, dass er nicht mehr weitermachen konnte.

Sie beendeten das Lied mit einem spontanen Gitarren-Solo von Mika, der das Mikro danach an sich nahm und eine Pause ankündige.

Sobald sie von der Bühne waren, wurden die Lichter etwas heller. Einige standen auf, um auf Toilette zu gehen oder sich an der Theke anzustellen. Alisha hatte die Tür neben der Bühne zum Ziel.

Der Türsteher stellte sich ihr in den Weg. Auf ihre Versuche, ihm zu erklären, was sie vorhatte, reagierte er nicht. Er schaute einfach über ihren Kopf hinweg und tat so als sei sie nicht da.

„Was für ein Penner", zischte Finn und streckte sich zu mir. „Sollen wir ein Ablenkungsmanöver starten?"

Ich dachte darüber nach, ob es etwas Harmloses gab, das wir tun konnten, um den Typen von der Tür wegzulocken, da öffnete sie sich und Mika knallte an den Rücken des Türstehers.

Der Mann fing sich mit einem Schritt nach vorne, drehte sich um und schaute drohend auf Mika herab.

Ich hörte nicht, was sie sagten, ging aber davon aus, Mika würde sich entschuldigen.

Hanni schob sich an ihm vorbei und beugte sich zu Alisha runter. Sie drückte ihm ihre Cola in die Hand. Er trank ein paar Schluck, verzog das Gesicht und redete mit Alisha, während er sich an den Hals fasste.

„Er hat keine Stimme mehr", flüsterte Damian in mein Ohr. „Zumindest keine, mit der er heute Abend noch singen kann. Alisha meint, vielleicht geht es nach der Pause wieder, und dass er nicht schlecht klingt. Er sagt, dass er sich in den zu sehr verausgabt hat und seine Kehlkopfentzündung wieder aufmuckt. Wenn er weitermacht, könnte er den Abend für alle vermiesen und im schlimmsten Fall seine Gesangskarriere beenden."

Er legte eine kurze Pause ein, in der er das Gespräch belauschte. Ich konnte nichts weiter tun als dabei zuzusehen, wie Hanni seine Hände an Alishas Arme legte und beruhigend darüberstrich, bevor Damian mir weiter mitteilte: „Alisha sagt, bisher klang er toll. Er sagt, er will nicht riskieren, dass es nicht so bleibt. Sie fragt, was er vorhat."

In dem Moment schaute Hanni an Alisha vorbei, zu Rico. Ich folgte seinem Blick, erkannte, wie Rico sich aus seinem Sitzsack hob und an uns vorbeilief, um zu seinem Bruder und Alisha zu gelangen.

Ich konnte nicht hören, was sie sagten, aber, was ich sah, versetzte mich in Alarmbereitschaft. Rico stellte hinter Alisha und begann mit seinem Bruder zu diskutieren.

An sich nichts Ungewöhnliches. Es gefiel mir nur nicht, dass Alisha in der Mitte stand. Die beiden hatten schon mal die gesamte Einrichtung in Alishas Wohnzimmer zertrümmert, als sie sich auf Mikas Party gestritten hatten. Ich wollte nicht, dass Alisha endete wie die goldenen Teller ihrer Großmutter: Wertvoll, aber zerbrochen.

Als Alisha sich zu Rico umdrehte, zog Hanni sie an den Schultern zu sich, sodass ihr Rücken an seiner Brust lehnte.

Sie schaute von Hanni zu Rico, auf den Boden und schließlich zu uns.

„Gib uns ein Zeichen, wenn wir dich retten sollen", flüsterte Finn, so als könnte Alisha Lippen lesen.

Sie verzog fragend das Gesicht.

Ich versuchte es damit, ihr ein Nicken und ein Kopfschütteln zu zeigen. Nicken für: alles okay. Kopfschütteln für: Auftritt als großer böser bester Freund erwünscht.

Sie begann zu lächeln, und legte eine ihrer Hände auf Hannis.

Hanni schien es nur am Rande zu bemerken, nahm es aber als Anlass, seine Arme um ihren Hals zu schließen und sie so bei sich zu halten. Obwohl sie so aussah, als würde sie gleich ersticken, lächelte sie.

Hanni wiegte sie hin und her, während er mit Rico redete.

„Ich verstehe kaum was von dem, was Hanni sagt", meinte Damian zu mir. „Es kommt fast kein Ton mehr von ihm. Nur Gekrächzte."

Dieses Gekrächzte schien Rico genug zu provozieren, dass er seinen Bruder schubste. Hanni taumelte zurück, mit Alisha in seinem Arm. Er fing sich allerdings schnell, schob Alisha zur Seite, klatschte seinem Bruder strafend an die Wange und wedelte mit dem Zeigerfinger vor seinem Gesicht herum.

Rico schlug ihn aus der Luft und schnippte Hanni an die Stirn. Hanni trat ihm dafür auf den Fuß.

„Alter", murmelte Damian. „Die sind komplett bescheuert."

„Worüber streiten sie?"

Mein Freund hatte die Augenbrauen zusammengezogen, und lauschte gespannt. „Rico ist angepisst, weil er seinem Bruder anscheinend ständig den Arsch retten muss. Hanni hat ihn davon überzeugt, für ihn zu singen. Rico meinte, wenn ihr Vater das rausbekommt, sind sie beide am Arsch."

Wie zur Bestätigung seiner Worte, beendeten die Brüder ihr Gezanke und Mika brachte Rico in die Hinterräume. Hanni zog Alisha zurück zu sich, sagte etwas zu ihr, strich dabei ihre Haare zurecht und verabschiedete sich mit einem Kuss auf ihre Wange.

Sie stand da, bis Hanni ebenfalls hinter der Tür verschwunden war, zeigte dem Türsteher ihren Mittelfinger und kam zurück zu uns.

„Du Flittchen!", rief Finn und nahm sie in den Arm, als sie sich neben ihn setzte. „Warum hast du uns nicht gesagt, dass du was mit dem leckeren Johannes hast?"

„Weil es mich anekelt, wie du ihn nennst."

„Ist er etwa nicht lecker?", fragte Finn verwundert. „Er sieht zumindest lecker aus. Sehr lecker. Fast ein bisschen zu lecker. Für eine cis Hete."

Alisha verdrehte die Augen. „Woher willst du wissen, dass er eine cis Hete ist?"

„Uhh!" Finns Augen funkelten freudig auf. „Erzähl mir mehr."

Alisha schnippte ihm an die Stirn. Er zuckte zusammen und rieb sich mit verzogenem Gesicht die Stelle.

Sowohl Hannis Geschlechtsidentität als auch die Frage nach seiner Sexualität waren vergessen. Finn beschwerte sich darüber, wie gewalttätig Alisha sei und verlangte unserem Zuspruch.

„Also mir hat sie noch nie etwas getan", meinte Damian.

Ich stimmte zu: „Mir auch nur, wenn sie dich erwischen will."

„Also ist es was Persönliches?", fragte Finn schockiert.

Bevor er eine Antwort darauf bekommen konnte, verdunkelten sich die Lichter und die Band bezog wieder Stellung. Hanni kam durch die Tür, lief direkt zu uns und setzte sich zu Alisha in den Sitzsack. Finn nahm sofort seinen Arm von ihr und rutschte näher zu Damian und mir.

Ich wollte mir ansehen, wie Hanni mit Alisha umging, war aber zu gebannt von dem Bild, wie Rico in der Mitte der Bühne Stellung bezog und nervös in die hinteren Reihen schaute.

In der Schule hatte er kein Problem damit, vor einer Menge zu stehen und sein Ding durchzuziehen. Da genoss er die Aufmerksamkeit. Auf der Bühne kam er rüber wie ein ganz anderer Mensch.

„Also...", sagte er ins Mikro, stellte dabei fest, dass es viel zu tief war und schraubte an dem Ständer herum, bis es ihm passte. „Hanni hat letzte Nacht zu laut gestöhnt und hat jetzt keine Stimme mehr."

„Du Penner!", krächzte Hanni, was die ganze Halle zum Lachen brachte.

Rico grinste zu seinem Bruder runter. „Du stellst mich auf eine Bühne, mit Mikro und einer Menge an Leuten, die gezwungen sind, mir zuzuhören und erwartest, dass ich die Chance, dich zu blamieren, nicht nutze? Da kennst du mich schlecht, Johanna."

Hanni konnte nichts Anderes tun als seinen Mittelfinger zu Rico zu strecken. Ob er das von Alisha hatte oder sie von ihm, wusste es nicht. Es fiel aber auf, dass beide auf dieselbe Geste zurückgriffen. Sie mussten verdammt viel Zeit miteinander verbracht haben.

„Jedenfalls müsst ihr euch jetzt mit mir zufriedengeben. Wem es nicht passt, der kann auf dem Instaprofil der Band Hassnachrichten dalassen."

Er drehte sich zu Mika, weg vom Mikro, dann zurück zu Josh, bevor sie ein Lied anstimmten.

Ricos erste Töne klangen verunsichert. Ein Teil von mir gönnte es ihm richtig, sich jetzt bis auf die Knochen zu blamieren. Tatsächlich schien da allerdings doch noch genug Sympathie in mir zu sein, um zu hoffen, dass das alles nicht komplett in die Hose ging.

Ich fühlte sowohl Erleichterung als auch Verachtung, als sich herausstellte, dass Rico tatsächlich singen konnte. Je länger es ging, desto besser wurde es. Nach ein paar Songs schien es ihm zu gefallen, auf der Bühne zu stehen und diesen Songs gesanglich Leben einzuhauchen. Ja, es wirkte so als läge seine Seele in jedem seiner Töne.

Er konnte mindestens genauso gut singen wie Baskettball spielen und das, obwohl er jeden Tag für diesen Sport trainierte, seine Ernährung dafür anpasste und alles darauf ausrichtete, der beste zu sein. Dann stellte er sich unvorbereitet auf eine Bühne, hatte ein Mikro in der Hand und sang als wäre er dafür geboren worden.

Das einzige, was ich daran hassen konnte, war, dass das Jubeln aus dem Publikum sein Ego noch weiter pushte.

Hin und her gerissen zwischen meiner Abscheu und einer seltsamen Bewunderung, fragte ich Damian, was er bei Rico roch.

„Schwer zu sagen", gab er leise zurück. „Er hat was von Jenny, was dieses Aufgesetzte angeht. Ich war bisher nicht interessiert genug an ihm, um mir Gedanken darüber zu machen."

„Bisher?", fragte ich und musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.

Er schien verwundert über meine Nachfrage. „Wenn du willst, dass ich mehr auf seinen Geruch achte, mache ich das. Sonst würde ich mich lieber auf dich konzentrieren." Als wolle er seine Worte unterstreichen, zog er mich ganz nach zu sich und vergrub seine Nase in meinen Haaren.

Ich schmiegte mich an ihn und schloss für genießend die Augen. Nicht einmal die Tatsache, dass es Ricos Stimme war, die um uns herum aus Lautsprechern tönte, änderte etwas daran, wie schön sich die Nähe zu Damian anfühlte.

Ich war so dankbar dafür, dass er mir erlaubte, morgen mitzukommen. Damian schloss mich nicht mehr aus. Er ließ mich bei sich sein, auch, wenn es schwer wurde und kompliziert und gefährlich.


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