KUROARI [𝘒𝘢𝘯𝘬𝘶𝘳𝘰]

By ELIMIDA-

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KUROARI [黒蟻 Schwarze Ameise] Eine Leiche, eine Drohung und ein Zeitfenster von 90 Tagen. Ein Anonymus, der im... More

INTRO
ZERO
ICHI
NI
SAN
GO
ROKU
NANA
HACHI
KYUU
JUU

YON

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By ELIMIDA-


ASAKA


Wie lebt es sich mit einem Loch in der Brust?

»Gern.« Asaka überließ dem Suna-Nin das Feld. Ihm muss irgendetwas in den Sinn gekommen sein. Aber es wäre ... langweilig, wenn ich meinen Kopf nicht mitanstrengen müsste. Ein wissendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Mal sehen, ob mir seine Show gefällt. Ich erwarte etwas Grandioses.

»Brauch ich dir erklären, wie eine Marionette gesteuert wird?«, schallte es zu ihr herüber. Das war mehr eine rhetorische Frage. Gut für den Einstieg. Jetzt hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

»Chakura no Ito.« Die dünnen Fäden, die von seinen Fingerspitzen bis zu seinen Marionetten reichten. Das Chakra wurde besonders fein konzentriert, sodass sich ein Fremdkörper damit animieren ließ. Es musste sich dabei nicht einmal zwangsläufig um eine Puppe handeln.

»Ein schlechter Shinobi hätte eine Erklärung gebraucht.«

»Doch nicht für etwas so Offensichtliches ...« Die Kunoichi mochte es, wie Kankuro ihre Phrasen aufgriff, diese teilweise abwandelte. Er hatte ihr im Laufe des Tages immer wieder gezeigt, dass er ihr aufmerksam zuhörte und mit ihrer frechen Art zurechtkam. Auch hielt er sich an sein Versprechen. Er gab ihr insgesamt ein gutes Gefühl. Irgendwie. Außerdem hat er innerhalb kürzester Zeit meinen Trick analysiert. Ich will nicht sagen, dass ich ihn unterschätzt hab, aber ich hab nicht damit gerechnet, dass es ihm so leicht fallen würde. Er hat die Messlatte ganz schön hoch gelegt.

Der Suna-Nin griff nach der ersten Schriftrolle und breitete sie auf dem Boden aus. »Gut, dann kann die eigentliche Show ja jetzt beginnen.« Er startete mit Karasu – der Krähe. Kankuro hatte bei den Chunin-Prüfungen mit ihr eine Variante des Kawarimi no Jutsu aufgeführt. Die Technik war nicht sonderlich komplex gewesen, aber wie er sie inszeniert hatte, war Asaka im Gedächtnis geblieben. Mit was für einer Selbstsicherheit. »Über die Jahre hinweg, hab ich der Marionette diverse Upgrades verpasst. Nahezu jede Komponente beherbergt ein paar böse Überraschungen für den Gegner.« Auch jetzt hörte man den Hochmut aus seiner Stimme heraus. Mit einem Fingerzeichen aktivierte Kankuro die Schriftrolle und verband die beschworene Puppe durch filigrane Fäden mit seinem rechten Daumen, Zeige- und Mittelfinger. In die humanoide Gestalt mit den drei Augen kam Leben. Sein Zeigefinger knickte nach innen, Karasus Mund klappte auf und eine spitze in Gift getränkte Nadel kam zum Vorschein.

»Ich verwend' für meine Marionetten hauptsächlich Neurotoxine. Sasori hat mich bei unserem Kampf mit einem Gift auf Schwermetallbasis vorübergehend lahmgelegt und ich hab dieses danach näher erforscht, teilweise modifiziert. Allein, weil die Zutaten für ein Antidot in Suna nur in begrenzten Mengen vorkommen.« Er grinste. Klar, wenn man so viel mit Giften hantierte, konnte immer etwas schieflaufen. »Karasu ist für die Offensive gedacht. Aus der Distanz heraus feuert die Krähe Kunai und Senbon auf den Gegner ab. Aus nächster Nähe attackiert sie mit einer Reihe von versteckten Klingen. Es reicht, wenn die Klinge den Feind streift, da die ersten Anzeichen der Vergiftung nicht lang auf sich warten lassen.« Er erklärte ihr noch weitere Details, zerlegte die Puppe quasi in ihre Einzelteile, um genauer auf die verborgenen Mechanismen einzugehen. Es war ganz schön viel Input. Allerdings fiel der jungen Frau auf, wie energiegeladen ihr Teampartner plötzlich war. Er blühte regelrecht auf, wenn er über seine Mordinstrumente fachsimpeln durfte. Asaka war davon irgendwie angetan.

Dann war die zweite Puppe an der Reihe: Kuroari. Der verlängerte Kopf mit den roten Hörnern unterschied sie von der ersten Marionette. Auch ihr Aufgabengebiet, wie der Suna-Nin ihr schlussendlich aufzeigte: Ihr zentrales Merkmal war der ausgehöhlte Torso, in dem der Gegner eingeschlossen wurde. Sie funktionierte am besten mit Karasu im Duo. Löste man Kopf und Gliedmaßen der Krähe vom Rest, kam jeweils eine Klinge zum Vorschein, die durch Kuroaris dafür vorgesehene Öffnungen gesteckt wurde. Kurohigi Kiki Ippatsu. Ein schmerzhafter Tod ... und eine ziemlich gute Falle, wie die Kunoichi fand. Mit einem Manko.

»Du bist zu langsam. Bis die Falle zuschnappt, vergeht Zeit, in der der Gegner einen Ausbruch vorbereiten kann.« Die einzelnen Schritte müssen beschleunigt werden. Vielleicht auch nur der Erste, da er sich dann weniger damit beschäftigen muss, den Gegner erst einzufangen. Desto mehr Hektik, desto weniger Kalkül. Der Grund, warum meine Feinde meist ins Messer laufen, statt zur Seite hin auszuweichen.

»Was schlägst du vor?« Interesse blitzte in seinen Augen auf.

»Zuerst muss der Bewegungsradius des Gegners reduziert werden. Direkter Wechsel in die Kurzdistanz. Dafür eignen sich meine Spiegel gut. Welche, die einen geringeren Härtegrad aufweisen, da ich so großflächiger arbeiten kann, ohne viel Chakra zu verbrauchen. Außerdem sind die Scherben ebenfalls sehr nützlich. Du kannst in der Situation auch Kemuridama einsetzen, da ich außer Reichweite wär'. In jedem Fall wird der Gegner aufgescheucht, was dir einen Vorteil verschafft, da du so noch mehr vom Überraschungsmoment profitierst und in einer – für dich – optimalen Distanz kämpfst.«

»Hmm ...« Ein weiteres Grinsen stahl sich auf seine Züge. Dieses war speziell. »Mir gefällt, wie du an die Sache herangehst.« Nach einer dramaturgischen Pause, in der aus dem Grinsen ein fast schon warmes Lächeln wurde: »Sehr sogar.«

»Um ... also das kann ich nur zurückgeben.« Asaka schaute auf ihre Nägel. War irgendwo der Lack abgeblättert? Ein Anflug gekünstelter Panik. Hatte er ihr gerade ein Kompliment gemacht? Er hatte jedenfalls nicht von ihrem Aussehen gesprochen und sie damit komplett kalt erwischt. Mindestens genauso überfordert mit der Situation hatte er sich die dritte Schriftrolle geschnappt. Zurück zum Thema. Gut so. Vielleicht.

»Eigentlich wär' nun Sanshōuo dran, aber ich habs mir spontan anders überlegt. Ein Meister des Marionettenspiels passt sein Programm an den Zuschauer an.« Er war wieder komplett in seiner Rolle drin. Der Wechsel war ihm vermutlich deswegen so leicht gefallen, weil jetzt etwas kam, worauf er sehnsüchtig gewartet hatte. Sein Finale? Dann muss diese Puppe ja irgendwie besonders sein ... »Akasuna no Sasori!«

HUH! Was?

Und Tatsache, er beschwor Sasori. Oder etwas, was Sasori sein könnte, aber nicht Sasori war, da es sich offensichtlich um eine Marionette mit einem hautähnlichen Überzug und einem Loch in der Brust handelte. Das menschenähnliche Objekt passte überhaupt nicht zu Kankuros restlicher Kollektion. In Sasoris Bauchraum war eine Kabelspule installiert worden. Das drumgewickelte Kabel war – wie zu erwarten – zuvor in Gift getränkt worden. Genauso wie die am Rücken befestigten Klingenblätter, die in rotierenden Bewegungen – einem Propeller gleich – ausschwangen. Der Suna-Nin hatte die Puppe zusätzlich mit einem Kikō Junbū ausgestattet.

Asaka war fasziniert. Auf ein solches Finale war sie nicht vorbereitet gewesen. Sasori hat ihn vergiftet und jetzt benutzt er ... Nein, das muss er mir ein anderes Mal in Ruhe erklären. »Jedenfalls ein überraschendes Finale ...«, murmelte sie so vor sich hin. Sie trat näher an die Marionette heran, musterte sie von allen Seiten. Die Kunoichi hatte ein komisches Gefühl, als wäre das doch irgendwie der echte Sasori. Kankuro war ihr auf jeden Fall eine Erklärung schuldig. Und sie verstand langsam, welche Art von Falle ihm in den Sinn gekommen war, als er ihr Jutsu gesehen hatte.

»Ich weiß.«

»Du verstehst dein Handwerk«, merkte die junge Frau an. Jetzt hatte er sich ihren Respekt verdient. Wer auf diese Weise eine Nahtoderfahrung verarbeitete, konnte keine langweilige Person sein. »Abgesehen davon, ganz schön grausam, was du mit deinen Gegnern anstellst. Du legst dich richtig ins Zeug ...« Keck fügte sie hinzu: »Ob du's glaubst oder nicht, ich mag das.«

»Ach, wirklich?« Kurzzeitig schien ihr Teampartner erleichtert. Die Erleichterung wurde schnell verdrängt von der gewohnten Hybris. »Dann wird dir diese Idee hier bestimmt noch mehr gefallen ...«

Er setzte sie über sein Vorhaben in Kenntnis. Ihr erster Gedanke war: »Klingt nach einer Menge Arbeit, aber an etwas in der Art hab ich tatsächlich auch gedacht. Ich bin mir nur nicht sicher, ob 3 Monate reichen werden.« Eine Erinnerung daran, dass diese Mission terminiert war. Sowie die Zusammenarbeit mit dem Suna-Nin. Danach würden sich ihre Wege zwangsläufig trennen. Und spätestens dann, müsste sie sich wieder mit ihrem Gewissenskonflikt auseinandersetzen. Würde das die ganzen nächsten Jahre so weitergehen? Ein Glück, dass Shinobi in der Regel nicht sonderlich alt werden ... Da war sie, die Verbitterung. Selbst wenn sie alt wurde, würde sie sich dann noch selbst ausstehen können?

»Nein, aber dafür hab ich bereits einen Notfallplan.«

»Ja?«

»Das wird dir vermutlich überhaupt nicht gefallen, doch in einer Ausnahmesituation könnte das unser stärkster Trumpf sein.« Jedes Wort war mit Bedacht gewählt worden. Es war ihm ernst. »Gewissermaßen geht es um dein Kekkei Genkai. Mir gefällt dieser Gedanke auch nicht. Selbst ich hab ein Gewissen, aber ...«

»Wir sind Shinobi.«, beendete sie seinen Satz. »Ich verstehe.«

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Sie holten das Beste aus der Zeit heraus, entwickelten verschiedene Strategien, gingen alle möglichen Szenarien durch. Dabei stellte sich heraus, dass sich der Suna-Nin und Asaka nicht nur in der Theorie gut ergänzten. Er war ganz nett. Wobei sich ganz nett sogar irgendwie falsch anhörte, dafür, dass es fast schon zu etwas Normalem geworden war, dass sie mittags zusammen aßen, dann trainierten und insgesamt den Großteil des Tages aufeinander hockten. Sie hörte ihm gern zu. Er war nicht diese Art von Person, die nach zwei Sätzen auserzählt war. Das Nachbohren lohnte sich. Kankuro war ... interessant.

Sogar so interessant, dass sie das Drumherum vergaß. Sie gab sich immer noch mit dem Nötigsten zufrieden, auch wenn sie den Marionettenspieler fragen könnte, wo sie in Suna eine bessere Unterkunft finden würde. Schließlich hatte er die ganzen Kontakte. Er kannte sich aus. Aber so verging eben eine weitere Nacht, die sie da – mit einem Lächeln im Gesicht und einem Loch in der Brust – auf ihrem nicht ganz so bequemen Futon in suboptimaler Liegeposition lag. Trotzdem würde sie gut schlafen.

Und das tat sie auch, nur um dann am nächsten Morgen zu erfahren, dass die Analyseergebnisse da waren und sie endlich eine Spur hatten, der sie nachgehen konnten. Der Suna-Nin und sie würden also höchstwahrscheinlich demnächst in ein anderes Dorf aufbrechen. Allerdings mussten noch ein paar Sachen im Vorfeld geklärt werden. Dafür traf Asaka ihren Teampartner auf dem Weg zum Büro des Kazekage. Natürlich trug er wieder sein Make-up und die Kunoichi fragte sich, wie er wohl ohne aussehen würde. Sie mochte, wie er die Akzente setzte. Er wusste, welche Bereiche er betonen musste und ihm stand die Farbe wirklich gut. Außerdem konnte er darunter nicht hässlich sein, da er sonst neben ihr aufgefallen wäre. Das spielte aber alles keine Rolle mehr, weil Kankuro nebenbei erwähnte, dass sie mit dem Kazekage höchstpersönlich sprechen würden. Für ihn war das auch keine große Sache. Gaara war sein Bruder, doch Asaka hatte immer noch die Chunin-Prüfungen im Kopf und es fiel ihr schwer, dieses vorgefertigte Bild komplett zu ihrem Gedächtnis zu löschen. Selbst wenn sie wusste, dass Gaara sich verändert hatte und jetzt der Kazekage war.

»Ist irgendwas?«

»Ich überleg, ob deine Geschwister mich mögen würden.«

»Warum?« Er war stehen geblieben. »Gut, Temari musst du wahrscheinlich etwas Zeit geben, schließlich hast du sie damals nicht gewinnen lassen, aber um Gaara würd' ich mir überhaupt keine Gedanken machen.«

»Sicher? Ich mein, normalerweise find ich mich damit ab, dass ich nicht jedem gefallen kann, und ich will das auch gar nicht. Nur ...« Ihr fiel keine schlaue Begründung ein. »Ach, egal! Wird schon ...« Die junge Frau richtete ihr Stirnband, guckte, ob alles an der richtigen Stelle saß. Sie musste optimistisch sein. Außerdem hatte Kankuros Bruder sich um die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis gekümmert. Die Mission war damit quasi genehmigt worden. Sie musste sich also wirklich keine Gedanken machen, konnte sich ihre Gehirnkapazitäten für den Fall aufsparen. Die Papieranalyse hatte sich tatsächlich gelohnt. Etwas, womit keiner mehr so richtig gerechnet hatte, nachdem die Obduktion nichts Neues zustandegebracht hatte.

»Genau. Wird schon. Außerdem bin ich auch noch da.« Ein vor Selbstbewusstsein strotzendes Lächeln. Den letzten Satz hatte er sich wahrscheinlich schon vor ein paar Tagen zurechtgelegt gehabt. Schließlich hast du ja jetzt MICH ... War klar, dass er diese Aussage irgendwann kontern würde und lediglich auf das perfekte Timing gewartet hatte. Asaka verdrehte die Augen, erwischte sich aber dabei, wie sie das Lächeln erwiderte, oder es zumindest versuchte. Ihre Mundwinkel wollten den Zenit nicht erreichen. Er ließ immer noch keine Gelegenheit verstreichen – das sollte sie mittlerweile gelernt haben. Eigentlich.

Der Suna-Nin setzte sich wieder in Bewegung, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Kunoichi sich einigermaßen gefasst hatte. Am Ende musste sie die Sachen auf sich zukommen lassen. Sie war ein Kiri-Nin, aber für Kankuro war das okay. Dann war es das vielleicht auch für den Rest. Gut, der letzte Gedanke hatte es nicht besser gemacht ... Nicht, wenn es gleich zu einer Konfrontation kommen würde.

Vorm Büro des Kazekage blieben sie noch einmal auf Kankuros Wunsch hin stehen. Direkter Augenkontakt. Das Plateau von Asakas Schuhen sorgte dafür, dass sie sich auf einer Höhe befanden. Eine seltsame Spannung lag in der Luft. Vielleicht war es aber auch nur sein ernster fast schon besorgt wirkender Blick. Ein wenig machte es ihr Angst, dass er sie so schnell durchschaute, und das nicht nur bei den gemeinsamen Trainingssequenzen. Er las in ihr wie in einem verdammten Buch. Natürlich war das Thema nicht durch für sie. Da war noch ein Rest Unsicherheit. Der Wunsch, nach einem richtigen Zuhause, was Suna niemals für sie sein würde, weil sie hier einfach nicht hergehörte. Dann konnte es ihr auch egal sein, ob die Leute sie akzeptierten. Warum war es ihr aber nicht egal? Was brachten Wünsche, die niemals in Erfüllung gehen würden? Man machte sich nur selbst unglücklich damit. Deswegen mochte sie keine Sentimentalitäten. Dieses irrationale Gedankengut, das immer wieder in ihrem Kopf aufploppte.

Scheinbar sah man ihr an, dass ihre Stimmung weiter kippte, denn der Suna-Nin zwinkerte ihr aufmunternd zu, ehe er das Wort ergriff: »Du kannst wirklich nichts falsch machen. Sei einfach so, wie du jetzt auch bist.«

Das war ... Das war irgendwie lieb von ihm, dass er das sagte, aber ... Sie errötete. »Den Rat hör ich selten. Normalerweise sagt man mir, dass ...«

»Ich weiß«, fiel er ihr ins Wort. »Du sollst dich hier aber wohlfühlen und das funktioniert schlecht, wenn du dich erst verstellen MUSST. In eine Rolle schlüpft man freiwillig, weil man Spaß am Spiel hat, und nicht, weil man dazu gezwungen wird.«

»Ich ...«

»Das ist der Grund, warum ich die Schminke trage. Ich brauch nichts verstecken und deswegen tue ich's.«

Die Kunoichi schluckte.

»... aber mein Bruder wartet schon auf uns.« Er brach als Erstes den Blickkontakt ab.

»Natürlich.« Sie nahm sich seine Worte zu herzen. Sie berührten sie. Er sprach von einer Art der Freiheit, die sie nicht überforderte. Mit dem Ziel, irgendwann in ihrem Leben einmal so frei zu sein, stolperte sie quasi ins Büro des Kazekage. Da sie ein guter Shinobi war, schaltete sie automatisch in den richtigen Modus um.

Vier Augenpaare waren auf sie gerichtet. Der Kazekage wurde von zwei Personen flankiert, denen Asaka zuletzt bei den Chunin-Prüfungen begegnet war: Temari und Baki, welcher den Bericht mit den Analyseergebnissen in der Hand hielt. Kankuros Schwester schien als einzige Person im Raum, überrascht zu sein, die Kunoichi hier zu sehen, aber es machte noch nicht Klick bei ihr. Der Marionettenspieler hatte also mit allen Anwesenden – außer mit ihr – gesprochen. Oder aber: Er hatte ihr nur das gesagt, was sie wirklich wissen musste. Letzteres schien Asaka wahrscheinlicher. Auch in Anbetracht dessen, dass er bereits mehrfach seine Teamzusammenstellung vor irgendwem hatte rechtfertigen müssen. Zumindest war das so bei ihr durchgesickert. Sowas machte einen müde. Selbst der Schönheitsschlaf half dann nicht mehr.

Die schmalen Lippen zu einem noch schmaleren Strich zusammengepresst, suchte die Blondhaarige den Verantwortlichen für das – in ihren Augen – nahende Desaster. Ihr Blick blieb auf Kankuro hängen, dem eine Schweißperle übers Gesicht lief. »Bist du komplett bescheuert? Ich dachte, sie wär' aus Konoha. Wozu haben wir Verbündete ... Kankuro, du bist so ein Idiot, weißt du das eigentlich ...« Eine Hand in die Hüften gestemmt, schüttelte sie tadelnd den Kopf. Er schien es gewohnt zu sein, von ihr als Idiot betitelt zu werden. Auch der Kazekage zeigte sich unbeeindruckt davon. Die Dynamik zwischen den Geschwistern hatte sich stark verändert. Das war Asaka schon aufgefallen, als sie den Raum betreten hatte. In Temaris Stimme schwang trotz der Zurechtweisung eine liebevolle Komponente mit. Sie sorgte sich um ihre Brüder. Trotzdem war ihr Grund zur Sorge die Kunoichi aus Kirigakure, welche anwesend war und es nicht sonderlich mochte, wenn über sie, statt mit ihr gesprochen wurde. Zumal es keinerlei Begrüßung oder dergleichen gegeben hatte.

Asaka überlegte, ob sie sich einmischen sollte. Allein schon, um ihre Identität aufzudecken. Vielleicht sollte sie es aber nicht auf die direkte Art tun. Ihre Spitzzüngigkeit war nur weiteres Kanonenfutter. Nichtsdestotrotz: Auch ohne provokanten Spruch stand ihrem Teampartner ein Donnerwetter bevor. Dass es in Gaaras Beisein passieren musste, war suboptimal. Warum hatte er Temari dann aber nicht direkt aufgeklärt, wenn sie sich aufgrund der prekären Lage sowieso ständig in seiner Nähe aufhielt? Dinge, die man wahrscheinlich nur verstand, wenn man selbst Geschwister hatte.

Sie ging auf die Blondhaarige zu. Eigentlich hätte sie schon ihr Lippenstift verraten müssen. Den hatte sie bereits als Genin getragen, was zusammen mit der Wimperntusche ein wenig albern ausgesehen hatte, schließlich war sie da gerade einmal 12 Jahre alt gewesen. Um auf sich aufmerksam zu machen, hob sie ihre rechte Hand. Der Bluff hatte bei Kankuro nicht funktioniert, Temari dagegen wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. Es dauerte exakt zwei Sekunden, bis die Bombe platzte.

»KANKURO?!«

Der Suna-Nin hatte Asaka seine Mordinstrumente gezeigt, doch gegen Temari hatte er nichts in der Hand. Jedoch änderte das nichts daran, dass er zu seiner Entscheidung stand: »Ich hab's mit Gaara besprochen und ich weiß, wie riskant die Sache ist. Vertrau mir einfach!« Auch er war jetzt zum Ende hin lauter geworden. Gaara sagte nichts dazu. Saß stumm da und beobachtete das Geschehen mit einem fast schon melancholischen Gesichtsausdruck.

»Was soll das? Ich hab zwei Brüder und keiner sagt mir was ... Woher willst du überhaupt wissen, ob man ihr vertrauen kann?« Missbilligend rümpfte sie die Nase. Asaka merkte ebenfalls, wie ihr Blut in Wallung geriet. Das Misstrauen konnte sie sogar noch irgendwo verstehen, aber es wäre weniger stark ausgeprägt, wenn da nicht auch der verletzte Stolz aus ihr sprechen würde.

»ICH vertraue ihr!«

»Wieso ... Kankuro!«

»Aus dem einfachen Grund, dass ...«

Asaka konnte nicht länger schweigend danebenstehen. Kankuros Worte im Ohr: Sei einfach so, wie du jetzt auch bist. Sie würde sich ein einziges Mal vor versammelter Mannschaft positionieren und damit war das Thema dann hoffentlich vom Tisch. »Wisst ihr, ich bekomm für diesen Job kein Geld. Eher mach ich Verlust. Dafür, dass ich womöglich mein Leben riskiere – kein guter Deal. Aber das haben Shinobi-Missionen halt so an sich ...« Sie wartete auf eine Reaktion der Anwesenden, bevor sie ihren Punkt weiter ausformulierte: »Ich tue das also aus einem persönlichen Grund.« Weil ich für eine Weile in Suna bleiben kann und ... »Weil ich helfen möchte!« Ja. Sie wollte insbesondere ihm helfen. Das hatte sich in den letzten Tagen so herauskristallisiert, weil er sie willkommen hieß, in ihrem Tun bestärkte. Dafür wollte sie sich revanchieren. Es war menschlich von ihr. Nicht nur ihr Kopf hatte sich dieser Angelegenheit verschrieben.

Stille.

»Siehst du, Temari. Deshalb vertrau' ich ihr.«

Augenblicklich wandelte sich die Miene der Blondhaarigen und ein charmantes Lächeln machte sich auf ihren Zügen breit. Dieses spezifische Lächeln kannte Asaka bereits von Kankuro. Es hatte etwas Einnehmendes. »Immerhin scheint sie taff zu sein.« War ich schon immer. Eventuell aber jetzt erst recht.

»Genug.« Der Kazekage war eingeschritten. Baki, der sich bisher im Hintergrund aufgehalten hatte, trat hervor und schlug die Mappe mit dem Bericht auf. Ein klares Zeichen für Asaka, dass sie sich jetzt konzentrieren musste. Ihre Stärke lag im logischen Denken. Damit würde sie glänzen. Wenn sie aufmerksam lauschte und sich in die Perspektive des Täters hineinversetzte.

»Kazekage sama, darf ich?«

»Ja.«

»Wir haben das Papier im Labor untersuchen lassen: handgeschöpftes Torinoko-Kozu-Papier. Dieses wurde in einem Dorf in Mizu no Kuni hergestellt, da sich der Ursprung der Zellfasern genaustens zurückverfolgen ließ. Die zuständige Manufaktur – ein Familienbetrieb – hat allerdings vor einiger Zeit dichtgemacht. In dem Dorf werden nur noch die Restbestände verkauft. Preis und Wert sind so natürlich gestiegen. Ein solch wertvolles Papier zu verwenden, ist impertinent.« Er seufzte. Es wirkt so, als würde die Person, die hinter all dem steckt, wollen, dass wir diesem Hinweis nachgehen. Würde unser Gegner unsauber arbeiten, dann wäre bereits bei der Autopsie etwas bei rumgekommen. »Das ist wahrscheinlich eine Falle.« Genau! Eine offensichtliche Falle. Möglicherweise ist das der Punkt.

»Falle oder nicht Falle, wir müssen irgendwas tun«, sagte Kankuro, die Stirn in Falten gelegt.

»Richtig, nur dürfen wir nichts überstürzen. Unser Gegner ist hochintelligent. Wenn wir das vergessen, könnte das große Konsequenzen für Kazekage sama haben.«

»Aber was ist, wenn unser Gegner genau darauf setzt? Dass wir hier stehen und uns den Kopf zerbrechen ...« Asaka sortierte in ihrem Kopf noch einmal alle Puzzleteile, die sie bis jetzt gefunden hatten. »Der Vogel könnte nichts weiter als ein dramaturgisches Mittel sein und dennoch wurde für ihn eine eigene Obduktion angeordnet. Zeigt das nicht, dass wir uns mit Banalitäten befassen? Was sind schon 90 Tage ... 3 Monate, um verrückt zu werden? Die Falle ist in Wahrheit überall. Unser Feind demonstriert seine Macht durch ...«

»Das Eindringen in unsere Gedanken«, beendete Kankuro ihren Satz. Und er war schon in seinem Kopf drin gewesen. Die Tür steht nach wie vor offen.

»Das kann sein ...« überlegte nun auch Gaara. Er musterte die Kunoichi. Ihre Theorie war relativ weit hergeholt, konnte aber nicht direkt widerlegt werden. Das war das Problem. Und wenn sie den Faden weiterspann, dann passten immer mehr Details. Ihr Teampartner war leider das perfekte Beispiel dafür. Aus Sorge um seine Geschwister könnte er nicht nichts tun –, würde hirnrissige Entscheidungen treffen, wenn man ihn zum Stillsitzen verdonnern würde. Sie hatten also nur dann eine Chance, wenn sie Risiken im Vorfeld miteinkalkulierten und Kontermethoden entwickelten. Das, was sie im Endeffekt schon taten. Nur auf kein spezifisches Szenario zugeschnitten.

»Wir sollten jede Chance nutzen, um den Unbekannten zu stellen. Ich will mit meinem Team aufbrechen.« Da hatte sie ihren Beleg. Er würde sich nicht aufhalten lassen. Dann war es definitiv besser, wenn er nicht allein loszog. Auch weil sie so eventuell tatsächlich eine Chance bekämen, sich ihrem Feind in den Weg zu stellen. Als eingespieltes Team.

»Kankuro ...« Temari biss sich auf die Lippe.

»Nein, ich seh das auch so.« Gaara ließ sich von Baki die Mappe reichen und überflog selbst noch einmal den Bericht. Nicht, ohne sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. »Es ist meine Aufgabe, dieses Dorf zu beschützen. Dieses Team wurde für diese Mission ins Leben gerufen, damit wir den Gegner eventuell auswärts stellen können.« Natürlich. Der Kazekage würde sich genauso Vorwürfe machen, wenn er nichts unternehmen würde, um die Sicherheit seines Dorfes zu gewährleisten. Ein Attentäter sorgt für Angst und Unruhe.

Es stand also fest. Asaka würde mit dem Marionettenspieler losziehen. Allerdings würden sie noch ein paar Tage warten und sich einen konkreten Plan zurechtlegen. Das Treffen wurde aufgelöst. Kaum hatten sie das Büro des Kazekage verlassen, stupste Kankuro Asaka mit dem Ellenbogen an. »Hast du gut gemacht.«

»Was meinst du?«

»Na das hier.«

»Danke ... Ich hab versucht, deinen Tipp zu befolgen.«

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