Neonlight Shadows - Aufbruch

By Bobby_Andrews

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|SHORTLIST ONC 2024| |DYSTOPIE| Im Schatten der glitzernden Neonlichter von Nightvale, der letzten Festung de... More

Vorwort
Prolog
1 | In the Shadows
2 | Nex-On Industries
3 | Im Labor von Med-On
4 | Wo das Neonlicht Schatten wirft
5 | Inferno
6 | Küchentischgespräche
7 | Spiel mit dem Feuer
8 | Der geheime Pakt
9 | Der Bug im System
10 | Netz-Werken
12 | Spiel im Schatten
13 | Klärende Gespräche
14 | In letzter Sekunde
15 | Abhörsicher
16 | Der unbekannte Soldat
17 | Die Demonstration
18 | Elsie
19 | Muttergefühle
20 | Auf welcher Seite wirst du stehen?
Epilog
Asthetics und Charaktersammlung
Nachwort
Hörprobe

11 | Im Untergrund

65 15 30
By Bobby_Andrews

Während sie die steilen Stufen zur Unterwelt hinunterstiegen, dachte Julien noch einmal an den Morgen, als Aria noch etwas verschlafen aus seinem Schlafzimmer in die Küche gekommen war. Er hatte bereits Kaffee gemacht und den Tisch gedeckt, als er von dem Anblick, der sich ihm bot, gefesselt wurde. Aria hatte sich ein Shirt von ihm geliehen, das ihr nur knapp bis über den Po reichte. Als sie nun, mit wirren Haaren und die langen nackten Beine auf den Boden setzend, auf ihn zugekommen war, war er für einen Moment sprachlos gewesen. Nur ihr sanft gehauchtes „Guten Morgen" hatte ihn aus seiner Starre geholt.

„Wir sind gleich da", hörte er nun ihre Stimme und hielt sich in der Dunkelheit noch ein wenig fester an ihrer weichen Hand fest. Nur für alle Fälle.

Die Dunkelheit trat allmählich zur Seite und machte dem dämmrigen Licht des Untergrunds Platz. Ihre Schritte hallten gedämpft in dem schmalen Gang, der sie nach ein paar Metern zu einer verschlossenen Tür führte. Aria klopfte in einem bestimmten Rhythmus und wartete auf Einlass. Jede Sekunde kam Julien wie eine halbe Ewigkeit vor, während er sich in der Enge des Tunnels zunehmend unbehaglich fühlte. Unbewusst klammerte er sich instinktiv an Arias Arm, die ihn mit einem mitfühlenden Blick bedachte.

Eine Klappe im oberen Teil der Tür wurde geöffnet, und eine dunkle Frauenstimme drang heraus. „Wofür kämpfst du?"

Für einen Moment herrschte Stille, bevor Aria mit fester Stimme antwortete: „Für Freiheit und Gerechtigkeit. Und ich habe Besuch mitgebracht!" Die Tür schwang knarrend auf, und Aria betrat den Raum ohne Zögern. Julien zog sie entschlossen mit sich, bereit, ihn den Rebellen vorzustellen.

„Aria!" Eine kleine Frau mit schwarzen schulterlangen Rastazöpfen fiel der Ärztin freudig um den Hals. „Schön, dass du hier bist! Ich habe erst morgen mit dir gerechnet."

„Nova, meine Liebe", lächelte Aria und besah sich ihre Freundin. Nova Nightingale war eine begabte Hackerin und Technikerin, die Aria und die Shadow Soldiers bei ihren digitalen Operationen schon oft unterstützt hatte. Sie hatte einst selbst unter der Tyrannei von Nexor und seinem Gefolge gelitten und ihre Familie war irgendwann freiwillig in den Schatten verschwunden.

Nova hatte sich schon früh der Rebellion angeschlossen und sich vor einigen Monaten unbemerkt in das Personendatenregister der Stadt gehackt. Dort waren alle Daten zu allen Personen gesammelt, die in Nightvale lebten oder gelebt hatten. Abzüglich derer, die im Untergrund geboren worden waren, und das waren in den letzten Jahren einige gewesen. Über diese „Schattenkinder" führte die Hebamme Maren genauer Buch, um den Überblick über die Babys nicht zu verlieren.

„Wen hast du denn da mitgebracht?", wollte Nova neugierig wissen und schaute an Aria vorbei zu Julien. Ein wissendes Lächeln legte sich um ihre vollen dunkelroten Lippen. Neckisch zog sie eine schmal gezupfte Augenbraue nach oben. „Ist das ‚Der Doktor'?", fragte sie grinsend. Aria warf ihr einen warnenden Blick zu.

„Das ist Dr. Julien Noir, mein Chef!", betonte sie etwas zu hart, um Nova zu verstehen zu geben, dass ihre privaten Anspielungen hier unpassend waren. Natürlich hatte sie ihrer Freundin schon von ihrem Doktor erzählt und Nova war selbstverständlich das Leuchten in Arias Augen aufgefallen, wenn sie von ihm sprach. Er sah ja auch nicht schlecht aus, mit seinen grauen Schläfen und dem breiten Kreuz. Er hatte ein nettes Gesicht und wache Augen, die sich in diesem Moment etwas unsicher im Raum umsahen.

„Wieso zeigst du ihm nicht den Krankenraum? Da wird er sich sicherlich mal nützlich machen können", schlug Nova vor und setzte sich gleich an ihren Rechner, um den Doktor im Personenregister zu suchen. Nun hatte sie ja endlich seinen vollen Namen. Und es war eine ganz normale Sicherheitsvorkehrung. Naja, ein wenig neugierig war sie auch.

Aria griff nach Juliens Hand und lächelte ihm aufmunternd zu. "Komm, ich führe dich ein wenig herum", sagte sie und Julien ließ sich von ihr führen, während sie durch die Räume wanderten, die wie Perlen an einer langen Schnur hintereinander aufgefädelt waren. Julien konnte nicht umhin, zu bemerken, wie die Enge des Tunnels und die rustikale Atmosphäre der Unterwelt eine gewisse Mystik und Geschichtsträchtigkeit ausstrahlten. "Dies muss einmal ein alter Bahntunnel oder ein Abwassersystem gewesen sein", dachte er, als sie weiter durch den engen Gang irrten.

Hinter einer Kammer voller selbstgebauter Waffen wie Zip-Guns – bestehend aus Rohrteilen, Federn und Schlagbolzen-, simplen Steinschleudern, improvisierten Blasrohren, sowie einer Vielzahl von Schlag- und Stichwaffen aus Holz, Metall und sogar Knochen, die ordentlich in hohen Regalen lagerten, erreichten sie das Herzstück des Widerstandes. Der Überwachungsraum, obwohl klein, war äußerst gut organisiert. Mehrere Monitore waren an den Wänden angebracht, die verschiedene Bereiche des Untergrunds zeigten. Die Bildschirme flackerten leise vor sich hin und warfen flüchtige Schatten auf die Gesichter der Personen im Raum.

In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch, auf dem Karten, Pläne und Dokumente ausgebreitet waren. An diesem Tisch saßen einige Rebellen, ernst und fokussiert, während sie über Strategien und Einsätze diskutierten. Einige von ihnen trugen Funkgeräte, um mit den anderen Widerstandskämpfern in Verbindung zu bleiben. Aria winkte ihnen kurz zu, um sie nicht zu unterbrechen und schlich dann mit Julien weiter den Raum entlang.

Hinter der nächsten Tür lag eine Verpflegungsküche, in der man etwas Essen, und sich austauschen konnte. Doch dahinter befand sich der Raum, den der Doktor wohl am interessantesten finden würde. Aria hatte gerade die Tür zum Krankenzimmer geöffnet, als von der anderen Seite des Raumes mehrere Menschen hineinstürmten. "Legt ihn hierhin!", hörte sie eine bekannte Stimme rufen, gefolgt von der drängenden Frage: "Wo ist der verdammte Arzt?"

Wilde Hektik brach aus, als ein Mann ein paar Handtücher von der Liege fegte und einen Verletzten dort ablegte, einen Pfeil aus seinem Rücken ragend. Der Geruch von Blut und Angst lag schwer in der Luft, während sich die Anwesenden hastig um den Verletzten scharten. "Zieh ihn doch einfach raus", hörte Aria jemanden verzweifelt sagen. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, hörte sie Julien neben sich sprechen, klar und bestimmt: "Lasst den Pfeil stecken! Ich übernehme!"

Einige Gesichter wandten sich überrascht zu dem Mann um, den niemand von ihnen kannte, doch dann erblickten sie Aria. Ein Nicken von Thalia Twilight genügte, und man bot Julien seine Hilfe an.

Julien war in seinem Element. Trotz des Chaos um ihn herum blieb Julien ruhig und konzentriert. Mit geübten Händen begann er sofort mit der Versorgung des Verletzten, während er klare Anweisungen an die Anwesenden gab. Sein professionelles Auftreten und seine Entschlossenheit brachten einen Hauch von Ordnung in die unvorhergesehene Situation, und langsam, aber sicher kehrte eine gewisse Ruhe in den Raum zurück, während sie gemeinsam daran arbeiteten, das Leben des Verwundeten zu retten.

Erst als die Blutung gestillt und der Verletzte in einen unruhigen Schlaf gesunken war, legte sich eine kurze Stille über den Raum, die von der dumpfen Atmosphäre des Untergrunds durchdrungen war.

Aria zog sich die Gummihandschuhe von den Händen und legte anerkennend ihre Hand auf Juliens Schulter. Sie konnte nicht verbergen, dass ein gewisser Stolz sie in diesem Moment durchflutete. Stolz auf sich selbst und ihr Team, das so schnell und effektiv reagiert hatte. Doch vor allem auf Julien, der die Situation mit bemerkenswerter Ruhe und Geschicklichkeit unter Kontrolle gebracht hatte.

"Das ist Dr. Julien Noir", sagte sie mit einer gewissen Ehrfurcht in ihrer Stimme, die die Bedeutung seiner Anwesenheit unterstrich. "Er ist der Arzt, von dem ich euch schon erzählt habe."

Die Augen der Rebellen wandten sich Julien zu, und einige von ihnen murmelten Anerkennung oder Dank. Thalia Twilight trat vor, ihre Miene ernst, aber anerkennend. "Willkommen bei den Shadow Soldiers, Doktor", sagte sie mit einer Stimme, die Autorität und Respekt ausstrahlte. "Wir sind dir dankbar für deine Hilfe und deinen Mut."

Julien nickte knapp, sein Blick ruhte auf dem Verletzten, dessen Gesicht vom Schmerz und der Erschöpfung gezeichnet war. „Was ist passiert?", wollte er instinktiv wissen.

„Ein hinterhältiger Angriff", antwortete Thalia knapp und richtete ihr Wort dann an die Ärztin. „Aria, kann ich dich kurz sprechen?"

In einem Winkel des Raumes, wo das schwache Licht der Glühbirnen nur gedämpft auf die raue Betonwand fiel, fanden sich Thalia und Aria für ein Gespräch unter vier Augen zusammen.

"Können wir ihm vertrauen?", fragte Thalia leise, ihre Augen voller Zweifel. Aria zögerte keinen Moment, bevor sie antwortete.
"Ich würde ihm mein Leben anvertrauen", sagte sie mit fester Überzeugung in ihrer Stimme. Thalia nickte.
„Das dachte ich mir", meinte sie zufrieden und wandte sich dann einige Meter entfernt wieder einem großen Mann zu, dessen blonde Mähne in einem dicken Haarzopf am Hinterkopf zusammengehalten wurde. Seine Haut war über und über mit Tattoos und Narben übersät, die an vielen Stellen nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren. Wahrscheinlich waren einige der schwarzen Zeichen eigens aus dem Grund gestochen worden, um eben diese Narben zu überdecken. Trotzdem trug Silas Shadowstrike seine Wunden des Kampfes mit Stolz.

Aria beobachtete die Anführerin der Rebellen und ihren stärksten Krieger, die über den Vorfall zu sprechen schienen. Sie konnte die beiden nicht verstehen, doch sie hing aufmerksam an ihren Lippen und verstand, dass dieser Mann auf der Liege keiner von ihren Leuten zu sein schien. Ein Gefangener? Ein Spion? Oder ein Verbündeter. Darüber schienen sich Thalia und Silas noch nicht einig zu sein, wenn man ihre Körpersprache den Wortfetzen hinzufügte. Plötzlich drehte sich Silas Kopf der Ärztin zu, und sie fühlte sich ertappt.

Bewusst freundlich lächelte sie dem Krieger zu und erntete ein ebenso freundliches Lächeln. Sie war froh, dass er Teil des Widerstandes war. Sie wusste, dass sie jede Person in ihren Reihen brauchten, vor allem solche, die wussten, wie man kämpft und die fit waren, um etwas zu bewirken. Die armen Menschen, die wie Willais und Elsies Mutter im Untergrund dahinvegetierten, konnten sich nicht mehr selbst wehren. Es lag an den Starken und Entschlossenen, für sie einzutreten und für eine bessere Zukunft zu kämpfen.

Elsie! Sie musste unbedingt zu dem kleinen Mädchen. Am besten noch heute. Und sie würde Julien mitnehmen. Wo er schon mal hier war. Ihre Augen suchten den Raum ab, doch sie fanden den Doktor nicht. Aria löste sich aus der Ecke, in der sie stand, und bahnte sich einen Weg zwischen den Menschen hindurch, sogar in die angrenzenden Räume. Doch der Doktor blieb verschwunden, als wäre er in den Schatten des Untergrunds verschluckt worden.

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