Unsichtbar

By Weenaz

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Auf der Flucht vor den Hexenjägern stürzt Kendra in einen Abgrund - und überlebt den Fall unverletzt. Schon d... More

Aufgefangen
umgesehen
eingenistet
erwischt

gestürzt

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By Weenaz

Als Aphrodite in das Kaninchenloch trat, wusste ich, dass wir es nicht mehr schaffen würden. Noch während ich von ihrem Rücken kollerte, dachte ich hektisch über die Möglichkeiten nach, die uns noch blieben, aber nichts von dem, was mir einfiel, war in irgendeiner Weise durchführbar. Zumindest nicht in der Zeit, die mir noch blieb.

Der Aufprall auf dem Boden war weniger hart, als ich befürchtet hatte, da ich auf das Bündel fiel, welches ich mir auf den Rücken geschnallt hatte. Dennoch blieb mir für Momente die Luft weg. Kostbare Momente, von denen ich keinen einzigen zu verschwenden hatte.

Noch immer atemlos rappelte ich mich auf und untersuchte Aphrodites Fessel. Gebrochen war nichts, aber sicher böse geprellt. Aphrodite wieherte schmerzerfüllt, als sie aufzutreten versuchte. Dennoch drängte sie sich an mich und forderte mich auf, wieder aufzusteigen.

Mir kamen die Tränen, die ich aber rasch fortwischte. Ich brauchte jetzt klare Sicht und klare Gedanken.

Noch waren die Verfolger nicht zu sehen oder zu hören, aber ich wusste, dass sie nur knapp hinter uns sein konnten. Ich hatte bewusst auf die Steilküste zugehalten, um sie in die Irre zu führen und erst kurz davor in Richtung des Fischerhafens abzubiegen. Dazu war es nun zu spät. Ohne Verletzungen war Aphrodite schneller als jedes andere Pferd; mit ihrer verrenkten Fessel jedoch würde sie es nicht schaffen, uns auf den Hohlweg zu bringen, bevor die Verfolger unserer ansichtig würden.

Mein Plan war es gewesen, in diesem Hohlweg zu verschwinden und in die labyrinthartigen Schluchten einzutauchen, von denen nur zwei hinunter an den Küstenabschnitt führen, an dem sich die Fischer angesiedelt haben. Viele Menschen in der Umgebung treiben Handel mit ihnen, wenige nur trauen sich in die beiden Dörfer hinunter, denn man erzählt sich allerlei Unheimliches von deren Bewohnern. Aber nichts, was schlimmer wäre als das, was man über mich munkelt. Und was immer diese Fischer mir antun können, es wird nicht schrecklicher sein als das, was meine Verfolger mit mir vorhaben.

Bis zu den Schluchten hätte ich nur noch eine halbe Stunde benötigt. Zu Fuß oder auf einer hinkenden Aphrodite würde es uns gut die vierfache Zeit kosten und das war einfach zu lange.

Ich hatte darauf gerechnet, dass die Männer, wenn sie mich an den Steilkippen nicht fänden, sich nach links wenden würden, in der Annahme, dass ich auf dem Schloss des Laird Saikis um Aufnahme und Schutz ersuchen würde. Und erst viel später auf den Gedanken kämen, ich könnte mich nach rechts gewandt haben. In den Schluchten würden sie sich vermutlich erst einmal verirren und mir so noch mehr Zeit verschaffen und in die Dörfer würden sie sich nicht einmal wagen.

Das alles hatte mir Aphrodites Fehltritt unmöglich gemacht. Noch während mir das alles durch den Kopf ging, war ich bereits dabei, meiner tapferen Stute die Decken abzuschnallen, die ich als Sattel benutzt hatte und sie von den Zügeln zu befreien. „Es hilft nichts", flüsterte ich ihr zu. „Ich habe es versucht, aber es gibt keinen Ausweg mehr. Du kannst dich aber noch retten. Der Laird wird dich aufnehmen und wenn nicht er, so doch sicher andere Menschen." Ich klopfte ihr noch einmal auf den kräftigen Hals, warf mir die Decken über die Schulter und machte mich auf den Weg zur Steilküste.

Aphrodite stakste mir verunsichert hinterher, stupste mich immer wieder in den Rücken und bemühte sich, mich zum Aufsitzen zu bewegen. Aber ich liebe meine wunderschöne Stute viel zu sehr, um sie zu reiten, wenn sie Schmerzen hat. Tatsächlich hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, weil ich ihre Fessel nicht verarzten konnte. Aber mir fehlte einfach die Zeit dazu. Ich brauchte bereits viel zu lange, um den Rand der Klippen zu erreichen.

Immer wieder sah ich mich um, ob meine Verfolger bereits in Sichtweite waren. Die weite, fast waldlose Hochebene bot freien Ausblick über mehrere Kilometer hinweg. Dennoch war ich nur noch wenige Meter entfernt von deren Ende entfernt, als weit hinter mir am Horizont einige sich bewegende Punkte auftauchten.

Die letzten Meter waren schnell überwunden. Doch der erste Blick nach unten ließ meine letzte Hoffnung verfliegen: An dieser Stelle ging es senkrecht nach unten. Keine Chance für mich, zum schmalen Strandstreifen hinunterzuklettern.

Die Hochebene grenzt an dieser Stelle an die Küste an. Weit links von mir, wo das Schloss der Laird dunkel vor dem strahlendblauen Himmel erschien, reicht das Meer bis an die Ebene heran. Wäre es weniger gefährlich, könnte der Laird vermutlich von seinem Schlafzimmerfenster aus direkt in die See springen für ein morgendliches Bad. Aber ein Sprung über vierzig Meter in die Tiefe ist nicht allzu ratsam.

Ab hier zieht sich die Hochebene immer mehr ins Land zurück, bis sie auf Höhe des Schluchtengewirrs immer niedriger wird und sich einige Dutzend Kilometer weiter rechts auf dem Niveau des Meeres wiederfindet. Wer sich in den Schluchten nicht auskennt, muss diesen Weg nehmen, um die Dörfer zu erreichen, die unterhalb des Labyrinths liegen.

Von meinem Standpunkt aus konnte ich das erste der Dörfer in ziemlicher Entfernung erkennen. Aber auch die schroffe Felswand, die bis zu diesem Dorf keine Klettermöglichkeit bot. Erst dahinter bildete der Abhang keine senkrechte Linie mehr, sondern wurde immer flacher, je weiter es nach Norden ging. Ich konnte auf diesem Weg nicht entkommen, da ich den erklimmbaren Teil der Steilwand  nicht erreichen konnte, bevor ich eingeholt werden würde. Und an dieser Stelle war die Klippe unbezwingbar.

Versuchen würde ich es trotzdem. Ich rannte auf eine knorrige, aber kräftige Kiefer zu, die sich entschlossen hatte, ausgerechnet hier zu wurzeln und löste im Laufen bereits die Seile, die ich mir um den Leib geschlungen hatte. Aphrodite trabte verwirrt hinter mir her.

Bis ich das Seil um den dicken Stamm geknotet hatte und es mit den Zügeln verlängert, da es nicht bis auf den Strand hinunter reichte, waren aus den fernen Punkte bereits viel zu nahe Reiter geworden. Ich konnte nur hoffen, dass sie noch nicht wahrnehmen konnten, was ich hier tat. Wenn Aphrodite allerdings weiter hier stehenblieb, konnte ich damit rechnen, eingefangen zu werden, bevor ich den Boden erreicht hatte.

„Aphrodite, bitte verlass mich", beschwor ich sie. Und dann, als ob sie mich verstehen könne, fuhr ich fort: „Wenn du zum Schloss läufst, werden sie glauben, ich bin noch auf dir und werden dir folgen. Dann habe ich die Chance, unbeschadet hier herunterzukommen. Hilfst du mir bitte?"

Zu meiner Verblüffung blitzte etwas wie Verständnis in Aphrodites braunen Augen auf. Sie schnaubte leise, stupste mich noch einmal zärtlich an der Schulter – dass meine Nase schnell zu bluten anfing, wenn sie mir einen sanften Nasenstüber versetzte, hatte sie schon lange begriffen – und wandte sich dann dem Schloss zu. So schnell wie es mit ihrem verletzten Bein möglich war, trabte sie in dessen Richtung und wieherte dabei weithin hörbar.

Ich dachte nicht lange darüber nach, wie gut Aphrodite die Situation verstanden hatte, sondern legte mir das Seil um und begann den Abstieg. Ohne Seil wäre das ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen, mit Seil war es lediglich hochgradig lebensgefährlich. Und langwierig. Da ständig Steine unter meinen Füßen hinwegkollerten, kam ich nur elend langsam voran.

Das letzte, was ich erkennen konnte, bevor mein Kopf unter das Niveau der Ebene tauchte, waren die Reiter, die schon beängstigend nahe gekommen waren. Und sich in zwei Gruppen geteilt hatten. Eine davon jagte Aphrodite nach, die andere hielt auf die Kiefer zu, die für mich in diesem Moment der einzige Halt im Leben war.

Noch schneller konnte ich nicht abwärts klettern, beziehungsweise mich rutschen lassen und doch hatte ich nicht einmal ein Viertel des Hangs überwunden, als ein Kopf am Rand der Klippe auftauchte.

„Ich habe sie!", schrie jemand triumphierend und jemand anders antwortete: „Halt sie fest!" Dann verspürte ich einen Ruck am Seil und gleich darauf ein Zerren nach oben. Ein Blick hinauf bestätigte es: Drei Männer hatten mein Seil gepackt und zogen mich nun vorsichtig zu sich herauf.

Ich hatte nur wenige Sekunden, um eine Entscheidung zu treffen, doch das fiel mir nicht schwer. Sachte löste ich das Seil um meinen Körper.

Wäre der Hang weniger steil gewesen, hätte ich mich an den Felsen festklammern und einen Abstieg ohne jeden Halt versuchen können. Aber das war hier völlig unmöglich. Es gab nur einen Ausweg für mich, dem Schicksal zu entkommen, welches die Männer auf der Klippe mir zugedacht hatten.

In der Stadt hatte man entschieden, dass ich eine Hexe sei und zahllose Menschen ins Unglück gestürzt hätte. Das stimmte zwar nicht, aber wer bin ich schon, eine einfache Weberin, dem hohen Richter zu widersprechen? Und für überführte Hexen gab es eine genau definierte Strafe.

Man würde mich nackt an einen extra für derartige Strafen gefertigten Holzblock ketten und für eine oder zwei Wochen dort belassen. Jeder Vorbeikommende war frei, mich mit den parat liegenden Peitschen zu schlagen oder mit den spitzen Nägeln zu stechen. Vor allem aber würden alle meine „Löcher", womit der Richter Mund, Vagina und Anus gemeint hatte, leicht erreichbar sein und jedem Mann oder Frau Tag und Nacht zur Verfügung stehen. Für Frauen lagen Instrumente bereit, mit denen sie mich penetrieren konnten, Männer würden in der Regel die körpereigenen Werkzeuge nutzen.

Wenn sich die von mir geschädigt gefühlte Bevölkerung dann ausgetobt hatte, wäre der Zeitpunkt für meine Hinrichtung gekommen. Strick oder Beil sind aber zu gnädig für eine Hexe; mir würde man den Bauch aufschlitzen, mich sodann an einen Pfahl binden und den Scheiterhaufen zu meinen Füßen entzünden. Zuvor bekäme ich eine Maske aufgesetzt, damit ich nicht an Rauchvergiftung stürbe, sondern die Einäscherung meines Körpers bei vollen Bewusstsein miterleben konnte.

Auf diese Freuden verzichtete ich aber lieber. Wenn der Tod unausweichlich war, dann wollte ich lieber ein schnelles Ende als ein dermaßen qualvolles. Noch bevor die Männer mich hochgezogen hatte, war es mir gelungen, das um mich gewickelte Seil vollends zu lösen. Und dann ließ ich es los, stieß mich gleichzeitig von der Felswand ab und ließ mich fallen.

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