Red Snow

By MementoKore

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Der Boden dieses Landes wird seit Jahrhunderten vom Blut eines endlosen Krieges getränkt. Zwei Fraktionen, As... More

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Nachwort

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By MementoKore

Kurze Zeit später lief ein Mädchen ins Zimmer. Es trug dieselbe schwarze Kleidung wie die anderen Diebe. Rote Haare fielen unter der schwarzen Kapuze hervor und Faith erkannte grüne Augen. Sie sah gar nicht aus wie sie selbst. Hatte sie sich getäuscht? War das nicht die Asha, die sie suchte? Das Mädchen zog die Kapuze ab und setzte sich schweigend auf den Stuhl. Doch, das musste sie sein. Ihre Gesichtszüge ähnelten Faiths, nur dass die des Mädchens noch einen Tick jünger wirkten. Zoé gab ein erstauntes Geräusch von sich. "Also du bist meine Schwester?", fragte Asha dann plötzlich mit einer viel samtiger klingenden Stimme als Faiths. Die Novizin hatte erwartet, ihr alles erklären zu müssen, da sie gedacht hatte, Ríonas Eltern hätten es ihr auch nicht gesagt... Doch anscheinend wusste sie es. "Ja. Du bist Asha?" Ihr Gegenüber nickte und fragte: "Und du bist Faith? Meine Großeltern haben mir von dir erzählt, als ich 13 war." Faith war überrascht. Und auch etwas neidisch. Wieso hatte Asha es gewusst und sie nicht? Aber die Freude, endlich ihre Schwester zu kennen, überdeckte den Neid. Sie umarmte Asha. Das rothaarige Mädchen lächelte friedlich. Als Faith die Umarmung löste, wollte sie wissen: "Aber wie kann es sein, dass du ganz anders aussiehst?" Asha grinste und sah eine ihrer Strähnen an. "Meine Großeltern haben erklärt, dass rote Haare normal sind wenn jemand Hellhaariges und jemand Dunkelhaariges... ehm... nun ja, zusammen Kinder haben." Sie wurde etwas rot und lächelte beschämt. "Und die grünen Augen habe ich von Mum." Faith konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Charakter ihrer Schwester war vollkommen anders als ihr eigener. Lag vermutlich an den verschiedenen Umgebungen, in denen sie aufgewachsen waren. Aber das machte das Ganze nur interessanter. Sie redeten lang. Ríonas Eltern waren bei dem großen Brand umgekommen, genauso wie hunderte anderer Dorfbewohner. Asha verlor fast die Stimme, als sie davon berichtete. Sie selbst war nur knapp entkommen - und dass auch nur mit der Hilfe von Garrett und Navina, die damals gute Freunde ihrer Familie gewesen waren. Selbst Zoé lauschte nun gespannt. Asha hörte irgendwann auf zu reden, weil ihr das Thema ausging. Faiths Gedanken schweiften ab. "Du weißt schon so lang von unseren Eltern und mir... Weißt du auch, wieso sie uns getrennt haben?", sprach Faith irgendwann das Thema an das sie schon länger beschäftigte. Asha schüttelte den Kopf. "Ich vermute, sie wollten uns irgendwie vor den Templern verstecken. Aber wissen tu ich es nicht." Faith nickte schwach und ihr Blick fiel auf den Dolch ihres Vaters. Sie war doch die ältere, wieso wusste sie dann weniger? Lag es einfach daran, dass Großeltern etwas anderes waren als verwitwete Tanten? Eine Weile herrschte Schweigen, dann fragte Asha neugierig: "Und, wie sind die Assassinen?" Dabei warf sie einen Blick auf Zoé. Faith musste lächeln, sie hatte sich so schnell daran gewöhnt, zu den Assassinen zu gehören, dass sie sich kaum mehr ein Leben ohne sie vorstellen konnte. "Ich finde die Assassinen sind sehr eigen, und vertreten trotzdem einen allgemeinen Beweggrund für ihre Taten." Asha seufzte leicht und lehnte sich zurück. "Ich wäre auch gern eine von den Assassinen geworden...", murmelte sie verträumt und lehnte sich etwas zurück. "Wie ist es denn mit euch Dieben?", wollte nun Faith wissen. Die Milwyn, die Diebe... Vielleicht alles wertvolle Verbündete? Ashas Gesichtsausdruck wurde etwas ernster und Schatten legten sich darüber. "Wir sind nicht zu vergleichen mit den Assassinen. Wir sind einfache Leute, die sich einige Vorteile für das Stehlen und Tauschen angelernt haben und diese nun aus reiner Armut ausnutzen..." Faith wollte sich gar nicht vorstellen, wie es war, jeden Tag damit rechnen zu müssen, kein Essen zu bekommen. Tante Esida hatte stets genug Geld gehabt und die Assassinen versorgten ihre Leute ebenfalls mit genug Nahrung. "Aber diese Diebesfähigkeiten erlernen auch Assassinen. Vielleicht lassen sie dich ja zur Ausbildung zu?" Faith wollte ihrer Schwester eigentlich keine vorschnellen Hoffnungen machen - aber die Verzweiflung, die sie aus ihren Gesichtszügen las, ließ sie unbedacht handeln. Plötzlich sah Asha ihrer Schwester mit leuchtenden Augen ins Gesicht. "Denkst du wirklich?" Zoé boxte ihrer Gefährtin warnend den Ellenbogen in die Seite, doch nun wollte Faith ihre Schwester nicht mehr enttäuschen. Vielleicht nahmen die Assassinen ja wirklich eine Fremde und eine Diebin als Novizin auf. Wieso auch nicht? Immerhin war sie ihre Schwester, das musste doch Vorteile bringen! "Klar denke ich das. Der Meister wird dir sicher eine Ausbildung sichern." Die Novizin lächelte aufmunternd, und Asha erwiderte das Lächeln hoffnungsvoll - doch dann verschwand es. "Garrett wird mich niemals gehen lassen. Er braucht jede helfende Hand. Und ich kenne die Diebe hier, das sind Informationen, die den Templern niemals in die Hände fallen dürfen!" Faith schluckte. Richtig, daran hatte sie gar nicht gedacht. "Wir werden ihn nachher fragen. Eine Assassine in seinen Reihen wäre sicher hilfreich, und den Templern begegnest du auch als Dieb." Wieso sie nun an der Idee mit der Ausbildung festhielt, wusste sie nicht. Vielleicht wirklich wegen der Hoffnung in Ashas grünen Augen. Vielleicht auch, weil sie endlich jemanden in ihrer Nähe haben wollte, die zu ihren näheren Verwandten gehörte. Asha schien Zweifel zu haben, sprach aber keine Widerworte. Wieder trat Schweigen ein, und Zoé, für die das Gespräch uninteressant geworden war, lief zu ihrem Bett und legte sich dort schlafen. Faith schweifte mit ihren Gedanken zur Mission ab. Ob diese als erfolgreich abgeschlossen gelten würde? Naja, das würden sie dann schon sehen. Als es kalt im Zimmer wurde wickelte sie sich in ihre Decke ein und fragte sich, ob Asha nicht fror.
"Hast du unsere Mutter schonmal besucht?", erklang plötzlich Ashas weiche Stimme. Faith musste beinahe eingenickt sein, denn sie konnte sich nicht mehr an die letzten Minuten erinnern. Erst Sekunden später durchdrang der Sinn von Ashas Worten ihr Gehirn und sie überlegte sich eine Antwort. Ihre Augenlider waren schwer vor Müdigkeit und alles in ihr schrie nach Schlaf. Hoffentlich konnte sie bald schlafen. "Ja", antwortete sie knapp und unterdrückte ein Gähnen. Ashas Gesichtsausdruck wirkte so, als würde sie in weite Ferne sehen. "Ich war noch nie bei ihr. Ich habe bis jetzt immer in diesem Dorf gelebt und als es niedergebrannt wurde musste ich im Nachbardorf stehlen." Faith nickte müde und bemerkte, wie ihre Schwester sie anlächelte. "Du wirkst müde. Ich lass' dich mal allein." Faith konnte nur noch nicken und sank im nächsten Moment aufs Bett und schlief ein, sobald ihr Kopf das Kissen berührte.

Als sie aufwachte brannten keine Fackeln mehr im Zimmer. Es war ganz dunkel. Nur durch die Tür fiel ein blasser Schein hinein und beleuchtete die matt glänzenden Holzvertäfelungen. Navina hatte Faith geweckt. "Schnell, steh auf!" Faith war noch dabei, ihre Gedanken zu sortieren. Wie lange hatte sie wohl geschlafen? Sie richtete sich auf und sah sich um. Viele schwarze Gestalten standen im Raum wie Schatten, außerdem erkannte sie Zoé in ihrer braunen Montur, wie sie sich gerade genauso müde die Augen rieb wie Faith es tun würde. Was war los? Irgendwas stimmte nicht. Die Diebe hatten ihre Waffen gezogen - Dolche, Messer, Säbel und andere eher einfache Waffen. Alle starrten mit finsteren Gesichtern zur Tür und schienen angespannt auf etwas zu warten. Faith stellte sich auf die Beine und schwankte kurz. Sie musste lang geschlafen haben. Vermutlich die Nachwirkung des Betäubungsstoffes... "Was ist passiert?", fragte Faith nun im Flüsterton und legte instinktiv die Hände auf die Griffe ihrer Dolche. Navinas Augen funkelten wütend. Faith erschrak, gestern war sie noch so nett gewesen. "Die Templer haben unser Versteck entdeckt", antwortete sie kalt und wandte sich wieder ab. Jetzt verstand Faith. Alle dachten, die Templer waren den Assassinen heimlich gefolgt und so hatten sie die Templer auf die Fährte der Diebe gebracht. Dabei konnten sie doch gar nichts dafür. Vielleicht würde es sie überzeugen, wenn sie Seite an Seite kämpfen würden. Faith schlug sich einen Weg zu Zoé durch und tippte ihrer geschockt wirkenden Gefährtin auf die Schulter. "Wir müssen den Dieben helfen. Vielleicht lassen sich die Templer in einen Hinterhalt locken", murmelte Faith leise und fing sich misstrauische Blicke ein. Zoé sah ihr in die Augen. Sie wirkte nun gefasster. "Wir wissen nicht, wo sie sich befinden...", begann das schwarzhaarige Mädchen, doch Faith unterbrach sie: "Das lässt sich herausfinden. Navina will ich nicht fragen, die würde sicher denken wir schleichen uns dann zu denen hin..." Zoé verdrehte die Augen. "Das denkt sie auch, wenn wir uns wortlos rausschleichen." Faith wurde ungeduldig. Sie hatten nicht die Zeit, zu diskutieren. "Sie wird uns sicher nicht sagen wo sie sind, also gehen wir lieber direkt. Dann sehen sie ja, dass wir ihnen nicht feindlich gesinnt sind." Zoé dachte kurz nach, dann zuckte sie mit den Schultern was wohl soviel hieß wie 'meinetwegen'. Die beiden schlängelten sich zwischen den vielen, schwarz gekleideten Dieben hindurch zur Tür und schlüpften hinaus. Sobald sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erkannten sie, wo sie waren. Ihr Unterschlupf lag in einem der steinernen Gebäude des Dorfes. Hier auf dem Dach befanden sich keine Diebe, doch von fern ertönten Kampfgeräusche. "Schnell!", rief Faith und rannte los. Sie befanden sich auf einem vorgelegten Balkon und konnten über die niedrige Mauer mit Leichtigkeit auf das Dach des nächsten Gebäudes springen. Gehetzt liefen sie mit großen Schritten auf die Quelle des Lärms zu. Manchmal mussten sie einen Umweg nehmen, da nicht alle Häuser in diesem Viertel aus Stein bestanden. Als sie endlich ankamen, gingen sie an der Kante des Hausdaches in die Hocke und sahen nach unten. Das Sonnenlicht, das sich den Weg durch die grauen Wolken hindurch erkämpft hatte, wurde von den Rüstungen der Templer reflektiert und von der schwarzen Kleidung der Diebe geschluckt. Sofort erkannte man, dass die Diebe deutlich weniger Chancen hatten. Die schweren Zweihänder der Templer waren den leichten, kleinen Waffen der Diebe deutlich überlegen. Das konnte man nur durch Wendigkeit wettmachen, die die Diebe aber nur teilweise beherrschten und nicht so antrainiert hatten wie die Assassinen. "Was machen wir jetzt?", wandte Faith sich an Zoé, da die wie schon bemerkt, mehr Ahnung von Strategie und Taktik hatte. Das Mädchen, das inzwischen genauso wie Faith ihre Kapuze trug, ließ ihren Blick über die breite Straße schweifen. "Wir müssen sie in eine dunkle Sackgasse locken und dort einem nach dem anderen ausschalten. Das ist die einzige Möglichkeit. Für einen offensiven Angriff sind wir zu wenige." Sie wandte sich an Faith und deutete auf eine Abzweigung. "Wir müssen sie nur noch da reinlocken." Faith nickte und beobachtete den Kampf. Sie erkannte den Anführer der Diebe, der mit nur noch zwei übriggebliebenen anderen kämpfte. Garrett schien Kämpfe im Gegenteil zu den anderen beiden gewöhnt zu sein. Er schlug sich gut, doch einer gegen acht würde auch er nicht schaffen. "Und wie locken wir sie da rein?" Ein wissendes Lächeln schlich sich in Zoés Gesichtsausdruck. "Lass mich nur machen..." Etwas verblüfft folgte Faith ihrer Gefährtin mit den Augen, wie sie das Haus an einer Seite nach unten kletterte, an der die Templer sie nicht sehen konnten. Dann schlich sie sich an den Kämpfenden vorbei in die Sackgasse hinein. Was hatte sie vor? Faith wartete angespannt und begann, einen Weg auf die gegenüberliegenden Dächer zu suchen. Gerade als sie auf zwei parallel verlaufenden Seilen auf die anderen Seite balancierte, ertönte aus der Sackgasse ein lautes Geräusch. Der Kampf wurde unterbrochen da alle nun in diese Richtung starrten und dann hörte Faith, wie Zoé rief: "Hier sind noch mehr von diesen flohverseuchten Straßenkötern!" Innerlich lächelte Faith. Ob Garrett auf dieses Schimpfwort nochmal zurückkommen würde? Die Templer rannten zur Sackgasse, da eigentlich schon alle Diebe, gegen die sie eben gekämpft hatten, verwundet oder tot waren. Faith kam endlich auf der anderen Seite an und beobachtete die Templer von oben, wie sie in die Sackgasse rannten und sich dann verwirrt umsahen. Natürlich befanden sich dort nicht die versprochenen Diebe. Bevor sie begreifen konnten, was geschah, krachten verschiedene Sachen - Ladungen, die mit Hilfe von Kränen transportiert wurden oder Wasserspeicher, die sich auf den Dächern befanden - in die Lücke und versperrten den Templern den Ausgang. "Clever", bemerkte plötzlich eine tiefe Stimme neben Faith. Sie zuckte leicht zusammen und drehte sich nach links, aus der die Stimme gekommen war. Wie war Garrett so leise und so schnell hier hoch gekommen, obwohl er verletzt war? Kurz blieb ihr Blick an dem Silberauge hängen, dann sah sie wieder nach unten. Eine dichte Wolke von Staub war durch die Trümmerteile aufgewirbelt worden. Die Templer husteten laut. Das war ihre Chance. Flink kletterte Faith nach unten und pirschte sich leise an einen der Templer heran. Kurz darauf sank er mit einem leisen, unterdrückten Aufschrei zu Boden. Faith vernahm gleichzeitig das Geräusch eines zweiten, sterbenden Templers. Zoé. Noch ehe die Templer ihre Gedanken ordnen konnten, sanken zwei weitere auf den staubigen Boden. Die letzten drei zückten nun ihre Schwerter und sahen sich mit umherhuschenden Blicken um. Sie konnten die Assassinen nicht sehen, die sich im Schatten der verbrannten Häuser versteckten. Unglaublich, jetzt hatte Faith schon mehr Templer auf dem Gewissen. Langsam fragte sie sich, ob das wirklich richtig war. Sie taten es, weil sie es so gelernt hatten. Soldaten taten auch nichts anderes. Aber... Diese Leute hatten sicher Familie - oder? Faith wusste es nicht. Aber andererseits, würden sie die Templer nicht töten, würden die Templer sie töten. Sie hatten jetzt keine Wahl. Da sich der Staub bereits fast vollständig gelegt hatte mussten sie die Überraschung nutzen. Faith suchte im Schatten gegenüber nach Zoé. Als die Novizin plötzlich nach vorn stürmte, sah Faith nur verdutzt zu und musste ihren Händen und Füßen so schnell wie möglich Befehle erteilen. Kurzerhand fuhr sie die versteckte Klinge aus und stach es dem erstbesten in den Nacken. Als dieser sein Schwert fallen ließ und sofort tot zu Boden sank, hatte Faith freies Blickfeld auf Zoé und die anderen Templer. Einer hatte sich nun umgedreht, und Faith wich zurück. Erst kurz danach brannte sich der Gedanke in ihren Kopf, dass sie die Chance hätte nutzen sollen, als er sich nach ihr umgeschaut hatte. Jetzt hob er ein Schwert. Eigentlich hätten sie doch nur die Templer finden und nicht töten sollen! Aber alles hatte eine unerwartete Wendung genommen. Faith rief sich ihr Training in Erinnerung. Sie trat in letzter Sekunde zurück, das Schwert prallte an ihrer versteckten Klinge ab und dann machte sie eine Drehung am Schwert vorbei auf den Templer zu, in der sie einen ihrer Dolche zog und nach ihm warf. Blut spritzte auf, als sich die Klinge in den Hals ihres Gegners bohrte, und mit einem gurgelnden Geräusch kippte nun auch dieser Templer um. Blieb noch einer - doch als Faith sich umsah lag dieser bereits am Boden und Zoé stand mit gezogenen Sais da, die Augen vollkommen verstört aufgerissen. Faith lief zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter, nachdem sie ihren Dolch wieder geholt hatte. "Gut gekämpft. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, sie hätten uns auch..." Doch Zoé unterbrach sie mit zittriger Stimme. "Er sagte kurz bevor er starb, dass es einen Templerspion in unseren Reihen gibt. Und dass er Cade heißt." Faith erstarrte. Was? Ihr Mentor ein Verräter? Gut, er war gemein, asozial und unfreundlich, und sie hatte es sich gedacht - aber wirklich ein Templer? Hatte er mit der Aktion mit Aeds Kette von sich ablenken wollen? Faith war verwirrt. Plötzlich stand Garrett neben ihnen. "Wir müssen zurück. Es sei denn - ihr wollt uns schon verlassen." Seine Stimme klang neutral, aber seine Augen glitzerten misstrauisch. Faith schüttelte ihre Gedanken vorerst ab und wandte sich an den Meisterdieb. "Nein, nein, wir gehen mit zurück", antwortete sie hastig. Garrett musterte beide nochmal. Wahrscheinlich sahen die Novizinnen gerade sehr - merkwürdig aus, so ganz in Gedanken versunken. Dann drehte er sich um, die Hand auf die Wunde an der Seite gepresst, und ging. Hatte er als einziger der kämpfenden Diebe überlebt? Wie in Trance folgte Faith ihm, während Zoé ihre Waffen wegsteckte und sich fast schon wieder normal verhielt.

Als sie beim Hauptquartier der Diebe ankamen, kam ihnen sofort Navina entgegen. "Garrett! Was ist passiert?" Sie sah gleichermaßen besorgt wie ernst aus. Der Dieb zog sich das Tuch von der Nase damit seine Stimme dadurch nicht gedämpft wurde. "Keine Überlebenden - außer uns." Faith erkannte ein schwaches Lächeln im Gesicht des Meisterdiebs. Navinas Blick wurde nun wirklich finster. "Wirklich keine Überlebenden?", hakte sie nach und Garrett nickte. "Auch die Templer sind tot. Dank den Assassinen." Er grinste nun leicht und nickte in die Richtung der Novizinnen, die ihm still gefolgt waren. Dann verschwand er um seine Wunde verarzten zu lassen. Mit einem letzten Blick auf die beiden Mädchen verschwand nun auch Navina wieder. Zoé sah Faith fragend an. Als sie den Blick ihrer Gefährtin bemerkte, sah sie sie mit großen Augen an. "Was?" Zoé grinste. "Wir müssen zurück. Was sollen die Assassinen denken, wenn wir solang verschwunden bleiben?" Faith zuckte mit den Schultern und setzte einen widerstrebenden Blick auf. Dabei fiel ihr noch etwas ein... "Zoé? Geh schnell nachsehen ob unsere Pferde noch da sind, ja? Ich habe noch etwas zu erledigen...", murmelte sie und lief dann schnell ins Hauptquartier hinein. Sie sah sich kurz um und erkannte dann Asha in der Ecke, wo sie sich um ein paar Verletzte kümmerte, die anscheinend an einer anderen Stelle gegen die Templer gekämpft hatten. Sie lief zu ihr und tippte ihrer Schwester auf die Schulter. Erschrocken richtete Asha sich auf. Als sie Faith erkannte, fragte sie: "Was ist los?" Faith erinnerte sie daran, Garrett zu fragen, ob sie die Novizinnen begleiten durfte. Asha nickte leicht und lief nun in einen Nebenraum, in dem gerade Garrett saß und den Arzt misstrauisch musterte. Als die beiden Mädchen den Raum betraten, sah er auf. "He! Hier kann nicht einfach jeder rein- und rausspazieren!", beschwerte der Arzt sich laut und gestikulierte wild mit den Händen herum. Garrett winkte ab. "Sprecht", forderte er sie stattdessen auf und wartete ruhig. Asha sah unsicher ihre große Schwester an. "Ich wollte um die Erlaubnis bitten, meine Schwester mit zu den Assassinen nehmen zu dürfen." Asha nickte zustimmend. "Ich wünsche es." Garretts Gesichtsausdruck wurde nachdenklich. "Dann wird uns ein fähiger Dieb fehlen. Bist du sicher, dass du die Diebe im Stich lassen willst?" Bei diesen Worten schien Asha zusammenzuschrumpfen. Sie erwiderte nichts. "Das ist ihr bewusst. Aber stellt Euch vor, ein ausgebildeter Assassine würde Eurer Diebesgilde angehören...", argumentierte Faith auf die Wortlosigkeit ihrer Schwester hin. Garrett seufzte. "Das wäre... wirklich eine Bereicherung. Wie lange wäre Asha denn fort?" Faith schluckte. Zwei Jahre würde er niemals akzeptieren. "Mit den jetzt schon vorhandenen Fähigkeiten vielleicht ein Jahr oder weniger." Natürlich stimmte das nicht, jeder Novize musste zwei Jahre trainieren, es sei denn, der Mentor erklärte ihn früher für bereit. Erst schien der Meisterdieb zu zögern, aber dann nickte er. "Meinetwegen. Aber schreib ab und an Briefe, damit wir informiert sind", wandte er sich nun an die Diebin und sah ihr mit ernstem Blick in die Augen. Sie nickte hastig und lächelte. "Danke!" Faith grinste. Asha würde sicher mit auf ihr Pferd passen. Mit einem Gefühl, dass ihre Mission geglückt war, verließen die beiden den Behandlungsraum und traten aus dem Hauptquartier hinaus. Asha hatte ihre Wohnung gegenüber. Gerade, als sie auf der Straße standen und Asha die Tür zu ihrem Quartier öffnete, rannte Zoé herbei. "Die Pferde sind weg! Vermutlich davongelaufen." Sie war ganz außer Atem und ihre Haare waren durcheinander. Keuchend blieb sie stehen und stützte ihre Arme auf den Oberschenkeln ab. Faith dachte nach. "Wir müssen die Diebe fragen, ob sie Pferde haben." Asha, die an der Tür stand, erläuterte: "Manchmal haben wir Pferde. Wenn wir gerade welche gestohlen haben. Aber normalerweise lassen wir sie dann frei." Faith sah erst zu Asha, dann zu Zoé. "Ich gehe und frage. Zoé, du wartest hier mit Asha." Zoé schmollte etwas. Wahrscheinlich, weil Faith die ganze Zeit irgendwelche Befehle gab und sie eigentlich auf derselben Position standen. Aber nun ging es um Logistik. Faith hetzte ins Hauptquartier zurück und sah sich um. Garrett wurde vermutlich gerade ärztlich versorgt, also lief sie kurzerhand auf Navina zu. "Was ist?", fragte sie forsch und musterte Faith prüfend. "Wir brauchen Pferde. Habt ihr welche?" Hoffnungsvoll sah die Novizin die braunhaarige Frau an. Sie überlegte nicht lang. "Ja. Wieso?" Faith verdrehte innerlich die Augen. Na, wieso wohl? "Wir brauchen Pferde, um zurückzureiten", erklärte sie, darauf bedacht, weder ungeduldig noch verärgert zu wirken. Navina nickte kühl und winkte dann einen unverletzten Dieb her. "Bring sie zu den Pferden", befahl sie ihm und lächelte Faith dann an. Verwirrt folgte das Mädchen dem Dieb. Hatte sie wirklich gelächelt?

Später hatte Faith herausgefunden, dass es nicht wirklich Pferde in dem Sinne waren - sondern zwei alte, stämmige Ackergäule. Reiten konnte man auf den beiden sicher - so war es sogar besser, denn Asha ritt ja mit - aber sie waren nicht schnell. Seufzend nahm Faith die Zügel der beiden kräftigen Rösser in die Hand und führte sie nach draußen. Dort angekommen warteten Zoé und Asha bereits. Faiths Schwester hatte einen Lederbeutel mit ihrem Hab und Gut gefüllt. Als Zoé die beiden Pferde sah, ließ sie die Schultern hängen. "Gib ihnen eine Chance. Sie haben vermutlich viel Ausdauer - von der Ackerarbeit her." Faith übergab der Novizin, ihre Worte unterstreichend, den Zügel eines der beiden Pferde und sah dann zu Asha. "Du kannst doch reiten, oder?" Asha grinste. "Das lässt sich herausfinden." Mit einem abenteuerlustigen Lächeln kletterte Asha auf den Rücken des großen Kaltblüters und rutschte etwas nach hinten, damit Faith vorn die Zügel gut führen konnte, nachdem sie aufgesessen war. Als auch Zoé auf dem Rücken ihres Pferdes saß, ritten sie los. Die ganze Zeit über hatte die Sonne schwach gescheint, doch in den letzten Minuten hatten sich nach und nach Wolken vor die Sonne geschoben. Nun wirkte die verlassene, verkohlte Stadt wie damals, als sie sie betreten hatten. Kahl, leblos und voller Asche. Schweigend ritten sie an den letzten, schwarzen Überresten des Dorfes vorbei, bis sie endlich den Dorfrand erreichten. Von da an ließen sie ihre Pferde traben und entfernten sich nach und nach vom Sitz der Diebesgilde.

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