Inhumanity

By memory4u

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"Ich sollte sie in das Verderben führen. Nun werde ich jeden dafür zahlen lassen, der auch nur daran denkt, d... More

Menschlichkeit
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By memory4u

"Das steht ja wohl nicht zur Diskussion!"
"Das sind unsere Feinde. Natürlich steht das zur Diskussion!"
"Am Ende des Tages sind das Menschen und Magier wie du und ich! Willst du etwa fernab von deiner Heimat ins Meer geschmissen werden?"
"Das Meer grenzt an Payla." Fassungslos wirft Will die Hände in die Höhe. "Zumal ich mir noch keinen Kopf über meine Beerdigung gemacht habe."

Die brünette Magierin, die sich wenig von seinem Widerspruch gefallen lässt, verschränkt die sonnengebräunten Arme vor der Brust und verengt die Augen. "Deinen Daumen hast du dann etwa auch lieblos ins Meer geworfen?"
Will grinst neckisch und nimmt damit seine Antwort vorweg. "Tatsächlich, ja. Sollte ich ihn etwa mit der Post nach Hause schicken?"

Ich bleibe stehen und stupse Ash in die Seite. "Das erinnert mich an etwas."
Amüsiert zieht er eine Augenbraue in die Höhe und lässt seinen Blick zwischen der Magierin und Will hin und her gleiten. Dann scheint er in Erinnerungen zu schweben, welche Diskussionen wir uns schon erlaubten. Meine Güte, wir hatten sogar über vergiftetes Essen diskutiert, als mein Misstrauen noch überwogen hatte. "An uns?"

"Ich hatte mich anfangs schon ein paar Mal dafür verflucht, dass ich dich nicht im Handumdrehen hatte verbrennen können", gestehe ich. Zumindest als er mir noch eine Bedrohung zu sein schien und ich noch keinerlei Ahnung hatte, wie ich diese Energie in mir steuern konnte.

"Das sagst du mir jetzt?"
"Du wusstest es die ganze Zeit", widerspreche ich, ernte ein leises Lachen und lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf die zwei Magier vor uns. Luan sitzt am Fuß der Treppe, tupft seine Wade mit einem nassen Tuch ab und verdreht nur die Augen, als sich unsere Blicke kreuzen. Das genügt, um mir auszumalen, wie lange diese Diskussion schon anhält.

"Du solltest deinen moralischen Kompass ein wenig überdenken", wirft sie Will gerade vor und schleppt eine Leiche auf den Rasen. Bereits mehrere liegen dort in einer Reihe. Im Palast ist hingegen reges Treiben. Sonelems Verluste werden weitaus behutsamer umsorgt, als die, über deren Körper hinweg getrampelt wird. Doch so sehr ich Payla auch für das verachte, was sich auf unserem Boden zugetragen hat, muss ich der Magierin zustimmen: das sind Menschen und Magier wie wir.

"Ich?" Will schaut ihr dabei zu, wie sie zur Treppe läuft und ein kleines Mädchen anhebt. "Hör mir mal zu, ..."
"Mina", brummt sie in die langatmige Stille.
"Payla hat nicht einmal einen moralischen Kompass, wenn sie krampfhaft versuchen, ein anderes Land einzunehmen, Mina."
"Deswegen sollten wir besser sein."

"Sie hat Recht, Will", mische ich mich ein.
"Nicht auch noch du, Feuerteufel!" Er keucht auf, als würde er selbst und nicht die junge Frau soeben die nächste Leiche in den Rasen ziehen. "Ash, hilf mir aus. Wir vergeuden zu viel wertvolle Zeit, wenn wir deren Leichen zurückschicken."

"Welche Strategie Sonelem verfolgt, liegt definitiv nicht in meiner Hand. Das muss mit den Beratern abgesprochen werden", stellt sich Ash jedoch quer.
"Zumal sie sich nicht ausgesucht haben, in welchem Reich sie geboren wurden", füge ich hinzu. "Ein Leben ist ein Leben, egal auf welcher Seite."

Selbst Runa hätte es nicht verdient gehabt, dass man ihren Leichnam den Haien zum Fraß vorwirft. Stattdessen hatte Ash auch sie verbrannt und mir erklärt, dass die Körper der Toten hier im südlicheren Teil des Landes üblicherweise nicht vergraben werden, nachdem er mir meine Verwirrung entnahm. Immerhin hatte ich geglaubt, dass die Feuerbestattung lediglich seine Präferenz hinsichtlich Kaya gewesen sei, doch wie ich nun weiß, ist das deutlich mildere Wetter dafür verantwortlich. Die Leichen würden zu schnell verwesen. Dennoch finde ich die Vorstellung grauenvoll, keinen Platz zu haben, an den ich immer wieder zurückkehren kann, wenn ich die Nähe zu meinem Vater suche.

Will öffnet den Mund, vermutlich um mir einen Vortrag darüber zu halten, dass ich nicht über den Wert eines Lebens zu debattieren habe, nachdem ich allein sicherlich ein Viertel von Paylas Armee umgebracht habe, doch Ash schnalzt nur knapp mit der Zunge. Damit ist das Thema abgehakt. Für Will zumindest. Ich hingegen schlinge die Arme um meinen eigenen Körper, als sich das Gewissen in mir fest nagt. Ash entgeht es natürlich nicht. Er beugt sich zu mir, streicht mir über die Arme und schenkt mir ein warmes Lächeln.

"Wenn es dir lieber ist, kannst du mit Luan-"
"Nein." Ich werde meine Augen nicht vor dem verschließen, was ich zu verantworten habe. Mir ist das Ausmaß meiner Magie bewusst, mehr als deutlich. Wenn ich ganz ehrlich mit mir selbst bin, weiß ich auch, dass ich nie wieder so schlafen werde wie zuvor. Doch wenn das der Preis für unsere Freiheit ist, bin ich bereit, ihn zu zahlen. "Besondere Zeiten..."

"...erfordern besondere Maßnahmen", vervollständigt Ash und entlockt mir trotz der Schuld ein Lächeln. Weil ich unweigerlich an den Moment denken muss, als er den Satz anfing und ich ihn beendete. In meiner ersten Nacht in Riyak. In der ersten Nacht, in der ich ihm vermutlich Stück für Stück verfiel, als er mir zuhörte, vorlas und den Halt gab, den ich in meiner Verzweiflung brauchte.

Wir räumen die Leichen Paylas ins Freie. Die Wiese vor dem Palast ist eine endlose Kette an Leichen, ein Teppich des Lebensendes. Die Toten Sonelems hingegen werden identifiziert, dann auf einem Scheiterhaufen verbrannt, welcher am Rand errichtet wurde. Der Gestank weht zu uns herüber. Ash rümpft die Nase, Will würgt und schafft es gerade noch zur nächsten Hecke, bevor er sich dort übergibt. Erst, als die ersten Wolken rötlich erstrahlen und die aufgehende Sonne verkünden, sind wir fertig. Ein Berater schreitet durch die Reihen der Leichen und prüft strengstens, ob nicht doch ein Magier oder Soldat Sonelems unter ihnen ist. Dann nickt er uns anerkennend zu.

"Wir lassen ihnen ausrichten, dass sie ihre Toten heute noch holen dürfen", legt er in herrischem Ton fest. Sein Blick ruht einen Moment zu lang auf mir, entlockt Ash ein misstrauisches Stirnrunzeln, und ich weiß, er hat mich wiedererkannt. Als ich sein Gespräch mit einem weiteren Berater belauscht hatte. Er war derjenige, welcher sogar meine Ermordung hingenommen hätte, um Lucius eins auszuwischen. Zu meinem Glück wusste er zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht, dass ich die Heilerin war. Gespannt halte ich den Atem an, doch dann mischt er sich wieder in das Gewusel. Wir sind nicht weiter von Belangen, erst recht nicht mehr ich. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen über die Gespräche, welche die Berater und der kürzlich aus seinem Versteck geholte König bereits hinter verschlossenen Türen führen. Vielleicht bedeutet dies Freiheit.

Mina wendet sich Will zu, schenkt ihm ein bestechliches Lächeln. "War es jetzt so tragisch, den Toten ein wenig Respekt zu zollen?"
Er schnaubt, doch das Funkeln in seinen Augen enttarnt ihn. "Bild' dir nicht zu viel darauf ein."

Sie bringt ihn auf andere Gedanken, weg von Kaya, weg von seinen verfälschten Erinnerungen. Und auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist, ist es das, was er verdient hat. Ich will gerade Ashs Hand mit meiner verschränken, damit wir die beiden alleine lassen, als er mir zuvorkommt. "Warst du schon einmal höher als die Sonne?"
Verblüfft verenge ich die Augen. "Jede Nacht."

Sein Schmunzeln steckt mich an. "Wenn sie zu sehen ist."
"Das ist unmöglich."
"Du unterschätzt mich."

Hitze steigt in meine Wangen, weil ich weiß, dass ich diesen Satz auch schon einmal aus seinem Mund gehört habe. Und weil ich genauso weiß, wie es sich anfühlt, wenn ich ihn unterschätze. Wie das Paradies. Mein Puls beginnt zu rasen. Ash zieht wissend eine Augenbraue in die Höhe, tadelt mich mit seinen Blicken. "Woran denkst du denn gerade, Talia?"

Auch wenn die Verlegenheit in mir vorherrscht, weil ich wohl nie dermaßen leger über diese Intimität kommunizieren werde wie er, kann ich mir eine Provokation nicht ersparen. "Sollte ich an etwas Bestimmtes denken?"

Er beugt sich zu mir, so nah, dass mich sein herber Duft vollkommen beschlagnahmt. "Scheint so, als müsste ich deine Erinnerungen auffrischen." Das Herz pocht mir bis in die Ohren. Er muss es hören, alles andere wäre unerklärlich. "Wenn wir aber noch höher sein wollen als die Sonne, müssen wir das verschieben."

Ich spähe an ihm vorbei in den bereits heller werdenden Nachthimmel. Dann stürme ich zu Luan, ziehe ihn mit mir, obwohl mein Fuß streikt und auch seine Wade schmerzt, doch ich werde ihn sicherlich nicht hier zurücklassen.

"Es geht in die Höhe", meint Ash und ich will bereits fragen, was er damit aussagen möchte, als sich Luan bemerkbar macht.
"Geht ruhig. Für mich ist das nichts."
"Bitte", flehe ich und lege den Blick auf, bei dem er nicht widersprechen kann. Normalerweise. Doch heute schon.

Zuerst schiebe ich es auf die Furcht, aber als er mir einen Kuss auf den Scheitel haucht, raunt er mir eindeutige Worte zu.
"Es ist okay, Lia. Irgendwann musste dieser Moment kommen."

Der Moment, in dem er mich einem Anderen übergibt. Es akzeptiert, dass seine Pflichten ein Ende finden. Ein Schritt, den viele junge Frauen in meinem Alter bereits gegangen sind, doch sie haben sich möglicherweise nicht nächtelang weinend an ihren Bruder geklammert und seine tröstenden Worte konsumiert, als wären sie ein Medikament. Ich brauchte ihn und ja, auch er brauchte mich, vielleicht nicht so sehr, aber doch waren wir abhängig voneinander. Ich schlucke schwer, weil es sich anfühlt, als würde ich ihn im Stich lassen.
"Ich warte hier auf dich." Widerwillig löse ich meine Hände von ihm, ringe um Worte, aber kann keine finden. "Los. Es sind doch nur ein paar Minuten."

Nein, das hier ist so viel mehr als ein Sonnenaufgang. Das ist ein neues Kapitel und ich weiß, dass meine Tinte bereits in Glück getaucht, doch Luans noch ganz trocken ist. Aber genau deswegen hat jeder seine eigene Geschichte. Weil jede anders aussieht, weil jeder seinen eigenen Rhythmus hat.

"Bring sie mir bloß heil wieder", meint Luan in Ashs Richtung.
"Immer."
Und in diesem kleinen Wort steckt so viel mehr.

Ash führt mich hinter sich her die Treppe hoch, hinein in die vertrauten Wände des Palastes, in Erinnerungen, die mir weniger zusagen, doch er schlägt schnell einen fremden Kurs ein. Mit jedem Schritt höher, pocht mein Herz schneller und lässt mich wissen, dass er jedes Fünkchen Vertrauen verdient hat. Denn ich freue mich auf das neue Kapitel meiner Geschichte.

Noch ehe ich über meinen Fuß klagen kann, hebt er mich hoch, trägt mich die letzten Treppen hinauf und setzt mich erst wieder ab, als wir einen Balkon erreicht haben. Ich wage einen Blick über das Geländer, vielmehr ein hüfthohes, mit filigranen Schnörkeln verziertes Stück Mauer, und stelle fest, dass schwindelfrei zu sein Voraussetzung ist. Die Menschen und Magier mehrere Stockwerke unter uns wirken wie zerbrechliche Streichhölzer.

Ich rutsche auf die Mauer, lasse meine Beine in der Luft baumeln, so gefährlich hoch über der aufgehenden Sonne und kann mir ein Lachen nicht verkneifen, als Ash mich fragt, warum ich ihm die Bring sie mir bloß heil wieder-Bedingung meines Bruders bereits jetzt zur Herausforderung mache. Er lässt sich neben mir nieder, legt mir einen Arm um die Taille und auch wenn wir nicht wissen, was unter uns ausgearbeitet wird, um es anschließend den bis heute Nacht versklavten Magiern als Angebot vorzulegen, ist unsere Welt für diesen Moment gesegnet von vollkommener Ruhe.

"Habe ich zu viel versprochen?"

Vehement schüttele ich den Kopf. Er hielt stets sein Wort, wenn er mich nicht sogar positiv überraschte. Ich erinnere mich daran, dass er mir wie die Klippe vorkam, die mich mein Ende kosten würde, sollte er mich stoßen.

Welch eine Ironie, dass ich bereitwillig neben ihm sitze, den Abgrund zu Füßen habe und die Augen schließen kann, weil ich nichts zu befürchten habe. Weder vor ihm, noch bei ihm.

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