The Light We Lost [VKOOK]

By aurasworld

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"Sie saßen am Tisch wie Schauspieler, die nach langer Zeit wieder zusammentrafen und sich nicht mehr an den T... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 7
Kapitel 8

Kapitel 6

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By aurasworld

Dieser Junggesellenabschied brachte Jungkook an seine Grenzen.

Das war eindeutig.

Sein Körper war ständig in einem Kampf-oder-Flucht-Modus und auf Dauer war es einfach nur anstrengend.

Er hatte noch nicht einmal eine Nacht überstanden und jammerte schon.

Er nippte bereits seit einer halben Stunde an seinem Glas, brachte aber keinen Schluck hinunter. Der Geschmack von künstlicher Kirsche und zehn anderen Früchten brannte viel zu stark in seinem Hals und er hasste, hasste, hasste den Beigeschmack. Aber der Cocktail war der einzige alkoholfreie, also unterdrückte er sein Würgen und auch das Gefühl, nach einem Joint zu fragen. Jungkook und Yoongi waren die einzigen in der Gruppe, die regelmäßig rauchten. Namjoon hatte zwar hin und wieder einen Zug probiert, aber so wirklich angetan hatte es ihm nicht.

Niemand hinterfragte, dass er keinen Alkohol trank, aber nie nein zu Gras sagte. Niemand außer Taehyung und Yoongi wussten von dem Problem seines Vaters, und er hatte auch nicht vor, es noch jemanden zu sagen. Nicht, weil er den anderen nicht vertraute, sondern, weil er sich schämte. Und so etwas zuzugeben—

Es war schwer.

Er würde gerade alles tun, um das entspannende Gefühl von einem Joint zu fühlen, der ihm erlaubte, all seine Gefühle für eine kurze Zeit zu ignorieren und einfach nur zu existieren. Stattdessen saß er hier und starrte mit verzwickter Miene in sein Getränk, welches von Sekunde zu Sekunde ekelhafter auf ihn wirkte.

"Willst du was anderes? Dein Gesicht ist so verzwickt, dass ich denken könnte, du hättest in eine Zitrone gebissen", murmelte Yoongi leise neben ihm.

"Nein", sagte Jungkook schnell. "Ich will keine Umstände machen."

"Wenn du etwas anderes willst, musst du es sagen."

"Ich weiß."

"Schmeckt es dir nicht? Was ist da drin, dass du so schaust?", hackte Yoongi weiter nach.

"Kirsche", sagte Jungkook langsam. "Es ist schon okay. Ich trinke das aus. Das waren über 13.000 Won."

"Aber wieso solltest du es austrinken, wenn du es nicht willst—"

Weil das Leben so ist, dachte Jungkook. Man bekommt nicht immer das, was man will, und man muss sich mit dem, was man hat, zufriedenstellen.

"Was ist denn?", unterbrach Jimin das Gespräch. Jungkooks Lippen nippten sofort an dem Glas und er schüttelte den Kopf. Er würde sich nicht beschweren. Er brachte schon genug Unordnung in diesen Ausflug.

"Nichts, bei dir?", sagte er schnell und versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. "Es ist alles in Ordnung."

Jimin blickte auf sein Getränk, dann in sein Gesicht. Er verstand sofort. "Du magst das Getränk nicht?"

Jungkook grummelte und zuckte dann mit den Schultern. "Ich glaube nicht, nein." Er seufzte entschuldigend. "Aber ich werde es austrinken, gib mir ein paar Minuten und ich—"

"Wieso sagst du denn nichts?", seufzte Jimin und nahm Jungkooks Getränk aus seinen Händen. Innerhalb einer Sekunde hatte Jimin das Getränk ausgetrunken, ohne einmal abzusetzen. Nicht ein Muskel hatte bei ihm gezuckt—nichts. "Dir ist es erlaubt, deine Meinung zu sagen, Jungkook. Wir wollen dich zu nichts zwingen. Wir wollen nur—das hier soll Spaß machen, okay? Das ist keine... keine Bestrafung." Seine Mundwinkel zeigte nach unten. "Der Cocktail war übrigens schrecklich. Kein Alkohol und Kirschgeschmack. Bah."

Yoongi pfiff leise.

"Es tut mir leid. Es ist nur sehr—sehr ungewohnt. Ich—" Ihm fehlten die Worte, er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er wollte doch einfach nur ein normales Gespräch mit Jimin führen. Ein Gespräch, das nicht geprägt war von Unbehagen, passiv Aggressivität und unerträglichen Stillen.

"Ja, ich weiß", flüsterte Jimin und dann brachte er sich in ein anderes Gespräch.

Es konnte kein Zufall sein, dass niemand länger als fünf Minuten mit ihm ein Gespräch führen konnte. Keiner. Früher hatten sie stundenlang miteinander gesprochen. Es wurde nie langweilig. Die Erkenntnis löste etwas Starkes in ihm aus. Innerlich fühlte es sich an, als würde etwas durch seinen Magen brennen.

"Ich bestelle dir ein Wasser. Du bist sowieso nicht der Einzige, der heute keinen Alkohol trinkt, also mach dir keinen Kopf. Wir finden schon etwas ohne Kirschgeschmack", sagte Yoongi und klopfte kurz zwischen Jungkooks Schulterblättern.

"Wer trinkt hier keinen Alkohol?", fragte Jungkook, wobei seine Augenbrauen in die Höhe schossen.

"Wenn du deinen Blick mal etwas höher richten und nicht ständig auf einen Fleck starren würdest, hättest du mitbekommen, dass Taehyung auch nicht trinkt."

Er schaffte es nicht, ein Schnauben zu verhindern. Yoongi sagte nichts mehr dazu und versuchte sich ebenfalls in das Gespräch der anderen einzumischen, während Jungkook sich immer weiter zurückzog. Er bestellte ein Wasser und machte sich kleiner. Hin und wieder bekam er mit, wie Yoongi oder Namjoon ihn etwas fragten, aber eine wirkliche Antwort bekamen sie nie—nur ein Nicken oder Kopfschütteln.

Es war nicht so, dass er nicht mit den anderen reden wollte, er wusste nur nicht, über was. Es gab so viele unausgesprochene Sachen zwischen ihnen, so viel Schmerz, der noch nicht aufgearbeitet wurde und wenn er nur ein falsches Wort sagte, würde die Fassade, die die anderen verzweifelt aufrecht erhalten zu versuchten, sofort niederbrechen.

Jungkook dachte an die lauten, fröhlichen Gespräche von früher. Und nun saßen sie am Tisch, wie Schauspieler, die nach langer Zeit wieder zusammentrafen und sich nicht mehr an den Text ihres Stücks erinnern konnten.

Es war gar nicht so einfach, ein Thema zu finden. Jetzt, wo die Gruppe wieder vereint war. Über die Vergangenheit zu sprechen war zu schmerzhaft. Über die Gegenwart zu sprechen unvorstellbar. Also sprachen sie über die Zukunft. Sie sprachen über die Hochzeit, darüber, welche Anzüge Namjoon und Jimin tragen würden, für welche Torte sie sich entschieden, ob es sonnig oder bewölkt sein würde, ob sie bereits das Gelöbnis geschrieben hatten. Sie sprachen über Namjoon und Jimin, aber keiner verlor ein einziges Wort über sich selbst. Keiner erzählte, was er die letzten Monate getan hatte. Wie sie sich verändert hatten. Wie sie sich fühlten, wieder beisammen zu sein. Jungkook erzählte nicht, dass er bereits vier Bücher veröffentlicht hatte, aber unzählige andere abgebrochen hatte. Er erzählte nicht, dass er sich gerade im Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn befand. Er erzählte nicht, dass er tagtäglich von schlechten Gedanken heimgesucht wurde, weil er alle von sich gestoßen hatte. Alle, außer Namjoon und Yoongi. Er erzählte nicht, dass er manchmal glaubte, sein Erfolg käme nur davon, weil er gelitten hatte. Er erzählte nicht, dass er all seine Erfahrungen, all seinen Herzschmerz in seine Bücher steckte. Jedes einzelne Wort. Jedes Adjektiv. Jedes Verb. Jedes Wort war er. Seine Seele, seine Gefühle. Er erzählte nichts.

Taehyung tat wiederum gar nichts.

Er trank nicht.

Er sprach nicht.

Er blinzelte nicht.

Er sah einfach nur leer aus.

Er hätte genauso eine Dekoration in der Bar sein können. Jimin bekam das mit und flüsterte ihm etwas ins Ohr und erst dann reagierte er. Taehyung lächelte—ein kleines, zurückhaltendes Lächeln und Jungkooks Herz hupfte wie Wackelpudding. Es war ein so ungewohntes Gefühl, denn dort, wo normalerweise immer Schmerz zu spüren war, war plötzlich etwas anderes—etwas Lebhaftes.

"Also", sagte Jin aus dem Nichts. "Weil noch keiner von euch, die Geschichte erzählt hat, frage ich euch jetzt. Wie?"

"Wie, was?", hackte Namjoon nach.

"Wie war der Antrag? Wie ist er abgelaufen? Ich wollte schon beim Bahnhof fragen, aber war verunsichert, weil keiner danach gefragt hat." Er warf jeden in der Runde einen vorwurfsvollen Blick zu. "Seid ihr nicht neugierig? Ich auf jeden Fall."

"Ich dachte, Namjoon hätte es euch schon erzählt?" Jimin klang aufrichtig verblüfft. Er wandte sich zu Namjoon, er musste dabei den Kopf etwas nach oben strecken und blinzelte dann zu ihm hinauf. "Soll ich es ihnen erzählen?"

"Wie du willst", entgegnete Namjoon und Jimin drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe. Namjoons Grübchen stachen so weit hervor, dass Jungkook glaubte, sie würden sich bald auf seinem Gesicht verewigen.

"Okay", grinste Jimin. "Namjoon hat sich viele Gedanken gemacht. Er war so romantisch. Er ist mit mir zuerst zum Strand gefahren, dann haben wir uns in den Sand gesetzt und zu den Sternen hinaufgesehen. Anschließend hat er mir ganz liebevoll ins Ohr geflüstert, dass er den Rest seines Lebens mit mir verbringen möchte, dann ging er in die Knie und holte den Ring raus. Ich habe vor lauter Tränen kein Wort rausgebracht, ich war so überfordert wie noch nie zuvor. Erst als ich merkte, wie Namjoon vor Unsicherheit zu zittern begann, habe ich laut los geschrien und mich lachend um seinen Hals geworfen. Das war natürlich ein klares Ja."

Namjoon war der erste, der zu lachen begann. Gleich darauf stieg Jimin mit ein. Sogar beim Lachen passten sie perfekte zusammen. Namjoon hatte eine tiefe und leise Stimme, Jimins Stimme war hell und laut. Wie Tag und Nacht.

"Was ist so lustig daran?", fragte Jin. Er schmollte leicht. "Das ist sehr romantisch, Namjoon. Das hätte ich zwar nicht von dir erwartet, aber da sieht man, es hat sich ausgezahlt die ganzen Staffeln Bridgerton zu schauen."

Namjoons Wangen wurden etwas rot. Jimin kicherte los.

Hoseok sagte nur: "Also ich weiß ja nicht. Das klingt nach einer Folge aus Grey's Anatomy, bevor jemand stirbt und der schöne Moment zu Ende geht. Hast du das wirklich so gemacht?"

"Du hast ihn zum Strand gefahren? Wie lange wart ihr unterwegs? Drei Stunden?", meinte Yoongi. "Hast du... am Strand Rosen verteilt oder...?"

Die beiden lachten weiter, bis Namjoon langsam die Hände vor das Gesicht schlug und leise etwas murmelte.

"Sprich weiter", kicherte Jimin dann.

"Ich habe ihm einen Antrag während dem Geschirrwaschen gemacht", kam es leise aus Namjoon und dann—

Jin gluckste.

Jimin lehnte sich entspannt nach hinten, während er die Blicke der anderen in sich zog.

Das ist egal, dachte Jungkook. Der Antrag ist egal. Der Ort ist egal. Alles ist egal, solange die zwei Personen sich lieben und ihr Leben gemeinsam verbringen wollen. Es gibt nichts schöneres, als einen aufrichtigen Antrag, der nicht geplant war, sondern einfach aus einem hinausstolpert, wie ein unerwartetes Liebesgeständnis, geflüstert in der tiefsten Nacht, zwischen unendlich vielen Kissen und einem abgenutzten Laken.

Jungkook hätte es geliebt.

Und nicht, weil es ein Antrag war, sondern weil der Antrag von Taehyung gekommen wäre—

Ein Elektroschock zuckte durch Jungkooks Körper. Sein Kopf begann zu pochen und seine Augen zu tränen.

Denk an etwas anderes, redete er sich ein. Sofort. Denk an— Denk an Sonnenschein. Denk an das Meer. An einen Strand. An den Antrag— Nein. Nein, nein, nein. Denk an—

"Es klingt komisch. Vielleicht ist es das auch. " Jimin starrte glücklich auf seinen Ring. "Aber ich war so glücklich in dem Moment. Ich bin so glücklich. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mal heiraten werde. Ich habe es zwar gehofft, aber der Weg dorthin schien so weit und holprig." Namjoon wandte den Blick nicht von ihm ab und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, langsam und vorsichtig. Seine Finger streiften Jimins Stirn. "Es war egal, dass er es während dem Geschirrspülen gemacht hat. Es hätte mir nicht egaler sein können, während er es auf dem Klo gemacht hätte. Wirklich. Ich werde die Person heiraten, die ich am meisten liebe. Wenn ich das bei unserem ersten Date schon gewusst hätte, wäre ich vielleicht ein klein bisschen weniger nervös gewesen."

"Dachte ich es mir doch", wisperte Hoseok. Er wischte sich schnell die Feuchtigkeit aus dem Gesicht. "Das ist wirklich schön. Ich finde das gar nicht komisch— Hört sofort auf, euch so anzustarren, sonst mache ich Yoongi gleich auch einen Antrag—"

Yoongi verdrehte die Augen.

Hoseok würgte sarkastisch bei dem Anblick der beiden und Jin legte bloß den Kopf verträumt zur Seite.

"Es ist nicht komisch. Wenn es für euch der perfekte Antrag war, dann war es perfekt", war alles, was Taehyung sagte. Es kam monoton aus ihm. Aber Jimin hatte ihn gehört und ihm dankend zugelächelt.

"Was hättest du gemacht, wenn Namjoon dich nie gefragt hätte?", fragte Jin.

"Es spielt keine Rolle. Ich wäre so oder so glücklich gewesen, verheiratet oder nicht. Vielleicht hätte ich ihm irgendwann einen Antrag gemacht", antwortete Jimin. "Aber noch ist es nicht so weit. Wer weiß, vielleicht lasse ich Namjoon am Altar stehen."

"Das würdest du nicht tun", brummte Namjoon und Jimins Augen blitzten auf.

"Würde ich nicht, nein. Ich werde dich wahrscheinlich vor unserem Ringaustausch küssen—"

"Dir wäre es wirklich egal?", hackte Jungkook nach und zum ersten Mal sprach er wirklich. Er zeigte zum ersten Mal Interesse. Er hatte ganzen Abend kein einziges direktes Wort an die Gruppe gerichtet, doch nun schien sein Kopf nach Antworten zu suchen. "Du hättest nie etwas gesagt, wenn Namjoon dir keinen Antrag gemacht hätte? Du hättest... einfach so weitergetan?"

Jimin nahm einen großen Schluck von seinem Getränk. "Ja. Vermutlich. Ich weiß es nicht. Das ist ja nur hypothetisch."

"Liebt man nicht, um zu heiraten?", sprach Jungkook weiter und dann wurde ihm ganz heiß, denn der Gedanke, dass Taehyung ihm gerade genau zuhörte, bereiteten ihm Magenschmerzen. "Was nützt es mir, wenn ich mit jemanden zusammen bin, mit dem ich keine Zukunft sehe?"

Er wusste nicht, wann er überhaupt zuletzt das Wort 'heiraten' in den Mund genommen hatte. Seine Wange kribbelte unangenehm. Sein Hals juckte. Alles juckte. Wenn er könnte, würde er sich die Augen ausreißen oder sich aus seiner Haut schälen—das Jucken war schrecklich.

"Ich.. keine Ahnung." Jimin schien angestrengt nachzudenken. "Namjoon?", fragte er hilflos.

"Ich denke schon?", sagte Namjoon. "Ich glaube, wir wären aber auch glücklich, ohne eine Hochzeit. Das muss jeder für sich selbst wissen."

Ein leises Schnauben ertönte.

Taehyung schnaubte.

Die Stimmung schien mit einem Mal etwas aufgeladener—beinahe elektrisierend. Als würde eine Glühbirne in wenigen Sekunden zerplatzen und die Splitter sich in jeden einzelnen bohren, der der Glühbirne zu nahe war.

"Was?", fragte Jungkook. Sein Ton war etwas zu schroff. "Was ist?"

Taehyung blickte mit geschürzten Lippen auf sein Getränk und rührte mit dem Strohhalm die Flüssigkeit um. "Namjoon und Jimin wären auch zusammen, würden sie nicht heiraten. Eine Hochzeit definiert nicht die Liebe von zwei Personen. Man liebt nicht, um zu heiraten. Man liebt, um das Leben mit einer Person zusammen verbringen zu können. Auch ohne schriftlichen Beweis."

Rot. Jungkook sah rot.

Die anderen nickten hektisch. Dann schüttelten sie den Kopf. Dann nickten sie wieder. Es war offensichtlich, wie überfordert jeder war. Unklar, was nun die richtige Reaktion war.

Namjoon lachte etwas unbehaglich. "Ja, das stimmt auch. Schätze ich. Jimin und ich haben uns da jetzt nicht so den Kopf darüber gebrochen, es hat sich richtig angefühlt und—"

"Wenn man die Person nicht heiraten möchte, die man liebt, dann ist das vielleicht die falsche Person", presste Jungkook heraus. Er hob sein Kinn und hielt den Blickkontakt aufrecht. Taehyungs Augen wurden dunkler. "Vielleicht sollte man sich dann vorher überlegen, ob man die Person wirklich und wahrhaftig liebt. Jimin und Namjoon lieben sich eindeutig, also heiraten sie. So einfach ist das."

Taehyungs Mundwinkel zuckten nach unten. Er öffnete den Mund und Jungkook wusste—

Er wusste, er hatte einen Fehler gemacht.

Denn wenn es eine Sache über Kim Taehyung gab, die man beachten musste, dann dass man sich nicht mit ihm streiten wollte, denn er war stur. So, so stur. So viel Durchhaltevermögen in so einem kleinen Kopf, so viele Gegenargumente. Jungkook hatte so oft Diskussionen gegen ihn verloren und jedes Mal hatte er sich mehr in Taehyung verliebt. Doch nun konnte er diese Eigenschaft nur verfluchen.

"Ich weiß nicht, warum die heutige Gesellschaft so darauf fixiert ist, dass man heiraten muss, um zu beweisen, dass man sich liebt", spuckte Taehyung beinahe. "Man muss gar nichts. Es gibt Liebespaare, die nach ein paar Monaten heiraten und es funktioniert einfach nicht. Dann gibt es Liebespaare, die bereits seit zehn Jahren zusammen sind und kein einziges Mal an eine Hochzeit denken und siehe da! Es funktioniert. Liebt man eine Person weniger, wenn man sie nicht heiraten will? Nein, tut man nicht. Das ist Blödsinn. Einfach nur Blödsinn—"

"Bei einer Heirat geht es nicht nur um Liebe." Jungkooks Hals schnürte sich immer weiter zu. "Es geht darum, ein Versprechen zu machen. Ein Versprechen, das zeigt, dass man auch in schwierigen Zeiten einander liebt und zueinandersteht—"

"Und das kann man nicht ohne Papiere tun?", fragte Taehyung energisch. Er warf die Hände in die Luft. "Geht das nicht auch so? Muss ich dafür jemanden heiraten? Nein! Ich kann lieben, versprechen und ficken, auch ohne diesen ganzen Papierdreck—"

"Oh, komm schon." Jungkook verdrehte die Augen. Tränen prickelten in seinen Augen, aber nicht aus Traurigkeit, sondern aus Wut. Aus Verzweiflung. Taehyung verstand ihn nicht. Er verstand nicht, wie wichtig ihm das war und das brach sein Herz. Wieder. Und wieder. Und wieder.

"Leute", sagte Yoongi, aber Taehyung kam ihm dazwischen.

"Hochzeiten sind altmodisch, sie kosten viel Geld und haben nur einen Zweck: Der Welt zu zeigen, dass man heiratet. Und wofür? Für nichts. Dann kommt der zusätzliche Druck, dass man vor hunderten von Leuten die Liebe zur anderen Person erklären muss, obwohl man das sonst immer privat getan hat. Ich will nicht vor anderen Menschen sagen, wie sehr ich ihn liebe, dass sollte verständlich sein. Das ist eine Sache zwischen mir und meiner Person."

"Du verstehst es nicht", flüsterte Jungkook.

Du hast es noch nie verstanden.

Du verstehst mich nicht.

"Das reicht jetzt", knirschte Jimin mit den Zähnen.

"Ja, vielleicht tue ich das nicht", zuckte Taehyung mit den Schultern. Er lehnte sich mit angespanntem Kiefer nach hinten und fixierte Jungkook mit seinem kalten Blick. Er schien kurz etwas sagen zu wollen, dann entschied er sich dagegen und nahm einen Schluck.

Jungkook konnte seinen Puls bis in die Fingerspitzen spüren und er versuchte, den Schmerz in seiner Lunge wegzublinzeln und sich nichts anmerken zu lassen. Aber er wollte nicht lockerlassen. Das hier war wichtig für ihn.

Er wollte, dass Taehyung verstand. Auch, wenn es sich anfühlte, als müsste er mit seiner bloßen Hand eine Steinmauer durchbrechen. Praktisch unmöglich.

Jungkook sah absichtlich zu Yoongi, der die ganze Zeit über das Gesicht verzogen hatte und bei jedem Wort, das Taehyung und Jungkook miteinander austauschten, mehr geschrumpft war. "Heiraten bedeutet für mich, dass man es ernst meint. Das man bereit ist, seiner Person für immer und ewig Liebe und Hingabe zu schenken und kein einziges Mal an das Aufgeben denkt. Eine Hochzeit, das Heiraten— Das ist nicht nur ein Stück Papier." Seine Stimmte wackelte nun. "Liebe ist doch auch nicht nur ein Wort, oder? Liebe ist nicht nur eine chemische Reaktion. Es bedeutet so viel. Für mich. Für Jimin und Namjoon. Es bedeutet, jemanden zu vergeben, wenn sie dich hängengelassen haben. Es bedeutet, jemanden zu lieben, auch wenn man ihn im Moment hasst. Es bedeutet Freundschaft. Hingabe. Vertrauen. Es bedeutet, gemeinsam ein Zuhause aufzubauen. Es bedeutet alles."

Taehyungs Blick traf Jungkooks. Es gab keine größere, ohrenbetäubende Stille auf dieser Welt als die von zwei Ex-Liebhabern, die sich in einem überfüllten Raum anstarrten, während der Rest in den Hintergrund rückte. Die Geräusche. Die Lichter. Alles verschwand.

Er erinnerte sich. An all die schlechten Momente. Den Streit. An alle überwältigenden Gefühle und den Schmerz. Die Art von Schmerz, die er nie so richtig wegbekommen hatte und er zweifelte, dass er jemals ein schmerzfreies Leben führen würde.

Und er fragte sich: Wäre es anders gelaufen, hätten sie geheiratet?

Wenn er ein Feigling wäre, würde er sagen, ja. Ja, es wäre anders gelaufen. Doch die Wahrheit war nun mal, dass es nicht anders gelaufen wäre. Sie waren kaputt. Sie hatten sich gegenseitig kaputt gemacht. Und sie machten alle anderen um sich herum kaputt.

"Wow." Jimin zog die Augenbrauen zusammen und rief den Kellner zum Tisch. "Ich fühle mich so sicher nach diesem erfolgreichen Gespräch. Danke euch, wirklich. Genau so etwas will man hören, wenn man frisch verlobt ist."

Jungkooks Brust zog sich zusammen. "Jimin—"

"Nein", sagte er knapp und bezahlte.

"Hey... hey, wo gehst du hin?", fragte Hoseok perplex, als Jimin aufstand. Namjoon folgte ihm sofort, ohne zu zögern.

"Es tut mir leid. Ich habe mich nicht zurückhalten können", seufzte Taehyung müde und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. "Jimin, komm schon. Setz dich wieder. Es tut mir wirklich leid. Mir ist das alles bloß rausgerutscht, ich denke nicht wirklich so. Wir können über etwas anderes reden."

"Jim", war Namjoons verzweifelter Versuch, ihn vom Gehen abzuhalten.

Jungkook brachte kein Wort raus. Er hatte den Abend ruiniert. Er hatte es tatsächlich geschafft. Oh, er fühlte sich so schlecht. So verdammt schlecht. Was für ein Freund war er? Wer schaffte sowas? Er wollte doch nur— Er hatte doch nur—

Du hast deine eigene Unsicherheit auf Jimin und Namjoon projiziert, hörte er eine Stimme. Taehyung und du. Ihr beide habt das getan.

"Nein, ich bin müde. Das reicht für heute. Ich muss nachdenken."

Jin stotterte etwas. "Wie viel hast du bezahlt? Du kannst doch nicht alles zahlen, das ist euer Junggesellenabschied."

"Jimin, bitte", bat Hoseok. "Du kannst uns doch hier nicht so sitzen lassen."

Jimin schüttelte nur den Kopf und kurz darauf verschwand er auch schon. Namjoon hinterher.

Der Abend war vorbei.

˗ˏˋ ♡ ˎˊ˗

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Boah lest eif yaa hab mich spontan dazu entschieden Also muss noch überlegen vllt änder ich den Namen