The Light We Lost [VKOOK]

By aurasworld

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"Sie saßen am Tisch wie Schauspieler, die nach langer Zeit wieder zusammentrafen und sich nicht mehr an den T... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8

Kapitel 4

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By aurasworld

Erst als sie im Zug waren und jeder auf seinen Platz saß, begriff Jungkook, dass sie alle in nächster Zeit miteinander auskommen mussten. Namjoon und Jimin saßen—wer hätte es auch anders erwartet—nebeneinander, ihre mit Ringen bestückten Hände liebevoll ineinander verschlungen und Jimins Kopf auf Namjoons Schulter. Neben ihnen waren Taehyung und Yoongi, dahinter Hoseok, Jungkook und Jin.

Jungkooks Angst war groß gewesen, als er gesehen hatte, dass Yoongi nicht neben ihm saß, sondern Hoseok und Jin. Sein Worst-Case-Szenario wurde wahr und die Stille war so erdrückend, dass er am liebsten aus seiner Haut fahren wollte.

Die erste Stunde der Fahrt verging, doch keiner sagte ein Wort.

Jungkook war angespannt—sogar mehr als das. Er hatte das Gefühl, über heiße Kohlen zu laufen, wobei er aber keinen Laut von sich geben durfte, auch wenn er Schmerzen hatte.

Er konnte im Augenwinkel sehen, wie Taehyung in seinem Notizbuch zeichnete und die Augenbrauen konzentriert zusammenzog. Das machte er immer, wenn ihn etwas störte—wenn er unzufrieden war. Der Anblick warf ihn kurzzeitig so aus der Bahn, dass er den Kopf mit einem Ruck zur Seite schleuderte und komische Blicke von den anderen erntete.

Weil keiner mit ihm sprach und er die ganze Fahrt über nicht Löcher in die Luft starren wollte, holte er seinen Laptop raus und öffnete sein Manuskript. Er brauchte ein paar Minuten, um sich zu sammeln, bevor er die Worte auf seinem Bildschirm endlich sehen konnte und Kim Taehyung aus seinem Gedächtnis verschwand.

Er versuchte zu arbeiten. Er wusste, er musste jede freie Zeit nutzen, um bei seinem Manuskript voranzukommen. Der Abgabetermin war in vier Wochen und wenn er bis dorthin nicht fertig wurde und seine Arbeit einreichte, würde er gegen seinen Vertrag verstoßen und sein Verlag könnte ihn theoretisch fallen lassen, ohne rechtliche Konsequenzen. Würden sie nicht tun, er war gut. Sehr gut sogar. Sein letztes Buch hatte so viele Auflagen wie noch nie gehabt und er prahlte nicht gerne, aber er war so, so stolz auf sich gewesen, dass er drei Tage durchgeweint hatte. Ihm fehlten zehntausend Wörter von der Rohfassung. Es klang nicht nach viel. Aber wenn er überlegte, dass er seit zwei Wochen an dem verdammten Schluss schrieb, aber nichts passte, war es doch viel. Nichts war richtig. Nichts war gut. Aber er konnte einfach nicht die Kraft und die Motivation aufbringen, seinen Charakteren das zu geben, was sie verdient hätten.

Als Jungkook zu tippen begann, gab es nur ihn und seinen Laptop. Nur ihn und sein Buch. Der Rest der Welt verschwand und alles, was er sah, waren Worte auf weißem Papier. Er tippte vielleicht fünfhundert Wörter, bis seine Finger nachgaben und er stoppte. Er löschte die letzten zweihundert Worte und begann von neu. Dann löschte er sie wieder. Er schrieb einen neuen Anfang. Dann löschte er es wieder. Und wieder. Und wieder. Er begann komplett von neu, er rollte das Kapitel von vorne auf und dann—

Er seufzte und löschte es.

Das war so schlecht, dass er wirklich daran zweifelte, je wieder ein Buch veröffentlichen zu können.

"Was schreibst du?", fragte jemand leise neben ihm.

Jungkook war so vertieft in seinen Gedanken gewesen, dass er unabsichtlich einen verwirrten und gleichzeitig erschrockenen Laut von sich gab, der klang, wie eine Ziege kurz vorm Sterben.

Er hörte, wie jemand von der vorderen Reihe kicherte—Namjoon.

"Was?", piepste er. Er hatte das Bedürfnis seinen Laptop zuzuklatschen. Es war nur eine Rohfassung. Er wollte nicht wissen, was sein Gehirn an Plot gezaubert hatte, wenn es an die Überarbeitung ging.

"Was schreibst du?", fragte Hoseok nochmal, sein Mund angespannt, als hätte er die Frage bereits bereut.

"Oh." Jungkook räusperte sich. Er senkte die Stimme. "Nur ein neues Buch. Es... es ist noch nicht fertig."

Hoseok hatte offensichtlich mehr Information erwartet, denn sein Gesicht strahlte so etwas wie Genervtheit aus, bevor er sich in seinem Sitz entspannte und den Kopf in die andere Richtung drehte. Weg von Jungkook.

Der Jüngere fühlte sich wie jemand, der noch nie eine Konversation in seinem Leben hatte. Egal was er machte, egal was er antwortete—es schien falsch zu sein.

"Es ist schwer zusammenzufassen, worüber es geht. Nicht, weil ich keine Ahnung habe, sondern weil es Teil meines Schreibprozesses ist. Ich sehe erst später das Ganze. Ich sehe erst später, was aus meinen Worten geworden ist. Welche Message ich mitteilen möchte", begann Jungkook leise. Er hoffte, Hoseok hörte ihm zu. "Grundsätzlich hat jeder Charakter etwas, was er überwinden muss. Schwierig wird es, wenn es zwei Charaktere betrifft, die ineinander verliebt sind und—"

"Also eine Liebesgeschichte?"

Er spürte die Röte, die von seinem Hals bis hin zu seinen Wangen wanderte. "Genau."

Ein leichtes Lächeln. "Der Romantiker in dir hat sich nicht verscheuchen lassen, was?"

"Ich schreibe keine Geschichten ohne Romantik. Ich habe es versucht, aber— es geht nicht."

"Ich denke, es wäre schade um dein Talent, wenn du keine romantischen Bücher schreibst. Bei deinem letzten Buch musste ich tatsächlich weinen", sagte Hoseok.

"Du—du hast es gelesen?", fragte Jungkook.

Hoseok schnaubte. "Es war wochenlang auf der Bestseller-Liste. Ich habe es ganze drei Mal geschafft, daran vorbeizugehen, aber irgendwie ist es dann doch in meinem Warenkorb gelandet."

"Hat es dir gefallen?"

Die Frage kam viel zu schnell—viel zu hektisch. Sein Herz hämmerte hoffnungsvoll in seiner Brust und noch nie hatte ihn eine Meinung so sehr interessiert, wie die von Hoseok.

Hoseoks Antwort dauerte zu lange. Nur weil man bei einem Buch weinte, hieß es noch lange nicht, dass es gut war. Man konnte mit den Charakteren mitfühlen, aber trotzdem am Ende zugeben, dass vieles nicht gepasst hatte.

"Ich habe es geliebt", gab er nach langer Pause zu. "Aber—"

Jungkook hielt den Atem an.

"Wieso hat er seinen Mann zum Schluss verlassen? Wo... wo blieb das Happy End?"

Ah.

Die Frage nach dem Happy End.

"Sie waren Seelenverwandte, aber trotzdem hast du sie am Ende getrennt. Warum?", fragte er weiter.

"Nicht jede Geschichte hat ein gutes Ende verdient. Das wäre langweilig, oder?", war Jungkooks einfache Antwort auf die Frage.

"Aber, wenn sie doch Seelenverwandte waren—"

Jungkook seufzte. "Es gab mehr Gründe, sich zu trennen, als zusammenzubleiben. Manchmal geht man getrennte Wege. Nicht alle sind dazu bestimmt, zusammen zu sein."

"Aber wieso konzentriert man sich dann nicht auf die Dinge, die einen zusammenhalten?"

Jungkook stockte.

Hoseok beobachte Jungkook etwas zu lange. "Ich habe das Gefühl, du willst, dass sie leiden. Du könntest ihnen ihr Happy End geben. Du bist der Autor."

Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen und erklären, warum Happy Ends überbewertet waren, als Jin sich in ihr Gespräch einmischte.

"Was ist mit deinen anderen Büchern?", fragte Jin. "Wie enden die? Happy End oder Bad End?"

Jungkooks Herz klopfte etwas schneller. Er hatte insgesamt vier Bücher von einem Verlag veröffentlichen lassen, aber schon ungefähr zehn geschrieben. Sein aller erstes Buch hatte er fünf Mal überarbeitet, bevor er sich eingestehen musste, dass es nicht gut genug war. Er entschied sich, die Geschichten der Charaktere für immer ruhen zu lassen. Er war bekannt dafür, ein zufriedenes Ende zu schreiben. Doch sein letztes Buch—sein Bestseller Buch—hatte das nicht. Es hatte kein Happy End. Und siehe da: Das Publikum musste genauso gebrochen, genauso kaputt sein wie er, denn noch nie hatte er so heftige Reaktionen auf eine Geschichte bekommen wie auf diese.

"Happy End", antwortete er kurz.

"Es würde dich nicht umbringen, sie glücklich zu machen", meinte Jin nur trocken.

"Wen meinst du?"

Alle seine Charaktere? Unmöglich.

"Ich lese bereits zum fünften Mal das Wort 'schluchzen' auf deiner Datei und du bist... was? 150.000 Wörter in der Story? Du lässt sie leiden."

Jungkook griff sich an die Stirn und massierte sich die Schläfen, bevor er unsicher seine Datei scannte. Jin hatte recht. Ein Satz reichte und man konnte sofort erkennen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelte. "Ich—Ich muss Synonyme für Schluchzen suchen."

Er tippte in Ruhe weiter, bis die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen und er keinen Satz mehr formulieren konnte. Als er wieder zu Hoseok blickte, lagen seine Augen noch immer auf Jungkooks Bildschirm. Jin hatte sich wieder abgewendet und die Arme vor der Brust verschränkt.

Es kostete Jungkooks gesamte Überwindungskraft, Hoseok fest in die Augen zu blicken und den Mund zu öffnen. "Wie geht es dir?", fragte er und er verschluckte sich beinahe bei der Frage. "Euch."

Zuerst bekam er keine Reaktionen, dann wurden Hoseoks Augen kleiner. "Interessiert es dich?"

Ein Stechen in Jungkooks Brust. "Natürlich—"

"Wir sind uns nicht ganz sicher. Die letzte paar Monate warst du immerhin abgetaucht." Hoseok unterbrach den Blickkontakt. "Du gabst uns nicht wirklich das Gefühl, dass wir dich interessieren."

Jungkook war von der Ehrlichkeit mehr als überrumpelt. Er dachte, sie würden den Elefanten im Raum ignorieren und sprachen die Tatsache, dass Jungkook nach der Trennung einen Nervenzusammenbruch hatte und alles und jeden von sich stieß, nicht an.

Er holte tief Luft. "Ich hatte mit einigen Sachen zu kämpfen—"

"Wir alle hatten mit einiges zu kämpfen", kam es schnaubend aus Jin. Sein Kiefer war angespannt, seine Haltung steif. "Wir haben dir trotzdem immer und immer wieder geschrieben."

Und keine Antwort erhalten.

Jungkook schwitzte. Da war ein ganzes Meer unter seinen Achseln.

"Es—" Er stockte. "Ihr wisst, wie ich reagiere, wenn mich etwas... durcheinanderbringt", presste er dann hervor auf, bevor er sein Dokument speicherte und schloss. Er klappte den Laptop mit einer Kraft zu, die nicht nötig gewesen wäre.

"Keine Entschuldigung", murmelte Jin.

"Was?"

"Das ist keine Entschuldigung."

"Ich muss mich doch nicht für meine Gefühle entschuldigen—"

Jins Stimme war dunkel. "Das hat keiner gesagt."

"Doch... du implizierst das gerade."

"Uns geht es gut, Jungkook", beendet Jin dann die Diskussion. "Wie du siehst und spürst, geht es uns allen blendend. Die Stimmung ist der Wahnsinn. Falls du noch Fragen hast, kannst du auf unsere hundert Nachrichten antworten, die wir dir hinterlassen haben. Da findest du zu allem etwas." Er schloss die Augen, drehte den Kopf zur Seite und das wars. Gespräch beendet.

Hoseok räusperte sich leise und tat es Jin gleich.

Jungkook saß auf seinem Sitz wie ein Kind, dass gerade mit seinen Geschwistern gestritten hatte und nun die kalte Schulter bekam. Er blinzelte überfordert.

Jungkook war verletzt gewesen. Seine Welt wurde über Kopf gestellt und er wusste nicht wohin, mit all seinen Gefühlen und der einzige Ausweg war—zu fliehen. Der Schmerz war so groß gewesen. Der Herzschmerz.

Er konnte sich noch daran erinnern, wie seine Brust nicht aufgehört hatte, weh zu tun und er alles versucht hatte.

Alles.

Er war beim Arzt. Er hatte mit Yoongi tausend Mal über dasselbe Thema gesprochen. Er hatte auf Koffein verzichtet. Er hatte mit Sport angefangen. Er hatte die Stelle immer und immer wieder mit seiner Hand massiert, aber der Schmerz—er ging nie weg. Es war, als würde ein Teil von ihm fehlen. Als hätte ihm jemand ein Teil seines Herzens gestohlen und nun blutete es aus.

Namjoon und Yoongi waren die einzigen Menschen gewesen, die er nicht von sich stoßen konnte. Denn wenn sie nicht gewesen wären... er wusste nicht, wo er heute wäre. Ob er überhaupt hier wäre.

Als Jungkook zu Taehyung blickte, hatte dieser aufgehört in seinem Block zu zeichnen. Da keiner mit ihm reden wollte, hatte er Zeit, um Taehyung genauer anzusehen. Zeit, sich selbst aufs Neue zu verletzen und Zeit, sich jedes einzelne Detail erneut einzuprägen. Er musterte seine Lippen, seine Hände, seine Haare. Und je mehr er sah, desto wütender wurde er.

Er hatte diese Lippen geküsst. Er hatte diese Finger geküsst. Er hatte seine Tattoos geküsst. Eigentlich gab es keine Körperstelle, die Jungkook nicht mit seinen Lippen berührte hatte. Keine. Einzige. Sie wussten alles voneinander. Taehyung war die Person für ihn gewesen.

Doch er und Taehyung hatten nie eine Zukunft.

Und Jungkook hatte verdammt lange gebraucht, um das zu sehen.

Es war eine Qual, Taehyung anzusehen. Es war eine solche Qual, dass der Scherz auf einem Mal wieder zurückkam. Seine Brust begann sich zu verkrampfen und das Stechen wurde immer intensiver. Irgendwann sah er weg. Doch das Stechen blieb.

Er wusste wirklich nicht, wie er die nächsten Tage überleben sollte.

˗ˏˋ ♡ ˎˊ˗

Vielen Dank für eure Votes und Kommentare bis jetzt, ihr wisst gar nicht, wie motivierend das ist!! <3

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