Liha & Dánirah - Der Drache u...

By jinnis

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Liha würde alles tun, seine Familie zurückzubekommen. Aber ihm bleibt nur die Rache. Deshalb will er dem Heer... More

Vorwort
1 - Der Sohn des Schmieds
3 - Der Prinz
4 - Die goldene Stadt
5 - Verletzt
6 - Kreaturen der Nacht
7 - Getrennte Wege
8 - Mehr als ein Schwert
9 - Begegnung am Keli
10 - Wie ein Sohn
11 - Rat der Hrankaedí
12 - Der ungekrönte König
13 - Melishs Trupp
14 - Kriegsrat
15 - Gefangen
16 - Kein Spiel
17 - Flucht
18 - Kommunikation
19 - Wiedersehen
20 - Nächtliche Mission
21 - Aufbruch
22 - Folgt den Drachen
23 - Feuerspur
24 - In den Kampf
25 - Hilfe
26 - Der Bogenschütze
27 - Der König
28 - Die Träumerin
29 - Der Drache von Kelen
30 - Noaks Epilog

2 - Fluch oder Segen?

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By jinnis

„Dáni? Wach auf, es ist Zeit, aufzubrechen." Die Dringlichkeit in Shonais Stimme durchdrang das Traumgewebe. Dánirah setzte sich auf, gähnte und rieb sich die Augen, um die Schläfrigkeit zu verjagen. Mit geschickten Fingern bürstete sie sich eine Handvoll Strohhalme aus ihrem langen schwarzen Haar und flocht es rasch zu einem Zopf.

Im Stall war es immer noch stockdunkel, und das Ackerpferd im hölzernen Verschlag gleich nebenan schnaubte leise im Schlaf.

Dánirah senkte die Stimme, um das Tier nicht zu wecken. „Es ist noch mitten in der Nacht, Mutter. Können wir nicht zumindest bis Sonnenaufgang warten?"

„Sch. Wir haben einen langen Weg vor uns, heute, und ich will früh los. Wer weiß, was uns da draußen alles erwartet."

Unterdrückte Geräusche sagten Dánirah, dass ihre Mutter ihre Besitztümer in ihre Tragetasche stopfte. Sie beeilte sich, es ihr gleichzutun — keine leichte Aufgabe, im Dunkeln. Zum Glück erinnerte sie sich, wo sie gestern Abend alles hingelegt hatte, eine Gewohnheit, die sie sich auf mancher langen Reise angeeignet hatte. Sie war bereit und schlüpfte in ihre festen Schuhe, als Shonai das quietschende Scheunentor öffnete.

Ein Luftzug drang in den warmen Stall und die Kälte der Nacht kündigte sich an wie ein Botschafter mit schlechten Neuigkeiten. Dánirah zog den Schal eng um die Schultern, hob ihre Tasche auf und drückte sich durch den schmalen Türspalt. Sie fröstelte in der Kälte als sie das Tor hinter sich zuzog. Shonais Gestalt war nur ein vager Schatten, der sich in die eisigen Windböen stemmte, aber sie folgte ihrer Mutter klaglos in die Nacht hinaus.

Als der Wind die Wolken beiseite schob, beleuchtete der zunehmende Mond den Pfad durch die Weiden. Shonai ging schnell, und Dánirah musst sich beeilen, um sie einzuholen. Einmal an ihrer Seite, konnte sie aber mühelos Schritt halten. Sie berührte den Arm ihrer Mutter. „Bitte überanstrenge dich nicht. Dein Husten wird wieder ausbrechen."

Shonai's Arm zitterte unter ihren Fingerspitzen. „Mach dir keine Sorgen, es wird nun jeden Tag besser." Sie hatte den Satz kaum beendet, als sie sich vornüberbeugte, während ein trockener Husten ihren mageren Körper schüttelte. Es dauerte nicht lange, aber als sie sich aufrichtete, hielt sie ihre Hände vor Mund und Nase, um die Atemluft zu wärmen. „Es ist nur eine Erkältung aus der Nacht, die wir in dem Schneesturm verbrachten."

Dánirah äußerte sich nicht. Diese Nacht, das war vor über einem Mond gewesen, und selbst die Zeit im Winterlager hatte ihrer Mutter nicht geholfen, sich von der Krankheit richtig zu erholen. Gestern hatten sie das Lager wegen eines Traums verlassen, und sie vermutete einen anderen Traum als Ursache für den ungewohnt frühen Aufbruch, heute. Aber Shonai sprach nie mit ihr über ihre Visionen, außer sie betrafen Dánirah direkt. Deshalb war sie überrascht, als ihre Mutter nach ihrer Hand griff.

„Letzte Nacht hatte ich einen großen Traum. Ich verstehe noch nicht alles, aber die Zukunft wird mir Erklärungen bringen. Unsere Wege werden sich heute trennen."

Ein Zittern der Vorahnung lief durch Dánirahs Muskeln und ihr Nacken fühlte sich an, als würde Eiswasser darauf tröpfeln. „Nein."

„Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut." Die ältere Frau legte den Kopf schräg, als würde sie dem Wind zuhören. „Spürst du auch die Ängstlichkeit?"

„Angst? Das ist gelinde ausgedrückt. Ich werde dich nicht allein lassen. Nicht wenn du planst, in die Stadt zu reisen." Dánirah schlang die Arme um sich, aber nicht nur wegen der Kälte der Nacht.

Shonai schüttelte den Kopf. „Höre nicht darauf. Es ist die projizierte Furcht eines Kae, die du fühlst. Komm, lass uns weiter gehen, damit die kleine Dunkelheit wieder ihre Ruhe findet."

Sie ergriff die Hand ihrer Tochter und zog sie auf dem Weg weiter. Ungefähr nach einem Steinwurf begann das beklemmende Gefühl der Angst nachzulassen. Dánirah atmete tief durch. „Wie machen sie das?"

„Die Kaedin? Es ist ihre Art, Fremde abzuschrecken und sich selbst zu schützen. Sie projizieren ein starkes Angstgefühl in die Gedanken des Eindringlings. Wir müssen dieses hier gestört haben. Es tut mir leid, ich hätte besser aufpassen und dir die Neuigkeiten nicht gerade in diesem Moment erzählen sollen." Shonai ließ ihre Hand los und ging weiter.

„Ich werde dich trotzdem nicht verlassen, Kaedin hin oder her. Nicht mit deinem Husten und wenn der Frühling noch mindestens einen Mond in der Zukunft liegt. Das kann nicht dein Ernst sein."

Shonai seufzte und richtete die Träger ihres Gepäcks. „Es gibt keinen Grund, deswegen laut zu werden, Dáni. Du weißt genau, dass es sich nicht lohnt, meine Gabe zu missachten."

Dánirah wusste es. Aber sie wollte sich auch nicht von ihrer Mutter trennen, nicht solange sie nicht zu ihrem normalen, energiegeladenen Zustand zurückgefunden hatte. Sie trat mit ihrem ausgetretenen Lederschuh gegen einen Stein, dass er weit davon flog. Wenn es bloß warm genug wäre, dass der Husten ihrer Mutter heilen würde. Wenn sie bloß wieder barfuß laufen könnte, wie im Sommer. Wenn doch diese unliebsame Reise endlich vorbei wäre.

„Deine Träume scheinen mir eher eine Last als eine Gabe zu sein. Und ich lasse dich nicht allein in die Stadt reisen. Du kannst doch nicht vergessen haben, wie sie uns Tannarí dort behandeln."

Nach wenigen Schritten hielt ihre Mutter an und drehte sich zu ihrer Tochter um, die nach dem Ausbruch stehengeblieben war. „Es ist wahr, dass die Kinder der Sonne uns nicht besonders mögen. Aber es gibt keinen Krieg im Land, zumindest noch nicht. Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass es so bleibt." Sie ging mit entschlossenen Schritten weiter. Der gefrorene Grund knirschte unter ihren Füßen.

Dánirah beeilte sich, aufzuholen. „Krieg verhüten? Ich glaube nicht, dass wir beide zwei rivalisierende Völker auseinanderhalten können. Wir würden gnadenlos getötet, bevor wir jemandem helfen könnten."

Shonai ging schweigend weiter und Dánirah stampfe an ihrer Seite, bis sie auf einer gefrorenen Stelle ausglitt. Einen Moment lang kämpfte sie um ihr Gleichgewicht und gewann es zurück, bevor ihre Mutter sie stützen konnte. „Nichts passiert, es geht mir gut."

Aber sie fühlte sich überhaupt nicht gut. Dánirah war besorgt um ihre Mutter und die Träume, die sie quer durch das Land trieben. Würde es überhaupt etwas ändern, wenn Shonai diese Botschaften missachtete? Folgte ihre Mutter vielleicht bloß diesem alten Ritual, bis es sie umbrachte? Bevor sie den Mut fand, ihre Befürchtungen zu äußern, erweckte ein leises Klingeln ihre Aufmerksamkeit. Sie blieb stehen, um in die Nacht hinaus zu horchen.

Da war es wieder, diesmal lauter und weiter von rechts, wo ein Brombeerdickicht die Wegböschung überwucherte. Dánirah trat näher und musterte das Gebüsch, immer noch lauschend.

Shonai drehte sich um. „Was ist los?"

Dánirah, bedeutete ihr, näher zu kommen und senkte ihre Stimme zu einem Wispern. „Ich habe etwas gehört, eine kleine Glocke, vielleicht, oder Gelächter?"

Sie warteten with angehaltenem Atem. Dánirah war schon bereit zuzugeben, dass sie sich getäuscht haben musste, als sie etwas Helles hinter dem Dickicht ausmachte. Kurz darauf tanzte eine Gruppe von leuchtenden, halb-durchscheinenden Kugeln über dem Gebüsch. Sie waren etwa so groß wie die Fläche ihrer Hand, schillerten in den Farben des Regenbogens und gaben einen klingenden Ton von sich, der Dánirah an das Windspiel ihrer Großmutter erinnerte.

Shonai drückte ihren Arm. „Xylin. Ich frage mich, weshalb die Wesen der Nacht heute so aufgeregt sind."

Fasziniert trat Dánirah eine Schritt vor. Die Xylin schienen sich nicht daran zu stören — im Gegenteil. Der Schwarm näherte sich und tanzte um ihren Kopf, bevor sich die kleinen Wesen wieder zu dem Dickicht zurückzogen. Sie lächelte. „Sie sind wunderschön. Ich habe noch nie welche von so nahe gesehen."

In diesem Moment entdeckte sie etwas tief in dem Gestrüpp. Eine der Kugeln schien zwischen den Ranken gefangen zu sein. Dánirah drückte ihre Tasche Shonai in die Hände und trat näher.

„Hallo, Kleines. Wie hast du es geschafft, zwischen diese Dornen zu geraten?" Sie bog einen der stachligen Zweige beiseite, um der kleinen Kreatur einen Fluchtweg zu öffnen. „Autsch, die Dornen sind scharf." Trotz ihrer Verletzung hielt sie den Zweig fest, bis die Xyl sich durch die Lücke aus ihrem Gefängnis gezwängt hatte und über ihr schwebte, eine irritierende Kugel im Mondlicht. Sie klingelte leise wie ein Glöckchen und vereinigte sich mit dem wartenden Schwarm.

Dánirah steckte den blutenden Finger in den Mund und lachte, als die Xylin ein weiteres Mal um sie herumwirbelten und dann Richtung Osten davontanzten.

Shonai reichte ihr die Tasche. „Das war sehr ungewöhnlich. Nun verstehe ich auch, weshalb wir heute morgen so früh aufbrechen mussten."

„Kamen die Xylin in deinem Traum vor?"

„Nein, aber ich wusste heute morgen einfach, dass wir früh aufbrechen mussten. Zumindest hat es sich gelohnt, mitten in der Nacht aufzustehen." Shonai lächelte, und Danirah erkannte, dass der blasse Himmel im Osten nun bereits den neuen Tag ankündigte.

~ ~ ~

Im ersten Morgenlicht erreichten sie den Rücken eines Hügels. Unter ihnen im Tal vergoldeten die Sonnenstrahlen die Türme einer großen Stadt. Von ihrem Aussichtspunkt übersah Dánirah das mächtige Tal, wo der Fluss Haon noch unter den Schleiern der Morgennebel schlummerte. In der Ferne lockten links die hohen Bergketten von Eshte und Eshekir, deren schneebedeckten Gipfel rot glühten.

Shonai legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wunderschön, findest du nicht auch?"

„Ja, und ich wünschte, wir könnten alle Träume vergessen und zusammen weiterziehen." sie deutete zu den Bergen im Westen

„Ich weiß. Aber es gibt in Penira eine Aufgabe zu erledigen." Ein weiterer Hustenanfall schüttelte Shonai. Dánirah legte eine stützenden Arm um die schmalen Schultern ihrer Mutter, die sich gegen sie lehnte. „Du wirst die Nachricht zu Naiin in Penira bringen müssen. Ich kann dich leider nicht dorthin begleiten."

Dánirah versteifte sich. „Warum? Du hast mich noch nie allein irgendwohin gehen lassen."

Das erste Mal seit Tagen lachte Shonai herzlich auf. Ihre überraschende Reaktion hob ein Gewicht von Dánirahs Schultern. Es konnte nicht so schlimm um ihre Gesundheit stehen, wenn ihre Mutter ihren alten Humor wiederfand. Aber der fröhliche Ausbruch dauerte nicht lange. „Von all den Fragen, die du stellen könntest, von all den Dingen, die dir Sorgen bereiten, warum beschäftigt dich genau das?"

Dánirah wusste nicht, wie sie antworten sollte und verzog das Gesicht.

„Dáni, du bis nun erwachsen und ich traue dir zu, selbstständig die richtigen Entscheidungen zu fällen. So wie heute mit den Xylin. Ich würde dich sehr gerne immer um mich haben, aber wir beide wissen, dass dies nicht möglich ist. Also bitte prüfe zumindest, ob du nicht diese Aufgabe für mich erledigen willst. Würdest du Naiin eine Nachricht bringen? Ich kann es nicht selbst tun, da ich Dánan suchen muss."

„Meine Patin? Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen." Dánirah erinnerte sich gut an die Schattenwandlerin, an ihre freundliche Stimme und ihre außerordentlichen Heilkräfte. „Ich bin sicher, dass sie deinen Husten heilen kann."

„Das wird sie, aber es ist nicht der Grund, warum ich sie finden muss."

Dánirah nickte. Nichts würde Shonai dazu bringen, die Botschaft ihrer Träume zu missachten. „Wann und wo kann ich dich wieder treffen?"

Shonai antwortete nicht. Sie schien in Gedanken versunken und Danirah sorgte sich bereits, als ihre Mutter ihr in die Augen blickte. „Wir werden uns in den nördlichen Prärien wieder treffen. Dánan ist in Inoira unterwegs, aber ich sah uns alle drei vereint — irgendwo im großen Grasland."

Das Grasland war riesig, soweit Dánirah sich erinnerte, aber sie wusste auch, dass Shonai ihr entweder nich mehr erzählen wollte oder konnte. „Wann brichst du auf?"

„Jetzt. Ich werde der Straße nach Zalkenar folgen. Wenn ich Glück habe, finde ich dort im Hafen einen Schiffer, der mich nach Norden mitnimmt." Shonai wühlte in ihrer Tasche und drückte ein gefaltetes und versiegeltes Pergament in die Hand ihrer Tochter.

„Erinnerst du dich an den Gemüsemarkt in Penira, gleich beim Nordtor? Wenn du der Straße folgst, die zur Zitadelle des Königs führt, musst du die zweite Abzweigung links nehmen. Es ist nur eine schmale Gasse, an deren Ende du eine steile Treppe findest. Sie führt zu einem keinen Platz. Naiin lebt im obersten Stockwerk des ersten Hauses auf der rechten Seite."

Dánirah nahm den Brief mit gerunzelter Stirn entgegen und verstaute ihn in ihrem eigenen Gepäck. „Nordtor, zweite Straße links, Treppe, erstes Haus rechts im obersten Stock?"

„Genau." Shonai schloss sie in eine innige Umarmung. „Der Brief ist von den Anführern des Stammes für den König von Kelèn. Bitte sorge dafür, dass er nur in die richtigen Hände gerät."

„Versprochen, Mutter." Dánirah schluckte leer. „Bist du sicher, dass ich nicht mit dir kommen sollte? Und was ist, wenn ich dich danach nicht mehr finde?"

„Wir werden uns wieder treffen, Dáni — du weißt, das meine Träume nicht lügen. Ich liebe dich."

„Ich dich auch, Mutter."

Shonai winkte und wandte sich nach Norden. Dánirah sah ihr nach, bis sie in einem Wäldchen verschwand. Mit einem Seufzer begann sie ihren eigenen Abstieg in Richtung der goldenen Stadt Penira.

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