Inhumanity

By memory4u

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"Ich sollte sie in das Verderben führen. Nun werde ich jeden dafür zahlen lassen, der auch nur daran denkt, d... More

Menschlichkeit
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By memory4u

Der Todesengel ist nicht mehr in der Zelle gegenüber, kaum haben sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt. Der Tag muss angebrochen sein, dem hauchdünnen Lichtstrahl nach zu urteilen, der sich zwischen den Steinen hindurch stiehlt. Als die nächsten schweren Schritte auf der Treppe erklingen, weiß ich, sie kommen meinetwegen. Dass niemand Geringeres als Kalian persönlich meine Zelle entriegelt, weckt Unbehagen in mir.

Das letzte Mal hatte ich ihn mit einem Pflock in den Rücken niedergerungen und musste für meine Taten büßen. An Verzeihen scheint er noch nicht zu denken, so wie mich sein Blick geradezu zerfleischt als wäre ich die lang ersehnte Mahlzeit nach einem plagenden Ausflug durch die Wüste und zurück.

Er spricht kein Wort und das Schweigen ist beinahe so bedrohlich wie das hinterhältige Zucken seiner Lippen, als er sich ein schadenfrohes Grinsen verkneift. Er weiß etwas, was ich nicht weiß.

Mit flauem Gefühl im Magen laufe ich vor ihm die Treppe hoch, teste das Prickeln meiner Magie in den Fingerspitzen aus. Ihn damit anzugreifen, kann ich vergessen. Mit seinen Fähigkeiten gleicht er einer unverletzbaren Mauer. Dennoch beruhigt es mich ungemein, dass ich Lucius nicht wie ein wehrloses Lamm gegenüber treten werde, da das Kraut der Zeit nicht trotzen konnte.

Dabei bekomme ich Lucius gar nicht erst zu sehen. Kalian dirigiert mich mit knappen Armbewegungen durch den Palast. Es scheint mir, als führe er mich mehrmals im Kreis, aber mein Orientierungssinn ist eine Katastrophe und vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.

Mit einem Mal packt mich Kalian an der Schulter und ich rechne schon damit, dass er das Feuer auf mich selbst überleitet und sich getrost jeden Anweisungen Lucius' widersetzt, doch sein Hass unterliegt dem Gehorsam. Stattdessen deutet er auf eine schmucklose Tür. Vermutlich einer von Lucius' Folterräumen. Wie sich herausstellt, hätte ich mich nicht mehr irren können.

Die Wände sind in einem warmen Beigeton, große Bogenfenster lassen kitzelndes Sonnenlicht in den hohen Raum dringen, derweil farbenfrohe Stecklinge an Lumien auf den Fensterbrettern thronen. Ich male mir aus, wie ihr Licht den Raum auch in der Nacht wohlig erstrahlen lässt und damit all das verbirgt, was sich auf den zahlreichen Betten präsentiert - Blut, Schmerz, Tod.

Das Stöhnen, Keuchen und Schreien der Magier und Soldaten ist ein Anblick des Grauens, das Payla an unseren Grenzen verrichtet. Ein Arzt, der aussieht als hätte er in Blut gebadet, zerrt die Leiche eines jungen Mannes von der Liege direkt zu meiner Rechten, doch noch ehe sein Arm träge hinunterkippen kann, wird eine junge Magierin bereits auf das Bett gehievt. Mir wird schlecht, als ich die Reihe entlangblicke und die aberdutzenden Betten erblicke, keines davon leer. Im Gegenteil, Kinder teilen sich ihres oftmals, wälzen sich im Blut ihres Nachbarn und begleiten einander in den Tod.

"Dumm herumstehen kannst du auch noch, wenn wir gewonnen haben", knurrt Kalian, verpasst mir einen Schlag in den Rücken. "Magier bekommen immer eine Spritze Johanniskraut. Es verwirkt, bis sie wieder an der Grenze sind. Reine Vorsichtsmaßnahme."

Als würde mir das noch Sorgen bereiten, wenn ich mit bloßem Auge erkennen kann, dass Payla erfolgreicher ist als angenommen. Wie viele tausende Menschen sind bereits umgekommen? Wie viele Magier haben ihr Leben gelassen? Wie weit ist der Feind bereits in Sonelem eingedrungen? Kratzen sie bereits an den Toren des Palastes oder umzingeln sie bislang lediglich Hafenstädte an den Küsten?

Kalians Geduld mit mir ist hinüber. "Muss ich dir jetzt noch deine Aufgabe erklären?"
"Warum sind sie hier?", wirbele ich zu ihm herum und wage es zum ersten Mal, seinem verbissenen Blick standzuhalten. "Warum werden sie nicht an der Grenze behandelt?"

"Es gibt keine Grenze mehr", bringt er knirschend hervor. "Wer noch eine Chance auf Leben hat, wird hierher gebracht. Hier sind die besten Ärzte. Und Heiler. Aurela, auch wenn sie kaum einen gebrochenen Finger heilen, geschweige denn bei einer Stichwunde das Bewusstsein bewahren kann. Midas, immerhin ein wenig besser." Er gestikuliert in Richtung eines jungen Magiers, der sich über eine Frau gebeugt hat. "Und nun auch du."

Der letzte Satz kommt ihm schwer über die Lippen, doch es ist nicht zu verleugnen, dass Midas die Wunden selbst nicht mildern kann. Wenigstens entspannen sich die Züge der Frau, als er den Schmerz betäubt. Besser als nichts.

Ein weiterer Stoß, direkt auf meine Wirbelsäule gezielt. "Genug Zeit vergeudet. Im Übrigen würde ich an deiner Stelle nicht trödeln - Lucius kehrt erst heute Abend zurück, aber er wird nicht erfreut darüber sein, dass es keine Spur von Monroe in Sira gibt. Zumindest nicht mehr, seit zwei der speziell ausgebildeten Soldaten spurlos verschwunden sind."

Vor ein paar Tagen, als ich Ash feige vor der Wahrheit in meinem Herzen im Stich ließ und er sich den Spionen stellen musste. Als ob Lucius mir meine Lüge verzeihen und meinen Bruder tatsächlich verschonen würde, wenn ich meine Arbeit hier gewissenhaft erledige - dafür kenne ich ihn zu gut. Ich kann nur hoffen, dass sich Luan das Offensichtliche zusammenreimt und aus Meral abhaut.

Dennoch verweigere ich mich nicht der Arbeit. Das hier ist, wofür meine Magie geschaffen wurde. Menschen und Magiern helfen, würde ich auch, wenn Kalian nicht mit seinen Adleraugen an der Wand lehnen würde und ein jedes Mal streng kontrolliert, dass ich das Johanniskraut nicht vergesse. Es zieht unweigerlich den Hass eines jeden Magiers auf mich, doch kaum versucht sich ein Mann zu wehren, befördert Kalian ihn mit einem Würgegriff zurück auf die Liege - und in die Ohnmacht. Entsetzt blicke ich auf den schlaffen Körper, ringe um Worte.

"Ich hätte mir auch Besseres vorstellen können, als deinen Leibwächter zu spielen", zischt Kalian, scheint daraufhin wieder mit seinem Schatten an der Wand zu verschmelzen. Dann wird es mir bewusst: Kalian soll nicht nur überprüfen, ob ich meinen Auftrag erledige, sondern mir ebenso jede Gefahr vom Hals halten. Wer könnte das besser als der Magier, der jegliche Energie abblocken und zugleich auf einen selbst zurückleiten kann?

Ich schüttele mich aus der Erkenntnis, strebe auf einen weiteren Soldaten zu. Seine gläsernen Augen sind ein Flehen um Erlösung und doch erlaube ich ihm nicht, den Tod zu ergreifen. Als er den Mund öffnet und mir ein Rausch an unentwirrbaren Tönen entgegenschwallt, muss ich die Augen zusammenkneifen. Doch das Bild seiner fehlenden Zunge wurzelt sich bereits in mein Gedächtnis. Und mit jedem Ächzen und Brabbeln wird diese Erinnerung neu aufgerissen.

Unverzüglich greife ich nach seinem Arm, schleudere ihm regelrecht meine Magie entgegen. Ich konzentriere mich auf meine Finger, bin Herrin über die Energie. Dosiere sie genau richtig, um die Schmerzen nicht auf mich selbst zu übertragen, rufe mir Ashs Worte wie ein unendliches Echo in den Kopf. Ich quetsche mich vor den Tod, merke, wie er in seinen Adern lauert, auch von mir zehren will, doch gestatte es ihm nicht. Keinem unserer Körper.

Es kostet mich alle Kraft, Schweiß rinnt mir über die Stirn, meine Lippe blutet, so sehr reiße ich mir sie auf, doch dann ist diese Leere, dieses Dunkel, dieses ewige Grauen weg. Atemlos fahre ich zurück, streiche mir eine lose Haarsträhne hinter das Ohr und haste weiter, bevor er sich bedanken kann. Oder mich dafür verflucht, dass ich ihm diesen Tod verwehrt habe. Denn seine Zunge kann ich ihm nicht zurückbringen.

Dem Wandern der Sonne nach müssen ein Dutzend Stunden vergangen sein, seit ich das letzte Mal im Kerker war. Ich bin hungrig, ausgelaugt und spüre die Zeichen meiner Müdigkeit hautnah, kaum verkriecht sich die Sonne hinter den Hügeln um Sonelis. Mehrmals vergaß ich die Kontrolle zu bewahren, habe schon so manchen Schmerz geteilt und meinen Kopf zum Dröhnen gebracht. Jedes Geräusch pocht wie ein Faustschlag gegen meine Schläfe, jeder Schritt auf dem spiegelglatten Boden bringt ihn beinahe zum Platzen.

"Hier."
Kalian reicht mir ein Stück Brot, trocken und hart, so wie ich es nicht anders von hier gewohnt bin, und doch stürze ich mich darauf, als würde er mir ein Rettungsseil zuwerfen. Denn eines weiß ich mit Gewissheit - mehr werde ich heute nicht bekommen, sehr zum Leidtragen meines knurrenden Magens.

Die Ärzte werden in ihre Pause entlassen, kaum dringt zartes Licht durch die halbwegs verschlossenen Knospen der Lumien und durchbricht die Finsternis der Nacht. Aurela und Midas wurden schon vor wenigen Stunden abgeführt und somit bleiben nur Kalian und ich. Und die letzten keuchenden Magier, die noch meine Aufgabe sind.

Ich beuge mich über den nächsten, streife mit meinen Fingern seine Schulter, auch wenn alles in mir nach einer Auszeit lechzt. Die Augen zusammenkneifen, mir selbst meines Körpers bewusst werden und schon sind nur noch zwei Magier übrig. Die nächste Frau fertige ich ebenfalls wortlos ab, jage ihr das Johanniskraut in den Körper und schon darf auch sie das provisorisch eingerichtete Lazarett verlassen.

Dann sehe ich ihn. Mein Herz macht einen Sprung, so sehr freue ich mich darüber, ein bekanntes Gesicht zu sehen, das in mir nicht das Bedürfnis erweckt, meine Krallen auszufahren. Zumindest solange, bis mir im nächsten Moment bewusst wird, dass ich nicht ansatzweise weiß, was er nun bereit ist zu tun.

"Bei deinem Anblick könnte man glatt meinen, dass du in die Schlacht gezogen bist, nicht ich, Feuerteufel."

Will müht sich daran ab, seinen Oberkörper in die Vertikale zu stemmen, doch er muss sich seinen Schmerzen geschlagen geben. "Wenn du so weitermachst, wird dich deine Magie dein Leben kosten."

"Noch nie habe ich ein originelleres Kompliment bekommen", entgegne ich ungeachtet seiner Warnung, kann mir ein Grinsen nicht verbieten. Ich habe Will vermisst. Ich habe seine lockere Art vermisst, mit der er durch diese Welt spaziert. Ich habe die wild zu allen Seiten abstehenden, blonden Strähnen vermisst, die ihr Eigenleben führen, wenn er den Kopf bewegt. Am meisten jedoch vermisse ich den Daumen an seiner linken Hand. "Scheint, als hättest du lieber deinen Humor als einen Finger behalten."

"Oh, das", winkt er ab, doch kaum bewegt er die Hand, verzieht er gequält das Gesicht. "Andenken an meine Heldentaten."
Mein Blick zuckt zu Kalian, der neben der Tür an der Wand lehnt. Die Augen verengt, konzentriert er sich vollkommen auf uns. Ich schlucke. Ihm zu verraten, dass wir uns kennen, kann sich keiner von uns Beiden leisten. Bekanntschaften werden hier nur gegen einen verwendet.

"Lass uns von hier verschwinden." Will packt mich mit seiner gesunden Hand, um seinem Flüstern Nachdruck zu verleihen. So viel zu meinen Plänen. "Sie bringen uns um."

Der Griff katapultiert meine Magie scheinbar geradewegs aus mir heraus. Ich muss mich an der Liege abstützen, um nicht von den Beinen gerissen zu werden. Kalian schnellt vor, fixiert grimmig Will. "Hey! Finger weg von ihr!"

"Greif mich an", wispere ich Will zu. Alleine kann man Kalian nicht bezwingen, zu zweit schon eher.
Überrascht reißt er die Augen weiter auf. "Was?"
"Mach es einfach."

Bevor ich daran zweifeln kann, ob Will mich verstanden hat, werde ich über die Liege gezogen und knalle mit meinem Kopf geradewegs an die Wand gegenüber. Verflucht. Das war eine Spur zu gut. Sterne tanzen vor meinen Augen, kosten mich beinahe mein Bewusstsein, derweil Blut aus meiner Nase rinnt.

Ich höre, wie Kalian Will von der Liege zieht, ihn auf den Boden ringt, und stolpere vor. Will bettelt um Luft, da ramme ich Lucius' Handlanger mit voller Wucht die Spritze in den Nacken. Schockiert dreht er sich zu mir um, packt mein Handgelenk und will es mir verdrehen, bis meine Knochen nachgeben, doch Will schlägt bereits zu. Kalians Augen drehen sich nach oben, sein Körper kippt kraftlos auf Will.

"Du hättest ruhig schneller sein können", keucht er, tastet über die Abdrücke von Kalians Händen auf seinem Hals.
"War damit beschäftigt, mein Gesicht von der Wand zu kratzen", entgegne ich und werde im nächsten Moment in eine Umarmung gezogen, von der ich nicht dachte, dass ich sie so sehr vermisst habe.

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