Fabelblut

بواسطة Wortweberin

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Eigentlich sollte es nur eine Klassenfahrt nach Schottland werden - aber als Lina auf einem Friedhof in Edinb... المزيد

Prolog
Karte
Teil 1: Das Kollegium der Schatten
Fabelnacht (1)
Fabelnacht (2)
Zum tänzelnden Einhorn (1)
Zum tänzelnden Einhorn (2)
Der Junge im Baum (1)
Der Junge im Baum (2)
Die Schwestern von Stormglen (1)
Die Schwestern von Stormglen (2)
Reale Fiktion(1)
Reale Fiktion(2)
Feuerprobe (1)
Feuerprobe (2)
Feuerprobe (3)
Wo Schatten, da auch Licht (1)
Wo Schatten, da auch Licht (2)
Wo Schatten, da auch Licht (3)
Wo Schatten, da auch Licht (4)
Das Falsche, Böse und Hässliche (1)
Das Falsche, Böse und Hässliche (2)
Das Falsche, Böse und Hässliche (3)
Spartakus 2.0 (1)
Spartakus 2.0 (2)
Spartakus 2.0 (3)
Das hier ist ein Anfang
Teil 2: Der geteilte Wald
Schauer und Sterne (1)
Schauer und Sterne (2)
Schauer und Sterne (3)
In the bleak midwinter(1)
In the bleak midwinter (2)
In the bleak midwinter (3)
Scherbengericht (1)
Scherbengericht (2)
Tiefere Magie (1)
Tiefere Magie(2)
Tiefere Magie (3)
Komme, was da will
Magdalen College (1)
Magdalen College (2)
Alter Wald, neue Wünsche (1)
Alter Wald, neue Wünsche (2)
Der Fremde im Schatten
Götter und Dämonen (1)
Götter und Dämonen (2)
Die Prophetin (1)
Die Prophetin (2)
Maulwürfe und Giftschlangen (1)
Maulwürfe und Giftschlangen (2)
Teil 3: Die blinde Festung
Das hier ist ein Anfang
Lethe
Lethe (2)
Im Haus der Spiegel (1)
Im Haus der Spiegel (2)
Im Haus der Spiegel (3)
Gretchenkomplex (1)
Gretchenkomplex (2)
Geschwisterliebe (1)
Geschwisterliebe (2)
Pater Familias
Pater Familias (2)
Im Auge des Sturms
Im Auge des Sturms (2)
Nänie für den Frühling (1)
Nänie für den Frühling (2)
Nänie für den Frühling (3)
Nänie für den Frühling (4)
Eine Bitte zum Schluss
Nachwort
Fabelfluch
Prolog
Erster Teil: Die Allegorie der Nacht
Dunkle Tunnel (1)
Dunkle Tunnel (2)
Dunkle Tunnel (3)
Was kein Auge je gesehen
Dolch, Eule, Mond
Myrthas Geheimnis
Die Herrin von Schatten und Wellen
Auge um Auge
Der Pakt der schwarzen Waage
Zwischenspiel: Das Abschiedsglas
Zwischenspiel: Das Abschiedsglas (2)
Zweiter Teil: Soteria
Bei Tageslicht
Spreu von Weizen
Spreu von Weizen (2)
Wachstumsschmerzen
Zwischenspiel: Das Haus der Schatten
Von der Ordnung der Dinge
Von der Ordnung der Dinge (2)
In den Hallen von Eleos
In den Hallen von Eleos (2)
Das Mädchen mit dem grauen Haar
Das Mädchen mit dem grauen Haar (2)
Die Eirenen
Die Eirenen (2)
Die Eirenen (3)
Die Eirenen (4)
Die Eirenen (5)
Dritter Teil: Der Garten der Ideen
Zwischenspiel: Der Erbe der Schatten
Ante Portas (1)
Umfrage
Ante Portas (2)
Ante Portas (3)
Heimspiel (1)
Heimspiel (2)
Zwischenspiel: De profundis
Der letzte Flug der Elfen
Der letzte Flug der Elfen (2)
Bei Mond und Stein
Zwischenspiel: Schattenschwestern
Zwischenspiel: Schattenschwestern (2)
Dem Schicksal zum Trotz
Dem Schicksal zum Trotz (2)
Zwischenspiel: Der Erbe der Schatten 2 (neues Kapitel!)
Die Muse und die Gärtnerin
Die Muse und die Gärtnerin (2)
Dreifach verraten (1)
Dreifach verraten (2)
Dreifach verraten (3)
Epilog (Neu!)
Fabelblut Agentur-Einsendung?
Bitte um Feedback
Fabelblut Band 3
Kommentare (2)
Fabelblut offline
Kommentare (3)
Figureninterviews: Eleanor
Epilog (alternativ)
Playlist
Eine kurze Frage an alle, die Fabelblut schon gelesen haben
Neues zu Band 3
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Kommentare (5)

Was kein Auge je gesehen (2)

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بواسطة Wortweberin

„Nur über meine Leiche!" Eric verschränkt die Arme vor der Brust und der goldene Stoff seines Umhangs bauscht sich auf wie das Gefieder eines schimpfenden Vogels. „Ich glaube, du hast den Verstand verloren!"

Constanze wirft ihm einen warnenden Blick zu, aber ich seufze nur innerlich. Wie können erwachsene Menschen nur so ein Theater veranstalten?

„Eric." Ganz langsam dreht sich Eleanor zu ihm um, schaut ihm ins Gesicht. „Es gibt in deinem Kollegium jede Menge fähige Männer und Frauen." Ihre Stimme ist ruhig, aber eiskalt. „Wenn du das nächste Mal in der Öffentlichkeit so mit mir sprichst, mache ich einen von ihnen zum Alumni. Das ist deine letzte Warnung."

Ich feixe, als ich Erics angesäuerten Gesichtsausdruck sehe. Er faucht irgendetwas von Kritikfähigkeit, aber Eleanor hat sich schon wieder umgedreht.

„Man könnte solche Dinge auch mal unter vier Augen besprechen", murmele ich ihm zu, „muss ja nicht immer gerade in den unpassendsten Momenten sein."

Eric schnaubt. „Ist nicht so, dass sie uns eine Wahl gelassen hätte, oder? Vor einer Stunde erfahre ich mal so nebenbei, dass Nicolas zurückkommt. Mit den Rebellen. Für Verhandlungen. Das ist doch Wahnsinn!"

„Still jetzt!", zischt Eleanor von vorn. „Sie kommen." Ihr Blick ist über den Hof auf den Geteilten Wald gerichtet. Das schmiedeeiserne Tor steht weit offen wie in Erwartung von Gästen. Wir Alumni haben uns vor dem Eingangsportal postiert, Eleanor ein paar Meter vor uns. Es macht sicher Eindruck wie wir da so stehen, reglos in unseren langen bunten Umhängen mit gefalteten Händen und ernster Miene. Die Mächtigen des Kollegs, aufgestellt wie Schulkinder. Zweifelsohne hat Eleanor das beabsichtigt. Ein würdiger Empfang für ihren wichtigen Besuch.

Schon als ich zum ersten Mal von Nicolas Mission gehört habe, dachte ich mir, dass es etwas mit dem Widerstand zu tun haben musste. Mir war klar, dass Eleanor versuchen würde, sie für den Kampf gegen Blackwell zu gewinnen. Und einen Schattenwächter, der gleichzeitig ein Rebell ist, als Mittelsmann einzusetzen, war eine zu gute Gelegenheit, um sie verstreichen zu lassen.

Ich möchte, dass du dabei bist, wenn ich mit der Delegation der Rebellen spreche, hatte Eleanor mir vor weniger als einer Stunde gesagt.

Warum?

Weil ich nicht weiß, was sie wollen. Was ich ihnen geben muss. Du schon.

Bei Delegation hatte ich mit ein paar abtrünnigen Wächtern gerechnet, wie Nicolas, Vielleicht auch noch mit einigen Fabelwesen. Aber als die Frau aus dem Schatten der Bäume tritt, bin ich ziemlich überrascht.

Asteria ist allein, mit Ausnahme von Nicolas, der an ihrer Seite geht. Die beiden bilden ein seltsames Paar, als sie da so auf uns zuschreiten. Er, der Rebell in abgewetzter Wildlederjacke und Stiefeln, sie die uralte Elfenkönigin mit dem Gesicht einer griechischen Statue. Wie schon in jener Mondnacht zwischen den Ruinen des Theaters trägt Asteria einen dunklen Grünton, passend zu ihren Augen. Ihr langes Goldhaar ist hochgesteckt und am Kopf mit Efeu verflochten, sodass ihre spitzen Ohren noch deutlicher zum Vorschein kommen. Wieder trägt sie keine Krone und wieder stahlt sie die Hoheit so deutlich aus, dass Eric und Constanze an meiner Seite hörbar Luft holen.

„Ich hoffe, dir ist klar, was du tust", wispert Constanze, als Eleanor vortritt, doch sie bekommt keine Antwort.

Eleanor wartet nicht, bis ihre Gäste den ersten Schritt machen. Sobald sie das Portal erreicht haben, neigt sie den Kopf und sagt ein paar Sätze in einer fremden Sprache.

Ich verstehe kein Wort, aber Asterias ernste Miene hellt sich sofort auf und in ihren Augen erscheint ein fast kindlich neugieriges Glimmen.

Eric schnaubt, so leise, dass es nur Constanze und ich hören können. „Angeberin."

„Ich verstehe nix. Was sagt sie denn?", frage ich.

„Das ist Elfensprache. Verwandt mit dem Altgriechischen und nicht besonders schwer, wenn man letzteres schon beherrscht. Für unsere Musterschülerin aus Oxford natürlich ein Kinderspiel."

Constanze schürzt die Lippen. „Sie müsste sich ja nicht gleich so anbiedern. Die Elfe ist hier auf unserem Boden. Da soll sie gefälligst auch unsere Sprache sprechen."

„Wir wollen doch etwas von ihr, nicht umgekehrt", erinnere ich sie. „Ich finde Eleanors Move ziemlich klug."

„Was? Sich einem Fabelwesen zu unterwerfen?", faucht Eric, „Als Priora der Wächter?"

„Ebenbürtig mit ihr zu sprechen. Respektvoll, wie es sich für Gäste gehört."

„Die haben uns dutzende Male angegriffen!"

„Und jetzt sind sie potentielle Verbündete. Zeiten ändern sich. Ehrlich, wenn beide Seiten mal ein bisschen an ihren Vorurteilen arbeiten würden..."

Eric wirft mir einen vernichtenden Blick zu. Dann sagt er, mit todernster Stimme. „Ich habe keine Vorurteile."

Als ich ihn ansehe, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Während Eleanor und Asteria weiter Smalltalk betreiben, drehe ich mich verstohlen zum Haus um. Die ganze Zeit schon spüre ich das Prickeln von hundert Blicken im Nacken. Sicher gibt es da oben kein Fenster, an dem sich nicht dutzende Wächter die Nasen plattdrücken. Seit Damons offenem Krieg gegen das Kolleg ist es in Stormglen Manor zugegangen wie in einem Bienenstock. Wächter aus allen Teilen Europas kommen und gehen, teils um Neuigkeiten mitzubringen, teils um welche zu erfahren und sich die neue Priora selbst einmal anzusehen. Manche kommen auch nur, um sich in aller Stille und Heimlichkeit von Demetra zu verabschieden. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Auch sie kennen Damon und nicht jeder hat in dieser Sache Eleanors Optimismus (oder sagen wir eher Sturheit). Erst vor ein paar Tagen habe ich ein Gespräch von Constanze und einem Mitglied ihres Kollegiums aufgeschnappt. Es wäre gnädiger, sie sterben zu lassen...

Heute ist der Andrang besonders groß. Schließlich will jeder dabei sein, wenn vor seinen Augen Geschichte geschrieben wird. Noch nie, seit Bestehen des Widerstands, hat sich eine Priora mit einem ranghohen Mitglied der Rebellen getroffen. Schon gar nicht mit einer Elfenfürstin. Die Feindschaft der Wächter mit den Herrschern anderer höherentwickelter Fabelwesen reicht Jahrhunderte zurück. Die Gräben sind auf beiden Seiten tief und ich möchte nicht wissen, wie viele hinter diesen Fenstern Eleanor dafür verfluchen, einer Elfe Zutritt zu den heiligen Hallen des Kollegs zu gewähren.

Jahrelang haben wir diese Mauern verteidigt und nun holt sie den Feind ins Haus oder Das ist ein Packt mit dem Teufel, sind noch die harmlosesten Äußerungen. Ich weiß nicht, ob es in der Geschichte der Wächter schon mal einen Putsch gegen eine Priorin gegeben hat. Eleanors Zustimmung war von Anfang an gering. Jetzt steht ihr Priorat auf Messers Schneide. Von diesem Treffen hängt viel ab und umso nervöser macht es mich, dass ich darin eine Rolle spielen soll. Politik war schon in der Schule nicht meine Stärke und meine Erfahrung mit Deals und Intrigen beschränkt sich auf vier Staffeln Game of Thrones.

Wir begleiten Eleanor und Asteria, die ihr Gespräch inzwischen beendet haben, in die Eingangshalle. Die Alumni bleiben am Treppenabsatz zurück, während ich den beiden ins Kollegium folge.

„Typisch", höre ich Eric hinter mir raunen, „Wir müssen bei den wichtigen Gesprächen draußen bleiben, aber von ihrem kleinen Schatten kann sie sich nicht trennen."

Mit kleiner Schatten bin ich gemeint. In den letzten Wochen ist Eleanors kleiner Schatten mein inoffizieller Spitzname im Kolleg geworden. Mich stört es nicht wirklich, im Gegenteil. Wider alle Erwartungen arbeite ich gut mit Eleanor zusammen. Und die zweite Reihe war mir schon immer lieber als die erste. Ich bin und bleibe gerne in den Schatten.

Asteria und Eleanor schweigen bis ich die Tür von Eleanors Arbeitszimmer hinter uns schließe. Dann nehmen die beiden gegenüber voneinander am Schreibtisch Platz. Vor ihnen stehen zwei kleine Weingläser, bis zur Hälfte gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit. Ein merkwürdiger Geruch nach feuchtem Moos und Frühling breitet sich im Zimmer aus. Ich brauche einen Moment, bis ich begreife, dass er von Asteria kommt.

„Erst das Notwendige, denke ich", sagt Eleanor, diesmal wieder auf Englisch und nimmt ihr Glas. Sie leert es in einem Zug.

Asteria tut es ihr gleich. Dann neigt sie den Kopf. „Soll ich beginnen? Gut. Ich bin ein Mensch."

Kaum hat sie geendet, verzieht Eleanor plötzlich das Gesicht, als hätte sie Schmerzen. Und in der Tat: Sie hat Schmerzen. Ein scharfes, kurzes Brennen, als würde ihr Brustkorb in Flammen stehen.

Theoretisch.

Bis jetzt kenne ich die Wirkung der Tinktur nur in der Theorie, sie ist den Wächtern nicht bekannt. Nicolas hat sie von den Elfen mitgebracht, die ihre Rezeptur seit Jahrhunderten geheim halten. In echt hat sie irgendeinen komplizierten elfischen Namen, aber für mich heißt sie einfach Wahrheitselixier. Von beiden Gesprächspartnern getrunken, löst sie jedes Mal Schmerzen aus, wenn einer der beiden lügt. Es ist eine Bedingung der Rebellen für dieses Treffen gewesen, dass Eleanor sich ihren Sicherheitsmaßnahmen unterwirft.

„Und ich bin eine Elfe", sagt Eleanor jetzt. Asteria keucht und ballt die Hände, die bis jetzt ruhig auf ihren Armlehnen gelegen haben, zu Fäusten. Himmel, das Zeug muss echt heftig sein.

„Schön", sagt Eleanor mit pragmatischem Tonfall, wobei mir nicht wirklich klar ist, was an dieser Reaktion schön sein soll. Sie greift hinter sich und nimmt eine Weinflasche von Regal. „Dann können wir ja jetzt zum geschäftlichen Teil übergehen. Wein? Ihr trinkt doch Wein?"

„Ich habe einen Teil meiner Jugend am Hof der englischen Königin Elizabeth I verbracht", sagt Asteria mit einem Lächeln. „Natürlich trinke ich Wein. Von euch behauptet man allerdings, ihr würdet Whiskey vorziehen."

Eleanor hebt eine Braue. „Ihr habt euch über mich informiert."

„O, sicher. Immerhin habt Ihr sogar ein wenig elfisch gelernt. Und dafür gibt es, soweit ich weiß, nicht mal eine App."

„Ich bevorzuge Bücher. Und Eure Quelle war dann vermutlich Nicolas? Haben wir es ihm zu verdanken, dass Ihr meine Einladung überhaupt angenommen habt?"

„Nein. Er musste mich nicht groß überzeugen. Ich war neugierig."

„Und?" Eleanor nickt mit dem Kinn in Richtung Wand, um zu zeigen, dass sie das Haus meint. „Ist es anders, als Ihr dachtet?"

„Neugierig auf Euch." Asteria lächelt, als sie Eleanors überraschtes Gesicht bemerkt. „Lina und Mortimer haben viel auf sich genommen, um Euch zu finden", sagt sie und schaut dabei zum ersten Mal mich an. Ich habe nicht damit gerechnet, in diesem Gespräch erwähnt zu werden und spüre, wie ich sofort rot werde. „Ich wollte wissen, wer die Frau ist, für die sie so viel riskieren. Man sagt, wir seien uns ähnlich, wusstet Ihr das? Frauen einer neunen Zeit. Es macht mich froh, Lina hier wiederzufinden, noch dazu in einer so ehrenvollen Position. Offenbar wisst Ihr gute Mitarbeiter zu schätzen."

„Lina ist mehr als eine gute Mitarbeiterin", sagt Eleanor, „Sie ist meine Familie, genau wie Mo. Ich würde ihr mein Leben anvertrauen."

Da ist kein Zeichen von Schmerz in Asterias Gesicht, im Gegenteil, sie lächelt sogar. Also muss Eleanor wohl die Wahrheit sagen...?

Ich spüre, wie ich in meinem Stuhl vor Stolz ein paar Zentimeter wachse. Nette Worte von Eleanor sind selten, aber sie lösen das gleiche warme Gefühl von Zuhause aus, das sonst nur der Gedanke an meine Familie vor der Trennung meiner Eltern schafft.

Eleanor reicht Asteria ihr volles Weinglas. „Sicher fragt Ihr euch, warum ich Euch eingeladen habe."

„Nicht wirklich. Ihr wollt mich vor Damon Blackwell warnen?"

„Ja und nein." Eleanor nimmt einen Schluck aus ihrem Glas. „Ich halte euch für klug genug, Damon nicht zu glauben. Was immer er euch für Versprechungen macht. Es sind Lügen."

Asteria lächelt. „Da habt ihr gewiss Recht."

„Ich habe euch nicht eingeladen, um euch von einem Bündnis mit Damon abzubringen, sondern um euch eines anzubieten." Eleanor holt Luft. „Eins mit uns. Den Wächtern von Stormglen."

Asterias Brauen wandern ein Stück höher. „Was kein Auge je gesehen hat", flüstert sie, „Man sagte mir, Ihr seid mutig und unkonventionell, aber das...Ein Bündnis der Rebellen mit ihren Unterdrückern. Ihr greift nach den Sternen, Priora."

„Ihr habt es selbst gesagt: Wir beide sind Frauen einer neuen Zeit. Hunderte Jahre herrschte Feindschaft zwischen uns. Es muss nicht so bleiben."

„Merkwürdig." Asterias Finger fährt über den Rand ihres Weinglases. „Ausgerechnet jetzt so ein Vorschlag. Hat Damon Blackwell Eurer Friedensbemühungen beschleunigt?"

„Es stimmt", sagt Eleanor. „Wir brauchen Euch gegen Damon. Aber er ist ein gemeinsamer Feind. Wenn das Kolleg fällt und er sich zum Herrscher über Fabelreich macht, werden eure Völker leiden. Er wird Hecates Tagebuch nutzen, um Fabelreich endgültig von der Welt zu trennen. Ihr wärt seine Gefangenen."

„Vielleicht." Asterias uralte Augen ruhen in Eleanors. „Das ist eine Möglichkeit. Aber so wie ich die Sache sehe, ist es im Moment vorrangig ein Konflikt von Wächtern mit Wächtern. Womöglich wird er beide Seiten vernichten. Und uns dadurch befreien. Gibt es bei euch Menschen nicht ein Sprichwort? Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte?"

„Darauf würde ich nicht bauen."

„Warum nicht? Ihr habt mir bei jetzt keinen vernünftigen Grund für ein Bündnis mit Euch genannt. Damon mag ein Monster und ein Tyrann sein, ja. Aber davon gab es in Eurer Geschichte viele. Wir werden ihn überleben, wie alle anderen. Und der Einfluss des Kollegs wird schwinden."

„Ihr unterschätzt Damon." Eleanor Stimme bebt. „Er wird euch zu Sklaven machen. Für immer."

„Ein Bündnis mit Euch würde uns in einen Konflikt ziehen, der uns nichts angeht und bei dem wir nur verlieren können. Was passiert, wenn ihr Damon besiegt? Dann kehrt alles wieder zum jetzigen Status zurück. Ihr oben, wir unten."

„Nein." Ich bin selbst ein wenig überrascht, als ich meine Stimme durch den Raum hallen höre. Aber jetzt, wo ich losgeredet habe, gibt es wohl keinen Weg mehr zurück. „Wir kommen nicht nur mit Forderungen, sondern auch mit einem Angebot. Ihr wollt Fabelreich verlassen, stimmts'? Ihr wollte selbst entscheiden, ob ihr bleibt oder geht, nicht mehr wir, das Kolleg. Deswegen gibt es doch den Widerstand. Weil ihr Heimweh habt."

Asteria hat sich mir zugewandt. In ihren Augen liegt ein tiefer Schmerz. „Heimweh ist ein schwaches Wort für die Sehnsucht meines Volkes, kleines Fabelblut."

„Aber es stimmt doch? Das ist, was ihr wollt, mehr als alles andere."

„Mehr als alles andere", wiederholt Asteria leise.

Eleanor stellt ihr Weinglas zurück auf den Tisch, sachte, aber mit Nachdruck. „Ich kann es euch geben."

Asterias Kopf dreht sich wieder in Eleanors Richtung, als sie spricht. „Ihr wisst nicht, was Ihr da sagt."

„Ich weiß genau, was ich sage. Wenn wir ein Bündnis schließen, dann wird es nicht zwischen Herren und Untertanen sein. Das wäre Knechtschaft, kein Bündnis. Wir werden als Ebenbürtige gegen Damon kämpfen. Und wenn seine Gefahr gebannt ist, dann werdet ihr in Fabelreich als freie, selbstständige Völker leben. Ich bin die Priora des Kollegs. Und ich weiß nicht wie, aber ich verspreche Euch: Ich finde einen Weg, wie ihr Fabelreich verlassen könnt, sollte es euer Wunsch sein. Jedes Fabelwesen. Ich werde euch nicht nur Nachhause gehen lassen. Ich werde euch selbst dorthin bringen, wenn Ihr das wünscht."

„Damit werdet ihr euch Feinde machen."

Eleanor zuckt mit den Schultern. „Nur wer Feinde hat, lebt wirklich. Demetra hat mich nicht zur Priorin gemacht, weil ich Everybody's Darling bin."

„In der Tat", sagt Asteria, „Ihr seid anders als Demetra. Eine andere Art von Anführerin."

„Eine andere Anführerin für eine andere Zeit", sagt Eleanor, „Demetra hat getan, was der Tradition nach richtig war. Was Generationen von Prioren vor ihr getan haben. Das Kolleg beschützen. Aber sie kannte nur die Position der Wächter. Sie wusste nicht, wie es ist, wenn man ausgegrenzt wird, für das, was man ist. Ich werde das Kolleg nie so sehen können wie sie. Für mich sind die Wächter nicht die Superhelden der magischen Welt. Ich kann das Licht nicht sehen, ohne die Dunkelheit. Demetra hat gewusst, dass sich etwas ändern muss. Dass die alten Wege nicht länger taugen. Deshalb bin ich Priora geworden, nicht Constanze oder Eric. Sie wollte jemanden, der Reformen anstößt. Der seinen Standpunkt auch im Gegenwind halten kann. Sie wollte jemanden, der es aushält, Feinde zu haben."

„Tochter einer neuen Zeit", sagt Asteria und nach wie vor ruht ihr Blick auf Eleanor, mit so etwas wie mildem Interesse. „Wahrhaftig das seid Ihr." Dann schweigt sie einen Moment, ihr Blick auf der Tischplatte, als würde sie über etwas nachsinnen. „Also schön." Sie schaut wieder auf. „Ich werde Euer Angebot vor das Triumvirat bringen."

Eleanor neigt den Kopf. „Werdet Ihr Euch wohlwollend dafür aussprechen?"

„Ich habe begrenzten Einfluss auf das Urteil des Triumvirats"; sagt Asteria ernst, „Aber eines solltet ihr wissen: Wenn wir ein Bündnis mit dem Kolleg eingehen, dann verdanken es die Wächter allein euch."

Über Eleanors Gesicht zieht sich ein halbes Lächeln. „Ich bezweifele, dass sie mir danken werden. Eher im Gegenteil."

Asteria erhebt sich. „Lasst Euch einen Rat aus meiner reichhaltigen Lebenserfahrung geben: Die besten Menschen werden von ihrer Zeit immer verkannt." Plötzlich wird ihr Gesichtsausdruck ernst. Asterias Augen wandern zum Bleiglasfenster, durch das man verschwommen den Wald, das Meer und die Gärten erkennen kann. „Ich würde sie gern sehen, bevor ich gehe."

Es dauert einen Moment bis Eleanor begreift. „Natürlich." Schnell steht sie auf, zu schnell, denn ihre Hand fährt zu ihren Rippen und sie verzieht das Gesicht vor Schmerz. Die Verletzungen, die Margret ihr zugefügt hat, sind noch immer nicht ganz verheilt. „Folgt mir."

***

„Ich mochte sie." Asteria schaut auf Demetra herab und obwohl ihr Gesicht unbewegt bleibt, liegt in ihren Augen eine tiefe Traurigkeit.

Wir stehen im Grünen Kollegium, Eleanor, die Elfenfürstin und ich, vor uns Demetra auf ihrem Steinblock, reglos wie immer. Draußen hat es zu regnen begonnen. Wasser rinnt die Gewächshausscheiben herab und lässt alles davor zu einer einzigen grauen Masse verschwimmen.

Immerhin haben sie Demetra einen neuen Umhang angezogen. Sie trägt jetzt wieder ihren grünen, nicht mehr den silbergrauen der Priora. Der wird jetzt für Eleanor gebaucht. So sieht sie wieder weniger wie eine Statue und mehr wie ein Mensch aus.

„Wäre Demetra noch Priorin hätte es dieses Treffen nie gegeben.", sagt Eleanor mit einem Seitenblick auf die Elfe. „Schon gar keine Verhandlungen. Trotzdem schätzt Ihr sie?"

„Ich respektiere sie." Asterias Augen ruhen auf Demetras versteinertem Gesicht. „Sie hat alles für das Kolleg getan. Und auch wenn sie für mein Volk keine Freundin war, verstehe ich das. Als Anführerin. Und als Mensch..." Asteria lächelt. „Es ist schwer sie nicht zu mögen. Sie hatte ein Herz aus Gold."

„Ja", murmelt Eleanor, „Das hatte sie."

Asteria setzt sich auf den Rand des Steinblocks und nimmt Demetras Hand. Die Geste kommt unerwartet. Elfen mögen keinen Körperkontakt. Schon in Demetras Anfangsunterricht haben wir gelernt, einer Elfe niemals zur Begrüßung die Hand zu reichen. Verbeugungen und symbolische Gesten sind ihre Sprache. Berührungen sind etwas intimes, für Freundschaften oder Familie reserviert. Umso überraschender ist es, als sie sich vorbeugt und ihre Lippen auf Demetras Stirn legt. Sie schließt die Augen, wispert ein paar Worte in Elfensprache. Es klingt wie ein Segen. Dann erhebt sie sich und wendet sich Eleanor zu. „Danke, dass ich mich von ihr verabschieden durfte."

Eleanors Lippen werden schmal. „Sie lebt noch. Sie wird wieder aufwachen."

„Ich wünsche es ihr. Und Euch. Aber dir Sterne sagen, dass sich Demetras und mein Weg nicht mehr kreuzen werden. Ich kenne den Grund dafür nicht. Nur das Ende ist gewiss." Sie tritt einen Schritt auf Eleanor zu, hebt die Hand. Ihre Finger schweben unterhalb von Eleanors Herzen in der Luft. Auf Rippenhöhe, wie ich bemerke. „Darf ich?", fragte sie und schaut kurz zu Eleanors Gesicht auf.

Eleanors Brauen ziehen sich zusammen, aber sie nickt und Asteria drückt die Finger auf ihre Rippen. Es ist eine leichte, behutsame Berührung, trotzdem zuckt Eleanor zusammen, als die Elfe ihr buchstäblich den Finger in die Wunde legt. Asteria murmelt ein paar Worte, dann tritt sie zurück.

Eleanor betastet ihre Rippen, zuerst vorsichtig mit angehaltenem Atem, aber der Schmerz bleibt offenbar aus. „Danke."

„Es wirkt nur vorrübergehend. Aber es ist alles, was ich für Euch tun kann", sagt Asteria, „Euer Weg führt in die Schatten, Eleanor Murray. In Einsamkeit und Finsternis. Ihr werdet all eure Kraft brauchen, für das, was vor euch liegt." Sie neigt den Kopf. „Es war mir eine Ehre, Euch kennenlernen zu dürfen."

Und dann, noch bevor Eleanor und ich auch nur den Mund aufmachen können ist sie verschwunden. Mit einem Windstoß fällt die gläserne Gewächshaustür zu. Zurück bleibt nur ein Geruch nach warmen Moos.

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