Vom Fußballer, der über seine...

De leacsaint

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Nachdem der junge Fußball-Profi Jonatan Castberg, genannt Jonny, eine große Dummheit begangen hat, zieht es i... Mais

Vorwort
Widmung
I. Abseitsfalle
II. Heimspiel
IV. Aufsetzer
V. Manndeckung
VI. Eigentor
VII. Dreierkette
VIII. Hawk-Eye
IX. Schwalbe
X. Capitano
XI. Strafstoß
XII. Halbzeit
XIII. Platzverweis
XIV. Pressing
XV. Sturm
XVI. Assist
XVII. Rudelbildung
XVIII. Übersteiger
XIX. Fallrückzieher
XX. Zuckerpass
XXI. Handschlag
XXII. Toraus
XXIII. Lucky Punch
XXIV. Endspiel
Nachwort

III. Bananenflanke

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De leacsaint

Es ist ein komisches Gefühl, wieder in meinem alten Zimmer zu stehen. Ich habe hier so oft übernachtet, dass ich es gar nicht mehr zählen könnte. Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens lasse ich meinen Blick über die vergilbte Tapete wandern, deren Blumenmuster schon altmodisch war, als es entworfen wurde. Die vielen Kratzspuren, die verschiedene Katzen im Laufe der Jahre darauf hinterlassen haben, machen die Sache auch nicht besser.

Augenrollend nehme ich zur Kenntnis, dass das Bett unterhalb der Dachschräge ebenfalls mit Blümchenbettwäsche bezogen ist. Diese Vorliebe werde ich Oma wohl nicht mehr abgewöhnen. Eher gewinnt Norwegen die Weltmeisterschaft. Mit zwei Schritten durchquere ich das Zimmer, bleibe neben dem Bett stehen und streiche mit der Hand über den schweren Ebenholzbalken, der sich über dem Kopfende befindet. So oft, wie ich früher dagegen geknallt bin, würde es mich kein bisschen wundern, wenn ein Abdruck meiner Stirn darauf zu sehen wäre.

Wahrscheinlich trägt dieser Balken eine gewisse Teilschuld daran, dass ich Fußballer geworden bin, statt zu studieren oder einen Beruf zu erlernen, bei dem man viel nachdenken muss. Um ehrlich zu sein, gab es für mich nie eine Alternative. Ich habe schon als kleiner Junge davon geträumt, Profispieler zu werden – genau wie mein Vater früher. Im Gegensatz zu mir war er jedoch kein Linksaußen, sondern Innenverteidiger.

Wenn ich daran denke, dass er vermutlich längst über meine Dummheiten Bescheid weiß, wird mir ganz anders. Seufzend lasse ich mich aufs Bett fallen und stutze im nächsten Moment, weil ich etwas Hartes unter meinem Hintern spüre. Als ich die Decke zurückschlage, kommt ein zerknautschtes, flauschiges Etwas mit Knopfaugen zum Vorschein. Alfred, mein alter Teddybär, hat während meiner Abwesenheit offenbar das Bett gehütet.

Probeweise drücke ich auf seinen Bauch, um zu testen, ob er noch brummen kann, aber scheinbar ist ihm mit zunehmendem Alter die Puste ausgegangen. Der Bär gibt keinen Ton von sich – stattdessen starrt er mich mit seinen braunen Augen vorwurfsvoll an, als wäre er sauer auf mich, weil ich ihn hier zurückgelassen habe, obwohl er jahrelang mein allerliebstes Kuscheltier war.

„Tut mir leid, Dicker", sage ich entschuldigend und setze ihn auf die Fensterbank, denn ich bin mittlerweile wirklich zu alt, um mit einem Teddybären im Bett zu schlafen. „Nimm's nicht persönlich, ja?"

Alfreds Blick bleibt hart und er verfolgt mich für den Rest des Tages. Jedes Mal, wenn ich das Zimmer betrete, fühle ich mich beobachtet. Daran ist aber nicht nur der Bär auf der Fensterbank schuld, sondern auch König Harald, der mir an den Fersen klebt wie ein Kaugummi. Der Kater hat sich scheinbar in den Kopf gesetzt, den fiesen Eindringling rund um die Uhr zu überwachen – ob ich will oder nicht.

Gegen Mitternacht schleiche ich auf Zehenspitzen ins Bad, damit ich meine Oma nicht aufwecke, die sich schon vor Stunden schlafen gelegt hat. Ich hingegen bleibe gerne etwas länger wach. Nachdem ich mir die Zähne geputzt habe, husche ich über den Flur zurück in mein Zimmer und knipse das Licht an. Erschrocken zucke ich zusammen, als ich sehe, dass sich auf dem Bett etwas bewegt.

Es ist König Harald, der sich dort breitgemacht hat und mich provozierend anstarrt. Mein Bett!, scheinen seine Augen zu sagen, während er selbstverständlich keinerlei Anstalten macht, das Feld zu räumen. Damit er sich freiwillig verzieht, müsste ich ihn wohl mit einem dieser Katzensticks bestechen, die Oma „Stöckchen" nennt und kistenweise hortet. Allerdings sehe ich es nicht ein, den Kater für seine Dreistigkeit mit einem Leckerli zu belohnen.

„Gehst du freiwillig oder muss ich dich packen?", frage ich ihn herausfordernd und strecke meine Hände nach ihm aus, die mit Sicherheit den einen oder anderen Kratzer davontragen werden.

Sobald meine Finger sein Fell berühren, fängt König Harald an zu fauchen, doch davon lasse ich mich nicht beeindrucken. Entschlossen schnappe ich mir den wütenden Kater, um ihn vom Bett zu tragen, doch er windet sich aus meinem Griff heraus, schnappt nach mir und zieht sich knurrend zurück. Na, wer sagt's denn.

„Geht doch", bemerke ich trocken, krieche unter die Decke und klopfe mein Kissen zurecht.

Ich brauche eine Weile, bis ich eine gemütliche Liegeposition gefunden habe, denn die Matratze ist hart und außerdem etwas zu klein für mich. Wehmütig denke ich an das riesige Kingsize-Bett in meiner Londoner Penthouse-Wohnung. Nicht einmal die Götter wissen, wann ich wieder darin schlafen werde.

Obwohl ich ziemlich müde bin, dauert es lange, bis mir die Augen zufallen. Ständig spähe ich zur Fensterbank rüber, auf der sich die dunklen Silhouetten von Alfred und König Harald abzeichnen. Letzterer schläft nicht, sondern beobachtet mich unentwegt, wie ein Nachtmahr. Ich bin keine Memme oder so, aber dieser Kater wird mir langsam unheimlich.

Next Day

Etwas kitzelt mich im Gesicht. Schlaftrunken kneife ich die Augen zusammen und drehe den Kopf weg, doch nur Sekunden später streift erneut etwas meine Nasenspitze. Zudem glaube ich, direkt neben mir jemanden schnaufen zu hören. Blindlings strecke ich die Hand aus und bekomme etwas Haariges zu fassen. Was zum Geier ...?

Erschrocken schnelle ich hoch, werde aber auf unsanfte Art und Weise gebremst, da ich mit der Stirn wuchtig gegen einen harten Widerstand pralle. Der Balken, schießt es mir durch den Kopf, während ein Sternenschauer vor meinen Augen niederregnet und ich ächzend meine pochende Stirn massiere. Wenn ich Pech habe, gibt das eine fette Beule. Ein Glück, dass ich sowieso schon untergetaucht bin.

Kaum kann ich wieder klar sehen, entdecke ich König Harald, der neben meinem Bett auf dem Boden hockt und mich schadenfroh mustert. Offensichtlich war er es, der mich geweckt hat, indem er mir seine Schnurrhaare unter die Nase gerieben hat. Dass ich daraufhin aufgesprungen bin und mir den Kopf gestoßen habe, ist allein seine Schuld. Dieses Vieh ist ein Teufel, getarnt im Körper einer Katze.

„Guck nicht so blöd", blaffe ich ihn an und schwinge die Beine aus dem Bett. Draußen ist es bereits hell, doch die riesige alte Fichte vor meinem Fenster verhindert, dass Sonnenlicht in mein Zimmer fällt.

Gähnend und mit pochender Birne schleppe ich mich ins Bad, um mich ein wenig frisch zu machen. Aus dem Erdgeschoss duftet es verlockend – nach gebratenem Fisch oder Fleisch und spätestens, als mein Magen ein deutliches Knurren von sich gibt, wird mir bewusst, wie hungrig ich eigentlich bin. Ich glaube, ich könnte einen ganzen Elch verdrücken – ohne die Schaufeln natürlich.

Immer der Nase nach laufe ich die Treppe runter, wobei ich fast über Königin Gunnhild stolpere, die auf der untersten Stufe hockt und sich ihre beachtliche Plauze leckt. Diese Tiere bringen mich eines Tages noch um. Während ich ihr fluchend ausweiche, lässt sich die mollige Königin nicht aus der Ruhe bringen. Ich wüsste gerne, wer für ihren Bauchumfang verantwortlich ist – ungeborene Kitten oder meine Oma, die es mit den täglichen Futterrationen oft etwas zu gut meint.

Letztere treffe ich in der Küche, doch sie bemerkt mich zunächst gar nicht, weil sie vollauf damit beschäftigt ist, mehrere Fische in einer Pfanne zu brutzeln. Sofort läuft mir das Wasser im Mund zusammen, denn als gebürtiger Norweger zählt Fisch – egal welcher – natürlich zu meinen absoluten Leibspeisen. Wenn ich nicht so ein miserabler Koch wäre, würde ich mir jeden Tag irgendwelche aufwändigen Fischgerichte zubereiten.

„Ach Jonny, du bist ja auch endlich wach", sagt Oma, als ich neben sie trete und lächelt zu mir hoch. „Hast du gut geschlafen?"

„Klar", antworte ich und vermeide es sorgfältig, ihr von meiner Kollision mit dem Balken zu erzählen. Gierig betrachte ich die brutzelnden Fische. „Die sehen echt lecker aus! Kannst sie ruhig ein bisschen mehr würzen, das mag ich lieber."

„Wieso du?" Verständnislos runzelt meine Großmutter die Stirn. „Die Sprotten sind nicht für dich, sondern für die Katzen. Dein Essen steht da drüben auf dem Tisch."

Mit dem Spatel deutet sie ins angrenzende Wohnzimmer. Dort auf dem Esstisch wartet ein Teller, der bis zum Rand voll ist mit Spiegeleiern, Speck und knusprigem Toast. Zwar bin ich etwas enttäuscht, weil ich nichts vom Fisch abbekomme, aber Eier mit Speck sind eine gute Alternative. „Danke, Oma", sage ich und nehme hungrig am Tisch Platz.

Während ich mich über mein Frühstück hermache, schneidet Oma die Sprotten in mundgerechte Häppchen und befüllt damit die Näpfe. Jede Katze hat ihren eigenen, aber natürlich gibt es trotzdem Gedränge, weil alle zuerst da sein wollen. Insgesamt sind es sechs Stubentiger, die schnurren, maunzen und sich gegenseitig anfauchen. Bisher habe ich es noch nicht geschafft, mir ihre Namen einzuprägen – die Ausnahmen bilden König Harald und Königin Gunnhild.

„Ist sie eigentlich schwanger oder nur übergewichtig?", erkundige ich mich und zeige auf die Dickste der sechs Katzen, wegen der ich mir vorhin auf der Treppe beinahe das Genick gebrochen hätte.

„Trächtig, Jonny, es heißt trächtig", antwortet Oma, die ihren Schützlingen selig beim Fressen zuschaut. „In ein paar Wochen ist es schon so weit. Dann bekommen wir kleine Kätzchen!"

Sie strahlt wie ein Kind im Süßigkeitenladen und wirkt plötzlich viel jünger, als sie eigentlich ist. Unwillkürlich muss ich auch lächeln. Auch wenn ich ihre Liebe für die Katzen nur bedingt nachvollziehen kann, freue ich mich, weil ich sehe, wie sehr sie in ihrer Rolle aufgeht. Die Tiere tun meiner Oma gut, sie halten sie auf Trab und geben ihr Energie. Außerdem glaube ich, dass sie sich in ihrer Gesellschaft weniger einsam fühlt.

Mein Blick streift die Wand gegenüber von mir, an der dekorativ verschiedene Jagdgewehre hängen. Mein Großvater Morten war ein passionierter Jäger, dessen Leidenschaft ihm letztendlich zum Verhängnis geworden ist. Eines Tages wurde er während der Jagd von einem krankgeschossenen Keiler am Oberschenkel verletzt. Wegen des hohen Blutverlusts hat er das Bewusstsein verloren und da er alleine unterwegs war, konnte ihm niemand zur Hilfe eilen.

Als man ihn schließlich gefunden hat, war es schon zu spät. Ich war damals ein kleiner Junge, aber ich weiß noch genau, wie ich Oma und meine Eltern zu seiner Beerdigung begleitet habe. Eigentlich erinnere ich mich nur deshalb so gut daran, weil es das erste und letzte Mal war, dass ich meinen Vater weinend gesehen habe. Dieser Anblick hat mich damals sehr getroffen und ich glaube nicht, dass ich ihn jemals vergessen werde – genauso wenig wie Opa Morten.

Nachdem ich aufgegessen habe, steht mir der Sinn nach einer entspannten Dusche, aber Oma hält mich zurück, noch bevor ich überhaupt einen Fuß auf die Treppe setzen kann. „Jonny, warte bitte einen Moment", sagt sie und räuspert sich verlegen. „Es gibt da etwas, das du wissen solltest."

Sofort halte ich inne und starre sie misstrauisch an. Ihrem Tonfall nach zu urteilen, geht es um etwas Ernstes. „Was ist los?", frage ich Böses ahnend, während das Blut in meinen Ohren rauscht.

Erneut räuspert sie sich, sodass ich es beinahe mit der Angst zu tun bekomme. „Wegen deinen Schuhen ... ich glaube, du kannst sie nicht mehr anziehen."

Moment. Was? Verständnislos starre ich sie an. „Meine Schuhe?", wiederhole ich irritiert. „Die habe ich doch gestern sauber gemacht." Mit Einmalhandschuhen und Mundschutz, weil ich dem Dreck unter keinen Umständen zu nahe kommen wollte.

„Ich weiß", erwidert Oma kleinlaut. „Aber eine von den Katzen hat sich anscheinend den Magen verdorben und..." Mitten im Satz bricht sie ab, weil ich aufgebracht nach Luft schnappe.

Schnurstracks laufe ich in den Flur, um meine teuren Treter zu begutachten, die ich gestern nach der Säuberung dort zum Trocknen abgestellt habe. Nur, dass sie jetzt weder sauber, noch trocken sind.

„Fuck!", entfährt es mir, als ich die eklige Bescherung sehe, deren Geruch sich nicht gut mit meinem Frühstück verträgt. Geistesgegenwärtig halte ich mir die Nase zu und zweifle zum ersten Mal an meiner Entscheidung, mich auf der Flucht vor der Presse ausgerechnet in der Katzenhölle zu verstecken.


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