Vom Fußballer, der über seine...

Od leacsaint

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Nachdem der junge Fußball-Profi Jonatan Castberg, genannt Jonny, eine große Dummheit begangen hat, zieht es i... Více

Vorwort
Widmung
I. Abseitsfalle
III. Bananenflanke
IV. Aufsetzer
V. Manndeckung
VI. Eigentor
VII. Dreierkette
VIII. Hawk-Eye
IX. Schwalbe
X. Capitano
XI. Strafstoß
XII. Halbzeit
XIII. Platzverweis
XIV. Pressing
XV. Sturm
XVI. Assist
XVII. Rudelbildung
XVIII. Übersteiger
XIX. Fallrückzieher
XX. Zuckerpass
XXI. Handschlag
XXII. Toraus
XXIII. Lucky Punch
XXIV. Endspiel
Nachwort

II. Heimspiel

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Od leacsaint

Der nächste Morgen beginnt genauso, wie der gestrige Abend geendet hat: Unerfreulich. In erster Linie ist das meine eigene Schuld, denn ich Trottel habe vergessen, mir einen Wecker zu stellen, obwohl ich eigentlich um Punkt 8:00 Uhr hätte auschecken sollen. So kommt es, dass ich wenig später vom Zimmerservice aus dem Bett geklopft werde und erst mal ein paar Minuten brauche, bis ich überhaupt kapiere, was los ist.

Als ich es endlich schaffe, das Zimmer zu räumen, ist es schon fast halb zehn. Ich habe zwar eine Übernachtung ohne Frühstück gebucht, schaue aber trotzdem im Speisesaal vorbei, um mir eine Tasse Kaffee zu holen. Ein großer Fehler, denn das Zeug schmeckt wie Oma unterm Arm. Ekelhaft. In einem unbeobachteten Moment lasse ich die volle Tasse stehen und sehe zu, dass ich verschwinde.

Nachdem ich ausgecheckt habe, organisiere ich mir ein Taxi, das mich zu meinem eigentlichen Ziel bringen soll, denn ich habe nicht vor, länger hier in Bergen zu bleiben. Das wäre viel zu riskant, schließlich könnte ich rein theoretisch jederzeit meinen Eltern über den Weg laufen oder irgendwelchen anderen Leuten, die mich von früher kennen.

Diesmal erwische ich zum Glück einen netteren Taxifahrer, der allerdings auch nicht ganz ohne ist und das liegt an seinem Musikgeschmack. Während er aus voller Kehle zu Dexys Midnight Runners'„Come On Eileen" grölt, schaue ich verzweifelt aus dem Fenster und versuche mich mit dem Gedanken zu trösten, dass die Fahrt nur eine knappe halbe Stunde dauert.

Spätestens jetzt bedauere ich es sehr, dass ich meinen geliebten Bentley in London zurücklassen musste. Da ich aller Voraussicht nach länger hierbleiben werde, muss ich mich wohl zeitnah um einen Leihwagen bemühen. Weitere Taxifahrten wären definitiv zu viel für meine ohnehin schon überstrapazierten Nerven.

Ich bin heilfroh, als wir nach einer gefühlten Ewigkeit in Knarvik ankommen. Der kleine Ort, mit dem ich unzählige Erinnerungen verbinde, hat etwas mehr als 6000 Einwohner und ist Teil der Kommune Alver, die wiederum zur Provinz Vestland gehört. Hier habe ich einen Großteil meiner Kindheit verbracht, die nicht nur von Fußball geprägt war, sondern auch von häufigen Besuchen bei Oma Ada.

Ada Castberg, meine Großmutter väterlicherseits, lebt etwas zurückgezogen in einem roten Haus außerhalb des Zentrums von Knarvik. Sie ist Rentnerin, Katzenzüchterin mit Leib und Seele und mittlerweile stolze 81 Jahre alt. Früher, als mein Opa noch gelebt hat, war sie eine sehr gesellige und herzliche Person, doch seit seinem Tod ist sie zunehmend kauziger geworden und kümmert sich inzwischen fast ausschließlich um ihre Katzen.

Das letzte Stück bis zu ihrem Haus, welches auf einer kleinen Anhöhe liegt und von knorrigen, alten Bäumen umgeben ist, gehe ich zu Fuß, wobei ich Mühe habe, meinen Koffer hinter mir her zu ziehen. Ständig bleibt das Ding an irgendwelchen Steinen hängen und ich bin zunehmend genervt. Ich war so lange nicht mehr hier, dass ich völlig vergessen habe, wie uneben dieser blöde Weg ist, der in sanften Kurven zu Omas Gartentor führt.

Als ich nur noch wenige Meter von dem morschen Zaun entfernt bin, der dringend einen neuen Anstrich benötigt, kommen mir plötzlich Zweifel. Was ist, wenn meine Großmutter längst Bescheid weiß und sich so sehr für mich schämt, dass sie mich nicht sehen möchte? Sehr wahrscheinlich ist das nicht, da sie nur selten die Nachrichten verfolgt und bestenfalls die regionale Tageszeitung liest, in der zum Glück keine Rubrik für Klatsch und Tratsch existiert.

Ich atme tief durch und rufe mich zur Vernunft. Meine Oma ist nicht wie mein Vater. Sie würde mich nicht verstoßen, nur weil ich einmal Mist gebaut habe. Schließlich hat sie in der Vergangenheit immer wieder betont, wie stolz sie auf mich ist und dass ich ihr Lieblingsenkel bin. Na ja, außer mir hat sie auch keine anderen Enkelkinder, aber egal.

Mein Puls steigt, während ich das Gartentor öffne. An der Haustür versuche ich es gar nicht erst, weil Oma garantiert wieder die Klingel abgestellt hat. Das ist eine alte Angewohnheit von ihr, weil sie erstens gerne ungestört ist und zweitens nicht möchte, dass sich ihre Katzen erschrecken. Diese Tiere sind ihr wichtiger als alles andere.

„Oma?" Vorsichtig betrete ich den Garten, der noch genauso verwunschen wirkt, wie ich ihn in Erinnerung habe. In sorgfältig angelegten Beeten wachsen Blumen und Kräuter, dazwischen sprießt saftiger, dunkelgrüner Rasen. An der Hauswand ranken sich Stockrosen empor, die zum Teil fast so groß sind wie ich.

Quer durch den Garten plätschert ein kleines Rinnsal. Oma nennt es „Elfenwasser". Sie hatte schon immer ein Faible für Fabelwesen. Dank ihr habe ich früher ernsthaft geglaubt, dass in den Büschen Trolle wohnen, die nachts rauskommen und ums Haus schleichen. Der Gedanke daran bringt mich zum Lächeln. Ich lege den Kopf in den Nacken und schnuppere. Es duftet nach Lavendel und feuchter Erde.

Ein dumpfer Schlag lässt mich zusammenzucken. Stirnrunzelnd gehe ich weiter, umrunde das Haus und bleibe abrupt stehen, als ich plötzlich meine Großmutter entdecke. Sie hat mir den Rücken zugewandt und schwingt eine Axt, deren scharfe Klinge in der Sonne blitzt. Energisch holt sie damit aus, lässt das Werkzeug wuchtig auf ein Stück Holz sausen und zerteilt es sauber in zwei Hälften.

„Oma, was machst du da?", rufe ich entsetzt, obwohl die Antwort auf der Hand liegt. Ganz offensichtlich ist sie gerade dabei, Feuerholz für den Kamin zu hacken. Allerdings finde ich nicht, dass das die richtige Aufgabe für eine über Achtzigjährige ist. Wenn sie nicht aufpasst, rammt sie sich die Axt womöglich in ihr dürres Schienbein statt ins Holz.

Verwirrt dreht meine Großmutter sich zu mir um. Sie trägt grüne Gummistiefel, eine Gartenhose und eine karierte Wolljacke, die ihr bis unter die Kniekehlen reicht. Ihre grauen Haare versteckt sie unter einem bunten Tuch. Ihr Gesicht ist von tiefen Furchen durchzogen und sie blinzelt mich mit ihren tiefliegenden, wässrig blauen Augen misstrauisch an.

„Was machen Sie denn hier?", fragt Oma, während sie die Axt fest umklammert hält. „Wer sind Sie überhaupt? Habe ich Sie eingeladen?"

Ungläubig starre ich sie an, bis mir plötzlich ein Licht aufgeht. „Oma, ich bin's, Jonny", erkläre ich und komme langsam näher. „Ich weiß, es ist lange her. Setz deine Brille auf, dann kannst du mich besser sehen."

Etwas umständlich greift sie nach ihrer Brille, die an einer dünnen Kette um ihren Hals hängt und schiebt sie sich auf die Nase. Nachdem sie mich einige Sekunden lang gemustert hat, klart ihre Miene auf und sie fängt an zu lächeln. „Ach Jonatan, du bist es ja wirklich", sagt sie erfreut, lässt die Axt ins Gras fallen und streckt ihre Arme nach mir aus. „Lass dich anschauen, mein Junge. Du bist so hübsch geworden, ich hätte dich fast nicht wiedererkannt!"

„Danke, Oma", erwidere ich und beuge mich zu ihr runter, um sie zu umarmen. Manchmal frage ich mich, wie es sein kann, dass ich über eins achtzig groß bin, während sie so klein ist, dass man glatt meinen könnte, sie stamme von Gnomen ab. Falls diese Wesen in unserem Familienstammbaum eine Rolle spielen, bin ich sehr froh, dass ich nichts von ihren Genen abbekommen habe. In meinem Beruf ist eine geringe Körpergröße eher unvorteilhaft.

„Ist das schön, dass du mich mal wieder besuchen kommst", sagt Oma gerührt, kramt in ihrer Jackentasche und holt ein bunt besticktes Taschentuch hervor, mit dem sie sich die Augen abtupft. „Sonst hast du doch immer nur deinen Sport im Kopf."

Prompt meldet sich mein schlechtes Gewissen. „Ja, ich weiß", gebe ich kleinlaut zu. „Tut mir leid, dass ich so wenig Zeit für dich habe. Aber genau deswegen bin ich hier. Weil mir klargeworden ist, dass die Familie immer an erster Stelle stehen sollte." Und weil ich vermutlich der größte Vollidiot bin, den die Welt je gesehen hat.

„Das hast du schön gesagt, Jonny." Oma steckt das Taschentuch wieder weg und winkt mich zum Haus rüber. „Komm erst mal rein. Möchtest du was essen? Du bist schon wieder viel zu dünn. Ich könnte dir Sveler machen. Die hast du als Kind immer so gerne gegessen, weißt du noch?"

Selbstverständlich weiß ich das noch. Wirklich hungrig bin ich zwar nicht, aber zu Omas Pfannkuchen würde ich nie Nein sagen. Bereitwillig folge ich ihr zur Terrasse, die überdacht und somit vor Regen geschützt ist. An dem kleinen Tisch, der dort steht, haben wir früher im Sommer oft gefrühstückt oder Kaffee getrunken. In einem der alten Korbsessel liegt etwas, das ich zunächst für ein sehr plüschiges Kissen halte, doch bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich als ein stattlicher schwarzer Kater, der mich mit wachsamen gelben Augen mustert.

„Das ist Harald III. Hardråde", stellt Oma ihn vor und fügt stolz hinzu: „Mein bestes Zuchttier!" Behutsam streichelt sie den Kopf des Norwegischen Waldkaters, der wie all ihre vierbeinigen Lieblinge den Namen eines ehemaligen Monarchen trägt.

Vorsichtig strecke ich meine Hand aus, um ihn daran schnuppern zu lassen, doch König Harald der Harte hat offensichtlich keine Lust auf Besuch. Demonstrativ wendet er sich ab, gähnt herzhaft und legt den Kopf auf die Vorderpfoten, um in aller Ruhe ein Nickerchen zu halten. Das nenne ich einen herzlichen Empfang. Nicht.

„Er mag keine Fremden", bemerkt Oma überflüssigerweise, während sie die Terrassentür öffnet. „Aber das wird schon noch. Und jetzt rein mit dir ins Warme!"

Gehorsam setze ich mich in Bewegung, doch nur Sekunden später halte ich abrupt inne. Ein ekliges, schmatzendes Geräusch ertönt und ich schaue alarmiert zu Boden. Unter der linken Sohle meines schneeweißen Air-Jordan-Sneakers klebt etwas. Etwas, das sich weich anfühlt und aussieht wie –

„Scheiße!", rutscht es mir heraus, weil ich mir wirklich etwas Schöneres vorstellen kann, als Katzenkacke von meinen teuren, ehemals blitzeblanken Schuhen zu kratzen.

Oma hat meine verbale Entgleisung zum Glück nicht gehört, da sie bereits ins Haus gegangen ist. König Harald hingegen spitzt aufmerksam die Ohren und blinzelt mich mit seinen Bernsteinaugen an. Bilde ich mir das ein oder lacht Seine Majestät sich gerade ins Fäustchen über mich?

„Du warst das, hab ich Recht?", frage ich ihn mürrisch und deute auf meinen versauten Schuh. Als Antwort ernte ich jedoch nur ein erneutes Gähnen. Das ist wohl König Haralds Art, Eindringlingen zu zeigen, dass sie unerwünscht sind.


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