Box Nr. 7

ananasdream tarafından

2.1K 286 217

»Die ganze Zeit ging ich davon aus, du wärst auch nur jemand, dem ich nicht trauen kann, aber du warst die ga... Daha Fazla

v o r w o r t
P r o l o g
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
K a p i t e l 1
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
K a p i t e l 2
XVI
XVII
XIX
XX
XXI
K a p i t e l 3
XXII
XXIII

XVIII

42 3 7
ananasdream tarafından

𓆈

M A N C H M A L frage ich mich, warum in unserer Küche ewig das Foto von mir hängt, das wir damals von mir beim Fotographen haben schießen lassen. Es ist zu einer Zeit in meinem Leben entstanden, wo ich reichlich Gewicht verloren hatte. Man hat mich verlassen, daher gab es diesen kurzen Abschnitt, wo es mir wirklich dreckig ging. Niemand bemerkte es, weil Mama dafür sorgte, dass ich außerhalb meiner vier Wände weiterhin funktionierte.

Bevor Besuch kam, erinnerte sie mich daran, ein Lächeln aufzusetzen. Wenn ich länger als ein paar Tage Bauchschmerzen hatte, drohte sie mir damit, den Fernseher wegzunehmen. Sie fragte nicht nach meinem Empfinden, sondern sorgte dafür, dass ich die Nachhilfe weiterhin wahrnahm. Und als der Schulfotograph kam, zerrte sie mich nicht nur vor die Linse, sie hing dieses Foto auch auf. Das, wo ich schlank war. »Na siehst du?«, hatte sie gesagt. »Du siehst wunderschön darauf aus.« Ich konnte es nicht sehen, erkannte nur die Einsamkeit in meinen Augen. Wie ich mich jeden Tag mit einer neuen Serienstaffel ablenkte.

Wenn das Schönheit ist, weiß ich nicht, ob ich schön sein möchte. Ob eine andere Form davon existiert? Wann schaffe ich es, in den Spiegel zu sehen, ohne mich mit dem Mädchen von damals zu vergleichen? Mein vergangenes Ich würde es hassen, wenn es wüsste, was aus mir geworden ist. Eine Lehrkraft und kein:e Filmproducer:in. Manchmal denke ich: »Scheiß drauf, dass du mich so nicht magst. Ich tu's.« Gleichzeitig habe ich Angst, mir über die Jahre angewöhnt zu haben, alles, was falsch läuft, schönzureden.

Kann ich mich der Öffentlichkeit zeigen, ohne an meiner realitätsfernen Selbstwahrnehmung zu zerbrechen?

In Liebe

Dein:e Brieffreund:in

𓆈

Das Blitzen der Kamera ließ mich blinzeln. Gottverdammte Scheiße, ich hatte dieses Foto erneut ruiniert. Mit der Hand in der Hüfte ähnelte ich sicher einem gerupften Hühnchen. Larson war lediglich zu freundlich, um kapitulierend den Fotoapparat fallen zu lassen. Mit dem Po lehnte ich mich an das Geländer der Brücke. Die Luft roch nach dem rauschenden Wasser unter mir. Ich legte meinen Kopf ein wenig in den Nacken, in der Hoffnung dadurch sexy zu wirken. »Super, genau so!« Seine Lügen trieben mich in den Wahnsinn. Wäre ich so fotogen, wie er behauptete, hätten wir die Fotosession schon vor einer halben Stunde beendet. Langsam kam ich mir lächerlich vor. Ich zog an den Ärmeln meines Cardigans.

»Machen wir noch ein Foto, wo du die Hand zu den Kirschblüten ausstreckst?«, schlug er vor. Die Frage war rhetorisch, denn sein Auge schielte bereits durch die Linse. Ich umfasste mit Daumen und Zeigefinger einen der Zweige, vor mir eine wahrgewordene Bilderbuchfantasie. Larson hoffte nur, endlich ein Abbild von mir einzufangen, das instagramtauglich war. Manchmal konnte die Umgebung noch so voller Frühlingsblumen strotzen, wenn das Model nichts hergab, war das Foto wertlos. Klick. Sein starrer Blick verriet nicht viel, aber ich bezweifelte, dass so Zufriedenheit aussah.

»Da sind ein paar echt klasse Fotos dabei«, versuchte er mich zu überzeugen. Die Canon um seinen Hals streckte er schon halb nach mir aus, als er sich in Bewegung setzte.

Er blätterte durch die Galerie, um mir ausschließlich die Besten zu zeigen. Ich hielt den Atem an, rechnete mit dem Schlimmsten, stellte dann aber fest ... dass die Bilder wirklich gelungen waren. Der frühlingshafte Hintergrund trug dazu sicher einen wesentlichen Teil bei, doch da war mehr. Das warme Lächeln in die Kamera, der locker wehende Blümchenrock und die leichte Röte um meine Nase rundeten das Bild perfekt ab. Es war, als gehörte ich an diesen Ort. Nicht, weil ich die Modelmaße eines Instagrammodels hatte – oder die makellose Haut. Wenn ich das Foto als Außenstehender betrachtete, kam ich mir wie eine junge Frau vor, mit der ich mich gerne anfreunden würde.

Es mochte eingebildet sein, das über sich selbst zu denken, aber hey, als Tochter meiner Mutter kümmerte es mich nicht. Vielleicht hätte ich Make-up auflegen oder die linke Hand höher strecken können. Das war kein perfektes Foto, dafür irgendwie echt. Es fing die Lennja ein, die ich heute war. Die oft über Kleinigkeiten verzweifelte, trotzdem ihr Bestes gab, damit möglichst viele Leute, einschließlich ihr selbst, glücklich waren. Ich las die Wut in meinen Augen, weil die Fotosession ewig dauerte, aber auch die Vorfreude auf das Endergebnis und die Dankbarkeit gegenüber Larson.

»Du bist echt talentiert«, murmelte ich.

Er errötete und zog verlegen am Band seiner Canon. »Ein hübsches Foto zu schießen ist eine Leichtigkeit, wenn man die perfekte Vorlage hat.«

Ich lachte und überspielte mein Unwohlsein, indem ich das Haar modellike über die Schulter warf. »Stimmt.«

Aber seine Fotos waren besser. Sie hatten den gewissen Wiedererkennungswert. Anfangs hatte ich sein Auftreten in der Vorlesung belächelt. Inzwischen war sein Äußeres genau das, woran ich ihn wiedererkannte – so sicher auch seine Follower. Privat kannte ich ihn kaum. Durch seine Fotoreihe auf Instagram kam es mir überflüssig vor. Sie erzählten eine Geschichte, sodass es mir vorkam ihn zu kennen. Das fehlte bei meinen Fotos, oder?

»Aber wie machst du das, dass deine Bilder so privat wirken? Jedes wirkt so, als könne das niemand anderes sein. Es gibt Millionen Menschen, die Sonnenbrillen tragen. Bei dir scheint es fast so, als hättest du ein Anrecht auf sie«, erkundigte ich mich bei ihm.

Er zuckte mit den Schultern. »Kann ich dir gar nicht genau sagen. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon immer das Bedürfnis hatte, mein Leben einzufangen. Ich weiß nicht, ob du's kennst, aber früher hatte ich manchmal das Gefühl, übersehen zu werden.« Er hob die Kamera für ein Selfie. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er eine Grimasse verzog und abdrückte. »Ich stelle keine Fotos, sondern lichte Momente ab.«

Jemand übersah Larson Tahiri? Vom jetzigen Zeitpunkt kaum vorstellbar. Ich überlegte, wann man mich in der Vergangenheit übersehen hatte. Sofort schoss mir der Sportunterricht in den Kopf, wo man mich als Letzte ins Team wählte. Allerdings war es weniger ein Übersehen, sondern ein bewusstes Wählen anderer, sportlicherer Leute. Wir scherzten gemeinsam darüber. Meine beste Freundin hatte damit angefangen. »Ich liebe dich, Lennja, aber du rennst wie eine Ente.« Ich hatte stolz genickt. Unser damaliger Sportlehrer gefiel mein Selbstbewusstsein in dieser Situation überhaupt nicht.

Doch dann krochen die Bilder in meinen Kopf, wie ich einsam auf der Couch lag und nichts tat, außer Serien zu konsumieren. Zu dieser Zeit lebte ich das Leben eines anderen. »Teilweise kenne ich das auch«, antwortete ich Larson daher wahrheitsgemäß. Es überraschte ihn.

»Und wer hat dich ignoriert? Mitschüler? Familie?«, wollte er wissen.

Ich habe mich selbst ignoriert, schoss es mir durch den Kopf, sprach es allerdings nicht laut aus. »Freunde ...« Das war nicht mal gelogen, auch wenn ich die Schuld trug.

»Scheiße«, murmelte er.

Ich winkte ab. »Nur kurz. Bald kamen sie wieder. Und bei dir?«

Er zögerte. »Unterschiedlich. Zu Beginn meine Familie. Ich war nicht immer so reich wie jetzt. Mama und Papa waren die meiste Zeit über arbeiten. Dann Mitschüler, weil ich nicht die saubersten Klamotten trug. Und schließlich das Leben selbst.«

»Das Leben selbst?«, hakte ich verwirrt nach.

»Auf den Fotos wirkt mein Leben vielleicht perfekt, aber der Eindruck täuscht. Ich habe nicht immer die besten Entscheidungen getroffen. Rückblickend ist es fast, als haben diese Fehler nie existiert. Das Leben hat sie ignoriert. Es war nur ein Augenblick unter vielen.«

Ich schaute ihn abwartend an. Was hatte er denn für Fehler begangen? Es freute mich, dass er nicht perfekt war. Makel vermenschlichten ihn, allerdings gab es eine Grenze. Mord zum Beispiel.

»Schnell viel Geld verdienen ist nur leicht, wenn man dann und wann seinen moralischen Kompass ausschaltet«, erklärte er sich. Da sich meine Augen schockiert weiteten, setzte er jäh nach: »Kein Auftragsmord oder so! Meine Weste ist allerdings nicht so rein wie die von deiner Mitbewohnerin Dina. Sie scheint ja eine richtige kleine Klimaaktivistin zu sein. Das ist bewundernswert, aber ich liebe das Reisen zu sehr, um wegen des CO2-Ausstoßes damit aufzuhören. In diesen moralisch verwerflichen Dimensionen darfst du denken.«

Ich nickte verständnisvoll. So viel Gas und Strom wie Dina sparte ich auch nicht. Und in der Stadt nahm ich die öffentlichen Verkehrsmittel statt das Rad.

Er blätterte noch eine Weile durch die Fotos, bis er schließlich den Kopf hob und fragte: »Du sagtest, meine Posts wirken privat und authentisch. Hättest du das, was ich dir gerade erzählt habe, anhand der Instagrampage von mir erwartet?«

Schwierig ... Ein genaues Bild hatte ich gar nicht vor Augen gehabt. Das mit dem Scheißen auf das Klima hatte ich mir natürlich gedacht, aber das er sein Verhalten reflektierte? Keine Ahnung. Er wirkte einfach wie ein Typ, der sich seiner Selbst bewusst war. Der das Leben in vollen Zügen auskostete, ohne Wert auf die Meinung anderer zu legen. Ich bezweifelte, dass er sein Outfit änderte, wenn seine Mutter dies nicht guthieß. Seine Aura ... war bewundernswert und erinnerte mich ein wenig an die von Nummer zwei. Diese Nummer hatte dieselbe Standhaftigkeit.

»Einen Teil, aber längst nicht alles. Ein Foto fängt nur einen Moment ein, doch nie die komplette Geschichte einer Person.«

»Weise Worte.« Er steckte die Kamera wieder in seinen Rucksack. Er hatte den schon des Öfteren bei Instagram beworben. Daher hatte ich sogar den Farbton im Kopf: Adventurer dunkelgrau, wasserdicht und multifunktional. Er fungierte als Tasche, konnte aber auch geschultert werden. Verdammt! Ich sollte Larson weniger stalken. »Ich schicke dir die Bilder, wenn ich zuhause bin.«

Auf den Rückweg zu unserer WG legte ich einen Zwischenstopp bei Write on Paper ein. Nummer zwei hatte auf meinen letzten Brief nicht geantwortet. Dafür aber Nummer eins, obwohl die Person nicht der Empfänger war. Die Worte zauberten mir ein Lächeln aufs Gesicht.

nie gesehen und dennoch weiß ich aufgrund deiner Persönlichkeit, wie wunderschön du bist.

Obwohl er mir damit nur Honig ums Maul schmierte, saugte ich das Kompliment in mir ein. Balsam für meine Seele. Nein, ich ähnele Mama kein Stück. Dann gab es aber den realistischen Teil in mir, der wusste, wie Menschen schwindelten, um niemanden zu verletzen. Nummer eins gehörte zu dieser Sorte. Liebenswert, auf jeden Fall, nur keiner, der sich traute, meine Probleme an der Wurzel anzupacken. Ich brauchte ernsthafte Tipps und weniger Mitleidsbekundungen.

Der, von dem ich den ersten Brief erhalten hatte, mit der hauchzarten und geschwungenen Handschrift, hatte ebenfalls geschrieben.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Deshalb sahst du auf dem Foto nur eine Person, die einsam auf dem Zimmer Zeit verbringt. Deine Mutter sah jemanden, der es endlich schaffte, ein paar Kilos abzuspecken. Auch ich sehe etwas vor meinem Auge, wenn ich mit dir schreibe.

Ich stelle mich dich als jemand Unabhängiges vor, der fest im Leben steht. Es kommt mir vor, als hättest du es geschafft, aus all den Schwierigkeiten nur gestärkt herauszugehen. So wäre ich gerne auch. What doesn't kill you makes you stronger. Warum schaffe ich das nicht?

Aber was ist, wenn das Bild, das wir vor unserem inneren Auge gezeichnet haben, komplett falsch ist – von uns selbst und von anderen? Manchmal sind wir mehr, dann wieder weniger. Und warum ist das entweder gut oder schlecht? Ich finde, in eure Küche gehören alle möglichen Bilder von dir aufgehangen. Keine Ahnung, ob ich jede Seite von dir gesehen habe, aber die, die ich kennengelernt habe, verdient es, Aufmerksamkeit zu bekommen.

Du warst eine Zeit lang allein. Das waren wir beide. Und diese Tatsache ist zu wichtig, um als unschön abgefertigt zu werden. Sie ist traurig und belastend. Über alledem ist sie es wert, erzählt zu werden.

Ein Unbekannter, dem du nie schreibst

Seine Unterschrift ließ mich schlucken. Am liebsten würde ich schreien: Du wirst schon sehen. Ich antworte dir! Aber das wäre eine Lüge. Mir fiel nichts ein, um ihm zu schreiben. Das, was ich zu sagen hatte, betraf Nummer zwei. Und zwar: Wie würdest du das Foto bewerten? Schicke mir deine ehrliche Meinung, ob mein Gesicht bereit dafür ist, auf Instagram zu landen.

Selbstverständig konnte ich das Endprodukt nicht einfach auf einem Brief kleben und um Feedback fragen. So verriet ich mich ja selbst. Mitten in der Nacht kam mir der Einfall, Fotos von jedem der sechs Gruppenmitglieder aufzukleben. Deshalb scrollte ich jetzt wie eine Verrückte durch ihre Profile auf Social Media. Manche posteten wenig, andere hatten alles voll mit ihrem Gesicht. Und dann gab es da Raphael, der weder auf Instagram noch auf Facebook zu finden war. Es schien, als existierte er nicht, jedenfalls nicht unter diesem Namen.

𓆈

AN:
Na das mit dem Foto bewerten scheint ja eine ganz tolle Idee zu sein 🤡

Okumaya devam et

Bunları da Beğeneceksin

28.7K 90 5
Nur etwas random smut das ich geschrieben habe:}
9.6K 274 18
"Hast du das Atmen verlernt oder was ?" Ich schrecke so heftig zusammen das ich mir den Kopf an der Wand stoße. Neben einer Kleiderstange sitzt ein T...
3.5K 77 13
Ich poste hier Smut One Shots über Eric Winter und seinem Charakter Tim Bradford. (Nur für Erwachsene, 18+)
455K 1.1K 9
Don't like it don't read it One-shots