Inhumanity

By memory4u

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"Ich sollte sie in das Verderben führen. Nun werde ich jeden dafür zahlen lassen, der auch nur daran denkt, d... More

Menschlichkeit
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By memory4u

Sie schließt die Augen, legt den Kopf in den Nacken, vertraut mir blind. Behutsam schiebe ich ihr Kleid ein wenig hoch, spüre die warme Haut unter meinen Fingern, die Anspannung in ihren Muskeln, das pulsierende Blut in ihren Adern. Ihr Körper ist eine Versuchung, eine Qual für meine Beherrschung, eine plagende Verlockung für weitaus mehr als nur meine Sinne. Ich presse die Kiefer aufeinander, lausche ihrem flattrigen Atem, zu flattrig, halte sofort inne - für meine oder ihre Kontrolle?
"Wenn es zu viel wird..."

Ich muss den Satz nicht beenden. Auf ihren Lippen formt sich das einnehmende Lächeln, steckt mich regelrecht an. "..., dann werde ich es sagen." Ihre meerblauen Augen treffen auf meine, eine Flut der Erheiterung liegt in ihnen. "Sind wir nicht längst über den Punkt hinweg, an dem wir nicht aufrichtig zueinander sind?"

"Diesen Eindruck hast du mir jedenfalls gegeben."
Ihre Wangen erröten, ihr Blick weicht meinem aus. Gott - ihre Verlegenheit fordert mich geradewegs dazu auf, jegliche Zweifel und Unsicherheiten mit Küssen zu ersticken. Jede Faser meines Körpers zerrt an dem Gedanken und doch halte ich mich mit aller Kraft zurück, strapaziere nicht ihr Vertrauen, lasse ihr den Freiraum, den sie braucht. Auch wenn es von meiner Beherrschung zehrt, auch wenn mich bereits der Anblick ihrer Lippen geradezu in den Wahnsinn treibt, weil ich weiß, wie sie die Welt zur vollkommenen Ruhe bringen. Weil ich noch immer ihre Lippen auf den meinen schmecken kann.

"Du musst mich missverstanden haben. Ich war nur ein wenig besorgt - nicht einmal dir wünsche ich es, dass du in Lucius' Hände gelangst."

Meine Finger streichen den Saum glatt, als müsste ich mir selbst eine Barriere errichten. Als könnte mich das Stück Stoff bremsen, wenn ich mich nicht an dem letzten Quäntchen Selbstbeherrschung festhalten könnte, derweil sich ein Grinsen auf meinen Mund stiehlt. "Verdammt. Und ich dachte schon, dir würde etwas an mir liegen", murmele ich, lege einen Hauch von Enttäuschung in meine Stimme. "Küsst du aber jeden so, den du von den Beratern fernhalten möchtest, dann werde ich dich nicht in die Nähe eines anderen Magiers lassen."

Ich greife nach dem Tuch, reinige ihre Wunde sorgfältig vom Knöchel bis hoch zum Knie, bloß nicht zu viel Druck, damit die Kruste nicht aufreißt. Talia beobachtet mich, ringt im Kampf der Müdigkeit um die Kontrolle über die Magie. Auch wenn meine Wunde beinahe verheilt ist, will ich nicht, dass sie sich selbst Schmerzen zufügt und habe sie darum gebeten, das Gleichgewicht zu bewahren. Immerhin wollte sie die Wunde gar nicht erst reinigen, sondern sich gleich schlafen legen, doch ich weiß aus Erfahrung, dass damit nicht zu spaßen ist - die Fieberschübe, die mich nach ebendiesem Fehler mehrere Nächte wachgehalten haben, sind bis heute unvergessen.

Also sitzt sie mitten in der Nacht auf der Kommode neben dem Waschbecken, nachdem wir auf schnellstem Wege wieder zurück nach Riyak geritten waren. Talia hatte den gesamten Weg zurück geschwiegen, war vertieft in ihre Gedanken und auch wenn mir ihre Stimme gefehlt hatte, ließ ich ihr die Ruhe.

Die Tatsache, dass zwei Magierinnen ihr Leben verloren, setzt ihr zu, doch keine von ihnen hätte uns gehen lassen, dessen war ich mir sofort bewusst, als ich der ersten gegenüber stand. Die Leichen der beiden Mädchen hatte ich versteckt, sodass kein hungriges Tier an sie gelangen wird. Lucius oder einer seiner Handlanger wird sie dennoch finden - in wenigen Tagen wird ihr Verschwinden zweifelsohne auffallen. Talia hatte in der Zeit die Pferde geholt, die nun vor der Türe nächtigen, da es an Dreistigkeit wohl kaum zu überbieten gewesen wäre, hätten wir deren Besitzer um ein Uhr nachts aus dem Schlaf gerissen.

"Du nimmst das also wirklich ernst."
"Ich spiele nicht." Nicht mit ihren Gefühlen. Niemals. Sie hat mir ihr Herz anvertraut und ich werde alles in meiner Macht stehende dafür tun, dass es heil bleibt. Sie hat bereits zu viel durchgemacht, noch mehr verloren - ihr Vertrauen zu bekommen, ist eine Ehre.

Das Tuch kurz gesäubert, schon fahre ich weiter fort. Langsam vom Knie aufwärts beseitige ich jede Spur von Blut. Talia beißt sich auf die Unterlippe - hör besser auf damit -, vertieft in ihre Gedanken. Ich kann förmlich sehen, wie sie überdenkt, was sie hier macht.
"Und dennoch ist es immer ein Risiko. Von dem Sichtbaren auf das Unsichtbare zu schließen."

Ich wünschte, sie könnte in meinen Gedanken lesen wie in ihren Büchern. Aber so funktioniert das nicht. Wir müssen auf die guten Intentionen hoffen, darauf, dass es nicht jeder schlecht mit uns meint.
"Was wäre denn das Leben, wenn man nicht wagt? Wenn man sich immer nur fragen würde Was wäre, wenn?"

"Einsam. Das Leben wäre einsam", flüstert sie, scheint den Gedanken schon mehrmals gekreuzt zu haben. "Das Gespräch hat einen Tiefgang erreicht, der in meinem Zustand nicht gut ist, Ash. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen."
Ich auch nicht. Nur dass es nicht meiner Erschöpfung geschuldet ist, sondern ihr.

"Gleich fertig", lasse ich sie wissen, winde das Tuch nochmals aus, hinterlasse hellrote Schlieren im Waschbecken.
"Ist das nicht anstrengend für dich?"
Kurz blicke ich zu ihr, dann wieder auf die Wunde. "Ich habe schon mühseligere Sachen getan als eine Wunde zu versorgen."

Sie lacht auf, schüttelt zugleich den Kopf. "Für deine Magie. Ich meine, du nimmst mehr wahr. Ist Nähe dann nicht noch belastender als alles andere?"
"Nicht deine."
"Du sprichst in Rätseln."
Weil ich nicht meine eigene, sondern ihre Stimme hören möchte. Weil ich jedes Wort aus ihrem Mund genieße, jeden Laut, der sämtliche Geräusche ausblendet.
"Normalerweise ist es belastender, das stimmt. Bei dir jedoch nicht. Ich weiß nicht, warum oder wie, aber du machst es erträglich."

Talias Mund öffnet sich fragend, doch sie wählt ihre Worte bedacht. "Inwieweit erträglich?"
"Alles, was ich höre, sehe, rieche, verblasst, wenn du bei mir bist, erst recht hierbei."
Ich greife nach ihrer Hand, winde meine Finger zwischen ihre.
"Deswegen hast du mich in Phantasia so angeschaut, als wäre ich das Abartigste, was dir jemals untergekommen sei."
Ich schmunzele. "Zugegeben, ich war überrascht. Aber abartig? Faszinierend trifft es bess-"

Ein Klopfen an der Türe, so laut, dass auch sie es gehört hat. "Wer ist denn das?"
Das ist eine gute Frage. Ich verlagere meine Konzentration ein wenig, höre die beiden Pferde schlafen, ein weiteres Herz ruhig schlagen, derweil die Kieselsteine unter den Schuhen knirschen. "Ich schaue kurz nach."
Das Tuch zur Seite gelegt, ihr Kleid über die Oberschenkel gezogen, nach dem Schwert gegriffen, schon bin ich an der Türe. Blonde Haare, überrascht dreinblickende Augen, als Wills Blick auf das Schwert fällt, und ein verlegenes Grinsen empfangen mich dort.

"Hätte ich mir fast denken können", murmele ich, lasse das Schwert sinken. Ja, Will verfügt definitiv über die Dreistigkeit mitten in der Nacht irgendwo aufzukreuzen, aber kann man es ihm verübeln?
"Ich habe Licht brennen gesehen und dachte, ich könnte vorbeischauen. Im Übrigen - hast du dir etwa wieder einmal Ärger eingefangen?"

Er deutet auf das Schwert, derweil ich zur Seite trete und ihn einladend in das Haus winke.
"Noch weiß Lucius nicht davon." Bis er die Nachricht der zwei verschwundenen, dienenden Magierinnen erhält und der Ursache auf den Grund geht, vergehen gewiss noch ein paar Tage. Danach dürfte er ziemlich schnell herausfinden, wer dahinter steckt - drei, vielleicht auch ein paar Tage mehr, um zu überlegen, was ich nun mache, da ich mehrmals gegen seine Wünsche gehandelt habe.
"Du hast mir versichert, dass sie hier sicher is-"
"Will!"

Talia schlüpft an mir vorbei, zieht ihn in eine stürmische Umarmung.
Will lacht unbeholfen auf. "Woah, da freut sich jemand aber meine Wenigkeit wiederzusehen."
"Du untertreibst." Sie lässt ihn los, tritt einen Schritt zurück und strahlt über das ganze Gesicht. "Wir haben gerade noch mehr oder weniger über Meral gesprochen - wie geht es den Anderen?"
"Wie immer. Simon und Aja wollten nur wieder einmal wissen, wie es dir geht."
Ich balle meine Hand zur Faust, versuche mir das Stechen in meiner Brust nicht weiter anmerken zu lassen. Dafür, dass er sie dermaßen im Stich gelassen hat, interessiert sich Simon eine Spur zu sehr für ihr Wohlbefinden. Talias Blick zuckt zu mir, ihr Herzschlag verliert den gleichmäßigen Takt. Ist es, weil sie genau weiß, was ich mir denke, oder weil sie unschlüssig ist, wie viel sie Will berichten möchte? Über den Kuss, über uns?

"Dann richte ihnen aus, dass kein Anlass zur Sorge besteht."
Will deutet auf die unübersehbare Schramme mitten auf ihrem Bein. "Das sehe ich."
"Das ist ja wohl nichts im Vergleich zu..." Sie bricht den Satz ab, möchte nicht weiter über die Qualen im Palast nachdenken und doch wissen wir, was unausgesprochen in der Luft hängt. "Da war meine Zunge schneller als mein Kopf. Leider."

Will grinst. "Leidest du etwa unter Schlafmangel?"
"Du sprichst mir aus der Seele." Talia deutet auf das Schlafzimmer, blickt fragend zu mir. "Wenn es dich nicht stört...?"
"Du fragst noch?" Das Bett gehört ihr, solange sie bleiben möchte. Dass sie auf dem Sofa schläft, kommt nicht in Frage, und dennoch weiß sie meine Hartnäckigkeit noch immer nicht zu verorten.

Am Rande bemerke ich, wie Will zwischen uns hin und her blickt, dann huscht er fast unauffällig ins Wohnzimmer.
"Aber dein Rücken", protestiert Talia, hält meinem Blick stand.
Ich lege ihr eine Hand in den Nacken und ziehe sie so nah an mich, dass meine Lippen ihr Ohr streifen, ich all meinen Verstand sammele, um sie nicht einfach in Wills Anwesenheit zu überfallen, und raune ihr zu: "Wenn du so besorgt um meinen Rücken bist, dann komme ich nach."

"So war das nicht gemeint."
"Nun, ich habe nur ein Bett." Nicht, dass ich auf die Idee kommen würde, ein zweites Bett anzuschaffen, wenn wir uns eines teilen könnten.
"Okay."
Überrascht zuckt ein Mundwinkel in die Höhe. "Okay?"
"Ja." Sie schmunzelt. "Komm' nach."
"Du überraschst mich immer wieder." Ich wage einen Blick zu Will, sehe, wie er die Froiden von allen Seiten begutachtet und nutze den Moment, um ihr einen sanften Kuss auf die Stirn zu geben, sauge ihre Ruhe in mich auf. "Und es gefällt mir nur umso mehr."
Talia lächelt, löst sich von mir und verabschiedet sich knapp von Will.

Kaum ist die Tür hinter ihr zugefallen, wendet sich Will mir zu. "Froiden?" Er zieht amüsiert eine Augenbraue in die Höhe. "Äußerst aufmerksam von dir."
"Warum bist du kein Stück verwundert?" Ich greife nach einem Glas. "Hast du Durst?"
Er nickt beiläufig. "Komm schon, Ash, wir haben uns zwar zwei Jahre nicht gesehen, aber ich erkenne, wenn mein bester Freund ganz Sonelem für ein Mädchen auf den Kopf stellen würde." Ich knipse das Licht aus, weiß, dass Will es von mir gewohnt ist, dass ich lieber die Dunkelheit der Nacht genieße und rechne es ihm hoch an, dass er keinerlei Problem damit hat. "Jetzt aber mal wirklich - woher hat sie die Wunde?"

"Wir sind zwei Magierinnen begegnet, die uns nicht wohlgesinnt waren", erkläre ich, reiche ihm ein Glas und lasse mich neben ihm auf dem Sofa nieder. Durch die Scheibe hindurch beobachte ich das vom Mondschein fahl glitzernde Wasser des Sees, auch wenn ich den Anblick nicht mehr brauche, um ruhig zu werden, jetzt, da Talia nicht weit entfernt ist. "Ich sollte sie ein wenig mit dem Schwert trainieren."

Will streckt die Beine aus. "Denkst du das hilft? Rein physisch betrachtet, hat sie keine Chance gegen einen Mann."
Belustigt schüttele ich den Kopf. "Bist du etwa kein Mann? Kaya hat dich problemlos besiegt."

Will lacht auf, vergräbt die Augen unter der Hand. "Wann denn? Und wie?"
"Mit dem Schwert. Kurz bevor wir die Sommerwende in Payla gefeiert haben."
"Nein, ich habe sie geschlagen."
"Sie hätte dich beinahe enthauptet, weil du zu langsam warst", beteuere ich, sehe den Moment förmlich vor mir. Hätte ich ihn nicht in allerletzter Sekunde aus dem Weg gestoßen, dann würde er nun nicht mehr neben mir sitzen. "Du konntest froh sein, dass es nur diese Narbe über dem Auge geworden ist."
Will grinst. "Du musst dich irren, Ash."

Skeptisch beäuge ich ihn aus dem Augenwinkel. Wie kann er vergessen, wie wütend er auf Kaya gewesen war, da sie ihn beinahe, wenn auch unbeabsichtigt, um sein Leben gebracht hätte?
"Wenn du das sagst", murmele ich, kann das mulmige Gefühl in mir nicht verdrängen. Wills Erinnerungen haben ihn noch nie getäuscht. Wie kann es dann bei solch einem einschneidenden Ereignis sein, das er meiner Schwester nie komplett verziehen hat? Mein Blick fällt auf die Froiden auf dem Tisch, lauscht Talias ruhigem Herzschlag. Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Meine Gedanken überschlagen sich, lassen die vergangenen Minuten Revue passieren, doch eines bleibt wie ein ruhiger Kern im Zentrum meiner Verwirrungen stehen - ich kenne nur eine Magierin, die Erinnerungen manipulieren kann.

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