Suche Held, biete Phönix

By QuillDee

3K 410 2K

Wie kommt jemand zurecht, der nach siebzig Jahren Kälteschlaf in eine völlig neue, ja fremdartige Umgebung ge... More

Vorwort
1 - Neue Ufer
2 - Erstens kommt es anders
4 - Von Kartoffelchips und anderen Errungenschaften
5 - Rache ist Blutwurst
6 - Wenn jemand eine Reise tut
7 - Manifestation
8 - Zwei Avenger sehen mehr als einer
9 - Home, sweet Home
10 - Lose Enden
11 - Der große Knall
12 - Zuflucht 2.0
13 - Was einmal war, verlässt uns nicht
14 - Ein Spätsommer in der Provence
15 - Oh what a Feeling this is
16 - Von alten Freunden, Halluzinationen und guten Ratschlägen
17 - Familiengeheimnisse
18 - Der Anker
19 - Von der Kunst des Nudelschlürfens
20 - Das perfekte Date
21 - Familienzusammenführung
22 - Rotes Blut, grauer Glibber und andere Körperflüssigkeiten
23 - Trouble in Paradise
24 - Im Netz der Hydra
25 - Neukalibrierung
26 - Die Hoffnung stirbt zuletzt
27 - Operation Feuersturm
28 - Heiß und Kalt
29 - Who am I
30 - Trigger und Reset
31 - Der fast normale Wahnsinn
32 - Weihnachten bei Bartons
33 - (K)ein Glückliches Neues Jahr
34 - Beziehungskisten und andere Probleme
35 - Zwischen den Stühlen
36 - Abrechnung
37 - Phönix aus der Asche
38 - Wer loslässt, hat beide Hände frei
Epilog

3 - Erdbeer-Confit an Mandelschaum

132 19 81
By QuillDee

Er war angetan von der jungen Frau, die ihm als Begleitung und Übersetzerin beigestellt worden war, auch wenn er den Anflug dieses Gefühls am liebsten gleich im Keim erstickt hätte. Für Steve war es, als wäre es gerade erst gestern gewesen, dass er seine erste Liebe und womöglich die Liebe seines Lebens verloren hatte. Obwohl er noch nicht bereit war, ganz loszulassen, und eigentlich auch nicht loslassen wollte, konnte er nicht verhindern, dass Yuki Leclerc ihn beeindruckte. Sie war so anders als alle anderen Vertreterinnen ihres Geschlechts, die er in seiner Zeit gekannt hatte, ja sogar anders als Peggy, die schon für damalige Verhältnisse der Inbegriff einer modernen und emanzipierten Frau war. Sein deutscher S.H.I.E.L.D-Kontakt – Erscheinungsbild und Name ließen auf eine japanische Herkunft schließen – war selbstbewusst, wie Peggy, doch darüber hinaus war Auftreten nicht nur selbstsicher, sondern geradezu keck. Und sie konnte fluchen, wie er es nur von Hafenarbeitern kannte. Sogar mit bestenfalls rudimentären Deutschkenntnissen wusste er, dass sie genau das getan hatte, als sie ihre Kollegen über dieses winzige Kommunikationsgerät angeschrien hatte. Davon wäre er abgeschreckt worden, wenn sie sich ihm gegenüber nicht auch freundlich und zuvorkommend gezeigt hätte. Bei dem Gedanken an den Rollstuhl, den sie fürsorglicherweise mitgebracht hatte, konnte er ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er war sich sicher, dass er es in den nächsten Wochen gut mit ihr aushalten konnte - so lange er sie, Gott möge es verhüten, nicht gegen sich aufbrachte. Eine solche Schimpftirade wie am Nachmittag wollte er auf keinen Fall auf sich ziehen. Im Großen und Ganzen hätte er es nämlich schlimmer treffen können, zum Beispiel mit einer deutschen Variante von Nicholas Fury, die ebenso bestimmend und geheimniskrämerisch war wie das Original.

Als sie ihm zeigte, dass er nur die Hände unter den Wasserhahn halten musste, um den Sensor zu aktivieren, dass das Wasser lief, war er insgeheim dankbar dafür, dass sie ihn für sein Erstaunen nicht ausgelacht hatte. So wie es Menschen seines Umfelds von früher oft getan hatten. Auch das hielt er ihr zugute.

Nachdem Ms. Leclerc wieder in ihr Zimmer zurückgekehrt war, beschloss er, sich eine ausgiebige Dusche zu gönnen. Und wieder staunte er, dass das Wasser nicht aus einem Duschkopf kam, der sowieso nicht vorhanden war, sondern dampfend aus mehreren Düsen seitlich in der Duschkabine strömte. Er schloss die Augen, genoss die heißen Wasserstrahlen und begann, dem Heute, welches sein Übermorgen war, etwas Positives abzugewinnen.

Zur verabredeten Zeit war er fertig und wartete rasiert und in einen Smoking gekleidet darauf, dass seine Übersetzerin ihn zu dem offiziellen Abendessen begleitete. Sie ist pünktlich, stellte er in Gedanken fest, als er ihr Klopfen hörte. Das war seinem Vater immer sehr wichtig gewesen und so war es auch ihm in Fleisch und Blut übergegangen, diesen Wesenszug an anderen Menschen als vorteilhaft anzusehen. Als er die Tür öffnete, blieben ihm zuerst die Worte weg. Yuki Leclerc war schon am früher am Tag im Businesslook mit elegantem Hosenanzug eine angenehme Erscheinung gewesen. Mit der Auswahl des klassischen Kleinen Schwarzen am heutigen Abend spielte sie in einer Liga, die eindeutig zu hoch war für den Steve Rogers, der er vor Dr. Erskines Experiment gewesen war. Heute war das anders, doch heute war er nicht auf der Suche nach einer Tanzpartnerin und potenziellen Partnerin. Dennoch konnte er Bewunderung zollen, wo er sie für angemessen hielt. Es würde bestimmt ein schöner und unterhaltsamer Spätsommerabend werden.

„Guten Abend. Sie sehen bezaubernd aus, Ma'am", brachte er heraus, bevor das Schweigen sich zu einer Peinlichkeit auswachsen konnte.

„Oh, Danke. Sie aber auch... ich meine nicht bezaubernd, sondern... ähm, Sie wissen schon... äh gut eben. Ach, verflixt."

Da kann jemand aber gar nicht gut mit Komplimenten umgehen, dachte Steve sich. Und als sie ihm bedeutete, ihr zu folgen, und sich umdrehte, ließ er sich wieder einen kurzen Moment ablenken. Sein Blick blieb auf ihren schwarzen Haaren haften, die sie seitlich nach hinten geflochten und dann offen trug, sodass sie wie Rabenschwingen über ihren bloßen Rücken gebreitet waren. Viel tiefer durfte der Ausschnitt des Kleides dort nicht mehr sein. Steve runzelte missbilligend die Stirn und hoffte, sie würde später am Abend die Stola tragen, die sie jetzt noch über den Arm gelegt hatte. Er war eindeutig zu altmodisch für das Jahr 2011. Doch anstatt etwas zu sagen, schloss er nur schweigend zu ihr auf, denn schließlich ging es ihn überhaupt nichts an, wie sie sich kleidete.

✮✮✮✮✮✮

Für den Abend stand ihnen keine Limousine mit eigenem Fahrer mehr zur Verfügung, und so musste sich Yuki gleich als Erstes mit einem Taxifahrer herumschlagen, genauer gesagt, mit dessen Berliner Schnauze. Sie wollte es ihm nicht durchgehen lassen, dass er sie auf Umwegen zum „Facil" fuhr, und ließ ihn wissen, dass sie über genug Ortskenntnis verfügte, um seine Absicht zu erkennen, ohne sich von seinem Geschnatters ablenken zu lassen. Nachdem der Fahrer mehrmals den Ahnungslosen gespielt hatte, beschloss sie, dass es nun genug war. „Captain Rogers, ich denke, wir sollten von hier aus zu Fuß weiter. Der Fahrer versucht, uns zu bescheißen", erklärte sie und an den Taxifahrer gewandt: „Lassen Sie uns an der Ampel da vorne raus, wir müssen uns das nicht bieten lassen!"

„Ey Schwesta, war nich bös jemeint, ich muss doch och von wat le'm, wa?"

„Ich bin nicht deine Schwester und wir sind fertig!", rief sie und stieg aus. „Was bin ich dir bis hierher schuldig?", fragte sie knapp.

Er grinste anzüglich: „Och weeßte, wenn de in Naturalien bezahlst, lass ick mit mich red'n."

Yuki pfefferte ihm dreißig Euro ins Gesicht und bedauerte, dass sie nur Scheine und kein Kleingeld bei sich hatte. Die Münzen hätten wenigsten ein bisschen wehgetan. „Das sollte reichen! Sei froh, wenn ich dich nicht bei der LABO anzeige, verdient hättest du's, du Chauvinistenschwein!" Und damit ging sie, Steve Rogers mit sich zerrend, eilig davon, bevor der Prolet im Taxi noch unverschämter werden konnte und sie vollends die Beherrschung verlor.

„Ist doch nicht so anders mit den Taxis hier als in New York, auch die Zeit hat nichts daran geändert," stellte Rogers lapidar fest und Yuki musste lachen. „Ja, das ist wohl so. Haben Sie überhaupt verstanden, worum es ging?"

„Ich konnte es mir denken.  Ich war mir aber nicht ganz sicher, was er gegen Ende gesagt hatte, sonst hätte ich ihm noch Manieren beigebracht."

Sie blieb stehen und lächelte ihn mit schräg gelegtem Kopf an. Sie war ganz froh, dass Rogers so clever war, sich zurückzuhalten, wenn er die Situation nicht klar überblickte. Das passte gut zu dem Bild, das sein Dossier über ihn vermittelt hatte. Ebenso wie der Drang, einer Jungfer in Nöten beizustehen. „Das ist echt süß, aber so kommen wir zu Fuß noch pünktlich im Restaurant an. Was ganz sicher nicht passieren wird, wenn sich zwei Testosteron-Monster prügeln. Ich habe den Kerl ja schon fast vergessen."

✮✮✮✮✮✮

Aha, „süß" nennt man das heute also, wenn man sich dafür einsetzt, dass einer Lady Respekt entgegengebracht wird. Wo er herkam, behandelte man Frauen nun einmal nicht so, wie es manche Männer taten, früher wie heute, und Steve Rogers würde sich nie an ein solches Gebaren gewöhnen. Zwar hatte er den Taxifahrer nicht verstanden, doch Gestik und Mimik hatten ihm auch so verraten, wie sehr dieser seinen weiblichen Fahrgast gering schätzte. Ms. Leclerc hatte jedenfalls einen für sie gangbaren Ausweg gefunden und zumindest in dieser Situation keinen Wert auf Unterstützung gelegt hatte, und das hatte ihm genügt.

Wie sie vorausgesagt hatte, waren sie pünktlich, auch ohne sich abgehetzt zu haben. Der kleine, unfreiwillige Spaziergang hatte das Temperament seiner Begleiterin merklich abgekühlt und sie hatten sich über das bevorstehende Treffen unterhalten. Steve verstand ihre Nervosität, als sie ihm erklärte, dass es ihr erstes Zusammentreffen mit einem so hohen Tier wie dem Innenminister war. Doch mit der scherzhaften Bemerkung, dass auch hohe Tiere nur Menschen waren und sie sich zur Not auch nur auf das Übersetzen beschränken und ihm die Unterhaltung überlassen konnte, schien er ein wenig Druck von der jungen Frau zu nehmen. Diese Verbissenheit, ihren Job gut zu machen, kannte er auch von Peggy - und er würde nie verstehen, warum manche Menschen es sich selbst schwerer machten als nötig. Aber andererseits ... hatte auch er auf Biegen und Brechen darum gekämpft, einberufen zu werden, so schlecht seine Chancen aufgrund seiner Statur und seines Gesundheitszustandes auch gewesen waren. Er war wohl der Letzte, der sich über zu großen Ehrgeiz ein Urteil erlauben konnte.

Entgegen Ms. Leclercs Befürchtung stellte sich der Innenminister als freundlicher und aufgeschlossener Gesprächspartner heraus, der ihr jede Scheu nahm. Er wollte wissen, wie es ihm bisher in Deutschland gefiel, und wirkte dabei so ehrlich interessiert, dass Steve schwerfiel, diesen Mann als Feind zu betrachten und zu hassen, wie er es sich eigentlich für die gesamte Länge seines erzwungenen Aufenthaltes hier vorgenommen hatte. Und so beschränkte er sich auf höfliche und unverbindliche Aussagen dazu. Erst als das Gespräch auf die aktuelle Lage in Deutschland kam, in der es darum ging, den wenigen Menschen, die der faschistischen Vergangenheit nachhingen, die Stirn zu bieten, wurde sein Interesse geweckt. Es ging um „neue" Nazis, die sich in privaten Chatrooms austauschten und ihren Hass kultivierten. Darum, dass sie es immer wieder wagten, ihre Gesinnung auch öffentlich zu zeigen, und sich in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Anschlägen auf in Deutschland lebende Ausländer verantwortlich zeichneten. Steve fühlte sich einerseits bestätigt in seiner Abneigung gegenüber den Deutschen und war andererseits froh, dass es auch Menschen gab, die diese Entwicklung erkannten und sich dem entgegenstellten. So empfand er es beruhigend, als Yuki Leclerc darauf hinwies, dass diese Leute unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz standen, auch wenn sie betonte, dass dieses Kontrollorgan seine Schwächen hatte. Sie versicherte ihm, dass diese Neonazis, wie sie genannt wurden, in der Minderheit wahren, und dass die meisten Deutschen um ihre Verantwortung wussten, so einen Vernichtungskrieg nie wieder geschehen zu lassen.

Er persönlich bezweifelte, dass sie es dauerhaft schaffen würden, dieses Schreckgespenst zu bannen. Doch er erkannte die ehrliche und schonungslose Haltung seiner beiden Gesprächspartner gegenüber den Versuchen einiger weniger, die unrühmliche Geschichte zu wiederholen. Und das ließ ihn für die folgenden Generationen hoffen.

Die Reise, die ihm Fury aufgezwungen hatte, stellte sich jetzt schon sowohl als heilsam als auch als interessant heraus. Vielleicht sollte er sich bei Gelegenheit für diesen Tritt in den Hintern bedanken.

Als das Dessert serviert wurde, plätscherte die Unterhaltung nur mehr mäßig vor sich hin. Der Gesprächsstoff war ausgegangen, und der Minister versuchte, die angenehme Stimmung krampfhaft mit Anekdoten aus seinem Golfklub aufrechtzuerhalten. Was gründlich misslang: Steve nickte an den richtigen Stellen abwesend und seine Begleiterin war von etwas abgelenkt, das sich „Erdbeer-Ingwer-Confit mit Mandelschaum" nannte. Schließlich bemerkte auch sie, dass die Luft raus war und alle Beteiligten nur noch leere Floskeln wechselten. „Ich bin mir sicher, Herr Minister, dass Sie morgen eine Menge zu tun haben. Warum gehen Sie nicht schon heim? Wir wollen Sie auf keinen Fall weiter aufhalten, die Rechnung übernimmt S.H.I.E.L.D - also gibt es keinen Grund, weshalb Sie auf mich warten müssten. Sie sehen ja, ich bin etwas überfordert mit meinem Nachtisch."

Dankbar nahm der ältere Mann den Ball auf, der es ihm erlaubte, sich zu verabschieden, ohne das Gesicht zu verlieren. Sie bewies damit ein diplomatisches Geschick, das Steve ihr wegen ihres Alters und ihres jugendlich, forschen Auftretens gar nicht zugetraut hatte. Nachdem der Innenminister Deutschlands sich wortreich verabschiedet hatte, widmete sich die junge Frau wieder dem Erdbeeren-Dings zu und stöhnte genüsslich. „Himmlisch, das musst du probieren, Steve", sagte sie und merkte nicht einmal, dass sie ihn mit Vornamen angesprochen hatte. Nicht mit seinem Rang, nicht mit seinem Nachnamen, sondern auf vertraulichere Weise, wie unter Freunden oder alten Bekannten. Wie um das zu unterstreichen, hielt sie ihm ihren mit der undefinierbaren Köstlichkeit beladenen Löffel hin.

Scheinbar beruhte die Sympathie, die er ihr gegenüber empfand, auf Gegenseitigkeit, und auf eigentümliche Weise freute ihn das mehr, als es eigentlich sollte, wenn er bedachte, wie kurz sie sich erst kannten. Und so ließ er sich mit dem Häppchen von ihr füttern und dachte: Das Erbeer-Dings schmeckt wirklich verdammt gut.

Continue Reading

You'll Also Like

512 93 6
ich liste Harry Potter Charaktere auf und gebe meine Senf dazu
3.3K 316 43
Deine Warrior Cats Fanfiction hat noch kein Cover? Dann wird es aber höchste Zeit! Komm mit mir, wir werden dir schon was schönes finden. Egal was f...
100K 5K 66
Hier werde ich ein paar Fakten über Maze Runner updaten, die Fakten basieren auf den tollen Büchern von James Dashner und den nicht minder großartige...
3.1K 515 30
Begleitet mich auf der Reise zu meinem ersten eigenen Fantasy-Roman! Ich habe bereits kleine Bücher und Fanfictions geschrieben, aber noch nie eines...