Inhumanity

By memory4u

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"Ich sollte sie in das Verderben führen. Nun werde ich jeden dafür zahlen lassen, der auch nur daran denkt, d... More

Menschlichkeit
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By memory4u

Helles Holz bekleidet die Wände des Hauses und fügt sich dem Wald, untypisch für die Gebäude Merals. Neben der Türe hat jemand einen kniehohen, fein geschnitzten Adler platziert, dessen Augen wachsam auf jeden sich annähernden Besucher gerichtet sind. Als Simon einen Schlüssel aus seinem Anorak zieht, scheint es fast so, als würde mich die Holzfigur mit ihrem Blick durchbohren.

"Sie sind alle ganz nett, du wirst schon sehen."
Bevor ich etwas erwidern kann, drückt Simon die Tür auf und ermöglicht einen Blick in das Innere. Über einer edlen Kommode hängen zahlreiche Umhänge. Einer von ihnen streift eine Zeichnung, auf der verschiedene Personen zu sehen sind, die sich lächelnd dem Künstler zugewandt haben. Ich trete näher heran, um die Zeichnung genauer zu studieren, da stürzt bereits ein kleines Mädchen mit prachtvollen Locken auf uns zu.

"Simon!"
Sie streckt ihm ihre Arme entgegen. Der Angesprochene kniet sich hin, um sie kurzerhand hochzuheben und ihr auf die Nase zu stupsen. "So früh schon wach?"
Das Mädchen wippt energisch ihren Kopf auf und ab, dann schwenken ihre Augen zu mir weiter. "Ist sie das?"
"Du kannst selbst mit ihr reden. Sie beißt schon nicht."
Schüchtern weiten sich ihre Augen, derweil sie mit ihren verschränkten Fingern spielt. "Bist du die Heilerin?"

Heilerin. Er hätte mich so vieles nennen können - überforderte Magierin, Brandstifterin oder auch einfach Talia. Warum also hat er sich dafür entschieden? Verwirrt zucken meine Augen kurz zu Simon, der nur wissend nickt. Die Antwort werde ich hoffentlich bald bekommen.

"Du kannst mich auch Talia nennen."
Unsicher kaut sie auf einem Fingernagel. Die Zähne knirschen, als sie abrutscht. "Aja."
"Schöner Name", versuche ich sie ein wenig aus der Reserve zu locken. Dennoch mache ich mir keine großen Hoffnungen - mit Kindern habe ich keine Erfahrung.

"Aber keiner kennt ihn", murmelt sie und zuckt mit den Schultern. Ihr trauriger Tonfall verrät mir, dass es ihr mehr zusetzt, als sie erlaubt zu zeigen.
"Nicht jeder hat die Ehre einen so seltenen Namen zu tragen", erwidere ich und schenke ihr ein Lächeln. "Das ist etwas Besonderes."
Aja lässt sich meine Worte durch den Kopf gehen, wickelt sich eine dunkle Locke um den Finger. "Dann sind wir beide etwas Besonderes, oder?"
Auch wenn Talia bei weitem nicht so außergewöhnlich ist wie ihr Name, nicke ich. Das Mädchen strahlt, bevor sie zu Simon blickt. "Bleibt sie hier?"

"Talia hat eine andere Familie", meint Simon. "Aber natürlich kann sie so oft kommen, wie sie mag."
Die letzten Worte richtet er mehr an mich als an Aja, doch ich weiche seinem Blick aus. Darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich weiß, wie es hier wirklich zugeht. Denn dass der Schein trügen kann, das habe ich erst an der Wahrheit über den Dienst erfahren.

"Die Anderen frühstücken gerade", unterbricht Aja das Schweigen und macht eine Kopfbewegung zu dem offenen Raum, der vor einer zweigeteilten Treppe abgeht. Aus diesem tritt soeben ein schlanker Mann, vermutlich an die vierzig Jahre. Seine stechend grünen Augen finden meine, das Lächeln auf seinen Lippen bringt sie förmlich zum Leuchten.

"Habe ich doch richtig gehört." Mit energischen Schritten kommt er mir entgegen, bietet mir traditionell seine Hand an. "Ich bin Torin. Willkommen in der Familie."
"Er ist wie ein Vater für uns", wirft Simon erklärend von der Seite ein.
"Talia", stelle ich mich vor und erwidere das Lächeln, derweil mich ein Energiepuls trifft. Erschrocken ziehe ich meine Hand zurück.

"Verzeih mir." Torin lässt seine Hand sinken. "Ich wollte nur sichergehen, dass deine Aura nicht trügt."
Simon quittiert das mit einem mahnenden Blick, dann beugt er sich zu mir, als Torin sich abwendet. "Er kann deine Stimmung anhand deiner Aura sehen. Eine Berührung macht es ihm möglich, dies genauer zu bestimmen."

"Er kann aber keine Gedanken lesen", flüstert Aja, die unser Gespräch aufmerksam verfolgt und nun die Stimme senkt, als würde sie ein Geheimnis preisgeben. "Wenn du also genervt von ihm bist, weiß er das. Er weiß nur nicht, als was du ihn gerne bezeichnen würdest."

"Aja", entfährt es Simon empört, doch sein Grinsen verrät mir, dass er dies von ihr gewohnt ist.
"Kommt ihr?" Torin deutet auf den Raum, aus dem ich ein leises Gespräch gemischt mit dem Klirren von Besteck vernehme.

Kaum trete ich in das hell eingerichtete Zimmer, verstummen die Geräusche und zwei neugierige Augenpaare liegen auf mir. Simon tritt neben mich und deutet auf einen Jungen, der ein wenig älter als Aja sein dürfte.
"Talia, das ist Samuel, aber er möchte Sam genannt werden. Er kann ein paar Momente voraus in die Zukunft schauen."

Sam nickt kurz, bevor er sich wieder seiner Brotscheibe widmet. Mir entgeht nicht, wie ähnlich er und Simon sich sehen, das hellbraune Haar, die große Statur.
"Nein, wir sind nicht verwandt", murmelt Sam, bevor ich die Frage formulieren kann.
"Aber sie sind beide furchtbar launisch", mischt sich Aja erneut ein. Grinsend ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe und suche Simons Blick. "Oh, wirklich?"

Dieser kneift Aja nur in die Wange, dann zeigt er auf den anderen Jungen. "Das ist Will. Er beugt das Licht und kann sich somit unsichtbar machen."
Will ist etwa in Simons Alter und erinnert mich mit seinen verwuschelten, blonden Haaren ungemein an Luan. Nur eines sticht besonders hervor - eine Narbe, die seine rechte Augenbraue spaltet und nur einen Hauch über dem Auge endet. Das muss knapp gewesen sein. Der Angesprochene nickt ebenfalls kurz, dann vertieft er sich wieder in ein Gespräch mit Sam.

"Ariane schläft noch?", wendet sich Simon an Torin.
Dieser nickt knapp. "Sie war gestern noch lange in Koril und hat das Holz verkauft." Koril ist die nächst gelegene Stadt. Wenn sich die Magier für gewöhnlich dort aufhalten, wird mir klar, warum sie mir alle fremd sind.

"Sie möchte nicht mit uns frühstücken", wirft Sam auf einmal ein und fixiert Torin. "Sie hat bereits gefrühstückt."
Torin legt den Kopf schief. "Sam, ich glaube Talia kann für sich selbst sprechen. Ich im Übrigen genauso."
Sam schüttelt nur den Kopf, bevor er Will wieder seine volle Aufmerksamkeit schenkt.
"Dann können wir ja gleich beginnen."
Simon lässt Aja hinunter, die sich neben Sam setzt und sofort in das Gespräch einsteigt.

Eine Treppe neben dem Esszimmer führt nach oben in die Schlafzimmer, die andere hinab in den Trainingsraum. Ich weiß nicht, wie ein solcher bei Magiern aussieht, aber was ich zu sehen bekomme, überrascht mich ohnehin. Der Raum ist hoch und umspannt weitaus mehr Fläche als das Haus. Das mag damit zusammenhängen, dass der Raum unterirdisch liegt.
Die Wände sind felsig, perfekt für jede Art von Magie. Dort, wo die Treppe endet, hängen Schwerter in einer Reihe nebeneinander, derweil in der Mitte Matten ausgelegt wurden. Nebenan steht ein Tisch, auf jeder Seite ein Stuhl.

"Wir beginnen zunächst mit deiner Magie", meint Simon, als ihm mein Blick zu den Schwertern nicht entgeht. "Wir werden schon einen Weg finden, dir die Magie wieder abzunehmen."
Dankend lächele ich und lasse mich auf einem Stuhl nieder. Sicherlich hat es einen Vorteil in einer Buchhandlung zu arbeiten, wenn man Fachliteratur braucht, doch die Bücher über Magie dürfen nicht öffentlich vertrieben werden. Somit stehe ich trotz Phantasia mittellos dar. Simon ist bislang mein einziger Weg, um an Antworten zu kommen. Die Tatsache, dass ich noch lebend diesen Raum betreten habe, zeigt mir zudem, dass ich ihm vertrauen kann - das hier ist keine Falle.

"Also, fangen wir mit dem an, was wir bereits wissen." Simon setzt sich mir gegenüber hin und vollzieht eine knappe Handbewegung. Im nächsten Moment steht eine Kerze mitten auf dem Tisch. Beeindruckt zuckt mein Blick zu ihm. "Telekinese und Teleportation - das eine dürfte dir mittlerweile bekannt sein."

Ein Grinsen bahnt sich auf mein Gesicht. "Nur allzu gut", sage ich und denke an die Male, die er wie aus dem Nichts plötzlich auftauchte.
"Das ist meine Magie. Wir müssen jetzt herausfinden, was deine ist."

Magier verfügen nicht über eine universale Magie. Jeder hat verschiedene Fähigkeiten mit variierenden Ausprägungen. Eines ist jedoch gewiss - die stärkste Fähigkeit eines Magiers kann kein Anderer ebenso gut vollziehen, allerhöchstens ein wenig schwächer. Stirbt ein Magier, manifestiert sich die mächtigste Fähigkeit in einem neuen Körper wieder. Die anderen Kräfte können durch neue Fähigkeiten ersetzt werden - das weiß ich. Das weiß ein jeder Mensch über Magier.
"Nun ja, das mit dem Feuer und der Wunde habe ich dir schon erzählt."
"Und damit hast du es mir schon einmal viel leichter gemacht. Die Heilung ist eine der seltensten Magien. Meist können Magier mit ihr nur den Schmerz nehmen, nicht aber die Ursache selbst verringern." Simon lehnt sich zurück. "Wir sind uns sicher, dass du die Heilerin bist. Dass das deine mächtigste Fähigkeit ist."

"Aber das Feuer war verheerender", werfe ich skeptisch ein.
"Nur weil es gefährlicher wirkt", mutmaßt Simon. "Das Feuer ist dazu da, um dich wehren zu können. Ein jeder Magier verfügt über eine Magie, die ihm selbst das Leben retten kann."
"Dazu habe ich die Heilung."
Mein Gegenüber verzieht das Gesicht. "Du kannst dich jedoch durch sie nicht verteidigen."
Ich nicke, versuche seinem Gedankengang zu folgen. "Also die Heilung als stärkste Fähigkeit und das Feuer zur Verteidigung. Wie weiß ich denn, ob das alles ist?"
"Das merkst du, wenn du eine andere Fähigkeit zeigst. Manche Magier schöpfen nie ihr ganzes Potential aus, weil sie nicht wissen, wozu sie fähig sind."

"Was man nicht weiß, kann einen nicht enttäuschen", murmele ich.
"In der Tat." Simon deutet auf die Kerze. "Die Heilung zu trainieren, ist schwer - nicht einmal Will wollte sich als Opfer anbieten und nach dem ausgiebigen Training mit Ash ist er viel gewohnt."
"Daher die Narbe?"
"Das ist eine komplizierte Sache." Simons kalter Tonfall verrät mir, dass das Gespräch eine Wendung genommen hat, die er nicht wollte. "Wenn du eine deiner Fähigkeiten kontrollieren kannst, lässt sich dies auf die anderen übertragen. Kontrolle ist eine Kopfsache."

"Es hat sich eher nach Emotionen angefühlt. Und Instinkt."
"Weil die Wunde deine Magie angezogen hat. Magie ist wie atmen - du kannst es nicht einfach abstellen. Du musst nur lernen, wie du die Luft anhälst."

Ich werde also atmen anhand des Feuers lernen. Kein sonderlich beruhigender Gedanke, wenn ich mich an unsere lodernde Wohnung erinnere.
"Wie ist das Feuer entstanden?"
Ich beiße mir auf die Unterlippe. "Mein Bruder und ich hatten ... Meinungsverschiedenheiten."
Simons Mundwinkel zucken kurz in die Höhe. "Zorn also. Dann denke an etwas, das dich wütend macht."

Ich öffne den Mund, doch sehe, dass Simon sich keinerlei Sorgen um den Holztisch macht. Nun gut. Ich rufe mir eine Erinnerung in den Kopf. Einen Moment, der mein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt hat - den Moment, in dem meine Mutter ging und nie wieder zurückkam. Den Moment, indem ich sie hätte eigenhändig erwürgen können, eine Familie so zu zerstören. Wie sie mir über die Haare strich und meinte Jeder ist seines Glückes Schmied, Talia. Wie sie ihr Glück über das ihrer Familie stellte.

"Konzentriere dich auf die Energie in dir."
Die Bilder noch immer vor meinem inneren Auge festhaltend, achte ich auf das Pulsieren meines Körpers. Wut rast brennend durch meine Adern, möchte geradezu aus ihnen befreit werden. Stark, impulsiv, lebensbedrohlich. Wie an dem Abend, als ich unser Haus in Brand gesetzt habe. Ich sehe förmlich, wie Luan erneut in Richtung Bad hechtet, um mehr Wasser zu holen. Blanke Angst durchzuckt mich.
"Nein!"
Ich springe auf, der Stuhl kippt um und landet mit einem Krachen auf dem Boden. Simon ist neben mir, ohne den Tisch umrundet zu haben. Sanft legt er mir eine Hand auf die Schulter, mein Körper zittert.

"Alles gut. Es kann nichts passieren." Zuversichtlich lächelt er mich an, während ich versuche meine zuckenden Arme zu verstecken. "Willst du eine Pause?"
Ich schüttele den Kopf. "Wir sollten ein wenig Wasser bereithalten."
"Glaub mir, das brauchen wir nicht."
Er zeigt auf die Kerze, die auf dem noch verschonten Tisch thront. "Nur die Kerze."

Also schließe ich nochmals die Augen, lasse mich zurück an diesen einen Mittag tragen. Ihr selbstsüchtiger Blick, ihre gleichgültigen Worte - das Herzloseste, was mir jemals untergekommen ist. Eine Frau, die ich nicht mehr Mutter nennen sollte.
"Spürst du es?"
Ich nicke. Das Brausen in meinen Adern ist da und mit ihm erneut die Angst.
Simon steht hinter mir, greift nach meinem Arm und hebt ihn in die Höhe. "Dann öffne die Augen."
Ich starre auf den Tisch und die verloren wirkende Kerze.
"Lass es raus. Denk daran, es ist wie atmen."

Die Energie prickelt in meinen Fingern, heiß und unaufhaltsam. Ich nehme einen tiefen Atemzug und lasse ihn wieder los. Im nächsten Moment stolpere ich einen Schritt zurück, ob von dem Rückstoß oder dem Schock, ich weiß es nicht. Fassungslos starre ich auf die brennende Kerze - und den genauso lodernden Tisch unter ihr.

"Ich habe es gesagt", bringe ich atemlos hervor, doch Simon ist die Ruhe selbst.
"Es ist alles nur Kopfsache." Er hält noch immer meinen Arm, erlaubt mir nicht, wegzusehen. "Du kannst das Feuer verursachen und genauso kannst du es wieder verschwinden lassen. Du musst es nur wollen."

Es ist nicht so, als würde ich diesen Anblick genießen. Ich will ihn verschwinden lassen, doch meine Gedanken werden davon überlagert, dass wir dringend Wasser holen sollten.
"Stell dir vor, es würde jemanden bedrohen."
Jemanden, der dir lieb ist. Er spricht es nicht aus, dennoch entnehme ich es der Stille. Luan. Ich fokussiere das Feuer, die hungrigen Flammen, die sich am Holz nähren. Was, wenn dies Luan wäre? Bevor ich weiß, wie mir geschieht, ist es wieder da - die pulsierende Energie in meinen Fingern. Es ist wie atmen. Also atme ich ein, ziehe das Feuer zu mir. Dann ist es weg, die Flammen verschwunden. Nur der Rauch in der Luft zeugt von dem Geschehenen.

Simon lässt meinen Arm los und tritt zurück. "Siehst du? Es ist einfacher als gedacht. Ganz natürlich."
"Wie atmen", stimme ich zu und betrachte den mittlerweile schwarzen Tisch. "Das tut mir leid."
"Ach, der Tisch?" Simon winkt ab. "Den hat Torin uns absichtlich zur Verfügung gestellt. Der war furchtbar alt."
"Können wir noch einmal?"
"Natürlich. Und dieses Mal probieren wir es mit der Kerze. Nur mit der Kerze."

Das Training hat mich ausgelaugt. Kaum bin ich zu Hause, nachdem ich Simon mehrmals davon überzeugen musste, dass es besser für meine Orientierung ist, wenn ich den Weg alleine gehe, drückt die Müdigkeit auf mich ein. Nichtsdestotrotz wechsele ich geschwind meine Schuhe und eile weiter zur Buchhandlung. Gegenüber Marvin lasse ich mir nichts anmerken. Als er mir das Geschäft überlässt, schnappe ich mir einen Roman und warte auf Kunden. Die Stunden ziehen sich ewig hin, derweil ich damit kämpfe, die Augen offenzuhalten.

Im Rausch meines ersten Erfolges, würde ich nur zu gerne erneut mit der Magie experimentieren, doch Simon hat mich davor gewarnt. Magie sollte ich nur dann alleine benutzen, wenn ich es kann und es keiner sieht. Das Erste trifft definitiv noch nicht auf mich zu und das Letztere ist in einer so einsichtigen Buchhandlung nicht garantiert. Also lenke ich mich mit dem Roman ab. Kaum setzt die Dunkelheit ein und verleiht dem nebeligen Meral eine triste Stimmung, schließe ich die Buchhandlung ab und steuere die Bäckerei an. Da Luan noch immer am Hafen sein wird und ich heute keine Kraft mehr dazu aufbringe, zu kochen, muss frisches Brot genügen.

Das Licht brennt noch, als ich die menschenleere Gasse auf die Bäckerei zusteuere. Nachdem ich die Tür öffne, ertönt das Läuten der Glocken und ein süßer Duft nach Zimt umfängt mich.
"Einen kleinen Moment bitte", dringt Lucias helle Stimme aus dem Nebenzimmer zu mir, während ich die ordentlich gestapelten Reste des Tages betrachte - ein paar Laibe Brot und vereinzelte Süßstückchen.

Die Tür hinter mir schwingt auf, die Glocken klingeln leise.
"Ich bin sofort da!", ruft Lucia erneut. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen und werfe einen Blick über die Schulter zu dem neuen Kunden. Das Lächeln entgleitet mir schlagartig, das Blut gefriert mir in den Adern. Völlig erstarrt wage ich keinen Atemzug, als die Tür zufällt und seine Augen auf meine treffen. Ich würde ihn überall wiedererkennen - die bernsteinfarbenen Augen sind unverwechselbar. Niemand Geringeres als der dienende Magier, dem ich die Wahrheit vorenthalten habe, hat die Bäckerei betreten.

Er nickt mir knapp zu und ich weiß, er hat auch mich wiedererkannt.
Wie benommen drehe ich mich um, schließe die Augen und hoffe, heil aus dieser Situation zu kommen.
Jetzt bloß nichts Falsches machen.

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