Nemesis - Blut und Schwerter

By veracrystall31

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>>Stellt keine Fragen, für deren Antwort Ihr nicht bereit seid.<< Nemesis sucht in dem magischen Land Koranée... More

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Info
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Epilog
Info zur Fortsetzung

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By veracrystall31

Drystan
Nemesis war neben mir einfach zusammengesackt, aber ich hatte sie gerade noch auffangen können, sodass ihr Kopf jetzt auf meinen Knien ruhte und ich besorgt ihre Hand umklammerte.

Ihr Gesicht war blass, ihre Atmung zu schnell, während in der Schwärze um uns herum sich abspielte, was sie gerade durchleben musste.

Mit wachsendem Grauen sah ich dabei zu, wie sie in einem Lager aus Zelten einem Bewohner nach dem anderen umbrachte. Männer, Frauen, sogar Kinder!

Die Nemesis, die dort ihr Schwert schwang, konnte nicht älter als fünfzehn sein. Sie war selbst noch ein Kind, aber ihre Bewegungen zeugten bereits von der Eleganz und Kraft, die sie heute besaß.
Allerdings war ihr Gesicht damals noch nicht so leer wie jetzt. Auch während sie tötete wirkte sie ... menschlicher.

Ihre Augen waren noch nicht so kalt, ihre Züge noch weich und hin und wieder rührte sich etwas in ihrer Miene.
Trotzdem setzte sie ihren Weg der Zerstörung unweigerlich fort. Hinter ihr fielen Körper leblos zu Boden, Waffen knallten auf die Erde und Blut tränkte das Gras.

Ich konnte nicht anders als, bei jedem weiteren Kopf, der auf den Boden rollte, zusammenzuzucken.

Doch die Bewohner des Lagers hatten sich formiert. Bewaffnete Männer und Frauen attackierten Nemesis, die inmitten von Klingen, die sie verletzen wollten, umherwirbelte. Ihr Zopft tanzte um ihren Kopf, während sie sich so schnell bewegte, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie so lange durchhielt. Ihre Schritte ließen sich kaum verfolgen, so gut war ihre Beinarbeit.

Doch irgendwann wurden es sogar für sie zu viele. Das Lager war groß und die Menschen setzten ihre geballte Kraft gegen sie ein. Nemesis hatte bereits viel länger durchgehalten, als eigentlich möglich sein sollte, aber schließlich schlug man ihr das Schwert aus der Hand und rang sie zu Boden.

Mir fiel nicht auf, wie ich den Atem anhielt, als man sie fesselte und auf die Beine zerrte, um sie zum Platz in der Mitte zu schleifen.
Ein bärtiger, hagerer Mann und eine rothaarige Frau mit blassen Teint warteten mit dunklen Mienen auf sie.

„Das ist die Mörderin", knurrte der Mann, der Nemesis fest am Arm gepackt hatte. Als sie sich wehrte wurde der Griff der Frau auf Nemesis' anderen Seite nur noch fester.

Mit ausdruckslosem Gesicht hörte sie sich schließlich auf zu bewegen und sah den älteren Mann vor ihr direkt ins Gesicht. Dieser strich sich nachdenklich über seinen teilweise ergrauten Bart und ließ seine grünen Augen an der blutberschmierten Nemesis hoch und runter wandern.
„Hat Allstair dich alleine geschickt?", fragte er.
Nemesis verharrte so still, dass es fast gruselig war, ohne ihm zu antworten.

Daraufhin schlug ihr der Mann, der sie festhielt, gegen den Hinterkopf.
„Na los! Antworte!"

Überraschenderweise zuckte der Arm der rothaarigen Frau vor.
„Hey! Sie ist ein Kind!"
Der Mann, der Nemesis geschlagen hatte, schnaubte: „Sie hat gut die Hälfte unserer Leute getötet!"
Unbeirrt kniete sich die Frau vor Nemesis hin.
Nemesis war schon damals kleiner gewesen, als für ihr Alter üblich.

„Du weißt, wer ich bin, oder?", fragte die Erwachsene mit ruhiger stimme.
Nemesis sah vom Mann zu ihr. Sie verzog noch immer keine Miene, aber das kannte ich auch von der Nemesis aus der Gegenwart nicht anders.

„Ja", bestätigte Nemesis leise, „Du gehörst zu Allstairs Soldaten. Du bist eine Rebellin."
Falls sie über den Verrat geschockt war, zeigte sie es nicht.

Die Frau nickte. „Weißt du vielleicht, warum ich die Seiten gewechselt habe?"
Während der ältere Mann abwartend schwieg, fragte der Mann hinter Nemesis ungläubig:
„Versuchst du sie gerade zu rekrutieren?"

Gekonnt ignorierte die Frau den Rebellen und wartete geduldig Nemesis' Antwort ab.
„Weil der König grausam ist. Weil das Volk leidet", kam es schließlich kühl.

Die Rothaarige nickte: „Er regiert in einem Streben nach Macht. Das Land ist ihm egal, auch wenn er gerne predigt, dass er uns in den Wohlstand zurückführen will. Alles, was er uns bringt ist Tod."
Sie legte den Kopf schief: „Ich habe gesehen, wie er dich behandelt. Du folgst ihm nicht, weil du es willst. Du tust es, weil er dicht zwingt."

Nemesis blieb regungslos, widersprach der Frau aber auch nicht.
„Du bist gerade weit weg von der Burg", bemerkte die Rebellin, „Er kann dir nichts tun. Wir können dich schützen."
„Das könnt ihr nicht. Nicht vor dem König."
„Sieh doch nur wie viele wir sind. Das hier sind nicht alle unsere Anhänger. Etliche sind über ganz Leymalien verstreut und warten, bis der Moment gekommen ist, dass wir mit vereinter Kraft gegen den König marschieren."
Sie breitete die Arme aus, um ihre Worte zu betonen.
„Das alles haben wir bereits aufgebaut und bis jetzt hat der König uns nicht klein gekriegt. Komm zu uns. Lass uns gemeinsam kämpfen."

Nemesis musterte sie eine Weile, dann atmete sie scharf ein.
„Das geht nicht. Er wird mich kriegen."
Die Frau wollte Nemesis beruhigend die Hand auf die Schulter legen, aber sie zuckte fauchend zurück:
„Fass mich nicht an!"

Mein Blick wanderte zu der Nemesis in meinem Schoß. Sie hatte Berührungen wohl schon damals gehasst. Es hatte, was mit dem König zu tun, wie vermutlich jedes Rätsel, was sie anbelangte.

Als ich den Blick wieder hob, hatte die Frau die Hände entschuldigend erhoben.
„Tut mir leid. Aber du bist hier sicher vor dem König. Wir beschützen einander."

Wieder dauerte es ein paar Sekunden, bis Nemesis etwas dazu sagte.
„Ich habe die Hälfte eurer Leute ermordet. Ihr bietet mir doch nicht ernsthaft an euch zu folgen. Ich glaube dir nicht."
Die Frau sah zu dem älteren Mann, der neben ihr stand, hoch. Also sagte jetzt auch er:
„Wir kennen den König. Und Amelie hier kennt dich aus der Burg. Wir wissen, dass du vieles nicht aus freiem Willen tust."
Nickend sprach jetzt wieder Amelie: „Ich hab dich gesehen und was du in seinen Namen ausführen musstest. Ich wäre auf dich zugegangen, hätte es nicht meine Mission gefährdet. Aber ich weiß, dass du nichts von dem willst."

Nemesis war noch ein Kind. Mit Blut an den Händen und Grauen im Blick. Ihr Zopf, schon damals geflochten wie heute, fiel ihr über die Schulter, als ihre aufgerissenen Augen zwischen Amelie und dem Mann hin und her zuckten. Ihre Miene war noch immer hart, aber ihre zitternden Hände konnte sie nicht verbergen.
„Ich... Ich habe Angst", presste sie leise hervor und mein Herz zerbrach.

Amelie ging es ähnlich. Ich sah es ihr an.
„Wir beschützen dich", wiederholte sie, „Du kannst den König hinter dir lassen. Das ist deine Chance."

Nemesis schloss kurz die Augen und nickte kaum merklich.
„Ok", flüsterte sie und dann etwas lauter. „Ok, ja."

Amelie lächelte und winkte den Rebellen, Nemesis loszulassen. Erst nach kurzem Zögern, taten sie wie geheißen.
Doch kaum waren ihre Arme frei, stürzte sie vor.

Jetzt wieder mit stahlharter Maske, war sie hinter Amelie und dem Mann, noch ehe irgendwer reagieren konnte. Ich sah nur ein Aufblitzen, da stürzten die beiden mit blutenden Kehlen zu Boden.
Die zwei Rebellen, die sie festgehalten hatten, starben, ohne dass sie Zeit hatten zu reagieren.

In Schockstarre verfallen musste ich mitansehen, wie Nemesis sich ihre Waffen schnappte und das Morden fortsetzte.
Fassungslos sah ich dabei zu wie sie das Lager auslöschte. Diesmal konnten die Rebellen sie nicht überwältigen.

Irgendwann fiel der letzte von ihnen und Nemesis zog keuchend das Messer aus seinem Bauch. Wankend griff sie nach einem Holzscheit aus den Feuern, die überall verteilt waren und steckte die Zelte nacheinander in Brand. Während ihres Rundgangs stieg sie über die Leichen, die sie hinterlassen hatte und stampfte durch den vom Blut nassen Rasen.

Jede ihrer Bewegungen war angestrengt und jetzt, wo keiner mehr lebte, der sie sehen könnte, zitterte sie am ganzen Köper.

Aber sie setzte die Arbeit fort. So lange bis sie durch ein Inferno an Flammen das Lager verließ und den Hügel hochkletterte, den sie gekommen war. Fremdes Blut tropfte auf den Stein der umliegenden Berge, als sie auf ihr Pferd stieg, das in sicherer Entfernung wartete.

Weder wischte sie das Blut ab, noch blickte sie zurück, als sie den Stützpunkt endgültig verließ.

Das Bild verschwamm und der Sturm wurde wieder schwarz.

Fassungslos sah ich zu meiner Freundin runter.
Sie hatte das Angebot ausgeschlagen. Sie hätten vor Allstairs fliehen können, aber sie hatte es damals noch nicht getan.
Aus Angst? Aber war die geringe Möglichkeit nach Sicherheit trotz Risiko nicht die bessere Entscheidung, wenn dafür niemand sterben musste?

Vor meinem inneren Auge schwebten die Leichen von Kindern.
Es war genauso wie in der Burg. Nur hier rettete sie niemanden. Sie schützte niemanden, allerhöchstens sich selbst.

Noch ehe ich weiter mit meinen moralischen Grundsätzen debattieren konnte, tauchten wir in die nächste Erinnerung ein:

Das Schwarz machte den grauen, kalten Wänden der Burg Platz. Teilweise wurden sie von Fackeln beleuchtet, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Temperaturen erheblich sanken.

Mir schauderte. Die Vorstellung, dass Nemesis in diesen kargen Gemäuern ihre Kindheit verbracht hatte...

So weit ich das von den Fenstern rechts sehen konnte, war es tiefe Nacht. Sterne glitzerten an einem klaren Himmel.

Vor mir huschte ein junges Mädchen um die Ecke. Ihre Haare waren kürzer und reichten ihr nur knapp über die Schulter, aber das blonde Haar mit den grauen Augen war unverkennbar.
Schon mit vermutlich neun oder zehn Jahren bewegte sie sich lautlos über den rauen Stein.

Nemesis war barfuß und trug ein ärmelloses Nachthemd mit Hose, die ihr etwas zu groß war. Es war zu dunkel, um genaueres zu erkennen, aber ich wusste, dass ihre Arme Narben aufwiesen.
Während sie sich durch die Gänge schlich, behielt sie  konsequent die Umgebung im Auge.

Gekonnt wich sie Wachen und Soldaten aus, die zur späten Stunde noch wach waren. Ein gewisses Maß an Angst war ihr überraschenderweise sogar anzusehen.

Ich hörte ihr Aufatmen, als sie eine unscheinbare Tür mit unten schon zersplitterten Holz erreichte.
Auffällig war es an den Schultern, die sich lockerten, als sie eintrat.
Und wie angewurzelt wieder stehen blieb.

Das Bild verschwamm und als ich wieder alles deutlich erkennen konnte, hatte sich meine Perspektive geändert.

Ich stand jetzt in dem Zimmer. Es war genauso freudlos wie der Rest der Burg. Keinerlei Einrichtung, nicht mal ein Fenster oder eine Fackel, die den Steinboden zumindest etwas aufwärmen könnte.
Das einzige im Zimmer war ein wackeliger Schrank und ein ebenso wackeliges Bett.
Und auf diesem Bett saß König Allstair.

Die Nemesis in der Tür erstarrte. Eine Sekunde lang sah ich die nackte Angst, dann legte sich blitzartig Gleichgültigkeit über ihre Züge. Aber ihre zitternden Händen verrieten sie, als sie sich verbeugte.
„Eure Majestät."

Der König schwieg und sah sie aus seinen dunklen, kalten Augen an. In der Hand warf er ein kleines Messer hoch und runter, während er träge mit dem anderen Fuß auf den Boden tippte.

Auch ich bekam es bei seinem Anblick mit der Angst zu tun. Der blutige Thronsaal, der Geruch von verbrannten Fleisch, die kalten Mauern des Verlieses und der König, wie er etwas - meine Magie - gewaltsam aus meinem Körper riss, stiegen vor meinem inneren Auge auf.
Die Schmerzen, die damit einhergegangen waren.

„Nemesis, was soll ich denn jetzt mit dir machen?", fragte Allstair schließlich gedehnt, „Schleichst dich auf den Hof, wofür? Um Sterne zu beobachten?"

Die Atmung der jungen Nemesis beschleunigte sich, aber weder senkte sie den Blick, noch leugnete sie es.
„Ja, Eure Majestät."
Der König nickte bedächtig, als müsste er über diese Antwort nachdenken. Dann erhob er sich in einer fließenden Bewegung, die Nemesis' tödlicher Eleganz nicht unähnlich war.

„Wir gehen nach draußen."
Nemesis konnte gerade noch zur Seite springen, da war er schon zur Tür raus. Einen Moment stand sie unsicher im Raum, machte aber, dass sie hinter her kam.

Jetzt standen Nemesis und Allstair auf einer Wiese, umgeben von Mauern. Sofort erkannte ich die Stallungen, wo wir uns Pferde gestohlen hatten.
Diesen Ort nach kurzer Zeit wiederzusehen, ließ sogar mich die Muskeln anspannen. Obwohl ich wusste, dass es nicht real war.

Nemesis wirkte winzig im Vergleich zum muskulösen Mann, der in eine warme Lederkluft und schwarzen Fellmantel gehüllt war.

„Leg dich hin, wie du es eben getan hast", wies er an.
Wortlos gehorchte sie ihm und sah mit aufgerissenen Augen zu ihm auf.

Es brach mir das Herz zu sehen, wie tief die Angst saß. Etwas an ihr machte sich klein und unterwarf sich sofort. Ganz anders, als die unnachgiebige Kriegerin, die sie in Koranée war, weit weg vom König.

„Sieh dir die Sterne", sagte der König leise, während er das Messer bereit hielt, mit dem er vorher gespielt hatte.

Nemesis schluckte, zwang ihren Blick aber vom Messer nach oben.

„Solche Belanglosigkeiten wie die Sterne haben dich nicht zu interessieren. Alles, was wichtig ist, ist wie du mir dienen kannst."
Er hob den Arm und Nemesis schloss die Augen.
„Denke an den Schmerz, wenn du das nächste mal in den Himmel schaust."

Und er rammte ihr das Messer in den Oberschenkel.

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