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Ich wurde wach als ich ein Rascheln im Zelt hörte.
Ohne die Augen aufzumachen, zog ich die Decke über mein Gesicht, so dass man die Narben nicht sah.
Jemand außer Daryl wird es wohl kaum sein. Außerdem erkannte ich ihn an seinem Atem.
Weil ich noch nicht für den Morgen bereit war, blieb ich so liegen, auf der Hoffnung wieder einzuschlafen.
"Aufstehen. Es ist schon nach zehn.", hörte ich Daryl's Stimme.
Mit Schlafen wird es wohl nichts.
Mit den Händen rieb ich mir die Augen, hielt sie trotzdem geschlossen und zog meine Maske über die Nase.
Ich streckte mich und drehte mich um.
Erst als ich Essen roch, öffnete ich langsam die Augen.
Daryl saß auf seiner Seite des Zeltes und wühlte in seinen Taschen herum.
Vor mir stand ein Teller mit Spiegelei drauf und einigen Tomaten Scheiben. An der Seite war auch noch eine Gabel.
"Warum warst du immernoch am Schlafen? Ich hab dich gestern um neun zurück geschickt."
Warum achter er überhaupt noch auf Urzeiten?!
"Hatte noch was zu erledigen. Bin später schlafen gegangen.", erklärte ich. "Hast du das hier für mich gebracht?"
"Für wen sonst? Steh auf und iss."
"Спасибо.", murmelte ich, setzte mich aufrecht hin und rieb mir wieder die Hände durchs Gesicht.
"Huh?!", kam es von ihm.
"Danke, meinte ich. Sorry.", korrigiert ich mich.
"Wo kommt deine Familie her?", fragte er nach einem Moment der Stille.
Ich legte den Teller auf meinen Schoß. "Eigentlich aus Kasachstan. Aber irgendwie zählen sie zu Russen. Sie sprechen auch kein kasachisch, sondern russisch. Ich bin hier geboren, hab aber...bis vor paar Jahren nur russisch gesprochen. Uh, sorry wenn ich zu viel rede."
Er nickte. "Tust du nicht, entschuldige dich nicht."
"Ist mein Akzent stark?"
"Ja. Schäm dich nicht dafür."
Kurz sah ich ihn an, drehte mich dann mit dem Rücken zu ihm, zog die Maske runter und fing an zu essen.
Ich aß schnell auf und stellte den Teller neben mich ab.
"Danke nochmal. Für's Essen.", murmelte ich noch mit vollem Mund. "Ich hab gestern was gemacht."
"Mhm.", brummte Daryl während er auf seinem Schlafsack lag und mit seinem Pfeil immer wieder ins Netz, von dem Zelt stach.
"Du hast mehr nach Sophia gesucht als alle anderen. Ich glaube du wirst sie finden. Und...du hast sogar ein Pfeil abgekriegt. Und ein Schuss am Kopf sogar! Helden machen solche Sachen. Auch wenn du zuerst Rick töten wolltest und dann Jim."
Er verdrehte die Augen. "Ich bin kein Held, Mädchen."
Aus meinem Rucksack kramte ich dann mein Spiderman T-Shirt raus.
Ich hielt das Shirt hoch so dass ich Daryl die Rückseite präsentierte.
Die Rückseite, auf der ich gestern Nacht noch mit einem schwarzen Filzstift, versucht habe solche Engelsflügel zu malen, wie auf Daryl's Weste.
Wo die Weste war wusste ich nicht, deswegen musste ich die Flügel aus dem Kopf zeichnen.
Und ich war nicht gut im Zeichen. Die Flügel sahen absolut scheiße aus. Schief, unterschiedlich groß. Aber man erkannte dass es Flügel waren.
Man sagt auf dieser Welt gibt es Engel die als was anderes getarnt sind, damit man nicht erkennt dass es Engel sind.
Zum Beispiel Hunde oder Katzen. Schildkröten und Pandas.
Ich glaube manche Menschen auch.
Zwar hab ich immernoch Angst vor Daryl und er ist nicht so süß wie ein Panda aber er hat trotzdem richtig viel für Sophia getan. Und er trägt ja Engelsflügel auf seiner Weste.
Tarnung aufgeflogen.
"Ich will auch so nach Sophia suchen wie du. Sie braucht mehr die so nach ihr suchen, dann finden wir sie auch schneller!", erklärte ich.
Erst gebe ich mir den Namen von meinem Bruder um mehr wie er zu sein, jetzt bemale ich mein Shirt um bisschen wie Daryl zu sein.
Wirklich ein bisschen.
Ich will auch so viel geben um Sophia zu finden.
Daryl starrte einen Moment lang auf das T-Shirt und dann auf mich. Oder eher auf mein nervöses Gesicht weil ich nicht wusste ob ihm das gefallen wird oder er das so scheiße finden wird wie ich.
Er nickte und ich glaube, er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken. "Wir werden sie finden."
Er hat nicht gesagt dass er es scheiße findet!
Ich grinste breit.
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Von Draußen waren Schritte zu hören, die sich dem Zelt näherten.
Sofort setzte ich mich auf und konnte kurz darauf Andrea erkennen, die ins Zelt trat.
Daryl war immernoch dabei seinen Pfeil in's Netz zu stechen, sah aber auf.
"Hey ihr beiden.", begrüßte sie uns und überreichte Daryl ein Buch. "Besonders toll ist es nicht aber..."
Er fing an drin rum zu blättern und ich sah neugierig auf das Buch.
'The case of the missing man'
"Was, keine Bilder drin?", fragte Daryl.
"Tut mir wirklich leid, ich fühl mich total scheiße.", entschuldigte sich Andrea.
"Ja ich mich auch."
"Ich erwarte nicht dass du mir verzeihst aber wenn ich irgendwas für dich tun kann-"
"Du hast nur versucht unsere Leute zu schützen, alles okay.", unterbrach Daryl sie und nickte.
Sie lächelte und wandte sich dazu zu gehen.
"Aber hey, wenn du nochmal auf mich schießt, dann bete dass ich tot bin.", rief Daryl ihr hinterher.
Ich unterdrückte ein Lachen.
"Willst du es?", fragte Daryl mich und hielt mir das Buch hin. "Dann hast du mal was anderes als deinen Comic zu lesen."
Hat er meinen neugierig Blick bemerkt?
Dankend nahm ich das Buch an und konnte das Grinsen nicht verstecken.
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An diesem Tag passierte nicht viel mehr.
Carl war wieder auf den Beinen und ich konnte endlich mal mit ihm sprechen. Ich habe ihn komplett ausgefragt wie alles passiert ist und wie es sich angefühlt hat, angeschossen zu werden.
Von dem was er mir erzählte, hoffte ich es würde mir niemals passieren.
Er hat mir auch erzählt dass er eine Pistole geklaut hat und dann von seinen Eltern dafür Ärger bekommen hat.
Als ich ihn gefragt habe ob es sehr stark weh getan hat, schaute er mich nur verwirrt an und meinte dass seine Eltern nur geschimpft haben. Dann war ich nur noch verwirrter.
Die Waffe durfte er dann auch noch behalten und war beim Schießtraining dabei gewesen.
Bis Sonnenuntergang war ich mit Carl gewesen. Als Lori ihn gerufen hat, bin ich selbst zurück in Daryl's Zelt.
Er saß vor dem Zelt und schnitt ein Eichhörnchen auf.
Angeekelt sah ich ihn an. "Was machst du?"
"Wonach sieht's denn aus?! Eichhörnchen ausweiden. Abendessen."
Ich würgte und verschwand im Zelt. Gegrillt sieht Fleisch besser aus.
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Die komplette Gruppe war heute Morgen um das Camp herum versammelt.
Manche saßen auf Campingstühlen, manche standen. Ich saß auf einem Baumstumpf.
Keiner sagte ein Wort und jeder aß leise sein Frühstück.
"Ehm Leute?", meldete Glenn sich zu Wort. "Also.... Die Scheune ist voll mit Beißern."
Ich schaffte es gerade so, die Gabel nicht fallen zu lassen, sah aber mit offenem Mund auf.
So wie fast jeder andere hier. Entweder war die Kinnlade unten oder ihnen fielen die Augen fast raus.
Beißer? Hier in der Scheune?!
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"Sag mir nicht das du das okay findest!", sagte Shane zu Rick, als die Türen der Scheune von innen ratterten.
Alle Mitglieder der Gruppe waren um die Scheune versammelt.
"Nein find ich nicht.", antwortete Rick. "Aber wir sind hier Gäste, das ist nicht unser Grundstück."
"Es geht um unser Leben man!"
"Redet doch bitte leiser.", flehte Glenn.
"Wir können das nicht einfach unter den Teppich kehren.", stellte Lori klar.
"Du hast Recht.", stimme Shane zu. "Wir müssen da rein und den Stahl ausmisten oder wir ziehen einfach weiter."
Er lief ganze Zeit hin und her.
"Wir können hier nicht weg!", bestritt Rick.
"Warum nicht Rick, warum?!", fragte Shane.
"Weil meine Tochter da noch irgendwo ist!", antwortete Carol für Rick.
Shane hielt sich die Hände vor dem Mund und rieb sich durchs Gesicht.
Dabei spannten sich die Muskeln in meinem Körper, vor Angst an und ich spüre dass mein Herz anfing zu rasen.
Er war wütend. Sehr.
"Vielleicht sollten wir auch mal andere Möglichkeiten in Betracht-", fing er an aber wurde von Rick unterbrochen.
"Shane wir lassen Sophia nicht zurück!"
"Ich finde das Mädchen, genauso wie ihre Puppe vor ein paar Tagen!", mischte sich Daryl auch ein.
"Ihre Puppe, die hast du gefunden aber nichts weiter!", merkte Shane an.
"Du hast doch keine Ahnung wovon du da sprichst!", rief Daryl und ging auf Shane zu.
"Ich sag nur was gesagt werden muss. Hat man eine Spur kommt es auf die ersten 48 Stunden an!"
"Shane hör auf!", befiel Rick.
Shane hörte nicht.
"Und ich will dir noch was sagen, wenn die Kleine da draußen noch irgendwo ist und dich sieht, mit deinem Jagdmesser und den Zombie Ohren um den Hals, dann haut sie sofort ab!"
Daryl hatte anscheinend genug und ging auf Shane los. Rick kam noch rechtzeitig dazwischen und versuchte die beiden auseinander zu halten.
Jeder fing an durcheinander zu schreien und ich konnte nicht mal mehr ausmachen, was von wem kam.
Daryl schrie Shane an, Shane schrie Daryl an, Rick schrie beide an von wegen sich zu beruhigen.
"Ruhig jetzt!", "Aufhören!", "Nimm die Hände von mir!"
Irgendwie gingen dann doch alle auseinander und wurden etwas ruhiger.
"Ich rede erstmal mit Hershel und lass mir was einfallen.", erklärte Rick.
"Ach ja?! Und bitte was?!", fragte Shane.
"Wenn wir hier bleiben und die Scheune räumen wollen, muss ich ihn dazu überreden. Das ist sein Grundstück!"
"Hershel sieht diese Beißer als Menschen an. Als kranke. Seine Frau und sein Stief Sohn sind da drin.", erzählte Dale.
Rick sah Dale an. "Das wusstest du?"
"Gestern hab ich mit ihm darüber gesprochen."
"Und hast es uns verheimlicht?!", hakte Shane nach.
"Ich dachte wir überleben noch eine Nacht, das haben wir."
Und Dale hatte recht.
Hätte Glenn uns das nicht erzählt, hätte erst keiner von uns von den Beißern erfahren.
"Heute morgen wollte ich nichts sagen aber Glenn wollte der jenige sein.", sprach Dale weiter.
"Der Mann ist verrückt wenn er glaubt das diese Beißer noch wirklich Menschen sind-" Bevor Shane zu Ende sprach unterbrach Rick ihn wieder.
"Ganz cool."
Die Türen fingen plötzlich an, ziemlich stark zu rattern und jeder trat einen Schritt nach hinten.
Was wenn die drinne es schaffen die Türen aufzubrechen?