Nemesis - Blut und Schwerter

By veracrystall31

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Info
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Epilog
Info zur Fortsetzung

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By veracrystall31

Nemesis
Drystan lag schlummernd, zusammengerollt im Gras, Virginia direkt daneben, das Gesicht kalkweiß. Ihr Bein machte ihr sichtlich zu schaffen.

Chara warf sich hin und her. Tränen hatte sie keine mehr, aber der Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihre Augen zuckten hin und her. Ich bezweifelte, dass sie heute Nacht Ruhe finden würde.

Seufzend ließ ich mich neben Chara fallen.
Genauso wenig wie ich.

Der Grund warum ich uns trotz der Erschöpfung der anderen so gehetzt hatte, war, dass ich so schnell wie möglich von der Burg weg kommen wollte. So schnell und so weit es ging.

Zwar hatte ich alle anwesenden Clanmitglieder getötet, einige Soldaten und Renalds kamen noch dazu, aber unter meiner Haut kribbelte noch immer der Schrecken, den diese grauen Steinwände in mir wachriefen.
Dass ich meine Rache bekommen hatte, änderte rein gar nichts daran. In Gedanken an Allstair vermisste ich meine Handschuhe.

Unwohl ballte ich die Fäuste und öffnete sie wieder. Etwas verkrustete Blut bröselte ab. Mir fehlte die Sicherheit des Stoffes, der mich vor jeder Berührung abschirmte.
Dazu trug ich noch diesen bescheuerten Aufzug, der zu nichts weiterem diente, als männliche Blicke auf mich zu ziehen. Mich darbot wie ein Stück Fleisch.

Zwar konnte ich meine Gefühle nach außen hin zügeln, aber in meinem Inneren tobte der Sturm, den Allstair mit seinen magischen Bilder losgetreten hatte, weiter.
Alles, was ich über Jahre weggestopft, verdrängt, verleugnet hatte, raste durch mich hindurch. Mit alldem kamen blutige Bilder, schneidende Erinnerungen und tosenden Gedanken.

Ich starrte auf den Waldboden vor mir, während meine Vergangenheit mich einholte.

Ein Messer in meiner Hand. Ich führe es über eine Kehle. Über die nächste und über die nächste.

Das Gesicht der Bibliothekarin, wie sie mich anlächelt. Das Bild flackert und wird von ihrem abgetrennten Kopf eingenommen.

Schreie.

Kaltes Eisen an meiner Haut. Heiß brennende Schnitte an meinem ganzen Körper.

Feuer. Heiß an meinem Fleisch.

Schreie.

Sterne, die verblassen.
Musik, die verklingt.
Ein Tanz, der mich in harte, kalte Arme führt.
Hände, die über meinen Köper wandern.

Ich rang nach Luft. Mein Herz raste in meiner Brust. Automatisch sah ich über die Schulter und erwartete halb, dass Allstair da stand, aber alles, was ich sah, waren knorrige Bäume.

Jetzt fiel mein Blick auf Chara zurück, die erneut in den Knebel schrie. Ich sah den Schmerz, den sie durchlitt und konnte ihn fast selber spüren.
Wie ich es hasste, machtlos zu sein.

Nachdenklich rutschte ich näher an sie ran und ließ meine Augen über sie gleiten. Ich wusste nicht, wie lange so eine Infektion brauchte, bis die Prinzessin zu den Wesen mutieren würde, die sie angegriffen hatten. Bei mir war der Schmerz nach einem Tag vorbei. Allerdings hatte ich auch schon erlebt, wie die Personen nach wenigen Stunden manisch geworden waren und erste Anzeichen von veränderten Gliedmaßen gezeigt hatten.
Dass Chara immer noch unter Schmerzen litt, war also ungewöhnlich. Wie es schien kämpfte sie verbissen gegen die Infektion an, möglicherweise unterstützt von ihrer Magie.

Meine Vergangenheit rückte in den Hintergrund und ich kam wieder in der Gegenwart an, als ich meine Gedanken auf die Prinzessin vor mir richtete.

Als sie sich wiederholt aufbäumte, krallte ich meine Hände in den abgerissenen Stoff meines Rockes.
Wenn ich immun war, musste ich doch irgendwie helfen können!

Plötzlich erinnerte ich mich an Alaric, der im Thronsaal die Phiole hochgehalten hatte. Mein Blut, hatte das schwarze des Infizierten zerstört.
Mit klopfenden Herzen sah ich runter zu Chara.
Was wenn...

Einem Impuls folgend schuf ich eine kleine Klinge - ein Gedanke genügte - und schnitt mir beabsichtigt in die Handfläche.
Nachdem meine Waffe wieder verschwunden war, nahm ich Chara den Knebel aus dem Mund und drückte ihr meine Hand auf den Mund, sodass mein Blut in ihren Rachen lief.
„Trink", forderte ich sie leise auf.

Sie wandte sich noch immer vor Schmerzen, also setzte ich mich rittlings auf sie und versuchte sie so still zu halten.

Ihre Augen richteten sich panisch auf mich, aber sie schluckte. Das kurz geschorene Haar lag platt auf ihrem Kopf und war feucht vor Schweiß. Ihre Lippen, die ich an meiner Haut spürte, dagegen trocken.

Meine bloße Hand an menschlichen Lippen, ließ die Panik schlagartig in mir aufstiegen, aber ich biss die Zähne zusammen und ließ mein Blut weiterhin in Charas Mund laufen.

Und plötzlich spürte ich ein Kribbeln in meiner Hand, das sich rasend schnell zu einem brennenden Schmerz entwickelte, der meinen Arm hinauf schoss.
Überrascht schnappte ich nach Luft, als ich das Gift des Infizierten - Arnicus' Magie - in ihrem Körper erspüren konnte. Mein eigenes Blut griff es an, aber den Kampf spürte ich jetzt im ganzen Körper.

Ein schmerzhaften Zucken und Ziehen war in meinen Muskeln zu spüren, aber die wellenartigen Schmerzsalven waren nichts neues. Leider.

Doch ich war müde. Ich hatte seit Stunden nicht geschlafen, war bis an die Nerven angespannt, da wir noch immer in Allstairs Königreich waren und hatte in den letzen Tagen permanent mit meiner Vergangenheit kämpfen müssen.
Es gab verschiedene Gründe, die meine sonst so unbewegliche Miene ins Wanken brachten, als ich diesen Schmerz erneut durchstehen musste.

Chara unter mir hörte auf sich zu winden, da die Schmerzen jetzt auf mich über gingen und ich die Infektion mit meinem Blut bekämpfte.
Erleichtert sah die Prinhessin zu mir hoch, meine Hand noch immer an ihrem Mund, da bemerkte sie meine verkrampften Züge.
Sie begriff schnell, was passierte war und stieß meine Hand mit ihrem Kopf weg. Anders konnte sie sich auch nicht bewegen, da ich sie mit meinem Körpergewicht festhielt.

Kaum war die Verbindung abgebrochen, hörte der Schmerz auf, aber fast augenblicklich verkrampfte Chara sich wieder und sie stöhnte auf.
Sofort drückte ich ihr meine Schnittwunde wieder an die Lippen.

„Lasst mich Euch helfen", sagte ich leise, „Ich halte den Schmerz aus, Ihr nicht."
Ich stelle die Verbindung wieder her, das Gift des Infizierten stürzte sich sofort wieder auf mich. Automatisch verkrampften sich meine Muskeln, aber mit genügend Konzentration gelang es mir, meine Miene neutral zu halten.

Chara wehrte sich nicht mehr und erschlaffte, als ich sie von den Qualen erlöste. Ihr Atem beruhigte sich.

Ich spürte das Blut in ihrem Körper und wie es auf mich über ging. Mit jeder Sekunde mehrte sich der Pein.
Kurz sammelte ich mich, dann erspürte ich das Gift ganz bewusst und zerrte es förmlich aus Chara raus.
Der Schmerz stieg jetzt schneller an, während ich immer mehr von der Infektion auf mich nahm.
Das hier war Arnicus' Magie, die Allstair sich zu nutze machte. Ein Weg für ihn, Marionetten zu erschaffen, die als Bauern in den Krieg ziehen konnten.

Entschlossen ließ ich den Schmerz in meinen Körper ein.
Das hier war Allstairs Werk und ich würde es genauso vernichten, wie ich es mit den Clanmitgliedern getan hatte.

Als ich die dunkle Magie vollständig aus Chara rausgeholt hatte, ging ich von ihr runter. Siedend heiß schoss es durch jeden Muskel meines Körpers. Ich spürte, wie mein Blut das schwarze zerfetzte. Es fühlte sich an, als würden meine Adern brennen.

Vor Schmerz halb taub entging mir beinahe, wie Chara aufseufzte.
„Danke", flüsterte sie, ehe sie erschöpft einschlief. Das Gift hatte nichtsdestotrotz an ihren Reserven gezerrt, die nach dem Ritual sowieso aufgebraucht waren.

Verkrampft stand ich auf, um meine Wache fortzusetzen. Beinahe wären mir die Beine weggeknickt, aber Allstair hatte mich gut trainiert.

Mein Blickfeld flackerte, aber ich blinzelte dagegen an und richtete meine Augen auf den Wald um uns herum. Die Sonne setzte ihren Weg über den Himmel fort und immer mehr Geräusche erwachten zum Leben, was ein gutes Zeichen war. Bei Infizierten würden alle Waldtiere flüchten.

Verbissen zerstörte ich Arnicus' Magie in meinem Inneren. Noch immer anhaltende Wut machte mich unaufhaltsam, trotz des höllischen Schmerzes.

Ich ballte die Fäuste, als das Brennen kurz Anstieg und wieder abflaute.
Da war so viel Wut in mir. Hauptsächlich auf Allstair, der mich zu der Waffe gemacht hatte, die ich jetzt war. Auch wenn ich mich gerächt hatte und mit einer Spur des Todes hinter mir aus der Burg geflohen war, war ich in keinster Weise besänftigt.
Es juckte mir noch immer in den Fingern Blut zu vergießen.

Aber neben der Wut war auch Trauer. Ich trauerte um all das, was ich durch die Burg verloren hatte.
Mitgefühl, Liebe, Frieden und das kleine Mädchen, das Sterne geliebt hatte und davon träumte, Heilerin zu sein.
Auch wenn ich mich trotz allem nicht als Monster sah, so hatte ich doch ein Stück meiner Menschlichkeit einbüßen müssen.
Eine Kindheit hatte ich nie gehabt. Ich war in eine Welt aus Schmerz und Tod hineingeboren.
Trotzdem bereute ich nicht, wozu ich geworden war. So hatte ich überlebt, dadurch war ich stark.
Was nicht hieß, dass ich mir nicht etwas anderes gewünscht hätte.

Flammender Schmerz holte mich aus meinem Selbstmitleid und ließ mich in die Knie gehen. Keuchend stützte ich mich auf dem Boden ab und ließ den Kopf hängen. Mein blondes Haar fiel mir über die Schulter. Einige Strähnen waren Blutverkurstet, wie so ziemlich alles an mir.

Knurrend attackierte ich das Brennen in mir drin. Noch aggressiver zerfetzte ich das Gift und schaffte es, mich wieder aufzurichten.

Der auffrischende Wind bot kaum Erleichterung gegen die sengende Hitze in meinem Innern, trotzdem hielt ich ihm den Kopf entgegen.

In einer Stunde würde ich die anderen wecken, um weiter zu gehen. Je länger wir an einem Ort blieben, desto gefährlicher wurde es. Vor allem, da wir keine Zeit und Kraft gehabt hatten, um unsere Spuren zu verwischen.

~•~

Der Schmerz setzte mir noch immer zu, als ich sanft an Drystans Schulter rüttelte. Sofort schlug er die Augen auf, Angst in seinem Blick.
Als er mein neutrales Gesicht sah, beruhigte er sich zwar nicht, aber Angst hatte er auch keine mehr.
„Wir müssen weiter", informierte ich ihn. Ob er die Anstrengung in meiner Stimme hörte?

Nickend richtete er sich ächzend auf, also weckte ich Virginia. Während sie ihren Oberkörper hochkämpfte, musterte ich ihr Bein. Der notdürftige Verband war durchgeblutet, würde ich ihn jetzt abnehmen, würde ich die Wunde wieder aufreißen. Es sah nicht gut aus.

„Was hast du mit Chara gemacht?", alarmiert beugte sich Drystan über die Prinzessin. Ihre Augen waren noch immer geschlossen. Auch Virginia riss bei der regungslosen Prinzessin die Augen auf.
Meine Augen verrenkten sich bei seinem Ton.
„Das, wozu Ihr mit Eurer Magie nicht in der Lage gewesen seid. Ich habe ihr geholfen."

Schnell bemerkten die beiden, dass die Prinzessin noch atmete und seufzten erleichtert auf.

Teilnahmslos beobachtete ich die drei. Drystan und Virginia, die sorgenvoll zu Chara rüber sahen.
Zugegeben, verletzte es mich, dass sie als erstes vom schlimmsten ausgingen. Andererseits war das bei meinem Auftritt in der Burg nicht weit hergeholt.

Ich vertrieb das stechende Gefühl, das neben dem ganzen Schmerz sowieso kaum zu spüren war.

Ich überließ es den anderen Chara zu wecken und wandte ihnen den Rücken zu. Nocheinmal glitten meine Augen über die spärlichen Nadelbäume. Es war noch immer frisch. Wir alle froren, aber ein wenig Wärme spendete die Sonne dennoch.

Als wir wenig später alle wieder auf unseren Pferden saßen, holte Drystan zu mir auf.
„Wie hast du sie geheilt?", fragte er und nickte zu Chara, die hinter uns mit Virginia Ritz. Ihre Leibwächterin hielt sie vor sich auf dem Pferd, da die Prinzessin zu schwach war und immer wieder einschlief. Es würde noch eine Weile dauern bis sie wieder wohlauf war.
Das galt für sie alle.

Ich wandte Drystan mein Gesicht zu, dem man den anhaltenden Schmerz hoffentlich nicht ansah.
„Ich habe das getan, was ich auch in der Brug getan habe. Ich habe Arnicus' Magie zerstört."
„Wieso jetzt erst? Sie hätte den Schmerz nicht auf dem ganzen Ritt ertragen müssen."
Mein Griff um die Zügel wurde fester, aber ich sah einfach wieder nach vorne.
„Ich wusste nicht, dass ich das kann."
Drystan schwieg, schien mir aber zu glauben.

Eine Weile ritten wir stumm nebeneinander durch den Wald. Irgendwann kam von dem Prinzen die Frage:
„Was genau ist deine Magie? In Charas Gegenwart spüre ich ein Kribbeln, wenn sie ihre benutzt, aber bei dir nicht."
Schulterzuckend lenkte ich mein Pferd um einen Baumstumpf.
„Ich weiß selbst genauso wenig."

Sein Zögern entging mir nicht, aber dann wollte er wissen:
„Wie lange bist du Allstairs rechte Hand gewesen?"
Mein Nacken verkrampfte sich. Mir gefiel die Richtung nicht, in die das Gespräch gelenkt wurde. Trotzdem erzählte ich ihm wahrheitsgemäß:
„Neunzehn Jahre. Geflohen bin ich erst vor vier Monaten. Vielleicht paar Tage mehr."
Wie ich in die Burg gekommen war, hatte ich ihm schon im Kerker erzählt.
Zwar spürte ich Drystans eisblaue Augen auf mir, aber ich hielt meinen Blick stur nach vorne gerichtet.
Auch wenn ich das Gefühl hatte jeden Moment vor Schmerz vom Pferd zu kippen. Das einzige, was mich weiter gegen das Gift kämpfen ließ, war der Gedanke daran, dass Allstair eine Infizierte weniger hatte, die er kontrollieren konnte. Arnicus eine Seele weniger, die ihn stärken würde.

„Wieso bist du nicht schon früher geflohen? Ich habe ja gesehen, wie du kämpfst. Der König hätte dir nichts entgegenzusetzen. Was hat dich so lange zurück gehalten?"
Ich verzog die Lippen zu einer Linie. Bitterer Geschmack machte sich in meinem Mund breit.
„Angst."
Seine Augenbrauen wanderten überrascht nach oben. „Dich hat die Angst zurück gehalten?"
Ich nickte hart. „Du liegst falsch wenn du sagst, dass der König mir nichts entgegenzusetzen hätte."
Jetzt wandte ich ihm doch mein Gesicht zu.
„Er ist der Dämon, der mich nachts heimsucht. Die Stimme, die meine Klingen führt. Er hat mich geschaffen."
Drystan schluckte bei meinem harten, leeren Ton.

„Allstair ist deswegen der einzige der mir etwas entgegenzusetzen hat."

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