TRAUM(A)SCHULDEN

By Vikkilitschi

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Das Leben von Taehyung und Jimin verläuft in süßer Stagnation. Sie ignorieren das scheiß Leben um sie herum u... More

//VORWORT
+ erst(e) fragen & prolog;;
kapitel o1; servietten beschreiben
kapitel o3, familie haben
kapitel o4; schläge kassieren
kapitel o5; geheimnisse lüften
kapitel o6; anfänge machen
kapitel o7; anstoß finden
kapitel o8; hoffnung kontaktieren
kapitel o9; frühling(s) erwachen
kapitel 1o; fantasie offenbaren
kapitel 11; träumen nachjagen
kapitel 12; risse bekommen
kapitel 13; distanzen beschreiben
kapitel 14; in brand geraten
kapitel 15; aussicht schenken
kapitel 16; verstehen lernen
kapitel 17; ausweg finden
kapitel 18; schießen wollen
kapitel 19; trost finden
kapitel 20; schulden begleichen
kapitel 21; zusammen wachsen
epilog; erst(e) antworten

kapitel o2; nach hause kommen

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By Vikkilitschi

Kapitel 02 - nach hause kommen 

DASS TAEHYUNG SELBST nach einer durchgearbeiteten Nacht immer noch so mühelos attraktiv aussieht, ist schlicht und ergreifend lächerlich. Jimin vermutet den Grund dafür in seinen Locken, die auch nach einer langen und versifften Schicht nichts von ihrer Sprungkraft und Vitalität vermissen lassen.

Jimin möchte sein Gesicht darin vergraben und einfach nur noch einschlafen. Fuck. Er ist so fertig. Die sieben Uhr Ablöse hat es natürlich nicht pünktlich geschafft. Warum denn schon? Ist ja nicht so, als würde Jimin nach einer ohnehin schon acht Stunden langen Nachtschicht irgendwann in sein Bett fallen wollen. Quatsch. Machen wir also aus den acht Stunden lockere zehn und kommen erst um 09.00 Uhr. Kein Problem. Zumindest für seine Kollegin.

Immerhin hat Jimin für solche Fälle den besten Mann der Welt, der insgesamt noch ganze fucking drei Stunden im Café auf ihn gewartet hat, nur damit sie zusammen nach Hause gehen können. Und er hat den noch besseren Mann der Welt, weil Taehyung ab 07:00 Uhr hinter der Theke ausgeholfen hat, als der Andrang zu groß wurde und Jimin müdigkeitsbedingt kaum noch genug Kraft hatte, um mit den Bestellungen fertigzuwerden. Fuck that shit. Jimin würde Taehyung heiraten, wenn er könnte. Stattdessen hat er seinem Mann (denn das ist er, scheiß doch mal auf die offiziellen Dokumente) einen Muffin geschenkt (und aus der eigenen Tasche bezahlt, damit Seokjin später keinen Grund hat im Dreieck zu springen).

„Ich will nur noch schlafen", lamentiert Jimin großzügig, endlich auf dem Weg nach Hause und stützt sich mehr auf Taehyung ab, als er tatsächlich selbst geht.

„Gleich geschafft, Chip. Nur noch einhundert Meter - ...", will ihn sein Freund ermuntern, wird aber gleich unterbrochen.

„Einhundert Meter? Wenn du das wirklich glaubst, bist du in dieser Welt vollkommen verloren", erfolgt der sofortige Einspruch.

„Einhundert Meter – CIRCA. Du musst mich erst aussprechen lassen", kontert Taehyung frech und streicht Jimin seinerseits eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Außerdem wär' ich das bestimmt. Verloren in dieser Welt – ohne dich."
Das tut Taehyung immer. Die kitschigsten Plattitüden überhaupt raushauen und dabei einen ernsten Gesichtsausdruck bewahren. Zu Beginn ihrer Beziehung hat sich Jimin nichts anderes als verarscht davon gefühlt. Die raue Umgebung Daegus hatte bis dato kaum Platz gehabt für weiche Worte. Taehyungs Anwesenheit hat alles gekippt, aus hart sanft gemacht, aus Gestank Lavendelduft und aus Jimins innerer Affinität zu Misstrauen das Konzept Vertrauen neu geschrieben.

Das Paar bleibt kurz stehen, damit sie sich einen tiefen Blick schenken können. Der darauffolgende Kuss ist nur kurz, aber dass sie es überhaupt machen, ist auf öffentlicher Straße schon Affront genug.

Sie trauen es sich nur, weil sie in Dalseo-gu exklusive Sonderrechte besitzen. Der Vorteil davon, wenn man so schön wie Jimin ist und so gut vernetzt wie Taehyung. Dass sie hier aufgewachsen sind und jeder sie kennt, seit sie kleine Kinder waren, ist der Sache sicherlich nicht hinderlich gewesen. Schließlich hat man mit ihnen gemeinsam gespielt und sie aufwachsen gesehen. Taehyung hat in seinen jüngeren Jahren viel Scheiße gebaut und die hiesigen Strukturen zur Not auch mit Straftaten unterstützt. Er hat bewiesen, dass er einer von ihnen ist. Und wenn irgendein fake-moralisches Konzept in ihrem Block hochgehalten wird, dann ist es wohl der Anschein von Loyalität.

Ihre Zugehörigkeit in dieses Viertel ist organisch. Man kann sie nicht einfach rausschneiden und entfernen, ohne dass ein Teil fehlen würde.

Trotzdem ist die Gesamtkonstellation nichts anderes als ein fucking, unverschämtes Glück. Glück, dass Jimin so schön ist, dass mindestens die Hälfte (vielleicht auch die ganze) Nachbarschaft zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben mal in Jimin verknallt war. Glück, dass Taehyung einer von ihnen war und sich schon mehrfach behauptet hatte. Glück, dass das alles passiert ist, bevor das Paar zueinander gefunden hat.
Deswegen haben sie es wohl erstaunlich tolerant hingenommen, dass es Taehyung nicht anders erging, er sich in den liebreizenden Jimin verliebte, und ihn insgeheim wohl darum beneideten, dass Jimin ausgerechnet die Gefühle von Taehyung erwiderte.

Die Toleranz ihres Viertels ging so weit, dass sie zumindest nicht auf offener Straße bedroht, bespuckt oder verprügelt wurden. Klingt vielleicht nach wenig, aber ehrlich gesagt ist es schon sowas wie ein kleines Wunder. Jimin und Taehyung sind sich wohl bewusst darüber, dass so viele Freiheiten, wie sie sie haben, kaum einem anderen homosexuellen Paar in Daegu zustehen.
Trotzdem sind sie in den ersten Monaten nach ihrem unfreiwilligen Outing immer nach Hause geschlichen, jedes Mal in der felsenfesten Erwartung, dass hinter der nächsten Ecke doch Gewalttaten voller Hass auf sie warten. Es waren diese Zeiten, in denen sie sich angewöhnt haben, den Heimweg gemeinsam anzutreten, damit sie sich im Ernstfall gegenseitig beschützen können. Oder zumindest (und das ist leider viel wahrscheinlicher, denn weder Taehyung noch Jimin sind große Kämpfer) das Leid gemeinsam ertragen können.

„Ey, ihr Turteltauben!", ertönt eine raue Stimme, die das Liebespaar erschreckt und mit klopfenden Herzen voller Adrenalin auseinandertreibt. Die Stimme ist streng, aber nicht voller Abscheu, und außerdem bekannt. Jimin beruhigt sich augenblicklich, als er den Besitzer an der gegenüberliegenden Hauswand ausmachen kann.

Wonho, mit bürgerlichen Namen auch Lee Hoseok, wirft ihnen einen auffordernden Blick zu. Eine euphemistische Zigarette (sprich, ein Joint) klemmt zwischen seinen Lippen und er scheint auf etwas zu warten. Obwohl sich das Paar sicher ist, dass mit seiner abwartenden Haltung nicht primär sie angesprochen sind, beeilen sie sich trotzdem die wenigen Meter bis zu Wonho in eiligen Schritten zu überbrücken.

„Übertreibt's nicht", zischt Wonho streng, sobald sie vor ihm zum Stehen kommen und wirft den beiden Verliebten einen tadelnden Blick zu, der hinter all' der Ernsthaftigkeit auch einiges an Nachsicht erkennen lässt. Hinter seiner taffen Fassade und den zentnerschweren Muskeln steckt ein butterweicher Kern. Und allen Göttern sei gedankt, dass der allerweichste Spot davon für Park Jimin reserviert ist.

„Hände bleiben oberhalb der Gürtellinie", deklariert Taehyung schneller und eloquenter, als Jimin es in diesem Zustand noch könnte. Zum Beweis für seine Aussage hebt sein Freund beide Hände nach oben und zeigt sein breitestes Versöhnungsgrinsen.
Wohingegen Taehyung immer auf lockere Sprüche und Spaß setzt, um den großen Riesen Wonho zu besänftigen, greift Jimin stets etwas tiefer in die Trickkiste.
Das bekomm ich auch noch hin, denkt er, setzt sein verführerischstes Lächeln auf, bei dem er sich leicht auf die volle Unterlippe beißt und hebt ebenfalls ergeben beide Hände nach oben.

„Hallo Wohno~", haucht er beinahe, gerade laut genug, dass die Worte leichtfüßig über die Straße geweht werden können und sich süß wie Honig in den Gehörgängen seines Gegenübers festsetzen. „Wie schön dich zu sehen."

Jimin tritt sogar noch einen Schritt näher, weg von Taehyung, aber so, dass er und Wonho sich genau gegenüberstehen und in die Augen blicken können. Seine erhobenen Hände lässt er auf eine Art sinken, dass sie vorsichtig und kaum bemerkbar an Wonhos Oberarmmuskulatur entlang streichen. Es kreiert eindrucksvoll die Illusion, dass nur noch sie beide in diesem Augenblick für Jimin existieren und der Hüne fiel schon immer leicht für diese Art von Schmeichelei. Ein kurzer Blick von Jimin streift zu dem Joint in Wonhos Hand. Taehyung hat ihn sicher auch schon auf den ersten Blick bemerkt, aber keiner von ihnen kommentiert die prominente Zurschaustellung von Drogenkonsum auf offener Straße.

„Taehyung. Jimin", grüßt der Angesprochene knapp, jeweils mit einem kurzen Kopfnicken versehen. „Lange Schicht heute?"

„Frag' nicht", antwortet Jimin, diesmal mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme und übernimmt die Führung in der Unterhaltung ganz natürlich. Seine Tonlage bleibt weiter silbrig-süß, seidenweich und verspielt. „Irgendwann habe ich diese Jissoo, meine neue Kollegin, umgebracht, wenn Seokjin-ssi sie nicht bald endlich rausschmeißt. Die Frau ist eine KATASTROPHE. Heute kam sie zwei Stunden zu spät – ZWEI. Ich wär' beinah durchgedreht." Jimin fasst sich bei seinen ausufernden Erklärungen an sein Herz, als würde er das vor Ärger rasende Organ beruhigen wollen, und stellt dabei sicher, dass der Ausschnitt seines T-Shirts so verrutscht, dass seine Schlüsselbeine freigelegt werden. Mit Genugtuung bemerkt er, dass Wonho auf seinen Köder anspringt und die freien Stellen mit einem hungrigen Funkeln in den Augen begutachtet.

„Keine Verbrechen, ohne sie vorher mit mir abzusprechen", antwortet der Hüne lapidar und abgelenkt. Als wären Verbrechen in Ordnung, solange er sie nur absegnet. Sein Gesichtsausdruck verzieht dabei keinen Muskel. Er wirkt immer ein bisschen so, als hätte er gerade ein Eisbad genommen und die Kälte hätte seine Gesichtsmuskeln zum Einfrieren gebracht. Seine Augen sind der einzige Punkt, aus dem Emotionen abzulesen sind. Man gewöhnt sich an den Anblick.

„Würde ich nie wagen", zwinkert Jimin wortwörtlich zurück.

Wenn ihr Gegenüber zu ausdrucksstärkeren Reaktionen fähig wäre, würde er jetzt sicher rot anlaufen. So nimmt er nur einen weiteren Zug von seinem Joint, um den Moment zu übergehen.

„Und jetzt auf dem Weg nach Hause?", erkundigt er sich höflicherweise, obwohl die Antwort klar ist.

Taehyung ergreift die Chance, um sich noch einmal in das Gespräch einzumischen.

„Aye, Boss. Den wohlverdienten Schlaf der Gerechten zelebrieren!", erwidert er enthusiastisch. „Und du? Schon wieder auf Patrouille?"

Wonho nickt ernst. Das eben noch eindeutige interessierte Glimmen in den Augen ist in einem Wimpernschlag vollständig verschwunden.
„Ja", antwortet er einsilbig und sowohl Jimin als auch Taehyung ist klar, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein muss. Aber sie wissen auch, dass sie nicht berechtigt dazu sind, mehr darüber zu erfahren.

„Irgendwas, worüber wir uns Sorgen machen müssen?", erkundigt sich Taehyung deswegen nur vage und atmet erleichtert aus, als Wonho mit dem Kopf schüttelt.

„Wir haben alles unter Kontrolle", deklariert er und macht klar, dass die Unterhaltung damit beendet ist.

Jimin wirft ihm ein abschließendes Lächeln zu, beißt sich noch einmal verlegen auf die Unterlippe und deutet eine leichte Verbeugung an. „Wir wissen, dass wir uns auf dich verlassen können", sagt er und meint es ernst.

Ohne Wonho, den Verantwortlichen für die Strukturen in ihrem Bezirk, hätten er und Taehyung es deutlich schwerer in Dalseo-gu. Denn Wonho ist ein Kkangpae, zugehörig dem Clan der Jo-Pok Pa, und führt in ihrem Viertel die Vorherrschaft.

„Sag Bescheid, wenn wir etwas tun können", ergänzt Taehyung. Auch wenn er nicht mehr in die Aktivitäten der Kkangpae verwickelt ist, schulden sie beide Wonho mehr als nur einen riesigen Gefallen. Dann verneigt sich auch Taehyung knapp und sie beeilen sich, den Weg nach Hause möglichst ohne weitere Unterbrechungen fortzusetzen.

Das Leben in ihrem Viertel ist nicht leicht, aber immerhin gibt es Menschen, die es leichter machen. Jimin ist wirklich dankbar dafür. Es ist in Ordnung, dass er sich für die wachende Hand, die Wonho über die beiden hält, billig anbiedern und dauerhaft im Flirtmodus befinden muss. Es ist ein geringer Preis und er ist bereit ihn zu bezahlen. Für ein gemeinsames Leben mit Taehyung, kein gutes, aber immerhin ganz okay. Er ist mehr, als er zu hoffen gewagt hat. Taehyung ist mehr, als er je zu hoffen gewagt hat.

Zuhause crashen beide beinahe sofort ins Bett. Der kleine Abstecher ins Bad ist nicht der Rede wert und dient wirklich nur der kleinsten Katzenwäsche. Jimin pennt beim Zähneputzen quasi ein und nur Taehyungs Anstoß an der Schulter animiert ihm zum Weitermachen.

Kaum in der Waagerechten angekommen, dauert es keine zehn Sekunden bis Jimin einschläft. Den Kopf selbstverständlich in Taehyungs Locken vergraben, mit den Gedanken jedoch noch auf der Papierserviette aus dem Café. Eine einzige war es und ist es geblieben. Das Phantom hat nur eine beschreiben. Die Worte haben sich in seine Retina eingebrannt. Er murmelt sie, bevor er einschläft. Es ist vom Schlaf schon zu verwaschen, als dass man die Worte noch verstehen könnte...

⊱ ────── ⋅❅⋅ ───── ⊰

In ihrer Wohnung gibt es keinen Wecker. Der einzige Vorteil davon, wenn man überwiegend nachts arbeitet. Es ist scheißegal, wann du von der Sonne geweckt wird. Oder vom Lärm deiner Nachbarn, was in diesem Wohnblock, mit den Wänden aus Papier, wohl doch wesentlich häufiger vorkommt. Ohnehin bräuchte man für Sonneneinfall sowas wie ordentliche Fenster, die vielleicht nicht die Fassade des Nebengebäudes abbilden oder auf der anderen Seite von einer schweren, robusten Feuerleiter beinah vollständig verdeckt werden.

Nun, was sollen sie sagen? Bei ihrem Einkommen mussten sie bei der Wohnungsauswahl nun mal einige Kompromisse eingehen. Ein schöner Ausblick war dabei in die Kategorie nope, leider nein, leider gar nicht gerutscht. Fließendes Wasser und eine funktionierende Heizung standen dafür ganz oben auf der Wishlist. Dicht gefolgt von einer eigenen Küchenzeile (falls man das Ding bei ihnen Zuhause denn so nennen kann) und (im ärgsten Wunschgedanken notiert) zwei Zimmern.

Natürlich war es Wonho zu verdanken, dass sie die Zwei-Zimmer-Wohnung tatsächlich bekommen haben – zu einem bezahlbaren Preis. Und dabei sprechen sie nicht von der Miete, die in der heruntergekommenen Gegend nämlich echt nicht besonders hoch ist oder zumindest nicht zu hoch. Ein bezahlbarer Rahmen halt. Was richtig reinhaut, sind die Schutzgeldzahlungen, quasi Miete hoch zwei. Herzlichen Glückwunsch, aber sowas zockt dich halt einfach ab. Je schöner die Wohnung ist, desto höher ist das Schutzgeld, dass du für sie bezahlen musst. Schließlich haben die Kkangpae dann mehr Arbeit damit, die bösen Ganoven (also die anderen Kkangpaes) von deinem schönen Eigenheim fernzuhalten. Und Mehrarbeit kostet nun mal.

Sich dem Schutzgeld zu entziehen, ist sowas wie ein Kapitalverbrechen. Dass die Jo-Pok Pa auf dich aufpasst, ob du willst oder nicht, ist sowas wie das ungeschriebene Gesetz in ihrer Gegend. Oder vielleicht ist es sogar irgendwo niedergeschrieben. Jimin würde das an dieser Stelle auch nicht mehr verwundern. Die Kkangpae leben ihr eigenes Gesetz. Wer weiß, ob nicht doch irgendwo im innersten Kreis ein niedergeschriebenes Exemplar davon existiert, bei dem im Bedarfsfall nachlesen kann (als würde der Bedarfsfall nicht einfach mit Fäusten geklärt werden können). Wenn du dich den Zahlungen verweigerst, bemerkst du recht schnell, was die Umstände sind, vor denen du bisher beschützt wurdest. Plötzlich lauern dann an jeder Ecke ein paar Schläger auf dich und Diebe brechen in deine Wohnung ein, die zwar nichts entwenden, aber dafür ihrer Verstörungswut freien Lauf lassen. Kein Scheiß. Mit dem Schutzgeld bezahlst du vielleicht offiziell für ein friedliches Wohnen, aber eigentlich bezahlst du für ein unbehelligtes Leben. Keiner hier entzieht sich den Zahlungen. Wie gesagt, Jimin und Taehyung sind damit aufgewachsen. Sie kennen es nicht anders und irgendwann gewöhnt man sich auch an das größte Unrecht.

Immerhin sind die Schutzgelder in ihrem Wohnblock noch akkurat. Oder zumindest sind es die Zahlungen, die Taehyung und Jimin leisten müssen. Sie haben keine Ahnung, was ihre Nachbarn monatlich blechen müssen. Wahrscheinlich unwesentlich mehr, weil ihr Gesicht nicht so hübsch ist wie das von Park Jimin. Sie sind schon lange über das Stadium hinweg, sich deswegen schlecht zu fühlen. Zumindest verkauft Jimin nur sein verführerisches Grinsen und seinen sündigen Augenaufschlag und nicht gleich seinen ganzen Körper. Ernsthaft. Es hätte sie schlimmer treffen können.

Heute muss es etwa 16 Uhr sein, als es so laut in der gegenüberliegenden Wohnung poltert, dass Jimin langsam aus seinem komaähnlichen Schlaf erwacht. Er kann das Geräusch nicht zuordnen, aber ehrlich, eigentlich ist es auch scheißegal. Selbst wenn gerade jemand nebenan erschossen wurde, ist es nicht an ihm, darüber zu urteilen. Er hat kein Recht sich einzumischen, also tut er es auch nicht.

Taehyung neben ihm ist schon wach. Er hat sich große Overear-Kopfhörer übergezogen, hat den Fernseher angemacht und spielt irgendeines dieser Ballerspiele, deren Sinn Jimin wohl nie verstehen wird. Er schaut seinem Freund eine Weile beim Zocken zu ohne sich bemerkbar zu machen. Es ist zu lustig, wie Taehyung mit stummen Lippenbewegungen flucht, um Rücksicht zu nehmen. Seine ganze Körperhaltung und Gestik drücken jedoch seine vollste Empörung aus – wahrscheinlich wegen dem Gegner? Dem Bildschirm schenkt Jimin keine Beachtung, vertieft in den Anblick seines persönlichen Stummfilms.

„Dreckiger Cheater", platzt es nach einigen Minuten willkürlich aus Jimin hervor, als die Figur, die er zwischenzeitlich als Taehyungs identifiziert hat, erschossen wird. „Das ist doch nicht sein Ernst? WO IST DER BITTE GERADE HERGEKOMMEN?"

„ALTER", erschreckt sich Taehyung noch mehr als vor dem Schuss, der seine Spielfigur gekillt hat, aber fängt sich gleich darauf wieder in wilden Rachefantasien, „JA! Scheiß CHEATER! Wart' ab, bis ich im Respawn bin... dich krieg' ich gleich..." Nachfolgend zieht er sich beiläufig die Kopfhörer von einem Ohr, damit er die Geräusche im Spiel sowie seinen Freund hören kann.

„Hast du ihn denn gesehen? Weißt du, wer's war?"

„Klar... Dieser miese Jintendo1992. Der geht mir schon die ganze Zeit auf'n Sack, aber genug ist genug. Hab' gedacht, ich verschon' ihn, weil sein Rang noch nicht so hoch ist, aber ab jetzt herrscht keine Gnade mehr für Noobs."

„Genau!", stimmt ihm Jimin enthusiastisch zu und wiederholt dann die Parole, „keine Gnade für Noobs! Hol' ihn dir, Chap!"

„Suche nach Zielobjekt startet...", murmelt Taehyung konzentriert vor sich hin und beißt sich dabei auf die Unterlippe. Jimin ist mittlerweile auch so gefangen von dem Geschehen, dass er sich auf den Unterarmen abgestützt hat, um den Bildschirm besser sehen zu können. Die Bettdecke ist dabei von seinen nackten Schultern gerutscht.

„Seit wann bist du wach, Chip?"

„Ein paar Minuten nur... und du?"

„Weiß nicht... wie viel Uhr haben wir?"

„Mhm... Kurz nach vier", antwortet Jimin nach einem kurzen Blick auf die Uhr.

„Dann 'ne Stunde vielleicht... Hab' gleich mit Fortnite angefangen. Hab' ich dich geweckt?"

„Nein, die Nachbarn oder so... Aber ist eh egal, ist spät genug mittlerweile."

„Ja, sollen wir vielleicht gleich mal was ess- HA – Ziel lokalisiert! Hab' ich dich, ARSCHLOCH!" Jetzt, wo Jimin nicht mehr schläft, besteht für Taehyung kein Grund mehr sich bezüglich der Lautstärke zurückzuhalten. Seine Empörung schreit er mit vollen achtzig Dezibel durch den Raum.

Seine Spielfigur sprintet gerade über mehr oder weniger freies Feld, hin zu einem verlassenen Bauernhaus.

„DU HAST KEINE DECKUNG", schreit Jimin erschrocken.

„ICH BRAUCH AUCH KEINE DECKUNG", schreit Taehyung zurück.

„ABER WAS IST, WENN-", will Jimin gerade ausführen, als schon der nächste Schuss ertönt, haarscharf an Taehyung vorbei und sein Partner ein Haken nach dem anderen schlägt, um kein leichtes Angriffsziel zu sein.
„ZU KNAPP", deklariert Jimin, ebenfalls zu aufgeregt, um seine Stimmlage noch im Zaum zu halten.

„NICHT KNAPP GENUG! HAB' ICH DICH GLEICH... KOMM HER, JINTENDO, DADDY WARTET SCHON AUF DICH!"

„Daddy?!"

„OHJA UND HEUTE GEHT ES NICHT ZUM CANDY SHOP FÜR DICH, DENN DU WARST NICHT BRAV!"

Die Spielfigur bricht durch die Haustür. Taehyung scheint den Gegner bereits ausgemacht zu haben, denn er hält sich nicht mit dem Erdgeschoss auf, sondern nimmt direkt die Treppe nach oben. Da er bereits eben einige Warnschüsse abgegeben hat, nutzt er die Zeit im Treppenhaus zum Nachladen. Dabei wechselt er vom Fernschussgewehr zur Nahkampfwaffe. Etwas, dass was wie eine etwas größere Pistole aussieht, aber in einer schnellen Reihenfolge Schüsse abgegeben kann. Taehyung wirkt siegessicher, als er sich an eine halbangelehnte Tür heranschleicht und mit einer flüssigen Handbewegung eine Handgranate durch den offenen Türborgen rollen lässt.

Im gleichen Moment nimmt seine Figur an Geschwindigkeit auf, läuft den Flur weiter entlang bis zum nächsten Zimmer, stößt die Tür auf, schießt ein paar Mal wild um sich und springt schließlich durch das geschlossene Fenster, während er über die Schulter eine weitere Handgranate wirft.

Das Gebäude beginnt um die Spielfigur herum zu explodieren, während diese noch im vollen Flug ist. Taehyung drückt hektisch einige Knöpfe, zischt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und aktiviert eine Art Schutzschild um seinen Charakter.

„UND JETZT, DU HURENSOHN? WAS WILLST DU TUN??", brüllt er und Jimin ist so überfordert von dem Geschehen, dass er kaum noch etwas dazu kommentieren kann.

„Hast du ihn erwischt?", fragt er atemlos. Im gleichen Moment erscheint auf dem Bildschirm eine Anzeige:

Jintendo1992 ELIMINATED

Taetality WINS

„JA MAN!", antwortet Taehyung trotzdem.

„Sehr gut, du Pro-Gamer", lobt ihn sein Freund und beobachtet, wie Taehyung die letzten Gewinne einsammelt, sein Konto und seinen Charakter überprüft und schließlich zurück ins Menü wechselt, um sich auszuloggen. Zeitgleich streift er sich die Kopfhörer nun auch vollständig vom Kopf und wendet sich mit seinem Oberkörper zurück in Richtung Bett.

Jimin hat sich zurück auf den Rücken gedreht. Die Bettdecke ist mittlerweile bis zu seiner Hüfte verrutscht und entblößt seine seidenweiche Haut und seine durchtrainierten Bauchmuskeln.

„Daddy, also?", grinst er vergnügt und wirft Taehyung ungeniert einen tiefen Blick zu.

„Jaa... das ist mir im Eifer des Gefechts so rausgerutscht... sorry?", antwortet sein Gegenüber und wirkt eindeutig beschämt. Die rote Farbe auf seinen Wangen verrät seine Scham, auch wenn das Grinsen auf seinen Lippen ungebeugt frech ist.

„Und Daddy", schnurrt Jimin nun beinahe und beginnt sich aufreizend auf dem weißen Bettlaken zu räkeln, „war ich ein braver Junge? Bringst du mich vielleicht zum Candy Shop?"

„Dein Ernst?", erkundigt sich Taehyung etwas überfordert mit dem plötzlichen Stimmungswechsel zwischen ihnen.

Jimin zuckt nur mit den Schultern. „Warum nicht?", lächelt er einladend und schiebt die Bettdecke nun bewusst noch ein Stück weiter nach unten. Seine Boxershorts ist bereits mit dem Daumen verhakt, damit sie ebenfalls den freien Blick auf die Haut darunter nicht versperren kann. „Ich könnte zumindest noch eine Weile auf das Frühstück verzichten..."

Die Augen seines Partners verfolgen jede der Bewegungen minutiös.
„Frühstück? Was ist das?", erwidert Taehyung beiläufig, während er sich das weite T-Shirt über den Kopf zieht.

„Willkommen im Candy Shop", geht Taehyung auf das Spiel ein. „Do you want to lick my lollipop?", fragt er danach und schafft es wieder, den höchstlächerlichsten Aussagen eine eigene Art der Ernsthaftigkeit zu verleihen. Sein Raubtierblick trägt einiges dazu bei. Er betrachtet Jimin als wäre er seine Beute und er bereit für die Jagd. Jimin verglüht unter dem Anblickt, froh darüber, dass seine Kleidung schon den Weg fort seinem Körper gefunden hat und er öffnet die Lippen nur gerade so weit, dass seine Antwort mit einem Hauchen hindurch getragen werden kann: „Ja bitte gib' ihn mir, Daddy." 

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