Nemesis - Blut und Schwerter

By veracrystall31

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>>Stellt keine Fragen, für deren Antwort Ihr nicht bereit seid.<< Nemesis sucht in dem magischen Land Koranée... More

Prolog
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Info
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Epilog
Info zur Fortsetzung

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By veracrystall31

Noch ehe ich etwas zu den eindringlichen Worten meines Ebenbilds sagen konnte, riss mich eine unsichtbare Kraft nach hinten.
Zu meiner Überraschung landete ich weich.

Verwundert stützte ich mich auf. Ich lag auf einem Bett.
Mein Verstand raste noch immer, mein ganzer Körper war angespannt und ich hatte das ganze Blut der mir dargebotenen Szenen vor Augen. Mir war, als schmecke ich seinen metallischen Geschmack noch immer auf der Zunge.

Als ich beim Aufstehen das Zimmer in Augenschein nahm, erstarrte ich augenblicklich.
Das war Allstairs Zimmer.

Ich sprang vom Bett auf, als hätte ich mich verbrannt und hastete zur Holztür. Verzweifelt rüttelte ich an dem Griff, aber sie war verschlossen.
„Nein. Nein, nein, nein."

Ein leises Lachen ertönte hinter mir und ich fuhr herum. Der König stand oberkörperfrei vor mir, wodurch ich seine blassen Narben auf dem geformten Körper erkennen konnte. Narben von Kämpfen, nicht Zeichen qualvoller Folter, wie meine.

Ich bekam keine Luft mehr, als er eine Hand neben meinem Kopf an der Tür abstützte. Dabei kam sein Gesicht näher.
Zu nah.

Ich drückte mich so fest gegen die Tür, wie es ging, aber ich konnte keinen Abstand gewinnen. Am liebsten wäre ich in das Holz eingeschmolzen.
Sofort schoben sich Bilder vor meine Augen und ich spürte Hände über meine Haut wandern. Lippen über meine streichen und raue Stimmen an meinem Ohr.

Allstairs Augen funkelten begierig als er ruckartig seinen Mund auf meinen presste und sein Körpergewicht benutzte, um mich gegen die Tür zu pressen.
Mir wurde bei dem besitzergreifenden Kuss augenblicklich schlecht. Ich wollte schreien, ihn kratzen, ihn töten. Nur wusste ich aus gescheiterten Versuchen, dass es nur in noch mehr Qual endete. Egal, was ich tat. Ob ich schrie, bettelte oder gefügig war, er würde nicht aufhören, bis ihm die Lust vergangen war.

Alles in mir schrie und wollte sich wehren, aber meine Glieder gehorchten mir nicht. Ich konnte sie nicht bewegen! Ob es die Wirkung dieses seltsamen Traumes war oder meine blanke Panik, vermochte ich nicht zu sagen. In meinem Kopf herrschte sowieso eine Blockade, sodass mir sämtliche Selbstverteidigungstechniken entfielen.

Allstairs Hände glitten über meine Hüfte runter zu meinem Hintern und hoch zu meiner Brust. Durch den Ganzkörperanzug spürte ich jede Bewegung seiner kalten Finger. Als ich mich sichtlich versteifte, mich aber nach wie vor nicht regen konnte, lachte der König leise an meinen Lippen, ehe er sie runter wandern ließ zu meinem Hals.

Jetzt riss er mich herum und schob mich in Richtung Bett. Panisch sah ich über die Schulter, da packte er mein Kinn, um es zu einem weiteren Kuss herum zu reißen.
Zwischen zwei Atemzügen konnte ich mich losreißen.
„Nein!"

Doch genau dann verschwamm das Bild. Nach dem nächsten Blinzeln lag ich erneut in dem Bett. Über mir ein zerknittertes Laken und vom Allstair keine Spur.

Mit keuchenden Atem richtete ich meine Oberkörper auf. Dabei rutschte die Decke runter und ich bemerkte, dass ich nackt war. Diese Bild war so vertraut, dass die Erkenntnis wie ein Blitz in mich einschlug.
„Nein", flüsterte ich diesmal. Mit zitternde Gliedern stand ich auf und trat von dem Bett zurück.
Sobald ich stand zuckte ich zusammen. Die Stelle zwischen meinen Beinen brannte.
Langsam richteten sich meine Augen auf das Laken, wo ein kleiner Fleck Blut zu sehen war.

Noch ehe ich die Augen schließen konnte, hatte mich die Erinnerung eingeholt. Ich war achtzehn gewesen, das Geschehene also noch frisch. Zwar hatte er mich schon vorher berührt, aber er war nie so weit gegangen. Bis in jener Nacht.
Meine Handschuhe hatte ich schon vorher getragen, um das Gefühl von Haut auf Haut nicht ertragen zu müssen, aber nach dieser Nacht verfiel ich in regelrechte Panik, wenn ich sie ablegte.

Mein Brustkorb schnürte sich zu, als alle Empfindungen, die ich sorgsam unterdrückte hochkamen und ihre Messer in mich gruben. Mir brachen die Beine weg und ich sank schluchzend auf die Knie.

Ich bemerkte gar nicht, das sich meine Umgebung erneut gewechselt hatte, bis mir jemand mit den Stiefel gegen die Rippen stieß. Schwach sah ich auf.
Über mir stand die erste Version, der ich gegenüber gestanden hatte. Sie war noch immer mit Blut besudelt von den vielen Menschen, die sie in diesem Dorf getötet hatte.

Es war nicht nur dieses Dorf gewesen.

„Hör auf zu flennen", fauchte sie und riss mich am Arm auf die Füße, „Gefühle sind für Schwächlinge."
„Ich kann sie nicht aufhalten", flüsterte ich.

Vor meinem inneren Auge zuckten die vielen Gräueltaten vorbei die ich in seinem Namen getan hatte. Dicht gefolgt von allem, was er mir angetan hatte.
Ich hatte immer nach seinem Befehl gehandelt. Dort wo er hingedeutet hatte, war ich hingesprungen. Immer.
Allstair führte mich, wie wahr.

Ich hatte Dörfer vernichtet, fremde Soldaten abgeschlachtet, Landsleute gehängt, geköpft, gefoltert. Ich hatte ihm meinen Körper geben, in seinem Auftrag Männer verführt und wenn gewünscht, sie noch im Bett umsorgt. Ich hatte spioniert, gelogen, betrogen.

Mir war egal gewesen, wie unsagbar falsch das Foltern und Töten war. Es ging mir immer nur darum, mich selbst am Leben zu erhalten. Nicht zu zerbrechen.

„Sieh dem Monster ins Gesicht", sagte das blutbesudelte Ebenbild vor mir. Von hinten legte sich eine Hand auf meine Schulter und als ich müde den Kopf drehte, hob das achtzehnjährige Ich vom Schlachtfeld mein Kinn an. „Wir töten", sagte es, das Blut noch immer im Gesicht, „Ohne zu zögern.Wir schauen nicht zurück."
Die Version aus den Dorf stimmte mit einem knappen Nicken zu. „Wir bringen Tod, damit er uns nicht holt."
Innerlich war ich zu ausgelaugt, um etwas zu sagen, da verschwanden die beiden Ichs bereits und das Letzte aus dem Graben tauchte vor mir auf. Mit vierzehn war ich noch einen ganzen Kopf kleiner gewesen, sodass das Ich zu mir hochschauen musste. Das machte seinen Gesichtsaudruck aber nicht weniger intensiv, als sie beide Hände auf meine Schultern legte.

„Du bist nichts anderes als eine Waffe. Du bist scharf, kalt und unausweichlich. Eine Waffe und mehr nicht."

Wieder wurde ich nach hinten gerissen und kalter Stein bohrte sich in meinen Rücken. Ich hatte nicht die Kraft, mich aufzurichten, auch wenn ich über mir die Decke des Thronsaals ausmachen konnte.

„Die erste Lektion?" Die Stiefel des Königs traten in mein Sichtfeld.
Mit dünner Stimme antwortete ich: „Ich bin nichts."
„Die zweite?"
„Liebe macht schwach."
Ich hörte die Zufriedenheit in seiner Stimme. „Und was habe ich dir noch eingeschärft?"
„Ich gehöre Euch" Es kam monoton aus meinem Mund. Tief ins Fleisch eingeritzte Worte, die mich niemals losließen.

Allstairs Stiefel entfernten sich und ich hörte, wie er sich wieder auf den Thron setzte.
„Bringt sie in die Zelle", sagte er in den Raum. Sofort waren zwei Soldaten bei mir und zerrten mich unsanft auf die Beine. Mit noch etwas weichen Knien, schaffte ich es trotzdem selbst zu laufen.

Mit starrem Blick lief ich durch die vertrauten Gänge. Der Stein und die Luft waren noch immer so kalt, wie ich sie in Erinnerung hatte. Die Gesichter, die mir entgegenkamen ebenfalls. Von den in regelmäßigen Abständen postierten Soldaten, kannte ich die meisten. Allerdings waren auch neue unter ihnen.
Den Weg in de Kerker kannte ich. Als ich die Treppe runter geführt wurde, musste ich schlucken. Wie oft hatte ich hier schon jemanden in seiner Zelle gefoltert?
Dich führt der König allein.
Nur auf seinem Befehl natürlich. Ohne Wiederstand und ohne Meinung. Ich hatte die Worte von Allstair in diesen Momenten nicht mal hinterfragt. Mir war es immer nur um mich gegangen. Mein Überleben zu sichern.
Und wenn ein anderer dafür litt, dann war es eben so.

Rechts und links zogen Gitter an mir vorbei. Der Kerker waren eng, muffig und kalt. Es stank nach Urin, auch wenn nur wenige Insassen hier waren.
Die meisten lebten nicht lange.

Beleuchtet wurde der Kerker nur spärlich von einigen Fackeln. Fenster gab es nicht, aber dafür Ratten.

Wir kamen an der Zelle von Drystan, Chara und Virginia vorbei. Sofort stand Drytsan auf und packte die Gitterstäbe.
„Nemesis!"
Aber ich hörte ihn kaum. Zu tief war ich in einen Sturm an Gefühlen versunken, die noch immer ihre Nadeln in mein Herz bohrten. Mir war, als hätte Allstair meine über Jahre sorgsam verschlossenen Türen aufgerissen, sodass mich die unterdrückten Emotionen einfach überrennen konnten.

Einer der Soldaten, die mich eskortierten, stieß mich in eine Zelle rein. In Gedanken noch auf dem Schlachtfeld, stolperte ich und fiel. Mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen, konnte ich mich nicht abfangen, sodass ich unangenehm auf die Seite fiel. Rauer Stein schrammte meine Schultern auf, aber ich nahm das folgende Brennen kaum wahr. Stumpf richtete ich mich einfach wieder auf und kniete so in der Mitte der Zelle.

Das Schließen der Tür und die entfernenden Schritte wurden von dem Tosen in meinem Kopf übertönt.
Er legt die Hand an meine Hüfte und zieht mich zu sich ran. Seine Lippen wandern über meinen Körper.

Blut spritzt auf meine Hände.

Die Person vor mir schreit, aber ich setzte die Folter fort.

Dich führ der König allein.
König allein.
Allein.

„Nemesis!"
Langsam drehte ich den Kopf. Die Zellen waren untereinander ebenfalls nur mit Stäben getrennt. Das bedeutete, die einzige Wand war die Mauer in meinem Rücken.
Jedenfalls war meine Zelle direkt neben der der anderen, sodass Drystan jetzt alarmiert an den Eisenstangen knien konnte. Chara war neben ihm, die Augenbrauen besorgt zusammen gezogen.
Stumm wanderte mein Blick über ihre Mienen, ehe er sich auf Virginia in der Ecke richtete. Sie saß mit ausgestecktem Bein an der Wand. Im schwummrigen Licht konnte ich dennoch ihr von Blut getränktes Hosenbein ausmachen. Wie es schien hatte sie etwas von der Hose abgerissen, um die Wunde zu verbinden, aber das war jetzt ihr geringstes Problem. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie schnell sich Wunden hier im Kerker entzündeten.
Vom Blutverlust etwas blass hatte auch sie ihrer Aufmerksamkeit auf mich gerichtet.

„Was hat er dir angetan?", wollte Drystan eisig wissen. Meine Augen glitten wieder zu ihm.
Seine Hände umklammerten das Eisen so fest, dass die Knöchel weiß hervor traten. An seinen Handgelenken waren noch immer die roten Fesseln, die bei Chara die Magie blockierten.

Was hatte Arnicus gesagt? Chara und Drystan waren Gefäße von Xenos und Riniah? Das war doch der Grund, weswegen sie für den leymalischen König gefährlich wurden oder?

Mein Verstand hob sich langsam aus den Erinnerungen, aber das ließ die Gefühle nicht verschwinden. Mein Innerstes war leer und ein ohrenbetäubender Sturm zugleich. Ich fühlte so vieles, das ich nicht gewohnt war, das ich zurück hielt und dem ich jetzt schutzlos ausgesetzt war.
Nur eine Waffe.

Ich tötete und ich war gut. Niemand konnte es mit mir aufnehmen. Das wusste ich so sicher wie die unermessliche Zahl der Leichen in meinem Keller. Wenn ich tötete, hatte ich Kontrolle. Wenn ich tötete, überlebte ich. Dann war ich stark.
Und ich hasste mehr als andere schwach zu sein. Angst zu haben. Gefühle zuzulassen.

Deswegen hatte ich mein Gewissen zum Schweigen gebracht. Deswegen mordete ich in Allstairs Namen. Ich tat es, um zu überleben. Denn hätte ich Mitgefühl gezeigt, hätte mir die Strafe des Königs gedroht.
Mein Körper und meine Seele waren von ihm gezeichnet. Mit Narben, die nicht verblassen würden. Es war unmöglich, seine Folter zu vergessen, seine Hände auf meiner Haut und das Blut, das an mir haftete. Die Schreie. Der Schmerz. Die Verzweiflung.

Ich zog die Beine an die Brust. Drystan versuchte erneut zu mir durchzudringen, aber es blieb erfolglos.

Als kleines Kind hatte ich Angst vor dem König gehabt, hatte aber gleichzeitig versucht, ihn stolz zu machen. Mir hatte es an Liebe gefehlt und ich hatte versucht sie zu erlangen, indem ich folgsam war.
Liebe war ich am nächsten gekommen mit der Bibliothekarin, die wegen ebendieser Freundschaft gestorben war. Allstair hatte dafür gesorgt, dass Liebe zu Schmerz führte. Genauso wie jede andere Gefühlsregung. Alles war in Schmerz geendet, außer ich hatte die Klingen gezogen und gekämpft.
Also hatte ich mich den Töten zugewendet. Töten bedeutet Verhindern von Schmerz. Es war das, was mich vor dem König schützt, denn wenn der Auftrag erfolgreich war, kam gar keine Reaktion. Ein kurzes Nicken und ich wurde aus dem Raum geschickt.

Jedes. Mal. Wenn ich ein Leben beendete, ging es nur um mein eigenes Überleben.
Mit einem hatten die Visionen unwiderruflich recht:
Ich bereute es nicht.

Es war nicht Reue, die mich aus dem Schlaf riss. Es war nicht Reue, die ich so verzweifelt unterdrückte. Die Toten suchten mich nicht heim, weil ich sie nicht hatte töten wollen.
Nein.
Ich verdrängte die Erinnerungen weil es eben nicht so war. Ich wollte nicht anerkennen, was die fehlende Reue bedeutete.

Die Kälte des Kerkers drang mir auf die Knochen. Sie kroch durch den schmutzigen Boden und ließ meine Zehen taub werden.

Klar, ich fürchtete Allstair noch immer. Eine unerschütterliche Angst erwachte jedes Mal, wenn ich auch nur an ihn dachte. Albträume fanden ihren Ursprung bei ihm.
Aber es war auch das, was sie bedeuten. Was die Erinnerungen über mich aussagten.
Denn mehr als alles andere fürchtete ich mich selbst. Vor dem, wozu ich ohne zu zögern fähig war.

Sieh dem Monster ins Gesicht.

Ich hatte Schlimmes getan. Ob gezwungen oder nicht, ob ich mit Allstair eine Wahl hatte oder nicht- das spielte keine Rolle. Weil ich meine Handlung nicht bereute. Nicht ihre Tode, nicht ihre Schreie.
Was nicht hieß, dass ich es genoss.
Aber Missfallen, fand ich am Akt des Todes auch nicht. Er bot mir Sicherheit, Kontrolle und verhinderte mein Leid.

Ich atmete scharf auf, als ich diese Erkenntnis tief einsinken ließ. Bis jetzt hatte ich die Augen davor verschlossen, aber nachdem der König es mir so real vor Augen geführt hatte, konnte ich nicht länger wegsehen.
Wir bringen den Tod, damit er uns nicht holt.

Mein erster Reflex war es, die anstürmenden Gedanken wegzudrücken und wieder in das Loch zu stopfen, aus dem sie gekommen waren, aber diesmal tat ich es nicht. Ich ließ sie zu, ließ sie mich zerfleischen und zerfetzen, bis das was danach übrig war, den Kopf hob und Drystans sorgenvollen Blick begegnete.

Der Prinz wich willkürlich einen Schritt zurück.

Das, was von mir übrig blieb, war eine Waffe.
Und es war an der Zeit, dass sie sich gegen ihren Besitzer wendete.

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