Antagona - Lügentraum

By Achuin

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- Wenn hintergründige Schatten auf dich lauern. Wenn Sterne in Scharen vom Himmel herabfallen. Wenn Wälder... More

Ein holpriger Schritt ins Grab
Der erste Traum
Der große Schöpfer
Verdammte Regeln
Zu ruhig für einen Alptraum
Kein Entkommen
(Saylor) bittere Erkenntnis
Das Verschwinden des illegalen Mädchens
Das abgestorbene Viertel (Saylor)
Geblendet von Gold (Saylor)
Ausgesprochen gutes Marketing

Verfluchte Zauberei

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By Achuin

Die Soldaten stagnierten. Alle Blicke richteten sich auf ihn. Ich wusste nicht, weshalb, jedoch regte sich ein Schimmer Hoffnung in mir, als der Prinz die Soldaten aufhielt. Zorans Festnahme war nicht mein Problem. Trotzdem fiel mir ein Stein vom Herzen.
,,Warum sperrt Ihr ihn ein, Vater?", fragte der Prinz, ,,Er hat den Menschen hergeholt, also ist sie auch seine Sorge. Nicht unsere.
Er sollte seinen Fehler wieder gut machen können, indem er ihn selbstständig begleicht."

Fehler begleichen? Wie sollte er das anstellen? Es kränkte mich, dass über mich wie ein Fehler gesprochen wurde, wie ein unglückliches Missgeschick. Etwas, das nie hätte entstehen sollen. Sie wollten mich loswerden. Die Art, wie sie mich loswerden wollten, machte mich stutzig.
,,Wie soll dieser Idiot das anstellen?", nahm der König mir die Frage aus dem Mund.

,,Wieso fragen wir nicht Banu? Sie ist die Einzige, die uns bei solch einer Angelegenheit helfen könnte. Was immer sie auch sagt, es wird des Schreibers Aufgabe sein, dies zu erfüllen. Wenn er scheitert, so können wir ihn immer noch dafür büßen lassen", schlug der Prinz vor.
Es beruhigte mich, zu wissen, dass der Prinz barmherziger war als sein Vater. Der König dachte über seinen Vorschlag nach. Er nahm sich also zu Herzen, was sein Sohn ihm sagte. Das war ein gutes Zeichen.

,,Ich bin auch dafür, ihm eine Chance zu geben, Vater", meldete sich nun die Frau zu Wort.
Sie saß mit kerzengeradem Rücken auf ihrem Thron und hatte das eine Bein über das andere geschlagen. Ihr Kinn blieb stets gehoben, ihre Haltung angespannt. Ihr Stolz war ihr aus ihrem Gesicht abzulesen.

,,Er ist viel zu jung und kann immer noch diszipliniert werden. Wir sollten unsere Untertanen nicht so schnell aufgeben. Derjenige, der den Ärger macht, sollte schließlich für ihn aufkommen und daraus lernen."
Sie klang wie eine Pädagogin, die ein Kind über sein Fehlverhalten belehren wollte. Ich mochte die beiden Kinder des Königs auf Anhieb. Sie schienen vernünftig zu sein.

Der König grübelte, da intervenierte der unzufriedene General. ,,Verzeiht, wenn ich unbefugt eingreife, jedoch habe ich zwei Jahre meines Lebens mit ihm verbracht und glaubt mir, Hoheit, Zoran ist keine Person, der man eine zweite Chance zutrauen sollte. Wenn wir den Menschen sicher zurückbringen wollen, dann sollte dies nicht Zoran überlassen sein", plädierte er, ,,Sperren wir ihn am besten ein. Sein Platz ist der Kerker und nicht unter der Sonne."
Ich fragte mich, was Zoran dem General bloß angetan haben mochte. Er war fest entschlossen, Zoran von dieser Welt zu schaffen. Mir gefiel dennoch, was er sagte. Den Menschen sicher zurückbringen. Das klang vielversprechend.

,,Wo sein Platz ist, bestimme immer noch ich!", stellte der König echauffiert klar, ,,Holt mir die Hofzauberin her! Ich werde sie anhören und demnach entscheiden."
In dieser Welt gab es Wesen, die als Zauberer galten? Träume zu erschaffen war für mich Zauberei genug, doch anscheinend ging es noch eine Stufe höher.
Zoran wurde an seinen Platz zurückgebracht. Stattdessen flitzten die Soldaten nun los, um die Zauberin herbeizuschaffen. Zoran kniff erleichtert die Augen zu, als würde er zu Gott beten und ihm danken, dass er davongekommen war. Falls diese Wesen überhaupt an Gott glaubten.

Der König ging zu seinem Thron über und setzte sich auf die vielen flauschigen Kissen. Sein Thron stand hoch auf einem Podest, sodass er sich von den anderen abhob. Unbeseelt sah er auf uns herab, besonders auf mich. Auch die Blicke des Generals lagen auf mir, als wäre ich ein exotisches Tier. Dabei unterschied ich mich nicht von ihnen.

Ich verlor des Königs Aufmerksamkeit, als eine verschrobene Frau den Saal betrat. Seine Augen klebten nun an ihr. Die Frau, die hereinkam, war ungewöhnlich gekleidet. Sie trug einen langen, roten Rock und ein bauchfreies Oberteil, dessen orangene Farbe mir sofort in die Augen sprang. Ihr Dekolleté war bedeckt von dutzenden Ketten und Anhängern. Sie hatten alle verschiedene Steine oder Kristalle an sich.
An ihren Armen trug sie Armbänder, so viele, dass ich sie nicht zählen konnte. An ihrer Nase hing ein großer, runder Ring wie es bisher bloß bei Kühen gesehen habe. Ihre eisblauen Augen sahen erfahren und autoritär aus. Sie bildeten einen starken Kontrast zu ihrem braunen Haar, das bis zu ihren Hüften reichte.
,,Ihr habt mich gerufen, Hoheit."

Die sanfte Stimme passte nicht zu dem strengen Gesicht. Ihre scharfen Augen wirkten misslaunig und barsch. Der König erklärte ihr, was vorgefallen war. Als er das Wort „Mensch" erwähnte, erweckte es ihr Interesse. Ihre Augen strahlten auf und sie drehte sich schwungvoll zu mir, sodass ihr Rock herumwirbelte und um ihre Beine wehte.
,,Von Menschen habe ich bisher immer nur gelesen", sagte sie und kam neugierig näher.
Sie kam so nah heran, dass ich sie riechen konnte. Sie roch stark nach Kräutern.

,,Ihr Geruch unterscheidet sich sehr von unserem", stellte die Zauberin fest, als hätte sie an mir geschnüffelt wie ein Spürhund.
Konnte sie etwa Menschen von ihrer eigenen Art allein durch den Geruch unterscheiden? Sie musste eine starke Nase haben. Es kam mir zwar merkwürdig vor, jedoch war auch mir der absonderliche Duft an Zoran aufgefallen. Ein Duft, den ich nicht zuordnen weder beschreiben konnte.

Die Zauberin stellte einen ausreichenden Abstand zwischen uns her. Ihre Augen hörten auf zu funkeln und sie wurde wieder ernst. Dabei wirkte sie wie ein Kleinkind, das für fünf Minuten freudig an ihrem neuem Spielzeug gespielt, danach aber ihr Interesse verloren hat.
,,Wollt Ihr sie zurückbringen, Hoheit? Oder darf ich sie behalten?", erkundigte sich die Hofzauberin, was mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Ich kam mir wie ein Gegenstand vor. Was wollte sie wohl mit mir machen? Da blieb ich lieber mit Zoran im Kerker, als einer verrückten Zauberin in die Hände zu fallen. Der König grinste leicht amüsiert, schüttelte danach den Kopf. Das war das erste Mal, dass sich in seinen Zügen etwas geregt hat.
,,Alles soll bei seiner Ordnung sein, Banu. Ich will, dass der Mensch zurück an seinen Platz gebracht wird. Wenn sie dort über uns berichtet, dann wird ihr keiner glauben."

Banu dachte nach. Leicht enttäuscht sagte sie: ,,Wie Ihr wünscht. Wenn es stimmt, was unsere Vorfahren sagen, dann sollte es kein Problem darstellen, den Menschen zurück in ihre Welt zu bringen. Es ist zwar kompliziert für mich, aber ich kenne einen Weg."
Ich hätte vor Freude platzen können, als ich das hörte. Es gab einen Weg, aus diesem Wahnsinn zu entkommen. Zwar war ich mir unsicher, wie ich meiner Familie mein plötzliches Verschwinden erklären sollte, aber das stand an letzter Stelle. Oberste Priorität war, zurückzukommen.
,,Was für einen Weg?", fragte der König.

Gespannt wartete ich die Antwort ab. Egal, was für ein Weg, ich würde alles tun, um zurück nach Hause zu kommen. Wenn nicht, dann würde ich als Spielzeug der Zauberin enden.
,,Ein umständlicher Weg, den ich nicht selbst begehen kann. Ich kann lediglich vorbereiten, was der Mensch zum Übergehen brauchen wird."
Übergehen. Das klang, als würde ich ins Licht gehen, auf die andere Seite des Seins. Ihre Wortwahl machte mich mulmig. Wenn sie vorhatten, mich mit Zoran auf einen „umständlichen Weg" zu schicken, dann könnte ich gleich hierbleiben. Ich kannte ihn nicht, aber wenn ihn jeder so verabscheute, dann musste es einen guten Grund dafür geben. Er wurde nicht umsonst als Versager betitelt.
,,Keine Sorge, Banu. Bereite vor, was auch immer nötig ist. Den Rest wird der Schreiber übernehmen. Es liegt alleine in seiner Verantwortung", verkündete der König.

Mein Todesurteil war gefallen. Der Enthusiasmus in mir verabschiedete sich. Wahrscheinlich wäre ich besser dran gewesen, wenn der Prinz nicht dazwischen gefunkt hätte. So hätte mich vielleicht ein kompetenter Soldat begleitet.
Der General störte erneut und sagte, was ihm auf dem Herzen lag. Diesmal war ich dankbar dafür.
,,Hoheit, bei bestem Willen, Zoran würde das nicht schaffen. Er ist weder vertrauenswürdig noch im geringsten zuverlässig. Wollt ihr ihm wirklich eine so große Aufgabe zuweisen?"

Mit einem Mal änderte sich meine Meinung über den grimmigen General. Sollte er sprechen, so viel er wollte. Am Ende profitierte ich davon.
Der König schien nicht erfreut über die brisante Unterbrechung des Generals. ,,Wer sonst soll es tun? Willst du es an seiner Stelle übernehmen oder bist du jetzt fertig damit, meine Entscheidungen infrage zu stellen?"
Kein gutes Zeichen. Zoran war immerhin besser als niemand. Ich musste mit dem zurechtkommen, was ich bekam.

,,Es steht fest. Zoran hat dieses Desaster verursacht, also wird er es beseitigen. Wenn nicht, dann soll der Tod ihn holen! Dies ist deine letzte Chance, Junge."
Auf ein Zeichen des Königs ließen die Soldaten von uns ab. Zoran verneigte sich vor der Güte des Königs und zeigte seine Dankbarkeit. Ich war froh, die Handschellen abbekommen zu haben und massierte mir die geröteten Handgelenke.

Banu sah Zoran auffordernd an und baute sich vor ihm auf, sprach ihn aber nicht direkt an.
,,Ich brauche diverse Zutaten dazu. Bringt ihr mir diese, so werde ich meine Mischungen vorbereiten. Sobald ich sie habe, muss der Schreiber den Menschen an einen bestimmten Ort bringen und dort genau das ausführen, was ich ihm erklären werde. Nur so können wir die Barriere zwischen dieser Welt und der anderen überwinden."

Das Zurückkommen gestaltete sich schwieriger als das Herkommen. Ich war über Nacht hier erschienen und musste eine Tonne an Dingen erledigen, um wieder zurückzukommen. Das nannte man Pech, so wie ich es oft in meinem Leben hatte.
Der König hob eine Braue und sagte: ,,Ich denke nicht, dass das ein Problem für den Schreiber darstellen wird, oder, Zoran? Ich hoffe doch, du wirst diesen Auftrag ausführen können. Wenn nicht, dann sage es uns jetzt. So soll dein Kopf gleich hier fallen!"
Er erinnerte mich an die Herzkönigin, die jedem den Kopf abschlagen ließ, der ihr nur den Weg kreuzte. Er hatte eine blutrünstige Seite an sich, die er auf Wunsch seiner Kinder nicht ausleben konnte.

,,Ich werde den Auftrag ausführen, Majestät. Ich verspreche, dass der Mensch zurückkommen wird", versicherte Zoran entschlossen.
,,Das wäre auch gut für dich, wenn es in deinem Interesse liegt, am Leben zu bleiben."
Wie oft wollte der König ihm noch drohen? Dass er sein Leben verlieren würde, hatte inzwischen jeder im Raum verstanden. Solange ich meines nicht verlor, hatte ich keinen Grund zur Sorge.

,,Was benötigst du? Ich werde es dir so schnell wie möglich bringen lassen", fragte der König die Zauberin.
Banu sah sich kopfschüttelnd zwischen allen Beteiligten um. ,,Von meinen Gemischen würde keiner in diesem Raum etwas verstehen. Bis Eure Soldaten die Zutaten finden, sind Tage vergangen. Wir sollten sie nicht aufhalten, das Volk braucht sie mehr", wendete Banu ein, ,,Wenn Ihr es gestattet, Hoheit, so schicken wir Omaya los. Sie ist die Einzige, die sich außer mir mit solchen Tränken auskennt."
Des Königs Gesicht lief plötzlich rot an. Er zog die Brauen zusammen und verengte die Augen, als hätte die Zauberin etwas Inakzeptables gesagt. Er zeigte zum erstem Mal pure Emotionen.
,,Du willst meine jüngste Tochter losschicken?", fragte er pikiert.

Banu beeilte sich mit ihrer Antwort, um den König zu beruhigen und ihn umzustimmen, bevor er in die Luft fahren würde.
,,Sie ist ein sehr intelligentes und tüchtiges Mädchen, Hoheit. Ich bin mir sicher, sie wird für die Beschaffung der Zutaten keinen Tag brauchen. Wenn Ihr euch Sorgen macht, so schickt Zoran mit ihr. Er war einst Soldat, er soll ihr dabei helfen."
Auf mich hatte es keine ermutigende Wirkung, einen Mann wie Zoran mit einer Prinzessin loszuschicken. Dem General erging es genauso.
Er räusperte sich. Für einige Sekunden sah er unentschlossen aus, ob er sprechen oder lieber schweigen sollte. Am Ende hielt er es nicht länger aus.
,,Majestät, Sie wollen doch nicht wirklich Eure Tochter diesem kindischen Nichtsnutz überlassen? Ich schicke einen meiner besten Krieger. Zur Sicherheit soll dieser die Beiden begleiten."

Der Vorschlag gefiel dem König besser. Die Farbe wich ihm aus dem Gesicht und er wurde wieder blass und bleich. Sein verhärteter Blick fiel auf mich.
,,Nehmt den Menschen auch mit. Sie soll nicht in meinem Palast herumsitzen! Aber achtet darauf, dass keiner erfährt, dass sie ein Mensch ist. Es sollen nicht mehr wissen, als nötig ist."
Natürlich gab es wieder einen Haken an der ganzen Sache. Der König besaß solch einen monströsen Palast und war nicht gewillt, ihn mit einem Menschen zu teilen. Wenigstens eine kleine Ecke hätte er mir geben können, in der ich gewartet hätte.
Das wäre viel zu schön gewesen.

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