Antagona - Lügentraum

By Achuin

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- Wenn hintergründige Schatten auf dich lauern. Wenn Sterne in Scharen vom Himmel herabfallen. Wenn Wälder... More

Ein holpriger Schritt ins Grab
Der erste Traum
Der große Schöpfer
Verdammte Regeln
Zu ruhig für einen Alptraum
Kein Entkommen
(Saylor) bittere Erkenntnis
Das abgestorbene Viertel (Saylor)
Geblendet von Gold (Saylor)
Verfluchte Zauberei
Ausgesprochen gutes Marketing

Das Verschwinden des illegalen Mädchens

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By Achuin

,,Wo ist sie?", wollte der Aufseher wissen.
Seine Stimme war innerhalb von wenigen Minuten heiser geworden. In diesen paar Minuten meines Lebens habe ich die größte Standpauke erhalten, die möglich war. So lange bin ich noch nie zuvor angeschrien worden und ich bin in der Armee gewesen. Die Kraft in der Stimme des alten Aufsehers überraschte mich. Nun war sie verklungen, seine ganze Energie aufgebraucht.
,,Weg", gab ich kleinlaut bei.
,,Was heißt hier ,weg'?"

Der Aufseher erhob seine Stimme wieder, sie brach jedoch am Ende des Satzes ab und ging in ein Quieken über. Er räusperte sich verlegen, sein steinharter Blick veränderte sich aber kein Stück.
Er hob die Hände und quetschte demonstrativ mit seinen Fingern die Luft, um mir zu verdeutlichen, dass er kurz davor war, mich zu erwürgen. Der Alte wollte mir an den Kragen. Die Adern an seinem Hals zeichneten sich deutlich ab. Ich hatte das Gefühl, sie wurden immer dicker. Würden sie gleich platzen? Dann wäre ich letztendlich auch für den Tod des Aufsehers verantwortlich.

,,Ich habe einen Traum entworfen, in dem sie wieder in ihrer eigenen Welt war. Sie ist fort, alles geregelt. Machen Sie sich keinen Kopf drum, Sir", versicherte ich.
Der Aufseher lief rot an. Er griff nach dem Telefon, ohne den Blick von mir abzuwenden. Sein Tomatenkopf starrte mich bedrohlich an, als wäre er kurz davor, mich zu verschlingen.
,,Rufen Sie die Wachen in mein Büro!", sprach er ins Gerät.

,,Was? Wieso die Wachen? Ich sagte doch, es ist geregelt. Sie ist fort, wirklich."
Wirklich? Das wusste ich nicht. Ich hatte mich nicht vergewissert. Ich wollte glauben, dass sie fort war. Es musste einfach funktioniert haben.
,,So funktionieren die Dinge aber nicht", zischte der Aufseher mir giftig zu, ,,Landet ein Mensch einmal in dieser Welt, kommt er nicht so leicht wieder hinaus. Also, wo ist sie?"

Der Aufseher knallte das Telefon auf den Tisch und bohrte Löcher in meine Seele mit diesen gereizten Blicken. Noch nervöser machte mich der Gedanke, dass jede Sekunde Soldaten auftauchen würden. Ich war zu jung, um in das Gefängnis zu wandern. Es wäre viel zu schade.
,,Aber wozu haben Sie jetzt die Wachen gerufen? Wir hätten das auch ruhig unter uns klären können, nicht?"

Der Aufseher nahm sich ein weißes Tuch aus seiner Tasche und wischte sich damit den Stressschweiß von der Stirn. Schlaff ließ er sich auf seinem Stuhl einsinken, als hätten all seine Kräfte ihn verlassen. Er seufzte und hielt sich den Kopf. Erlitt er einen Schlaganfall? Einen Herzinfarkt?
,,Das ist nichts, was ich mit dir klären kann. Der König muss davon wissen. Nur er wird wissen, was zu tun ist."

Die Tür schwang auf. Schwere Schritte waren zu hören. Sie näherten sich. Es waren zwei. Mein Herz rutschte mir in die Hose, als sie mit ihren eisernen Stimmen fragten: ,,Gibt es ein Problem?"
,,Haltet ihn!", rief der Aufseher, obwohl ich mich nicht von der Stelle rührte.

Die Absicht, wegzulaufen, hatte ich nicht. Wohin denn? Was dann? Die Sekretärin stürmte hinein und sah nach dem Aufseher. Aufgebracht rief sie: ,,Ist alles in Ordnung mit Ihnen?"
Sie nahm sich ein Glas und füllte Wasser ein, um es dem Aufseher zu reichen. Währenddessen packten mich die Soldaten von beiden Seiten am Arm. Ich fühlte mich miserabel.

Innerhalb von einigen Wochen vom Soldaten zum Verbrecher degradiert.
,,Letzte Chance", röchelte der cholerische Aufseher, nachdem er sein Wasser getrunken hatte, ,,Wo ist sie?"
,,Ich habe sie in meiner Wohnung zurückgelassen", gestand ich endlich.

Der Aufseher stützte sich an seinem Stuhl ab und richtete sich mühevoll auf. Die Sekretärin stand ihm zur Seite und griff ihm unter den Arm. Der Alte sammelte sich kurz und sagte dann: ,,Durchsucht seine Wohnung nach einer jungen Frau. Dann bringt beide zum König. Es ist eilig. Den Grund werde ich der Majestät so schnell wie möglich ausrichten lassen."

Er reichte den Soldaten ein Bild von Saylor. Diese betrachteten es, als würden sie ihr Aussehen einscannen.
Unter anderen Umständen wäre es mir die größte Ehre gewesen, dem König unseres Reiches zu begegnen. In diesem Fall war es lediglich eine Schande. Ich wollte ihm nicht vor die Füße treten. Nicht so.

Die Soldaten wollten umdrehen und mich mit sich zerren, da erhob der Aufseher im letzten Moment die Hand. Sie stockten.
Der Aufseher sah mich mitleidig durch seine schmalen, wässrigen Augen an. Mit seiner schwächlichen Stimme krächzte er: ,,Wieso musstest du das tun, Zoran? Warum?"

Ich schwieg. Die Antwort wusste ich nicht. War es die Neugier? Die Wissbegierde? Die Langeweile? War es eine Allergie gegen Verbote? Wahrscheinlich alles zusammen.
Ich senkte den Kopf und murmelte: ,,Es tut mir leid, Sir."

Eine Entschuldigung brachte nichts. Ich war sie ihm dennoch schuldig. Er schüttelte den Kopf und winkte mich ab. Die Soldaten zerrten mich nicht sehr sachte an den Armen hinaus aus der Fabrik. Im Endeffekt war ich froh darüber, dass Keon heute nicht hier sein konnte. So würde er meinen elendigen Abgang nicht sehen. Wahrscheinlich hätte es ihn sowieso nicht interessiert.

Meine Karriere als Schreiber endete schneller, als ich vermutet habe. Ich hätte die Regeln ernst nehmen sollen. Anscheinend hatten sie alle ihren Sinn. Ich hätte sie niemals hinterfragen dürfen.

Nun war es zu spät für Reue. Ich hatte Saylors und mein eigenes Leben zerstört.
Wie lange würde meine Strafe sein? Fünfzig Jahre? Hundert? Oder gleich die Enthauptung?
Vielleicht würde ich verbannt werden. Alles Mögliche schoss mir durch den Kopf. Diese Entscheidung lag allein beim König und keiner wusste, wie seine Launen waren.

Ich war ein Nichtsnutz, der nichts von seiner eigenen Welt verstand. Ansonsten hätte ich diesen Menschen niemals hergeholt. Meine Verbannung wäre nur gerecht.
Wer hätte gedacht, dass ein einziger Traum so viel Chaos mit sich ziehen konnte.

Ungeduldig saß ich in der Kutsche und schaukelte mit meinem Bein schnell auf und ab, als würde es zittern. Das tat ich immer, wenn ich nervös war. Oder gelangweilt. Oder gestresst.

Ich wartete darauf, dass die Soldaten zurückkamen mit Saylor im Schlepptau. Sie durchsuchten gerade meine Wohnung, während zwei andere mich bewachten. Meine Hände waren gefesselt. Mir waren wortwörtlich die Hände gebunden. Ich konnte nichts tun. Das einzige, was mir blieb, war zu warten und zu hoffen, dass meine diesmalige Strafe nicht zu arg ausfallen würde.
,,Sie ist nicht in der Wohnung", hörte ich jemanden sagen.

Verwundert sah ich neben mich. Die beiden Soldaten waren zurückgekehrt. Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel hinaufzogen. Sie war nicht da. Hat mein Plan also doch funktioniert?
Der Mensch war tatsächlich fort!

Die Soldaten wirkten dahingegen nicht so optimistisch. Sie hatten den Befehl, eine gewisse Frau zu finden und solange sie dies nicht taten, würden sie keine Ruhe geben. Einer von ihnen steckte den Kopf zu mir in die Kutsche und packte mich feindselig am Kragen.
,,Wo ist die Frau? Sie soll doch in deiner Wohnung gewesen sein", bellte er mich an.

Wenn ich bloß eine Antwort auf diese Frage hätte. Von mir aus konnte dieser Mensch bleiben, wo er wollte. Je schneller sie mir vom Hals war, desto besser. Der Soldat bestand auf eine klare Antwort. Auffordernd, aggressiv starrte er mich an.
,,An einem besseren Ort", sagte ich.
,,Hast du sie umgebracht?"

Die Augen des Soldaten weiteten sich. Er zog so stark am Stoff meiner Kleidung, dass ich dachte, er würde es auseinanderreißen.
,,Nein. Jeder Ort ist besser als meine Wohnung. Du hast sie schließlich gesehen. Ich wette, du kannst mir da zustimmen."
,,Hör auf, so einen Scheiß zu reden! Sag mir endlich, wo sie ist", befahl der Soldat.

Sein Kiefer arbeitete angespannt. Er wirkte so, als würde er meinen Kopf gleich mit bloßen Händen zerdrücken wie ein Nussknacker. Solche Blicke war ich gewohnt.
,,Ich weiß es nicht", verdeutlichte ich ihm kurz und knapp mit der ehrlichsten Miene, die ich hatte.

Wütend ließ er den Stoff meines Shirts los und schlug mich gegen die Wand der Kutsche, sodass ich meinen Kopf anstieß. Er lief zu seinen Kameraden und besprach etwas mit ihnen. Ich konnte nicht hören, was sie sagten. Da kam plötzlich ein weiterer Soldat angelaufen.
Er schien es eilig zu haben und näherte sich den Anderen, als hätte er große Neuigkeiten zu verkünden. Neugierig streckte ich den Kopf aus der Kutsche und lauschte.

,,Sie wurde zuletzt im Bereich A4 gesichtet. Eine Schreiberin mit Pyjama durchstreifte vor ungefähr einer halben Stunde den Distrikt, als ich Aufsicht hatte", erklärte er den anderen Soldaten, ,,Ich glaube, sie stand unter starkem Drogeneinfluss."

Drogeneinfluss? Das war der Wahnsinn, den sie seit gestern durchgemacht hatte. Wer wusste, wie sie sich gefühlt haben muss, als sie heute Morgen in dieser Welt aufgewacht war. Nun lief sie wie eine Irre durch fremde Straßen.

Der vulgäre Soldat, der mich gepackt hatte, zog das Foto von Saylor hervor und zeigte es seinem Kameraden.
,,Bist du sicher, dass sie das war?"
Der Kamerad nickte.

Wie es aussah wurde die ganze Stadt nach ihr abgesucht. Hatte sich der Suchbefehl bereits so weit ausgebreitet? Der Aufseher muss schnell mit seiner Nachricht gewesen sein. Alle Soldaten suchten wie verrückt nach einer gewissen Frau und wussten nicht weshalb.

Sie taten, was ihnen befohlen wurde, ohne dies jemals zu hinterfragen. Das war eines meiner größten Fehler in der Armee gewesen. Ich habe immer hinterfragt. Befehle durfte man niemals hinterfragen. Genauso wenig wie Regeln. Das hatte ich nun auf die harte Tour gelernt.

,,Durchsucht den gesamten Kreis um Distrikt A4. Weit kann sie in dieser Verfassung nicht gekommen sein", befahl einer der Soldaten.
Sie nickten, salutierten und schwärmten aus wie Roboter, die auf Knopfdruck taten, was ihnen gesagt wurde. Sie agierten, als wären sie ferngesteuert und nur auf eine Sache programmiert worden. Gehorchen.

Wenn sie eine Aufgabe bekamen, verfolgten sie diese, als wäre es ihr neues Lebensziel und sie müssten es erfüllen, selbst wenn sie dafür ihr Leben lassen müssten. So hatte ich nie sein wollen. Vielleicht war es einer der Hauptgründe, weswegen ich hinausgeworfen worden bin. Leben war mir wichtiger gewesen. Würde ich nach all dem jemals wieder leben können?
,,Bringt Zoran zum König! Wenn wir die Frau haben, kommen wir mit ihr nach."

Mit diesem Befehl setzten sich zwei Soldaten links und rechts neben mich und der Kutscher fuhr los, so schnell er konnte. Ich kam meinem Unheil Meile um Meile immer näher. Die Hufe der Pferde prallten laut auf dem Steinboden auf und ab. Je schneller die Schritte der Pferde, desto näher kam ich meinem Verderben.

Ich wünschte, das alles wäre nur ein Alptraum. Das war aber nicht möglich. Ich konnte nicht träumen. Mir wäre es lieber gewesen, von den bestialischen Umbranen lebendig verschlungen zu werden, anstatt den grauenhaften Strafen des Königs Azar ausgesetzt zu werden.

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