Nemesis - Blut und Schwerter

By veracrystall31

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>>Stellt keine Fragen, für deren Antwort Ihr nicht bereit seid.<< Nemesis sucht in dem magischen Land Koranée... More

Prolog
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Info
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Epilog
Info zur Fortsetzung

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By veracrystall31

Als ich in das Gemach des Prinzen zurückkehrte, hatte er sich für die letzten vierzig Minuten nicht vom Platz bewegt. Er saß noch immer zusammengesunken auf dem Stuhl neben dem überfüllten Schreibtisch.

Ich schickte die Wachen vor der Tür weg und ließ meinen Blick nochmal prüfend durch das Zimmer gleiten. Angewohnheit.

Jedenfalls war es noch immer das gleiche Chaos aus Büchern, Papier und luxuriösen Möbeln dazwischen. Alles in blau und Silber gestaltet.

Als ich eintrat, sah der Prinz jedoch auf. Die braunen Wellen fielen ihm in die Stirn, also strich er sie weg.
Seine eisblauen Augen sahen erst forschend in mein ausdrucksloses Gesicht und anschließend zu dem Blut an meinem Handschuh. Als Nächstes entdeckte er das Messer von Adeena in meinem Gürtel.

Seine Stirn zerfurchte sich, also erklärte ich.
„Die Wachen haben ein Messer übersehen. Sie hatte mich damit angegriffen, aber ich konnte sie wieder entwaffnen."
Ich hob meine behandschuhte Hand. „Hab mich revanchiert."
Fragen zog er eine Augenbraue hoch, also gab ich nüchtern zu. „Sie hat jetzt einen gebrochenen Arm."
Er schien nicht recht zu wissen, was er davon halten sollte, also schwieg er.

„Tatsächlich habe ich ein paar neue Informationen."
Ich zog den Hocker heran, auf dem Phyrros vorher gesessen hatte und ließ mich leise darauf fallen. Drystan beugte sich erwartungsvoll vor.

„Über die Beweggründe von König Allstair hat sie geschwiegen, vielleicht kannte sie sie selbst auch nicht. Warum er dich töten wollte, weiß ich also nicht."
Drystan wirkte enttäuscht, also fuhr ich fort:
„Dafür hat sie mir erzählt, wer sie ist. Sie heißt Adeena und ihr Spezialgebiet ist Spionage. Sie wurde wie wohl viele andere speziell zum Töten ausgebildet. König Allstair soll ein ganzen Bataillon von Attentätern haben noch neben den gewöhnlichen Soldaten."

Diese Informationen waren meine. Jetzt da ich eine von seinen Schergen befragt hatte, konnte ich ungefährlich mein eigenes Wissen weiterleiten.

„Der erste Attentäter wird zu ihnen gehört haben.", murmelte Drystan und lehnte sich auf seinem Stuhl wieder zurück.
„Was hast du noch?"

„Die Seuche ist in Leymalien bereits viel weiter fortgeschritten, als bei uns. Dörfer wurden grausam abgeschlachtet. Keiner überlebte, auch die Infizierten nicht."
Ich machte eine Pause.
„Allerdings scheinen die Körper der Leymaliern die Seuche länger und besser auszuhalten. Das einzige, was sich verändert, sind die Augen. Trotzdem sterben sie am Ende auf grausame Weise."

Jetzt zogen sich Drystans Augenbrauen beunruhigt zusammen.
„Die Krankheit kommt also aus Leymalien, weil sie sich dort ausgebreitet hat? Haben sie schon etwas dagegen gefunden?"
Ich schüttelte den Kopf. „Es ist sehr ansteckend. Sobald die Krallen oder Zähne eines Infizierten dir eine Wunde zufügen, wirst du davon befallen. In diesem Moment ist dein Schicksal unweigerlich besiegelt."
Seufzend sah er mich an. „Naja immerhin sind wir dadurch nicht im Nachteil, wenn es ihnen genau so geht."
Drauf erwiderte ich nichts

Drystan wartete, ob ich noch etwas zu sagen hatte, aber ich schwieg. Mehr Informationen wären auffällig für die Zeit, in der ich mit Adeena gesprochen hatte.

Also stand er in einer fließenden Bewegung auf und verzog das Gesicht.  Mit übertriebener Motivation sagte er: „Dann lass uns mal meinen Vater die wunderbaren Neuigkeiten bringen!"

~•~

Am nächsten Tag war Drystan noch immer angespannt. In der Nacht musste er nicht viel geschlafen haben und das machte sich bei seinem Unterricht bemerkbar.
Bei dem Professor in der Bibliothek passte er noch weniger auf als sonst, bei Lady Marin vertanzte er sich bei jedem vierten Schritt.

Nach einer erfolglosen Tanzstunde begab ich mich mit Drystan in den Thronsaal. Der König und die Königin saßen bereits auf ihrem Thron, der Kronprinz nahm den Platz links vom König ein.
Ich stellte mich zusätzlich zu den Gardisten, die die Familie umgaben, einen Schritt hinter den Prinzen.

Wenig später wurden die Türen aufgestoßen und Adeena wurde von zwei Gardisten herein gezerrt. Die Nacht im Kerker hatten Spuren bei ihr hinterlassen. Sie hatte tiefe Augenringe, das blonde Haar war wild zerzaust und ihre Hose von der Wunde, die ich ihr zugefügt hatte, befleckt. Vernünftigerweise hatte sie einen Streifen Stoff von ihrem Oberteil abgerissen, um damit ihren Oberschenkel zu verbinden.
Ihr Arm war nach wie vor gebrochen und als die Gardisten sie auf dem Boden warfen, verzog sie das Gesicht.

Der Blick der Königs war wie ein Peitschenhieb, als er wütend wissen wollte:
„Wieso wolltest du meinen Sohn töten?"
Drystan sah nachdenklich auf das Mädchen. Wie als wüsste er nicht, was er von seiner Beinahe-Mörderin halten sollte.
Ich dagegen durchbohrte sie mit meinem Blick. Sollte sie auch nur ein Wort über mich in den Mund nehmen, würde ich sie and Ort und Stelle töten.

Adeena sah mit blitzenden Augen auf.
„Auftrag von König Allstair. Der Schönling hat es auch nicht anders verdient."

Der König nickte den Gardisten zu und einer von ihnen schlug ihr ins Gesicht. Noch ein Mal wurde der Schmerz in ihrer Miene sichtbar, dennoch sah sie dem König trotzig in die Augen.

„Was will dein König mit meinen Tod erreichen?", stellte Drysran die nächste Frage. Dabei hatte er den Arm auf die Lehne seines prunkvollen Stuhls gestützt.

Jetzt wandte Adeena ihre Aufmerksamkei ihm zu.
„Letztendlich läuft es auf Rache hinaus.", zischte sie. „Für die vielen Toten, die ihr im Namen von ‚Gerechtigkeit' abschlachtet. Wenn ihr unsere Kinder hungern lasst, weil ihre Mütter und Väter in den Schlachten fallen. Wir verteidigen lediglich die Berge, die Heimat, die Euer Volk uns vor vielen Jahren genommen hat!"

Ihre Worte trieften vor Hass. Man hörte ihren Abscheu so deutlich heraus, dass Drystan vor den ganzen negativen Gefühlen zurück schreckte.

„Es sind nicht eure Berge", ergriff Drystans Vater wieder das Wort, „Und du wirst für deine Taten bestraft werden."

Also drehte sie den Kopf langsam zurück zum König.
„Ihr macht keine Sklaven", bemerkte sie, „Also schätze ich, mir bleibt nur noch der Tod."
Der König nickte knapp. „Du wirst wegen versuchten Mordes an den Prinzen für schuldig befunden und zum Tode verurteilt."
Drystan presste die Lippen aufeinander, protestierte aber nicht gegen das harte Urteil. Bei mir regte sich nichts.

Adeena wirkte erstaunlich gefasst. Vielleicht hatte sie in der Zelle schon mit ihrem Leben abgeschlossen oder es war alles nur Fassade.

Da es nichts weiter zu klären gab, wurde sie von den Gardisten hochgezerrt und aus dem Saal gebracht. Sie verzog wieder das Gesicht, aber es drang kein Schmerzenslaut über die Lippen.
Fast hätte ich geschnaubt. Als ob das Schmerzen waren. Ein gebrochener Knochen war nichts.

Nachdem Adeena den Saal verlassen hatte, wandte sich die Königin an ihren Sohn:
„Drystan, dein Vater und ich haben entschieden, dass du bis zu der Anreise der Prinzessin den Palast nicht verlassen solltest."
„Was?!", der Kopf des Prinzen schoss zu seiner Mutter herum, „Ihr könnt mich doch nicht hier einsperren!"
Die Königin verzog unglücklich die Mundwinkel. „Doch. In den letzten Tagen wurdest du jedes Mal angegriffen, wenn du dich nach draußen begeben hast."
Zuerst konnte Drystan seine Eltern nur fassungslos anstarren, doch dann deutete er wütend auf mich.
„Wofür habe ich denn eine Leibwächterin?"

Jetzt meldete sich wieder der König zu Wort: „Nemesis mag dich beschützten, aber sie wird auch in Gefahr gebracht. Willst du die dieses Risiko aufladen? Dass nicht nur du sterben könntest?"

Drystan hielt inne, während mein Blick auf dem König ruhte. Das hatte ihn nie interessiert. Überhaupt war die Gefahr, in die ich mich begab, immer egal gewesen.

„Ich gebe dir recht Vater.", sagte der Prinz und senkte den Kopf, „Ich bleibe im Palast."

Der König nickte zufrieden und lehnte sich auf seinem Thron zurück. Damit waren wir entlassen, also wandte Drystan sich zum gehen. Ich verbeugte mich und verließ dichtauf den Saal.

Als die Türen hinter uns zu fielen, wandte Drystan sich abrupt zu mir um.
„Es tut mir leid."
Verwirrt, auch wenn ich es nicht zeigte, blieb ich ebenfalls stehen.
„Was tut Euch leid, Eure Hoheit?"

Er sah kurz auf den Boden und dann direkt in meine Augen.
„Dass ich dich jetzt schon zwei mal in Gefahr gebracht habe. Mein Vater hatte recht, wenn er sagt, dass du einem Risiko ausgesetzt bist."
Nach einer Pause gestand er. „Es war mir bis er es gesagt hatte, gar nicht bewusst. Ich habe da nicht drüber nachgedacht."
Etwas zögernd, aber sanft nahm er meine Hand.
„Verzeihe, dass ich deinen Schutz so rücksichtslos  verwendet habe, ohne die Gefahr, in der auch du schwebst, zu beachten."

Bei der Berührung versteifte ich mich etwas und war erleichtert für die Handschuhe. Dennoch verblüfft konnte ich ihn nur anstarren.

„Ihr.. Euch interessiert es, ob ich hätte sterben können oder nicht?", hakte ich nochmal nach.
In seinen Augen blitzte Verwirrung auf.
„Natürlich. Wieso sollte mir dein Leben egal sein?"

In meinem Inneren entstand etwas warmes, das ich aus Reflex unterdrückte.

Also schüttelte ich kurz den Kopf, um wieder die Fassung zu gewinnen.
„Nichts weiter. Lasst uns gehen."
Ich wandte mich um, in der Hoffnung er würde nicht weiter darüber nachdenken, aber er hielt mich am Handgelenk zurück. Fast wäre ich zusammengezuckt.
„Sagt mir: Was lässt Euch denken, es könnte irgendwie anders sein?"
Ich presste die Lippen aufeinander und verweigerte die Erklärung.
„Nemesis, bitte. Wieso denkt Ihr, es wäre mir egal? Habe ich irgendetwas getan, weswegen Ihr darauf schließt?"

Bitte.
Wie ich dieses Wort hasste.

Um ihn zu beruhigen schüttelte ich wieder den Kopf.
„Ihr habt nichts dergleichen getan. Macht Euch keine Sorgen, Eure Hoheit."

Er ließ mein Handgelenk noch immer nicht los, als er ein Stock näher trat.
„Wer war es dann? Ihr müsst irgendwelche Erfahrungen gemacht haben, die Euch glauben lassen, dass anderen Euer Leben nichts bedeutet."

Er war zu nah.

Mein Atem ging schneller.
„Tretet zurück.", stieß ich hervor.
Erschrocken von der Heftigkeit in meiner Stimme, ging er hastig zurück. Dabei ließ er mich endlich los.

„Ich möchte diese Frage nicht beantworten.", sagte ich entschieden. Meine Maske hielt, ich straffte die Schultern und schaffte es wieder mich unter Kontrolle zu bringen.
Als ich mich unweigerlich vor ihm verschloss, blitzte Verletztheit in seinen Augen auf. Doch das ließ mich völlig kalt.

„Ich akzeptiere Eure Bedingung, Lady Nemesis", fügte er sich widerspenstig, „Auch wenn ich mir wünschte, es gäbe sie nicht."
Immernoch ließen mich diese eisblauen Augen nicht los.
„Ich hätte Euch so oder so nicht von mir erzählt", bemerkte ich.

Sein Seufzen verriet mir, dass er das bereits wusste.

~•~

Beim Bogenschießen danach trafen wir auf Martell, der Drystan direkt auf den Mordanschlag ansprach. Aramis war gerade im Dienst, deswegen hatten wir keine Gelegenheit auch mit ihm zu reden.
Jedenfalls erzählte Drystan seinem Freund, was sich abgespielt hatte und wie ich ihn wieder mal gerettet hatte. Das brachte mir einen respektvollen Faustschlag gegen den Arm von Martell ein.
Als Drystan zu seiner Ausgangsperre kam, schien Martell zwar ebenso unglücklich wie Drystan, aber dennoch sah er den Sinn.
„Sobald du einen Fuß vor die Tore setzt, stürzen sich die Mörder auf dich. Was sollen deine Eltern anderes tun?"

Das Abendessen nahm Drystan mit seiner Familie ein. Ich stand schweigend bei den Wachen etwas abseits und verfolgte das Gespräch. Dabei redeten sie nicht viel. Der König war noch immer voller Wut auf Leymalien, die Königin ebenso besorgt, wenn auch mit einer Liste an Sachen die für die Hochzeit organisiert werden mussten neben dem Teller liegen. Drystan saß schweigend da und aß ohne ein Wort zu sagen. Er vermied jeden Blickkontakt mit seinen Eltern. Es wurde deutlich, dass er es ihnen bis zu einem gewissen Punkt übel nahm, dass sie ihn hier einsperrten.

Ich begleitete ihn noch zu seinem Gemach, wünschte ihm eine gute Nacht und kehrte in meine eigenes Zimmer zurück. Laila hatte alles hergerichtet, einschließlich eines warmen, nach Rosen duftenden Bads und eines warmen Abendessens, das mit einem Tablett auf meinem Bett platziert war, das ich augenblicklich verschlang. Durch das regelmäßige und köstliche Essen am Hof, bekam ich immer mehr Appetit.

Grimmig stand ich schließlich in meiner Uniform vor der dampfenden Wanne und starrte auf das Wasser. Es war jedes Mal ein innerer Kampf den ich ausfechten musste, um die Kleidung abzulegen und in das verdammte Wasser zu steigen.

Mit etwas zitternden Händen zog ich meine Sachen aus und setzte den ersten Fuß in die Wanne. Wohl wissend, dass eine weiter Panikattacke auf mich warten würde, wenn ich das Wasser wieder verließ.

Die Erinnerungen blieben nicht aus.

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