𝗲𝗿𝘄𝗶𝗻 𝘅 𝗼𝗰
Erzähler P.O.V.
"Constancia", rief der Blonde und blieb schnaufend neben ihr stehen. "Wo... wo willst du denn hin? Wenn der Ausbilder merkt, dass wir weg sind, müssen wir Strafrunden bis an unser Lebensende laufen!"
Schwungvoll drehte sich Constancia um und kringelte dabei eine Haarsträhne um ihren Finger. "Ach, Erwin... seit wann bist du denn so Scheu? Wenn du mit dieser Einstellung gegen Titanen kämpfen willst, ist die Niederlage der Menschheit eigentlich schon jetzt vorherzusehen."
"Zwischen 'sich an die Regeln halten' und 'Scheu sein', liegt ein großer Unterschied und...", Erwin brach sich selber im Satz ab und sah sich um. "Wo sind wir eigentlich?"
Constancia nahm seine Hand und zog ihn näher zu dem Abgrund, vor dem sie standen. Darunter erstreckte sich ein weites Tal, in dem ein See mit kristallklarem Wasser eingebettet war.
Bäume, Sträucher, Wiesen... das alles verlieh dem Tal mit diesem See dieses gewisse Etwas.
"Sieht das nicht schön aus?", fragte Constancia und blickte dabei zu Erwin.
Seine Augen hatte er noch immer weit aufgerissen. Man konnte dem jungen Kadetten ansehen, dass er geradezu überwältigt von der Schönheit der Natur war.
"Die Welt da draußen...", begann die Blonde plötzlich und umfasste Erwins Hand stärker, "...denkst du die ist genauso?"
Erwin wandte seinen Blick ihr zu. "Ich... bin mir fast schon sicher..."
Constancia ließ jäh Erwins Hand los. Eine seltsame Kälte überzog diese, als er sie fast schon enttäuscht wieder zurückzog.
"Constancia", sagte der Blonde plötzlich und sah das zierliche Mädchen an. "Warum willst du dem Aufklärungstrupp beitreten? Ich habe dir schon so oft erzählt, was meine Ziele sind... aber du hast mir nie wirklich etwas über deine Wünsche... oder Träume erzählt..."
"Meine Eltern", sagte sie plötzlich, "waren auch im Aufklärungstrupp. Sie sind gestorben... Seitdem musste ich allein klar kommen. Aber... ich habe mich entschieden, meinem Leben nicht der Rache zu widmen. Das mir die Titanen meine Eltern genommen haben ist ein Fakt und deswegen unabdingbar."
Sie drehte sich zu Erwin um. Er blickte in ihre blauen Augen und musste staunen, dass sie so gut wie gar kein Schmerz oder Trauer widerspiegelten. Sie strahlen mehr so etwas wie Wissbegierde oder Neugier aus... Neugier auf die Außenwelt.
"Ich war schon immer von neugieriger Natur. Ich möchte mich dem Aufklärungstrupp anschließen, weil ich nicht hier, innerhalb der Mauern, versauern will", fuhr sie fort und behielt dabei ihren intensiven Blick bei.
Dann sah sie wieder auf das Tal. Ihr Blick wurde etwas weicher, fast schon melancholisch.
Währenddessen sagte sie: "Erwin, ich finde, das Leben ist viel zu kurz um sich hasserfüllt nach Rache zu sehnen. Meine Eltern sind nicht umsonst gestorben, das weiß ich. Jeder, der dem Aufklärungstrupp beitritt, muss damit rechnen von einem Titan gefressen zu werden. Und das weiß ich auch! Trotzdem!"
Constancia hatte ihren Blick wieder auf Erwin gerichtet. In ihren Augen brannte jetzt geradezu ein Feuer aus Entschlossenheit.
"Das ist es mir Wert, wenn ich die Welt da draußen dafür sehen kann!", sagte Constancia dann mit einem harten Unterton.
"Constancia... ich...", stammelte Erwin nur, noch immer überwältigt, von den Worten, die die Blonde ihm gerade offenbart hatte.
Als sie seinen verblüfften Gesichtsausdruck sah, wurde ihr Blick weicher und ein kleines Lächeln legte sich auf ihre Lippen. "Ist es jetzt etwa so schockierend, dass ich auch mal ernst sein kann?"
"Nein, nein", sagte Erwin schnell, als er sich wieder gefasst hatte. "Es ist nur... ich wusste nie, dass deine Eltern gestorben sind... Du wirkst immer so glücklich und ausgelassen..."
"Es stimmt schon", sagte Constancia und fasste dann nach Erwins Händen, um diese leicht zu drücken. "Ich müsste eigentlich deprimiert sein... Aber in Gegenwart von einem Menschen, den ich liebe, fällt mir das ziemlich schwer."
"Was... du...?", fragte Erwin, kam aber nicht weiter, da die Blonde sich leicht auch Zehnspitzen stellte und ihm dann einen sanften Kuss auf die Lippen drückte.
Als sie sich wieder von ihm entfernte, kicherte sie. "Erwin Smith... der, der eigentlich immer der scharfsinnigste von allen Rekruten ist, versteht jetzt nicht mal eine Liebeserklärung."
Wie benommen fuhr Erwin mit seinem Zeige- und Mittelfinger über seine Lippen, welche vor ein paar Sekunden noch die weichen von Constancia gestreift hatten.
Als er sich wieder gesammelt hatte, griff er nach ihrer Hand. Beide wandten ihren Blick wieder dem See im Tal zu.
"Constancia", sagte er entschlossen, "lass uns zusammen die Menschheit retten und die Welt hinter den Mauern erkunden! Lass uns..."
Die Blonde lehnte sich gegen ihn und fuhr lächelnd fort: "...niemals aufgeben."
-
Requested by _Samus_Aran_ uwu