All die verschwundenen Farben

By Auralica

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❝ Ich will doch einfach nur all-...all meine Farben wieder haben, verstehst du das nicht? ❞ ❝ Aber du hast si... More

➻ 𝑽𝒐𝒓𝒘𝒐𝒓𝒕
➻ 𝑷𝒍𝒂𝒚𝒍𝒊𝒔𝒕
❀ Prolog
❀ Kapitel 1
❀ Kapitel 2
❀ Kapitel 3
❀ Kapitel 4
❀ Kapitel 5
❀ Kapitel 6
❀ Kapitel 7
❀ Kapitel 8
❀ Kapitel 9
❀ Kapitel 10
❀ Kapitel 11
❀ Kapitel 12
❀ Kapitel 13
❀ Kapitel 15
❀ Kapitel 16
❀ Kapitel 17
❀ Kapitel 18
❀ Kapitel 19
❀ Kapitel 20
❀ Kapitel 21
❀ Kapitel 22
❀ Kapitel 23
❀ Kapitel 24
❀ Kapitel 25
❀ Kapitel 26
❀ Kapitel 27
❀ Epilog
꧁𝑾𝒊𝒅𝒎𝒖𝒏𝒈꧂

❀ Kapitel 14

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By Auralica

»Das Leben ist viel zu wichtig, um es ernst zu nehmen.«
(Oscar Wilde)

Die Mascara flog mit fluchendem Unterton in das Waschbecken. Genervt nahm Mags ein Wattepad zwischen die Finger und wischte die kleinen schwarzen Punkte um ihr Auge weg.

„Immer muss diese scheiß Bürste mir das Auge ausstechen."

Natürlich war es ihre eigene Schuld gewesen, aber es war einfacher, die Schuld auf alles andere zu schieben.
Hinter dem offenen Türspalt vernahm die Fotografin das Kratzen am Holz und warf eine Badelatsche nach ihrem Kater.

„Aberfeldy! Die Tür ist offen, komm rein oder bleib draußen!"
Ihre Laune befand sich in einem emotionalen Tief.
Zu viele Gedanken flogen um sie herum und nagten an ihrer Geduld. Ein kurzer Absacker sollte ihr später wohl behilflich sein.
'ein oder vielleicht auch zwei.'
Es gab allerdings kein später mehr.
Die Zeit war knapp und innerlich hörte sie schon die Reifen von Leonards Wagen auf die Auffahrt brettern.
„Hey, Mags-"
„-Ich bin im Bad und hab es eilig, Henry!"

Magnolia hasste es ihn anzufauchen, so wie Aberfeldy es tat, wenn ein fremder Kater sich auf ihren Balkon traute.

„Du klingst busy, Gnolly. Was ist lo-..."
Ihr Nachbar stand inmitten des Türrahmens, als er sie nur mit einem Handtuch bekleidet vorm Spiegel fand. Mags war ihm allerdings nicht wirklich böse.
Er konnte wenig für sein schlechtes Timing.
„Wo geht es denn heute Abend hin?"
Die Angesprochene hielt stumm ihr Kinn in die Höhe, nicht darauf aus ihm die Wahrheit zu erzählen.
Aber er sah die Fassade sofort und ahmte ihren Blick perfekt nach, als er es erneut versuchte.
„Mags?"
Angespannt presste sie die Lippen aufeinander und drehte den Deckel zurück auf die Mascara, nachdem die Wimpern ihrem Geschmack nach betont genug waren. Sie drehte sich vom Spiegel weg und nahm den Lockenwickler in ihre Hand.

„Na schön, Sherlock. Ich gehe auf eine Hochzeit. Muss dort Fotos machen."
Henry glaubte ihrer Aussage durchaus, dennoch war er sich sicher, dass sie ein Detail bewusst ausließ.

Eines, das ihn womöglich hätte stören können.

„Ohne Begleitung, den ganzen Abend... allein?"
Sie stockte. Er wusste sofort bescheid.
„Er begleitet dich, verstehe."
„Henry, bitte. Ich woll-"
„-ist schon gut." Sein Ton sollte versöhnend klingen, doch an Magnolias Ohren gelang nur ein enttäuschtes Seufzen.
Sie schluckte schwer und lenkte sich durch das Frisieren ihrer Haare ab.

„Es wird ihm gut tun, weißt du? Zwischen all den Leuten sein. Mal wieder einen fröhlichen Abend erleben. Du warst meine erste Wahl, wirklich! Aber nach- ich glaub einfach, dass es keine gute Idee wäre."
Henry zuckte mit seinen Schultern, versuchte seinen Blick auf etwas anderes zu fokussieren, als auf ihre nackte Haut, an der noch immer feine Wassertropfen abperlten.
„Ich kann dir gerade nicht folgen."
„Was würdest du sagen, wenn jemand dich darauf ansprechen würde?" Sein Fuß klopfte ungeduldig auf den Fliesen herum, deren cremefarbener Ton ihn an feinen Sand erinnerte.

„Auf was sollte mich jemand ansprechen?"

Magnolia legte endlich den Lockenwickler aus der Hand, blieb ruhig, als sie diesen zurück in den Schrank packte und sich direkt an Henry wandte.
„Über uns. Was ist, wenn die Leute kommen und Fragen stellen? Weil sie denken, wir wären ein Paar wie jedes andere auch?"
Henry schluckte, fühlte sich in seiner Gefühlswelt ertappt, während Mags am liebsten die Unterhaltung beenden wollte.
„Wir sind beste Freunde, Mags. Das weißt du, das weiß ich. Außerdem, was lässt dich denken, dass sie dieselben Fragen nicht Leonard stellen werden?"

Sie sank ihren Blick zu Boden, während sie über seine Gegenfrage nachdachte.

„Das spielt keine Rolle. Das Gerede wird an ihm abprallen. Ihm wären solche Fragen total egal."

Mags wechselte einen kurzen Blick mit Henry, er wiederum zog skeptisch seine Augenbrauen zur Stirn und traute sich die Frage zu stellen, dessen wahre Antwort er nicht wissen wollte.

„Und dir? Wären dir die Fragen auch egal?"
„Henry..."

Er winkte ihren Versuch zu antworten schlicht ab.

„Du bist mir keine Erklärung schuldig, merk dir das. Pass einfach auf." Henry wartete nicht auf eine weitere unnötige Erklärung und wollte die Wohnung endlich verlassen, sah jedoch im Vorbeigehen das Kleid auf ihrem Bett liegen und konnte sich ein warmes Lächeln nicht verkneifen.

Zu groß war der Wunsch in ihm, dass sie das Kleid für ihn getragen hätte. Stattdessen blieb ihm dieser Anblick verwehrt. Dabei war es egal, wer sie so zu Gesicht bekam. Er war sich sicher, der Glückliche hatte einen Grund zur Freude gehabt.

Es ging hier um Mags' Herz, nicht um seins.

Das versuchte er innerlich zu akzeptieren, als er ihr seine letzten Worte für diesen Tag entgegen hauchte.

„Er kann sich glücklich schätzen. Lass ihn das wissen, Gnolly. Wir sehen uns später."

In ihr brach gerade ein wichtiger Teil ihres Herzens weg, als sich seine Enttäuschung deutlich zeigte, nicht länger verbarg. Aber es rührte sie zu spüren, dass Henry versuchte ihre Gefühle voranzustellen. Also war sie schneller vor ihm als er durch die Tür hätte verschwinden können und gab ihm eine feste Umarmung mit auf den Weg.

„Lass bitte nicht zu, dass sich irgendetwas verändert, damit könnte ich nicht leben."

Henry verstand sofort und nickte kurz.

Trotzdem oder gerade aufgrund der Tatsache, dass sein Herz zerriss, musste er schnellstens die Wohnung verlassen. Ohne mit einem weiteren Wort die Verletzlichkeit in seiner Stimme zu offenbaren.

Ihr Herz pochte wie wild in ihrem Brustkorb, die Aufregung hinterließ ein Pfad der Hitze in ihrem gesamten Körper. Magnolia stand vor ihrer Wohnungstür, das Geräusch ihrer Klingel rasselte noch immer im Gehör.

'Das wird Leonard sein. Okay, Mags. Jetzt wird es kein Zurück mehr geben!'

Ein letztes Mal atmete sie die Luft aus und zog dann den Türgriff herunter. Sie hoffte, dass ihre Augen aufgrund der letzten Unterhaltung nicht mehr so geschwollen aussahen und ihr Make Up den Verrat ersticken konnte.

Die Tür öffnete sich und dann trafen sich auch schon ihre Augen. Eisblau trifft auf Sturmgrau.

Das eine strahlend, hell und aufgeschlossen. Das andere war ein Zusammenspiel aus den Farben eines stürmischen Tags, tiefgründig und nachdenklich.

„Gutes Timing wie immer. Ich bin gerade fertig geworden."
„Du siehst tatsächlich ziemlich 'fertig' aus. Alles gut bei dir?"

Magnolia fasste sich aufgeregt an ihre Wangen, winkte seine Frage aber ab und lud ihn in ihre Wohnung ein.
„Nichts, womit du dir deinen Kopf zerbrechen müsstest."

Sie tigerte durch ihr Wohnzimmer, direkt zum Schrank in der Ecke neben dem Fernseher und zog sich eine Flasche Scotch heraus.

„Sag jetzt nichts, okay?"

Warnend hielt Magnolia ihren Finger vor sich in die Luft, gerade als Leonard seine Stimme erheben wollte.

Er schüttelte seinen Kopf, schmunzelte und begutachtete währenddessen die Bilder an der Wand.

„Ich wollte nur sagen, dass du heute sehr schön aussiehst. Dachte, ich klang vorhin zu harsch."

Magnolia schüttete die Flüssigkeit ihre Kehle hinunter und zuckte aufgrund des brennenden Gefühls, ehe sie das Glas zum Spülbecken stellte und an der Küchentheke anhielt. Sie schaute an sich hinunter.

Ihr Abendkleid lag eng an ihrem Körper. Die transparenten Ärmel wurden sowie der Rest vom Kleid von feinen Pailletten und Strasssteinen dekoriert, die in Linien angereiht waren und feinen glitzernen Fäden glichen. Sie bildeten in sich verlaufende Bahnen. Es hatte einen Touch von den '20ern'.

Ihre Wangen fühlten sich plötzlich wärmer an und um sich nicht zu verraten, drehte sie sich von ihm weg.

So entging ihr aber auch ein gewisses Detail.

„Dankeschön. Das meinte Henry heute auch schon."
Sie wusste nicht, weshalb sie ihm diese Information verriet. Aber möglicherweise wollte die Stimme tief in ihr unbedingt, dass Leonard von ihrem Problem erfuhr. Denn Magnolia wusste, dass er mit diesem Detail durchaus etwas anfangen konnte.
„Ich muss nicht mitkommen, wenn es unpassend ist."
Doch Mags segnete seinen Vorschlag nicht ab, sie hatte sich auf diesen Abend die ganze Woche lang gefreut und außerdem ging es hier um Leonard.

Um ihn und um ihren Job.

„Keine Sorge. Die Unterhaltung war überfällig und hätte mich früher oder später eh eingeholt."
Er nickte.
„Schließ deine Augen."
„Wieso?"
„Mach es einfach."

Mags grinste, schloss die Augenlider und wartete gespannt darauf, was als nächstes geschah.

Sie hörte seine Schritte über das Laminat wandern, seine Lederschuhe klopften im Rhythmus ihres Herzschlags. Zumindest dachte sie das.

Er stand direkt vor ihr, sie musste nicht einmal ihre Hände vor sich ausstrecken, um sich dem sicher zu sein. Sie nahm Geräusche wahr, die sie nicht zuordnen konnte und spürte seine Hände durch ihr Haar wandern, wollte die Augen öffnen. Protestieren.

'Es hat Tage gedauert diese Frisur hinzubekommen, Leonard!'

Aber sie sagte nichts und schwieg. Wartete einfach ab.

„Weißt du, manchmal kommt es auf die Details an."

Sogleich sie seine Präsenz auch spürte, wusste sie, dass er sich ohne weiteres wieder von ihr entfernt hatte.

„Du kannst deine Augen jetzt öffnen."

Das tat Mags auch. Aber wozu eigentlich der Aufwand?

Leonard stand mit verschrenkten Armen vor ihrer Kommode und nickte zum Spiegel an der Wand. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu.

„Manchmal kommt es auf die Details an..."

Lächelnd wiederholte sie seine Worte, während sie vor dem Spiegel stand und die einzelne Magnolie in ihrem Haar begutachtete. Leonard hatte den Rest des kleinen Blumenstraußes auf ihre Kommode abgelegt.

„Wir sollten langsam los, oder?" Leonard entfernte sich von dem Stubenschrank und ging zur Tür, da fiel ihm etwas auf.

„Solltest du nicht deine Kamera mitnehmen?"

Mags starrte ihn mit großen Augen an und rannte los, noch bevor ihre Lippen sich zu einem 'O' formen konnten.

Es waren bereits ein paar Menschen vor Ort, die nervös herumwirbelten und die letzten Überarbeitungen vornahmen. Magnolia fragte sich, ob neben sämtlichen Familienmitgliedern auch schon Freunde des Paares unter der Menge waren. Jedoch war der Gedanke Nebensache, denn ihre Augen konnten sich nicht von dem traumhaft beschmückten Garten trennen. Am meisten faszinierten sie die Lampions, die in den Bäumen aufgehängt waren und den Weg zum Altar begleiteten.

„Gefällt es dir?" Von Neugier angetrieben stupste sie Leonard an und wollte wissen, welches Detail er am meisten bewunderte.

„Die wahre Schönheit von Licht entfaltet sich erst bei Nacht."

Mags nickte zustimmend, verstand die tiefere Bedeutung in seinen Worten jedoch nicht.

„Oh, hallo. Sie müssen Magnolia Dearing sein! Ich bin Sue, Kellys Mutter." Beide gaben sich freundlich die Hand, bis der Mutter der Braut die Begleitung an Mags Seite auffiel.
„Ah, dann muss das wohl Ihr-..."
„Leonard Tremblay, Ma'am. Die Begleitung und mehr oder weniger auch ihr Vorgesetzter."
Magnolia grinste verlegen, woraufhin die Frau wissend die Augenbrauen hochzog und zu zwei gefüllten Sektgläsern griff.
„Da wird es wohl später am Abend aufregenden Gesprächsstoff geben. Aber jetzt erst einmal etwas für den Auftakt."

Die beiden klirrten ihre Gläser zum Wohl aneinander, Mags kniff Leonard zusätzlich in seinen Arm.

„So, so. Vorgesetzter also?"
„Ohne mich hättest du keinen Auftrag und somit auch kein Geld. Klingt ziemlich nach dem, wofür ein Vorgesetzter steht." Ohne eine Mine zu verziehen kippte Leonard die Flüssigkeit herunter und stellte das Glas wieder auf das Tablett ab.

„Langsam, noch haben wir nicht einmal die Zeremonie hinter uns gebracht."
„Genau deswegen muss es ja sein. Weißt du nicht, wie anstrengend die sein können?"

Zur Veranschaulichung nahm er ein neues Glas vom Stehtisch und lief ungeachtet dessen, ob Mags ihm gefolgt wäre, einfach zur Rundbank unter einen der vielen Bäume.

„Ja, Sie dürfen."

Die Gäste lachten, als der Trauredner Max auf die Sprünge half, der nervös vor seiner frisch getrauten Ehefrau stand und etwas unbeholfen in die Menge starrte. Leonard und Magnolia standen fernab der Gäste an der Seite.

Sie schoss gekonnt die ersten Aufnahmen und Leonard versuchte sich auf beste Weise nützlich zu machen, doch Mags reagierte anfangs genervt auf seine Einwände.

Dies war ihr Spezialgebiet und er hatte seins. Das hatte er zu akzeptieren.

Am Ende der Rede gab sie sich jedoch versöhnlich und setzte eine seiner Ideen in die Tat um, deren Ergebnis sie ihm präsentierte.
„Meinst du so?"
„Ja, genau. Sieht doch schon viel besser von diesem Winkel aus, oder etwa nicht?"
„Es sieht nicht schlecht aus. Aber dürfte ich diesen Job bitte allein weitermachen?"

Leonard zuckte mit den Schultern, spürte aber ihr gereiztes Gemüt und entschied sich, den Ball flach zu halten.

„Du wolltest doch, dass ich mitkomme. Schon vergessen?"
„Ja, als Begleitung. Also mach deinen Job und sichere uns etwas vom Champagner."

„Enchanté."

Die Frauen versammelten sich wie der Brauch es eben so wollte hinter Kelly und warteten darauf, dass sie ihren Brautstrauß warf. Magnolia positionierte sich für eine perfekte Aufnahme vor Kelly und nahm einen Stuhl zur Hilfe, um die Menge in einem besseren Winkel fotografieren zu können. Leonard kam derweilen mit zwei Gläsern Champagner wieder und lief aus Reflex die letzten Schritte in Eile, um den Stuhl festzuhalten.

Der Blumenstrauß flog durch die Luft und die greifenden Hände bewegten sich zum Gekreische der Frauen. Leonard konnte nur instinktiv die Augen verdrehen.

„Wolltest du etwa nicht deine Zukunftspläne von einem Strauß Blumen abhängig machen?"
„Sei doch nicht so bissig. Es gehört eben dazu." Mahnend spitzte Mags ihre Lippen, konzentrierte sich dann lieber auf das Glas, das der Architekt ihr unter die Nase hielt.
„Ich halte diesen Brauch für unnötig, aber was solls. Geschmacksache."

Mags nickte, trank einen Schluck vom perligen Champagner und packte ihre Kamera zurück in die Tasche.
„Gleich eröffnen die beiden den Saal mit einem Tanz und danach stellt das Catering das Essen auf. Ich werde in der Zeit die Kamera laufenlassen. Sie wollten diesen Teil gerne als Video haben. Könntest du also vielleicht das Stativ holen?"

Er kam ihrer Bitte natürlich sofort nach und eilte zurück zum Blumenaltar.

Die Dekoration war ihnen wirklich gelungen und Leonard konnte es kaum abwarten den Garten erneut aufzusuchen, sobald es dunkel gewesen war.

Der Abend verlief sehr gut und Magnolia freute sich über einige nette Gespräche, die sie mit den Gästen führen konnte. Als Fotografin kam man bei den Leuten recht schnell ins Gespräch. Allein schon, weil sie für das Gästebuch viele Schnappschüsse machen musste.

„Das wären soweit alle."
„Was ist mir dir? Kelly wollte jeden ihrer Gäste im Buch haben."

Die Schwester der Braut, Sara, drängte Magnolia so sehr auch ein Foto von sich selbst zu machen, dass sie nicht anders konnte als Leonard zu sich zu nicken und auf ihn zu warten.
„Komm schon. Für das Gästebuch."
Ihm kam die Situation unbehaglich vor, aber er wollte auch nicht unhöflich sein. Also blieb Leonard nichts anderes mehr übrig, als sich neben die Fotografin zu stellen.

Erst berührten sich ihre Oberarme nur zaghaft, was diverse Gäste zum Schmunzeln brachte.
Anayo, Max' Trauzeuge sowie Kumpel, pfiff sarkastisch durch den Saal und nahm die Kamera an sich.
„Seid ein wenig lockerer und Du, nimm die Lady in den Arm."
Mags lachte, weil Leonard aufgrund der Bemerkung nur noch mehr zur Statue wurde. Die Initiave zu ergreifen lag nun bei ihr, also nahm sie seinen Arm und schlang ihn um ihren Körper.
Aus Reflex rastete seine Hand an ihrer Taille.
„Ihr seid gar kein Paar?"
Die Frage traf beide gleichzeitig wie ein Blitz, nachdem Anayo das Foto geschossen hatte und über das Objektiv hinweg schaute.
„Ähm, nein. Wir sind Arbeitskollegen. Er und ich."
Mags war diese Situation zwar peinlich, aber sie genoß ganz bestimmt den kurzen Moment, als eine tiefe Stimme meinte, dass Anayo seine Chance gefälligst nutzen sollte und sich Leonards Arm für eine winzige Sekunde enger um ihren Körper schlang.

Die Feier nahm langsam an Fahrt auf.

Mags saß nach dem Shooting lange auf ihrem Platz und beobachtete das Szenario aus naher Ferne. Es war eine wirklich schöne Hochzeit, das Gefühl der Langeweile entstand einfach aus ihrer Unbehaglichkeit.
'Ich kenne wirklich niemanden hier und so richtig dazwischen komme ich auch nicht.'
Sie hörte die Klänge eines guten Songs und pikste Leonard in den Arm, doch er zog zurück und schüttelte genervt den Kopf.
„Nein, Mags. Bitte nicht. Ich kann gerade nicht tanzen." Er stand auf und verließ den Tisch, aber Magnolia hatte keine Zeit zu schauen, wohin er ging.

Anayo stand plötzlich vor ihr und hielt einladend seine Hand zu Mags hin.
„Möchtest du tanzen, Magnolia?"
Sie zögerte, allerdings nur kurz.

„Nenn mich bitte Mags."

Die Tanzfläche wurde nach einer Weile von immer mehr Gästen aufgesucht, aber durch den Platzmangel verlor Mags schon bald die Lust dazu sich von Anayo in andere Paare schleudern zu lassen.
Dieser charmante Mann hatte wahnsinnig viel Energie.
„Pause?"
Sie nickte und er führte sie zurück an die langen Tische, wo er sich seinen Platz mit weiteren jüngeren Leuten teilte.
Die meisten waren noch keine dreißig Jahre alt.

Magnolia verlor die Zeit, da sie sich völlig in das Gespräch mit dem lebensfrohen Afrikaner verlor. Er und Max lernten sich vor einigen Jahren durch einen Schüleraustausch kennen und behielten den Kontakt
bei, trotz der gigantischen Distanz zwischen Kanada und Ghana.

Wie Mags es einst tat, wagte auch Anayo den großen Schritt und wanderte aus seinen heimischen Wänden aus. Er wollte als Schauspieler Fuß fassen und fühlte sich in Kanada wohl.
Weshalb also nicht für längere Zeit versuchen?
Ihm gefiel es nach einem halben Jahr so gut, dass er mithilfe von seinen Ersparnissen und einem festen Job dort bleiben konnte. Allerdings wurde aus dem attraktiven Charmeur ein Kameramann.

Dadurch hatten die beiden natürlich einiges zu besprechen. Beide sahen die Szenen vor ihren Augen beinahe gleich, identisch.

„Also, deine Begleitung?"
„Ja?" Ihre Ohren wurden noch aufmerksamer.
„Nichts ernstes?"

Mags dachte nach.

Was war schon 'ernst' ?

Ihre Beziehung zu Leonard bezeichnete sie tatsächlich als ernst, denn sie war vor allem profesionell. Auf der anderen Seite war ihre Freundschaft zueinander mittlerweile etwas ganz besonderes geworden.

Sie sah auf die Uhr, die der Fotografin ihrer Meinung nach finster entgegen blickte. Sie hatte Leonard bereits viel zu lange allein gelassen. Zeit für Schuldgefühle.
„Ich glaube, ich sollte ihn jetzt besser aufsuchen. Entschuldige mich."

Anayo bekam nie eine ehrliche Antwort zurück. Aber ihr Blick reichte ihm völlig aus.

Es war wohl etwas ganz spezielles unter merkwürdigen Umständen gewesen.

Etwas, das sie dennoch aufrichtig mit einem 'Ja'  hätte beantworten können.

„Leonard? Leonard, bist du hier irgendwo?"

Er war fasziniert von den Lampions gewesen.

Dieses Detail brachte Magnolia direkt in den Garten des gemieteten Anwesens. Natürlich lag sie richtig mit der Vermutung. Er konnte ihre Schritte hören, sagte dennoch kein Wort. Auch nicht, als sie sich still neben ihn setzte.

„Was machst du hier, Mags?"
„Möglicherweise dasselbe wie du. Den Kopf frei bekommen." Er grinste.

Sein Verstand konnte ihre Antwort direkt zuordnen.
„Wird langsam ziemlich voll da drin. Hier ist es gerade so entspannend."

Mags stand von der Baumbank auf und reichte ihm ihre Hand. Zögernd griff er danach. Eine angenehme Stille umhüllte die beiden, als sie den Weg geradeaus zum Altar beschritten. Es war die reinste Ironie.

Aber hinter dem Blumenbogen konnte man direkt auf das Wasser gucken und da zog es Mags auch ohne weitere Unterbrechungen hin.

„Darf ich dich was fragen?"
„Nur zu. Was für schlüpfrige Details willst du noch über mich wissen?"

Beide lachten, als sie direkt vor dem wunderschönen Ausblick standen, wo sich in der Ferne Orange mit einem pastellfarbenen Rosa vermischte.
Magnolias Augen starrten direkt in die atemberaubende Dämmerung, die sich in ihnen reflektierte.

Leonard sah heute kaum etwas schöneres.

„Was meintest du eigentlich kurz vor der Ansprache? Die wahre Schönheit von Licht entfaltet sich erst bei Nacht."

Er gestikulierte belanglost mit der Hand.

„Dreh' dich doch um und schau zum Garten. Dann weißt du, was ich meine."

Sie schüttelte unzufrieden ihren Kopf.
„Denkst du, das würde ich selbst nicht sehen? Ich spüre einen tieferen Sinn. Komm schon, klär mich auf."

„Wieso willst du das unbedingt wissen?"
„Weil ich dich verstehen möchte."

Er sah sie nicht an, seine Augen hafteten wie ihre noch immer auf das Wasser, welches so wunderschön in der kriechenden Dunkelheit schimmerte.

„Wenn man sich im Dunkeln befindet, fällt einem erst auf, wie hell das Licht um einen herum scheint, denn vorher ist es einfach nur eine selbstverständliche Erscheinung.

... Aber dann ist Licht eines der schönsten Farben."

Magnolia lächelte und griff ihre Hände um seinen Arm. Ihr Kinn rastete nun auf seiner Schulter. Es fühlte sich vertraut an. Sie genoss im Geheimen die Nähe.

„Welche Farbe hat Licht denn?"

„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie wunderschön sein muss."

Er sah Mags kurz an, schien seine Gedanken sammeln zu wollen.

„Ein bisschen so wie du."

Ihre Blicke trafen sich. Beide verloren ein Lächeln.

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