"Ich habe Angst."

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„Unsere Freundschaft hat eine Erfahrung mehr gesammelt. Weder Daniel noch ich bereuen es, dass wir mit dir zusammen im Bett waren. Ich weiß nicht, wie ich dir das genau erklären soll." Nachdenklich kratzte sich Nico am Kinn. Irgendwie musste er Max doch davon überzeugen können, dass noch alles in Ordnung zwischen ihnen war.

„Daniel und ich haben dich nicht umsonst in unser Geheimnis eingeweiht. Wir wussten, dass wir dir vertrauen können. Daniel hat schon immer sehr viel von dir gehalten. Als ihr Teamkollegen wart, hat Dan schon gemerkt, dass du ein besonderer Mensch bist. Okay, du warst vorlaut, unfreundlich und auf der Strecke so manches Mal ein Risiko."

Nico konnte sich ein leises Auflachen über das entsetzte Gesicht von Max nicht verkneifen. Es war nicht schön, wenn man mit der Wahrheit konfrontiert wurde. Aber um ihren jungen Freund nicht doch gegen sich aufzubringen, schob sich Nico etwas näher an Max und legte diesem die Hand auf den Oberschenkel.

„Keine Angst, Max, das ist Vergangenheit. In den letzten Jahren hast du dich sehr verändert. Zum Positiven. Als Daniel damals vorgeschlagen hat, dass wir dir von uns erzählen, war ich kurz skeptisch. Ich kannte dich nicht so gut wie Dan. Aber er war so überzeugt und so sicher, dass man dir vertrauen kann, dass ich mich habe überreden lassen. Und bis heute bereue ich es nicht. Wir wissen es zu schätzen, dass du uns den Rücken freihältst. Dass du für uns da bist."

„Ich hätte mich nie von euch abgewandt." Heftig schüttelte Max mit dem Kopf, griff unbewusst nach der Hand auf seinem Oberschenkel und spielte mit den langen, schlanken Fingern des Blonden. „Daniel war bei Red Bull immer für mich da. Er war der Einzige, der mich ausgebremst hat, der mir auch über den Mund gefahren ist, wenn ich mal wieder der vorlaute Rotzbengel war. Oh Nico, ich weiß genau, was ich für ein Arschloch war. Und trotzdem hat mich Daniel so oft zur Seite genommen, hat mich umarmt und mir immer wieder gesagt, ich sei ein toller Fahrer. Als er gegangen ist ..."

Überrascht von der plötzlichen Erinnerung schüttelte Max traurig den Kopf. Es hatte ihm fast den Boden unter den Füßen weggerissen, als bekannt wurde, dass Daniel wirklich das Team verlassen würde.

„... Ich weiß, dass es an mir lag. Immer wurde alles für mich gemacht. Alles um den Wagen herum wurde auf mich abgestimmt. Und dabei war Daniel so gut, so oft besser als ich. An seiner Stelle hätte ich irgendwann auch das Weite gesucht. Dabei war es so toll mit ihm, so unterhaltsam und lustig. Carlos ist auch ein toller Kollege gewesen. Pierre war zwar sehr ruhig, aber trotzdem nett und freundlich. Auch wenn er bei Red Bull nicht wirklich viel zu lachen hatte. Es tat mir wirklich weh zu sehen, dass er bei Toro Rosso wieder richtig aufgeblüht ist. Weil ich das Gefühl hatte, dass ich ein richtig beschissener Teamkollege gewesen sein musste. Erst als er von mir weg war, konnte Pierre wieder lächeln. Genauso wie Carlos. Seit dieser mit Lando in einem Team fährt, ist er wie ausgewechselt. Mit dir klappte es ja auch. Selbst da konnte ich Carlos ansehen, dass er entspannter war als mit mir zusammen. Und bei Alex spüre ich auch, dass er mich wohl mag, aber er auch genau weiß, dass es immer um mich geht. Ich will das doch gar nicht. Oder ich will es nicht mehr. Ich möchte so gerne einen Teamkollegen haben, der wie Daniel ist. Der länger bei mir bleibt."

Max hatte in den letzten Jahren wirklich eine erstaunliche Entwicklung gemacht. Es war kaum noch was von dem unfreundlichen, aggressiven, vorlauten Jungen zu sehen, welcher Max noch vor Jahren gewesen war. Aber Nico war nicht der Einzige, der dachte, dass es für Max damals mit 17 Jahren einfach viel zu früh für die Formel 1 war. Der Druck auf das sogenannte Wunderkind war viel zu viel für die schmalen Schultern eines 17-Jährigen. 

Die Formel 1 war hart und heftig. Bildlich gesehen musste man wirklich kratzen, beißen und zuschlagen, wenn man etwas erreichen und vor allem dabeibleiben wollte. Und Max hatte sehr gut bewiesen, dass er schlagen, kratzen und beißen konnte. Es hatte ihn nicht wirklich überrascht, dass Daniel es geschafft hatte, Max die Stirn zu bieten. 

Schon der Altersunterschied ließ erahnen, dass sich Daniel bestimmt nichts von so einem vorlauten Kind hätte sagen lassen. Aber Nico wusste auch zu gut, dass Max eine Art Beschützerinstinkt bei dem Australier hervorgerufen hatte. Zumindest so lange, bis Daniel wohl bemerkt hatte, dass er mehr für den jungen Niederländer empfand.

„Max, du bist ein wundervoller Mensch. Es ist schön, dass die Jahre wirklich einen Wandel bei dir gebracht haben. Es hätte ja auch sein können, dass du so unausstehlich bleibst. Aber das bist du nicht. Daniel hat mir viel von eurer gemeinsamen Zeit erzählt. Von euren Drehs, aber auch wenn ihr privat was gemacht habt. Weißt du, Daniel hatte damals schon ein schlechtes Gewissen, als er Red Bull verlassen hat."

Verwirrt blinzelte Max. Wieso sollte Daniel ein schlechtes Gewissen gehabt haben? Renault war sicher nicht mit Red Bull zu vergleichen gewesen, aber man hatte schon gemerkt, dass sich Daniel wohlgefühlt hatte.

„Nicht wegen dem Team. Es gab wohl einige aus dem Team, mit denen kam er gut zurecht. Daniel hatte einfach Angst, dass du niemanden mehr hast, der dich ein bisschen anstupst und auf den Boden zurückholt, wenn du wieder einen deiner Höhenflüge hast. Natürlich war ihm bewusst, dass du alt genug warst, und dass du deine eigenen Entscheidungen treffen musst. Trotzdem wollte er einfach immer nur, dass es dir gut geht. Und das war jetzt nichts anders, als wir im Bett waren. Daniel hätte niemals diesen Vorschlag gemacht, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass es dir dabei gut geht."

Ein wenig war er schon überrascht, aber auch verlegen. So viel hatte er Daniel bedeutet? So wichtig war er dem Älteren gewesen? Und wohl noch immer? Max wusste, dass Daniel und ihre gemeinsame Freundschaft schon was Tolles war. Mit niemand anderem hatte er so viel Spaß wie mit dem Australier. Außerdem hatte es ihm immer Ansporn gegeben, wenn Daniel nicht klein beigegeben hatte.

Wir lieben, wen wir liebenWhere stories live. Discover now