Ich verabschiedete mich von Lindsay, obwohl ich sie ohnehin in meiner Schicht wiedersehen würde. Sie war eine der Unglücklichen, die hier Vollzeit arbeiteten. Also eigentlich die Einzige. Abgesehen von Sally, die aber kam und ging, wie sie wollte.

Draußen hatte sich das Wetter merklich verschlechtert. Die Sonne war hinter dicken Wolken verschwunden und es sah nach Regen aus. Seufzend steuerte ich auf das kleine Restaurant zu, dass einem alten, süßen Paar gehörte, deren Hunde ich mal ausgeführt hatte.

Mr. und Mrs. Smith. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Sie machten die besten Steaks in dem ganzen Viertel und ich bekam hier immer Rabatte.

„Emeli, meine Liebe! Schön dich zu sehen!“, begrüßte mich Mrs. Smith sofort, als ich eintrat.

„Hallo Mrs Smith!“

Lächelnd führte sie mich zu meinem Stammplatz und fragte: „Was darf es denn sein? Das übliche?“ Also Ei mit Speck und einer großen Cola.

„Nein, heute hätte ich gerne ein großes Steak und eine kalte Limo, bitte.“ Erstaunt hob sie die Brauen und fing an zu lächeln, sodass ihre runden Pausebäckchen rot wurden.

„Da hat jemand aber einen großen Hunger.“

Es störte mich nicht, dass sie mit mir sprach, als wäre ich ein kleines Kind. Im Gegenteil, es freute mich. Sie waren die Einzigen, die mir jemals das Gefühl gaben, ein Kind zu sein. Oder jemals gewesen zu sein. Ich konnte mich kaum an meine Kindheit erinnern, geschweige denn an meine Eltern, die – Ich hielt mir an die Schläfe.

Diese verdammten Kopfschmerzen. Ich brauchte dringend Schmerztabletten. 

Doch meine Kopfschmerzen verschwanden sofort, als ich den köstlichen Geruch von gegrilltem Steak roch. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen.

„Hier. Bitte sehr und lass es dir schmecken, Liebes.“

„Danke.“ Doch ich hatte nur noch Augen für mein Essen. „Endlich!“, murmelte ich, bevor ich ein großes Stück Fleisch in mein Mund schob. Etwas Köstlicheres gab es nicht. Ehrlich. Ich schloss die Augen, und genoss den würzigen Geschmack auf meiner Zunge. Die Türglocke läutete und ich riss die Augen wieder auf. Ich warf einen verstohlenen Blick zur Tür und entdeckte einen weiteren Gast. Der mich direkt ansah. Ich verschluckte mich und spülte den Rest mit meiner Limo runter. Ich konnte gerade noch sehen, wie der Kerl spöttisch lächelte, als er sich in die hinterste Ecke des Restaurants setzte. Ich spürte - nein, ich wusste - dass ich rot geworden war. Wenn ein Junge ein Mädchen so essen sieht – und ich glaube ich sah ziemlich verfressen aus - und dabei so lächelt, dann verhieß das nichts Gutes. Ich seufzte. Aber warum hatte er mich denn überhaupt angeschaut? Ich meine, ich glaube sehr gerne, dass es komisch ausgesehen haben musste, aber es war allgemein unhöflich jemanden so beim Essen zu beobachten. Wütend schnitt ich mir noch ein Paar Stücke ab und schon war mein Teller leer. Ein Rülpsen konnte ich glücklicherweise noch verhindern.

„Vielen Dank, Mrs Smith. Es war sehr lecker!“, sagte ich, als ich aufgestanden war und an die Kasse trat. Im selben Moment trat Mr. Smith aus der Küche und begrüßte mich mit einem Nicken. Ich lächelte ihn an, zahlte und ging raus, allerdings nicht, ohne noch einen letzten Blick auf den gemeinen Kerl zu werfen, der mich vorhin anscheinend ausgelacht hatte. Er saß alleine am Tisch, nippte an seinem Getränk und blickte sofort auf, als hätte er meine skeptische Musterung gespürt. Schnell wandt ich den Blick ab und machte, dass ich da raus kam. Ich hatte noch genau eineinhalb Stunden Zeit. Ich hatte es also nicht eilig. Ein Abstecher ins Einkaufszentrum wäre wohl nicht schlecht, da mein Kühlschrank sich langsam aber sicher dem Ende zuneigte. Ich bin kein Mensch, der sich unendlich lange Einkaufslisten macht und dann am Ende wieder etwas vergisst. Ich mache mir keine Listen, vergesse dann aber trotzdem gerne etwas. Vieles. Eigentlich kaufte ich mir dann immer Dinge, die ich überhaupt nicht brauchte, oder wofür ich mich gar nicht auf den Weg gemacht hatte. So wie jetzt.

Emeli - Die Erbin des PhoenixOnde as histórias ganham vida. Descobre agora