„Hallo?“, fragte ich und klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Ohr. Dabei die Hose anzuziehen war nicht einfach.

„Em? Bist du das? Hier ist Luke.“

„Luke? Was ist denn los?“ Fast drohte ich umzukippen.

„Robin lässt heute eine Party steigen. Allein wollte ich nicht hin. Hast du viel-“

„Du Luke - hör mal zu. Ich bin gerade ziemlich im Stress. Können wir das heute Nachmittag oder so besprechen?“ Ich sah in den Spiegel. Okay, ich brauchte eine Bürste.

„Ja, klar. Aber-“

„Na dann. Bis später!“ Ohne auf seine Antwort zu warten legte ich auf und schnappte mir meine Tasche. Mit einem letzten Blick in die Wohnung schloss ich ab und trat in die Sonne. Meine Armbanduhr sagte mir, dass ich nur noch fünf Minuten hatte.

„Super!“, murmelte ich sarkastisch und rannte los.

Verschwitzt, hungrig und zu spät kam ich endlich vor dem Café an und verfluchte mich zum hundertsten Mal, dass ich noch immer keinen Führerschein hatte. Bei so einem Job war es ja auch ein Wunder, dass man überhaupt noch lebte. Ich ernährte mich fast ausschließlich von den großzügigen Trinkgeldern, das die Leute mir hier gaben. Falls ihr euch fragen solltet, wie ich dann überhaupt meine Miete bezahlen konnte, dann sollte ich euch lieber sagen, dass ich keine Miete bezahlte.

Nein, falsch.

Meine Miete wird bezahlt, aber nicht von mir.

Meine verrückte Vermieterin, ihr Name ist Vandy, meinte, dass mein Unterhalt schon bezahlt wird. Ja,ja, ich weiß. Es hört sich nicht gerade sehr vertrauenswürdig an, aber ich habe schon lange damit aufgehört, nach Gründen zu suchen, wer meine Miete bezahlt. Oder warum. Ich nehm's dankbar an. Wann passiert einem denn schon so etwas? Außerdem hatte ich Angst, den Zähler zu verjagen, wenn ich zu viele Fragen stellte. Jedenfalls läuft das schon seit zwei Jahren so. Ich bin zwar noch nicht mündig, aber in einem Waisenhaus wollte ich nicht mehr leben. Da meine Eltern ni –

Ein stechender Schmerz zwischen meinen Augenbrauen ließ mich zusammenzucken. Das passierte mir in letzter Zeit viel zu oft, also sollte ich lieber aufhören, zu denken, bevor ich hier umfalle.

Beim Reingehen läutete die Glocke über der Tür und starker Kaffeegeruch stieg mir in die Nase. Das Café war fast leer. Außer zwei alten Frauen, die das rege Treiben auf der Straße beobachteten und einer Frau, die versuchte, ihre beiden Kinder still zu halten, befand sich niemand hier drinnen. Den Mann, der in seinem Notebook vertieft in der Ecke saß, übersah ich beinahe.

Schnell eilte ich hinter den Tresen und begegnete sogleich dem strengen Blick von Mr. Shean.

„Du bist zuspät, Sanderson“, meinte er und ich konnte bis hierhin seinen Zigarettengeruch wahrnehmen.

„Äh, Sander. Emeli Sander, Mr. Shean.“ Nicht zu fassen, dass der alte, kleine, nach Nikotin stinkende Mann meinen Namen immer noch nicht kannte!

„Wie auch immer. An die Arbeit! Ich habe das Gefühl, dass heute viel los sein wird.“

Nach fünf Stunden war jedoch immer noch nichts los. Was auch kein Wunder war. Die Kunden gingen lieber in ein sauber riechendes, schönes Café, wie der Laden eine Straße weiter. Nicht in ein verdecktes Loch, wie das hier, obwohl ich sagen muss, dass hier die meisten Dinge besser schmeckten als in dem anderen Café. Der Espresso schmeckt hier ziemlich gut. Und von dem Kaffee hier wird man aufgedrehter als ein Energiedrink es überhaupt vermag.

Mein knurrender Magen erinnerte mich daran, dass ich noch immer keine feste Nahrung zu mir genommen hatte. Ich brauchte unbedingt Fleisch.

Lasst euch bloß nicht von meiner kleinen Gestalt täuschen. In Momenten wie diese könnte ich drei große Steaks verspeisen. Ein Glück, dass Sams Schicht vorbei war. Leider würde meine eigene Schicht nach zwei Stunden wieder anfangen. Aber, hey! Ich konnte endlich etwas essen gehen!

Emeli - Die Erbin des PhoenixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt