Prolog

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"Lasse nicht zu, dass sie uns auch noch unser Kind wegnehmen, David. Es trägt das Blut des Phoenix in sich. Es trägt unser Blut in sich." Sie schloss die Augen.

"Moira! Halte durch! Du schaffst das. Wir schaffen es, so wie wir alles bewältigt haben!" Fest hielt er die Hand seiner Frau in seiner. Er wusste, dass sie sterben würde, dennoch klammerte er sich an die Hoffnung.

Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen und sie sah zu ihm auf. Ihre hellen grünen Augen verloren immer mehr an Kraft und strahlten Schmerz aus. Ein lauter Knall erklang und David beugte sich schnell über Moira um sie so vor den herabfallenden Steinen zu schützen. Er keuchte, als ein großer Brocken ihn an der Schulter traf.

"Bitte, David." Ihre Stimme war nun nicht mehr als ein Flüstern. Mit Mühe hob sie ihre Hand und legte sie ihm auf die Wange, er hielt sie fest und küsste ihre Handfläche.

"Sorge dafür, dass Sie unsere Tochter nicht bekommen. Meine Zeit ist gekommen. Ich habe meine Pflicht erfüllt aber du hast noch etwas vor dir." Sie verzog vor Schmerz das Gesicht.

"David!" schrie jemand seinen Namen. Er drehte sich um und entdeckte Hoyt, wie er sich durch das Geäst zwängte. "David, wir müssen hier sofort verschwinden!"

David drehte sich wieder zu seiner Frau und schüttelte den Kopf.

"Wir müssen Moira mitnehmen."

Er stand auf und machte Anstalten sie hoch zu heben doch sie hielt ihn am Arm fest.

"Geh." War alles was sie sagte. Ihre Augen verloren mehr und mehr an Glanz.

Seine Kehle schnürte sich zu. Er ließ sich auf die Knie fallen und beugte sich weit über sie.

"Ich liebe dich Moira. Ich liebe dich so sehr." Langsam legte er seine Lippen auf ihre, die sich nun starr und leblos anfühlten. Tränen rannen ihm über die Wange, als er ihr ins Gesicht sah. Schluchzend legte er seinen Kopf auf ihre Brust und weinte. Er weinte um seine Gefährtin, seine Geliebte, seine Frau.

"Moira", murmelte er immer wieder, bis er von zwei starken Armen auf die Füße gerissen wurde.

"Nein!", schrie er und wehrte sich mit aller Macht gegen Hoyt, der ihn von seiner toten Frau wegzog.

"Sie sind uns schon auf den Fersen, David", knurrte er schüttelte ihn einmal kräftig. "Ich kann sie hier doch nicht liegen lassen!" rief er unter Tränen.

"Doch, kannst du! Du musst! Denk an deine Tochter! Du bringst ihr überhaupt nichts, wenn du tot bist! Also komm wieder zu dir, David!" David jedoch war am Boden zerstört, konnte und wollte nicht mehr weiter machen.

"Was bringt mir denn noch das Leben, wenn Moira tot ist?" murmelte er und drohte in Kummer zu versinken. 

Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz am Kiefer, Sternchen tanzten vor seinen Augen und er schwankte. Dann spürte er noch einen Schlag, diesmal gegen seinen Kopf. Alles um ihn herum vernebelte sich, bis er nur noch Dunkelheit sah und das Bewusstsein verlor.

"Tut mir Leid mein Freund, aber anders ging es nicht." Hoyt warf ihn sich über die Schulter und stampfte durch den Wald durch den er gekommen war. Er musste so schnell wie möglich die große breite Fläche der Schlacht hinter sich bringen. Auch wenn noch immer Gefahr drohte, schützten sie die Bäume vor den herabfallenden Steinen.

Diese verdammten Racarracht. Habe ich doch tatsächlich einen Stein auf die Schulter bekommen, schimpfte Hoyt vor sich  hin. Racarracht waren Gesteinsmonster, die ihre Gegner mit Gestein selten sogar mit Felsbröcken angriffen. Doch nun brauchte er sich darum keine Sorgen zu machen. Die einzige Sorge galt seinem Kamaraden, der schlaff über seiner Schulter hing.

Schnaufend und keuchend folgte er einem kleinen Pfad durch den Wald, den er wenige Minuten später jedoch verlies und sich durch Sträucher und Äste durchkämpfte. Schlachtrufe sowie Schreie traten in den Hintergrund und machten Platz für die Geräusche des Waldes, die sich mit seinen eigenen Schritten und seinem Keuchen vermischten.

Wo war nochmal das verdammte Portal ? fragte sich Hoyt und blieb stehen.

Er wusste, dass sich das Portal hier in der Nähe befand. Das Portal war gut versteckt und würde niemandem auffallen, außer er wusste, wo es sich befand.

Hoyt rückte den bewusstlosen Mann auf seiner Schulter zurecht und kämpfte sich weiter durch den Wald. 

"Wir stehen das durch", murmelte Hoyt, als er nach einigen Metern stehen blieb, mit der Gewissheit, dass sich das Portal hier in der Nähe befinden musste. Augenblicklich hörte er ein Rummoren, eher ein Knacken von Ästen und Sträuchern. Er folgte den Geräuschen und starrte dem gesuchten Portal entgegen. Gerade kamen die Äste zweier Bäume zum Stillstand, die sich zu einer Art Torbogen geformt hatten. Hoyt trat langsam näher und erkannte einige Schriftzeichen, die in das alte Holz eingraviert waren.

Lean do chosáin. 

Folge deinem Weg.

Hinter diesem Portal verbarg sich eine andere Welt in einer anderen Zeit. Ein Weg, der schwierig werden würde. Eine Zukunft mit Geheimnissen und Rätseln. Mit dem Durchschreiten dieses Portals würde er das Schicksal einer einzigen Person besiegeln.

Gerade wollte er durch das Tor hindurch schreiten, als er ein leises Weinen vernahm. Wie vom Donner gerührt ließ er David unachtsam auf den Boden fallen und rannte diesem Geräusch entgegen. Er wusste was es war und könnte sich dafür den Kopf gegen den Baum hämmern, dass er es fast vergessen hätte. Er blieb mit klopfendem Herzen vor einem alten Baum stehen, woher er das Weinen vernam.

Der Zauber, den David zum Schutz errichtet hatte war mit seiner Bewusstlosigkeit aufgehoben, sodass Hoyt ohne Probleme in die Rinne des Baumstammes packen konnte. Wäre David noch bei Bewusstsein gewesen, hätte Hoyt wohlmöglich ins Leere gegriffen. Doch was er nun daraus holte war ein kleiner braunhaariger Säugling, der ihn nun aus großen, ebenso braunen Augen ansah. Es war die Tochter von David, die sie hier versteckt hatten. Und diejenige, dessen Zukunft ungewiss war.

Mit dem Kind in dem Arm rannte er wieder zum Portal und war erleichtert, dass David noch immer bewusstlos war. Mit einem Stöhnen zog er ihn hinter sich her, sprach das magische Wort, dass ihm ermöglichte durch das Portal hindurch zu schreiten: "Oscailte."

Durch dieses eine Wort fing der Torbogen an zu leuchten, das Zeichen für Hoyt seinen Gefährten und dessen Tochter durch das Portal zu führen.

Mit schweren Schritten trat er in das Licht und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Einem Schicksal entgegen, das das Ende der Menschheit und aller Welten bedeuten konnte. Und dieses Schicksal lag in diesen winzigen Händen des Mädchens, das er im Arm hielt.

Emeli.

Die Erbin des Phoenix.

Emeli - Die Erbin des PhoenixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt