Teil 1: Kämpfer

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- Ushijima Wakatoshi -

"Hallo Doktor Takemi."
Die kleine, zierliche Frau blickte mich an.
"Deine Werte haben sich verschlechtert."
Gleichgültig setzte ich mich auf das Bett. "Und das bedeutet?"
"Dass nun nicht nur deine Lunge, sondern auch deine Leber befallen ist und langsam auch in deine Nieren streut."
"Wieviel Zeit bleibt mir?"
"Nurnoch ein paar, wenige Monate. Vielleicht noch ein Jahr."

Die Gespräche, in welchen es um meine Diagnose und Werte ging, liefen immer schnell und trocken ab. Es war nunmal ein Thema, dass niemand gerne beredete.

"Es hängt von deiner Willenskraft ab."
Sie lächelte mich an. "Ich weiß genau das du ein Kämpfer, mit ausgezeichnetem Kaffeegeschmack bist." Ihr kurzes, aber trauriges Lachen versetzte mir einen Stich in der Brust.

Oft hab ich ihr zur Entschuldigung für meine Erkundungstouren teuren Kaffee gekauft. Ich mochte sie.
Ich führte eine Kindheit in diesen schäbigen weißen Wänden. Sie war in all diesen Jahren meine erste und einzige Freundin. Auch wenn es ihr Job war, fühlte es sich so an, als würde ihr etwas an mir liegen. Als wäre ich ihr in irgendeiner Hinsicht ans Herz gewachsen.

"Also, morgen hast du erstmal frei. Wir sehen uns in zwei Tagen wieder und dann sprechen wir genauer über deine weitere Behandlung. Okay?" Sie legte das Klemmbrett auf den Tisch neben mir. "Ist gut. Vielen Dank" Ich nickte leicht und sie lächelte.
"Nicht aufgeben."

Benebelt wachte ich auf.
Draußen war es bereits dunkel und der Himmel war hell erleutet von funkelnden Sternen.
Ich stand langsam auf. Zuerst wankte ich kurz, meine Beine zitterten. Nach einiger Zeit wird der Körper nunmal schwach.
Die Schritte zu meinem Regal vielen mir schwer, trotzdem packte ich mir meinen Rucksack und meine Jacke.
Es gibt Momente, in welchen es so scheint, als würden mich diese weißen Wände zerquetschen. Und gerade war solch ein Moment gekommen.
Ich zog mich schnell an und ging über die Feuerleiter nach draußen.

Nach kurzer Zeit war ich am See angekommen. Nachts sah er noch schöner aus.

Meine wackeligen Beine gaben kurz vor der Bank nach und ich fiel hin.
Taubheit kroch meine Knöchel hoch und breitete sich rasend schnell in meinem kompletten Unterkörper aus.
Das Gefühl in meinen Armen war noch da, also zog ich mich damit an der Bank hoch.

Schmerzerfüllt zischte ich auf. Das Gefühl kehrte in meine Beine zurück, es brannte wie Feuer.
Nach kurzer Zeit atmete ich aus.

'Kämpfer'

So hatte mich Dr. Takemi genannt.

Das Gespräch mit ihr kreiste in meinem Kopf, genau wie mein momentaner Zustand und der rothaarige Junge.

Um meine Gedanken zum Schweigen zu bringen, sah ich mir den wunderschönen Schnee an und fragte mich, wann wohl die nächsten Flocken fallen würden.

Breathe out. - UshitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt