Das Verhör

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Manchmal vermisse ich die Dunkelheit.
Ich bin auf einem Planeten am Rand der Galaxie aufgewachsen, mit Nächten, so finster wie das Gefieder eines Denzos - und damit meine ich die wolkenlosen Vollmondnächte, denn für die andere Sorte fehlt mir ein passender Vergleich.
Vermutlich sollte ich Ihnen das nicht erzählen, denn die üblichen strafrechtlichen Konsequenzen besitzen auf Grund meiner Herkunft keinerlei Schrecken für mich - einige Stunden völlige Finsternis sind ehrlich gesagt eine gedanklich eher reizvolle Vorstellung. Aber Sie wollen ein umfassendes Geständnis, und alles hat in dieser Sache seinen Ursprung - wenn Sie meine Geschichte verstehen sollen, muss ich Ihnen wohl oder übel alles berichten.
Ich stamme wie gesagt von einem Planeten, der fernab aller Sternenhaufen seine Sonne umkreist - und wie Sie an dieser Stelle vielleicht schon erraten können, hat mir die Evolution als Folge fehlenden Sternenlichts eine gute Nachtsicht verpasst. Das hat seine Vorteile, aber das wissen Sie ja - ist ja ihr Fall. Dazu kommt ein leicht abweichendes Lichtspektrum meiner Heimatsonne - ich vermute, die Sache mit dem Spektrum ist der Grund für meine Anwesenheit auf dieser Welt. Warum hätte mich diese etwas sonderliche Hautärztin wohl sonst herholen lassen?
Wenn ich wüsste, über welche Kanäle sie Kontakte zur hiesigen Mafia hat, woher überhaupt irgendjemand von den speziellen Vorteilen meiner Herkunft weiß, oder ob es hier noch mehr von meiner Sorte gibt, glauben Sie mir, ich würde es Ihnen sagen, aber ich habe keinen blassen Schimmer.
Die Mafia war es jedenfalls, die mich hergeholt hat. Die notwendige Technik und auch der Vorgang an sich sind vermutlich illegal, aber wem erzähle ich das - da kennen Sie sich besser aus als ich.
Jedenfalls nehme ich auch bei Tageslicht meine Umwelt etwas anders wahr, als Sie, oder Ihre schweigsame Kollegin. Ich sehe Dinge, die andere Menschen nicht sehen. Sie Herr Kommissar haben übrigens ein Melanom im Anfangsstadium an der Oberseite Ihrer linken Hand - diese Diagnose bekommen Sie von mir ganz kostenlos. Lassen Sie's untersuchen, vielleicht überzeugt Sie das ja. Natürlich hat mir die Ärztin - 
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Ihr Name ist Tori.
[...]
T-O-R-I.
Also, Tori hat mir beigebracht, worauf ich achten muss, ich habe mit Medizin im Allgemeinen und Hautbildern im Besonderen eigentlich nichts am Hut. Ich bin Elektroniker - das nützt mir hier nur leider herzlich wenig, denn wie auch immer die hiesige Technik funktioniert, mit mir Bekanntem hat sie nicht mal ansatzweise Ähnlichkeit. Das ist nebenbei gesagt ziemlich frustrierend, aber was soll's. Tatsache ist, mit entsprechender Gerätschaft konnte Tori die Dinge so wahrnehmen wie ich, sonst hätte sie mir ja auch kaum etwas beibringen können.
Vermutlich ist sie ein bisschen öko - sagt man das hier so? - bei mir zu Hause würde sie wahrscheinlich Waschnüsse anstelle von Persil benutzen und ihre Haare mit Henna färben. Und regelmäßig an Sea Shepard spenden.
Ich war Ihr Technik-Ersatz, Sie benutzte mich - wie einen Fährtenhund, oder ein Trüffelschwein. Eine menschliche Waschnuss sozusagen, im Nachhinein finde ich das eigentlich ziemlich pervers, obwohl ich es damals ziemlich cool fand - ich war der Superman mit den Röntgenaugen.
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Ja ich weiß, ich bin hier der Perverse, das haben jedenfalls die Zeitungen so geschrieben. Womit wir beim Thema wären.
Nein, eigentlich sind wir noch nicht beim Thema.
Haben Sie mir irgendetwas gegeben, eine Wahrheitsdroge oder so? Ich quatsche wie ein altes Waschweib.
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Ja o. k., das dachte ich mir.
Also weiter im Text, ich habe ja offenbar ohnehin keine Wahl.
Ich habe natürlich bei ihr zu Hause gewohnt, anfangs wäre ich allein sowieso nicht zurechtgekommen, und später blieb mir nichts anderes übrig - Geld hatte ich ja keins. Das war ein Problem. Nicht dass ich Probleme damit hätte, mit einer hübschen Frau die Wohnung zu teilen - mit einer hübschen Frau ohne Schamgefühl die Wohnung zu teilen, damit allerdings hatte ich so meine Schwierigkeiten.
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Natürlich haben sie keine Ahnung, wovon ich rede. Die Tatsache, dass das Wort "Schamgefühl" hier überhaupt existiert, ist einigermaßen verwunderlich, aber ich habe da so meine eigene Theorie: Nach Gott weiß wie langer Zeit künstlicher Fortpflanzung, scheint die Sache mit dem Sex bei euch irgendwann eingeschlafen zu sein, und das Schamgefühl hat sich gleich dazugelegt und schläft jetzt den Schlaf der Gerechten. Es muss aber mal andere Zeiten gegeben haben.
Na jedenfalls rannte Tori zu Hause mit Vorliebe nackt durch die Gegend, kaum war die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss gefallen, fiel auch die Kleidung. Anfangs dachte ich, sie hält mich für eine Art Tier oder so und es wäre ihr deshalb scheißegal, dass ich sie die ganze Zeit in voller Pracht betrachten konnte. Ich war stinksauer, das können Sie mir glauben. Irgendwann ist mir aber klar geworden, dass sie sich rein gar nichts dabei dachte, weil ihr einfach nicht klar war, welche Wirkung das auf mich hatte.
Ich muss Ihnen das wohl erklären - ich verfüge über einen Sexualtrieb, und der wird unter anderem durch visuelle Reize stimuliert, und damit meine ich den Anblick von Geschlechtsmerkmalen.
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Wie bitte?
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Ja, einen Sexualtrieb, wie Tiere ihn haben, und Ihren Sarkasmus können Sie sich echt sparen. Hören Sie, bei mir zu Hause hat jeder gesunde Erwachsene diesen Trieb, ich kann auch nichts dafür, dass das hier oberflächlich betrachtet nicht so ist.
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Was ich mit oberflächlich meine? Das wissen Sie doch ganz genau.
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Jetzt unterbrechen Sie mich doch nicht andauernd, entweder ich habe meine religiöse Seite entdeckt, oder das sind Ihre verdammten Drogen, jedenfalls habe ich das Bedürfnis, all meine Sünden zu beichten.
Tori verfügte über einen makellosen, runden, prallen Hintern und bewundernswert volle Brüste. Beides hatte ich tagtäglich direkt vor der Nase, und das meine ich nicht nur im übertragenden Sinne. Es hat mich halb wahnsinnig gemacht, ganz besonders nachdem mir klar geworden war, dass ihre Nacktheit nicht etwa ein Zeichen ihrer Arroganz, sondern ein Zeichen paradiesischer Unschuld war, eine - zumindest was das Sexuelle betrifft - reine Seele, die einem katholischen Priester Freudentränen in die Augen getrieben hätte.
Meine eigenen Gedanken waren alles andere als unschuldig, ich konnte bald an nichts anderes mehr denken, als daran, sie irgendwie in mein Bett zu kriegen. Ich habe ihr schöne Augen gemacht, mit meinen - für hiesige Verhältnisse beeindruckenden - Muskeln geprotzt, nette Komplimente verteilt, ich habe alle Register gezogen. Irgendwann hätte ich mich beinahe umgebracht, als ich ihr Fong-Blumen pflücken wollte.
[...]
Woher sollte ich wissen, dass diese hübschen Mistdinger derartig giftig sind?
Naja, ich saß ja - was medizinische Erstversorgung betrifft - direkt an der Quelle, wie Sie sehen können, habe ich es überlebt. Nach dieser Pleite habe ich sie einfach geradeheraus gefragt, und wie sich herausstellte, hätte ich das auch gleich am Anfang machen können. Mein Anliegen hat sie ziemlich erstaunt, aber sie zeigte Interesse - kein Verlangen, sie war einfach nur neugierig auf etwas Neues.
Das ist mir natürlich erst später klar geworden, man redet sich die Dinge ja gern schön.
Wie auch immer, nachdem ich ihr ein paar Sachen im Detail erklären musste, hatte ich sie da, wo ich sie schon seit Wochen haben wollte, nämlich auf allen Vieren kniend auf meiner Matratze, ihren atemberaubenden Hintern schön herausgestreckt. Auf ein Vorspiel legte sie keinen Wert, ich nach meiner unendlichen Durststrecke ehrlich gesagt auch nicht. Sie war trocken wie die Wüste Gobi, aber mit Geduld und Spucke - genau genommen wenig Geduld und um so mehr Spucke - klappte es ganz gut.
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Was ich damit meine? Also die Wüste Gobi ist eine Wüste auf meinem Heimatplaneten, sie liegt in der Mongolei......
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Ach das meinen sie.
Also normalerweise sollte eine Frau beim Geschlechtsakt innerlich feucht sein, das erleichtert den Vorgang.
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Ja genau, normalerweise braucht man keine Spucke.
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Also weiter.
Von da an taten wir es regelmäßig jeden zweiten Tag, und sie ließ es über sich ergehen wie eine Massage oder etwas in der Art. Das war es für sie vermutlich auch, ich schätze, sie versprach sich davon irgendeinen homöopathischen Effekt, eine Anti-Falten-Wirkung oder ein Workout ihrer Beckenmuskulatur.
Spaß war jedenfalls nicht im Spiel.
Sie hatte aus der Praxis so ein Gel mitgenommen, keine Ahnung, wofür das normalerweise gut ist, jedenfalls brauchte ich Spucke nur beim ersten Mal.
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Wie das Gel aussah? Grüne Verpackung glaube ich.
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Ja, da stand ein Name drauf.
[...]
Keine Ahnung, damals konnte ich die hiesige Schrift noch nicht.
[...]
Aufmalen?
Hören Sie: Erstens ist mir dieses Gel völlig egal, zweitens hat es mit der ganzen Sache nur am Rande zu tun, und drittens scheint Ihre hübsche, schweigsame Kollegin zu wissen, worum es sich handelt - jedenfalls, wenn ich ihren Gesichtsausdruck richtig deute - also fragen Sie SIE doch. Wahrscheinlich was Spezielles für Frauen, Sie haben doch bestimmt schon mitbekommen, dass die anatomisch etwas anders gestrickt sind als unsereins.
[...]
Ich soll nicht frech werden? 
Sonst was? 
Wollen Sie das Licht runterdrehen?
Nur zu, Sie sitzen dann im Dunkeln, blind wie ein Maulwurf und versuchen, sich an Ihr Training zu erinnern, während ich Sie klar und deutlich sehen werde, inklusive Ihres Angstschweißes, den Sie trotz aller Übung nicht werden unterdrücken können. Hatte ich erwähnt, dass ich nahezu perfekt das Knurren einer Nachtspinne imitieren kann?
Na los, machen Sie schon das Licht aus, das wird ein echter Spaß.
[...]
Ich soll weiterreden?
[...]
Bitte.
Es war ziemlich frustrierend.
Natürlich ist schlechter Sex immer noch besser als gar keiner, aber wenn man sich Mühe gibt und rein gar keine Reaktion kommt - verstehen Sie, sie konnte ja noch nicht mal so tun als ob, erklären Sie mal einem Strichmännchen die dritte Dimension.
Eines Abends gab ich ihr also mittendrin ein paar kräftige Klapse auf den Allerwertesten, ich wollte ihr wenigstens mal irgendeinen Ton entlocken. Mein Frust spielte da allerdings auch eine Rolle. Zugegebenermaßen mag ich diese Art von Sex auch, aber man fällt ja nicht gleich mit der Tür ins Haus, wenn Sie verstehen, was ich meine.
[...]
Hören Sie, das ist ein Idiom. Normalerweise würde ich nur hiesige Idiome verwenden - muss an Ihrer Droge liegen, also beschweren Sie sich bei jemand anderem, Sie haben mir das Zeug schließlich gegeben.
Kann ich dann weiterreden ja?
[...]
Gern.
Was soll ich sagen, die Wirkung war verblüffend. Der erste Laut aus ihrem Mund klang hauptsächlich überrascht, aber als ich meine Hand zum zweiten Mal auf ihre knackige Hinterseite klatschen ließ, das war das Verblüffende, war ihrem "Aiaiai" - für meine Ohren übrigens einer recht witzige Schmerzbekundung - ziemlich eindeutig Erregung und Gefallen beigemischt. Ich glaubte für einen Moment an Einbildung, aber als ich weiter machte, war die Sache ziemlich eindeutig, bekanntlich gibt es ja noch andere Anzeichen weiblicher Erregung.
[...]
Was? Ach kommen Sie, ich spiele hier nicht den Alleinunterhalter für Sie. Lassen Sie es sich von Tori erklären, die ist Ärztin und kann Ihnen einen ganzen Vortrag mit kryptischen Fachbegriffen - Achtung, jetzt kommt ein Idiom - um die Ohren hauen. Sie werden sich anschließend vollends und umfassend aufgeklärt fühlen. Naja, vielleicht auch nicht, ist mir ehrlich gesagt egal.
[...]
Glauben Sie mir, inzwischen kennt sie sich bestens damit aus.
[...]
Von da an wurde Tori ziemlich experimentierfreudig, und vor allem hatte sie Spaß an der Sache. Zunächst fand ich das natürlich großartig.
Als sie ihren ersten Orgasmus hatte, bin ich den ganzen nächsten Tag mit stolzgeschwellter Brust herumgelaufen und habe mich gefühlt, wie der mit großem Abstand dickste Fisch im Teich. Ich hatte sie ganz klassisch übers Knie gelegt und ihren hübschen Popo mit der Hand versohlt - glücklicherweise versteht ihr hier was von Schallisolierung, sie hat ihre Ekstase herausgeschrien, dass ich dachte, gleich würden die Nachbarn Sturm klingeln.
Ihre hübsche Kollegin - kann die eigentlich sprechen, oder ist sie stumm? - hat übrigens gerade fortgeschrittenes Kopfkino, und der Film scheint ihr mächtig zu gefallen. Kein Grund rot zu werden hübsche Frau, glauben Sie mir, was gerade mit Ihnen passiert ist völlig normal.
Aber ich greife vor.
Ich fühlte mich also für einige Zeit wie im siebten Himmel, aber das hielt nicht sehr lange an. Da war zunächst mal das Problem, dass sie nie genug hatte und keine Grenze zu haben schien. Ich habe ihr natürlich die Sache mit dem Safeword erklärt, aber genauso gut hätte ich meinen Vortrag einer Parkbank halten können. Ich habe sie nie so weit gebracht, abbrechen zu wollen - und das lag ganz bestimmt nicht an mir. Letztlich brachte sie mich nämlich dazu, immer und immer weiter zu gehen, früher oder später hätten unsere Spielchen wahrscheinlich ein böses Ende genommen.
Aber das sage ich rückblickend, so weit habe ich damals gar nicht gedacht - viel mehr als ein dumpfes, ungutes Gefühl war da nicht.
Darüber hinaus interessierte sie sich nach wie vor nicht die Bohne für mich. Ich meine, klar - wir hatten jede Menge Sex, und zwar von der heftigen Sorte. Nur waren dabei keine Gefühle im Spiel. Sie suchte ihre frisch entdeckte Befriedigung, und zufällig war ich derjenige, der sie ihr verschaffen konnte - ich war nach wie vor ein Instrument, tagsüber in ihrer Praxis, abends in ihren Bett. Ich hatte auch meinen Spaß, daran besteht kein Zweifel, aber ich bin nun mal kein Stein - so ganz ohne jegliches Gefühl geht auf Dauer einfach nicht.
[...]
Ach was rede ich, Sie kapieren doch sowieso nicht was ich meine. Ein Planet voller Egozentriker, herzlichen Glückwunsch auch.
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Irgendwann fing sie an, Bekannte anzuschleppen. Normalerweise würde ich "Freundinnen" sagen, aber das trifft es wohl nicht - jedenfalls nicht für mein Empfinden. Die Frauen waren mit einer Ausnahme alle wie Tori, zu der Ausnahme komme ich später. Sie alle wollten den Schmerz, sie alle genossen ihn mit beängstigender Unersättlichkeit, sie alle waren darüber hinaus kalt und gleichgültig. Ich hätte wohl erstaunt sein müssen, seltsamerweise war ich es nicht. Vielleicht ist es so, das man sich an das Absonderliche gewöhnt, wenn man mal eben auf einen fremden Planeten verpflanzt wird. Ich war stumpf, nahm alles so hin, wie es eben war. Meine Abgestumpftheit hat mich daran gehindert, mir die richtigen Fragen zu stellen. Stattdessen habe ich Hintern und Brüste gepeitscht, empfindliche Körperstellen mit Klammern traktiert, und so weiter, das volle Mr.-Grey-Programm eben.
Tori hat - ganz pragmatisch - anschließend frisch und fröhlich ihre diversen Heilsalben an die Frau gebracht, und da sie dafür Geld nahm, kann man wohl mit einiger Berechtigung behaupten, dass sie meine Zuhälterin war - womit man meine Tätigkeit wohl zwangsläufig als Prostitution bezeichnen muss.
Toll oder? To explore strange new worlds, to seek out new life and new civilizations, to boldly go where no man has gone before - Ich hatte mir das ehrlich gesagt ein wenig anders vorgestellt.
[...]
Ah - die hübsche junge Dame kann ja doch sprechen. Ist Ihnen übrigens kalt?
[...]
Weil Ihre N...... egal. Um Ihre vorherige Frage zu beantworten - doch, ich hatte Spaß daran, jedenfalls vom sexuellen Standpunkt aus betrachtet. Aber es hat mich nicht gerade erfüllt.
Eines Abends war es Isiani, die erwartungsvoll vor mir stand. Ich würde gern sagen, dass ich sofort spürte, dass sie anders war, aber dem war nicht so. Alles, was ich sah, war eine ausgesprochen zarte Haut - ich würde vorsichtig sein müssen - und violette Augen, hier ziemlich selten, bei mir zu Hause nicht existent. Ich ließ es also langsam angehen, das war vermutlich das einzig Außergewöhnliche an dieser Session. Außergewöhnlich war eher das Danach.
Bevor sie nämlich ging, sah sie mir lange in die Augen und fragte mich, ob es mir ebenfalls gefallen hätte. So abgestumpft war ich dann wohl noch nicht, ich bin doch tatsächlich ins Stottern gekommen. Sie interessierte sich für mich, nicht nur für das, was ich machte. DAS hatte ich auf diesem verrückten Planeten noch nicht erlebt. Ihr Bild brannte sich in mein Bewusstsein, wie sie in der Tür stand - nackt und wunderschön, die Kleidung über den Arm geworfen, ihre Wangen von der Erregung noch leicht gerötet. Exotisch anmutende, wache, forschende Augen - Augen, die mich ansahen, anstatt durch mich hindurch.
Hören Sie auf, so dämlich zu grinsen ja?
[...]
Arschloch.
Ich hoffte, sie würde wiederkommen. Sie kam wieder. Der Rest ist Geschichte. Frau verliebt sich in Mann, Mann verliebt sich in Frau, beide schwören sich ewige Treue, zeugen ein halbes Dutzend Kinder, wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, und nach dem Happy End wird jewöhnlich abjeblendt.
Sie kennen das ja - naja, Sie würden das kennen, wenn Sie es denn kennen würden. Verwirre ich Sie?
Sie gucken immer noch dämlich, nur das Grinsen ist weg.
[...]
Ja, ist ja gut, also weiter.
Isiani war wie gesagt anders, und ich habe mich tatsächlich in sie verliebt. Sie liebte den Schmerz, diesbezüglich war sie nicht anders als all die anderen Frauen. Aber sie sah nicht nur ihre Lust, sie ging auf mich ein, achtete auf meine Gefühle, reagierte auf mich. Manchmal redeten wir einfach nur, manchmal hatten wir stinknormalen zärtlichen Blümchensex - nur mir zuliebe, denn bei aller Begeisterung für die harte Tour, sowas brauche ich manchmal auch. Zärtlichkeit fiel ihr sehr schwer, und die Tatsache, dass sie sich um meinetwillen dazu durchrang, war Grund genug, sie um so mehr zu lieben. Irgendwann bin ich mit ihr abgehauen, und für ein paar kostbare Wochen waren wir miteinander glücklich.
Dann haben die Typen von der Mafia uns gefunden.
Ich weiß bis heute nicht, ob Tori dabei ihre kalten Schlangenfinger im Spiel hatte, oder ob die mich irgendwie orten konnten. Dem Ersten, der rein kam, habe ich die Nase gebrochen, aber der Zweite besprühte mich mit irgendeiner Flüssigkeit - danach habe ich mich gefühlt, wie nach der Leck-mich-am-Arsch-Spritze damals vor meiner Knie-OP, mit anderen Worten, mir war es nicht nur egal, dass die Typen Isi und mich mitnahmen, ich fand es total super.
Als ich wieder klar denken konnte, erklärten sie mir, was sie von mir wollten. Naja, sie haben's mir nicht wirklich erklärt, genau genommen haben die Typen ziemlich herumgedruckst. Zumindest habe ich aber endlich kapiert, was mir schon viel früher hätte klarwerden müssen, nämlich das Ihr hier zu körperlicher Gewalt unfähig seid - Ihr könnt es einfach nicht, warum auch immer.
Ich wollte nicht, das können Sie mir glauben, egal was Sie von mir halten. Aber sie steckten Isi für eine halbe Stunde in eine Dunkelkammer - ihre von Todesangst erfüllten Schreie klingeln mir noch heute in den Ohren. Als die sie rausholten, flehte sie mich an, auf keinen Fall zu tun, was von mir verlangt wurde, aber ihre Augen sagten etwas anderes. Sie würde das nicht nochmal durchhalten, würde verrückt werden, oder vor Angst sterben, ich konnte es sehen.
Also habe ich zugestimmt.
Mir wurde dann so ein Aufzeichnungsdingsbums ins Gehirn gepflanzt, für Beweiszwecke sozusagen. Liegt jetzt bekanntlich in Ihrer Asservatenkammer. Der Techniker meinte, es würde mein Gehör und meine Augen anzapfen und alles als Film direkt in einem Gehirnareal speichern, das für diesen Zweck zuvor gelöscht wurde.
[...]
Wieso er mir das erzählt hat? Ganz einfach, ich hab ihn gefragt. Hat mich interessiert, weil ich dachte, es hätte mit Elektronik zu tun.
[...]
Hätte ja sein können.
Ich habe übrigens das Gefühl, seit dieser Sache ein Stückchen dümmer geworden zu sein.
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Nein?
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Sie haben auch so ein Implantat?
Na, falls mich das beruhigen sollte - hat nicht geklappt.
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Das überrascht mich nicht.
Lassen Sie's ein paar Minuten sacken, Ihre grinsende und vermutlich implantatfreie Kollegin hat's jedenfalls kapiert.
Hübsches Lächeln übrigens.
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Dann bin ich also los zu meinem ersten Auftrag. Ich hab mich scheiße gefühlt, ehrlich. Da mir niemand erklärt hatte, was ich genau zu tun hätte, glaubte ich, ich müsse den Typen abmurksen, auf den sie mich angesetzt hatten. Bei mir zu Hause pflegt die Mafia ihre Probleme nämlich auf genau diese Art zu lösen. Ich hatte noch nie jemanden getötet, und ich hatte auch nicht vor, jemals damit anzufangen, aber da war Isi, und der Gedanke, sie leiden zu sehen, machte mich ganz krank. Natürlich bin ich nachts losgezogen, das wissen Sie ja, und inzwischen wissen Sie nun auch warum. Auf dem Weg habe ich mir mit aller Macht eingeredet, dass ich es irgendwie hinkriege, aber als ich dann vor meiner Zielperson stand, habe ich kläglich versagt. Glücklicherweise.
Ich hab ihn zusammengeschlagen, mehr ging nicht. Er hat sich nicht gewehrt - natürlich nicht. Danach bin ich mit hängenden Ohren zurück getrottet......
[...]
Ob ich wirklich meine Ohren hängen lassen kann?
Was für eine bescheuerte Frage, nein kann ich nicht.
Sehe ich etwa so aus?
[...]
Ich bin langsam zurückgegangen und habe mir Vorwürfe gemacht, denn Isiani würde für meine Hemmungen furchtbar leiden müssen. Aber verdammt noch mal, ich meine - wenn er sich wenigstens gewehrt hätte. In einem echten Kampf hätte ich es vielleicht tun können, wenn der Adrenalinspiegel durch die Decke knallt, wenn man selbst Todesangst hat ...
Aber es war, als hätte ich Jesus persönlich eine reingehauen, fängst du dir links eine ein, dreh dich, damit's schön gleichmäßig wird.
Nachdem sie den Film runtergeladen hatten, hockte ich niedergeschlagen in einer Ecke und befürchtete das Schlimmste. Dann kamen sie rein und - klopften mir auf die Schulter und grinsten mich anerkennend an.
Es war o. k.!
Mehr hatten sie gar nicht von mir erwartet. Bei dem Gedanken daran, dass ich beinahe für nichts und wieder nichts einen Menschen getötet hätte, wurden mir die Knie weich, und ich kippte um.
[...]
Ist das witzig ja?
Mal sehen, wer nachher noch lacht.
Natürlich blieb es nicht bei dem einem Auftrag. Nummer Vier war eine Frau.
Also ich schlage normalerweise keine Frauen ...
[...]
Na gut, ich schlage schon manchmal Frauen, aber das ist was anderes.
[...]
Wen Sie den Unterschied kennen würden, würden wir heute nicht hier sitzen.
[...]
Also jedenfalls widerstrebte mir die Idee, dieser Frau eine blutige Nase zu verpassen, zutiefst.
Sie war ziemlich hübsch, und ich war vermutlich der Einzige, der das in dieser Nacht sehen konnte. Ich brachte es nicht über mich, ihr meine Faust ins Gesicht zu schlagen. Eine gestreckte Gerade in den Solarplexus, eine kräftige Ohrfeige mit dem Handrücken. Sie krümmte sich und ging zu Boden, aus der aufgeplatzten Lippe ran Blut über ihr Kinn. Mir wurde übel, und am liebsten hätte ich mir den Kopf an der nächsten Wand eingeschlagen - ein kräftiger Anlauf, Arme angelegt und Kopf voran, vielleicht wäre dann alles vorbei.
Dann bemerkte ich etwas, das mir vollends die Fassung raubte.
Es machte sie an.
Das muss man sich mal vorstellen, ich meine, das war kein Sexspiel, kein so tun, als ob, das war einfach gemeine, brutale Körperverletzung. Sowas sollte eigentlich kein Mensch witzig finden - und sie findet's offenbar geil.
Das war zu viel für mich, ich hab mir hinter der nächsten Ecke die Seele aus dem Leib gekotzt. Dieses Dings - ist das eigentlich ein Roboter, ein Tier, oder irgendwas dazwischen? - dass morgens immer die Straßenreinigung macht, hat sich vermutlich in tiefer Verzweiflung vor den nächsten Bus geworfen, nachdem es meiner Schweinerei ansichtig wurde.
Als sie sich den Film runterzogen, fühlte ich mich immer noch mies, aber ich verspürte auch Schadenfreude - meine Kotzerei würde in Großaufnahme inklusive Ton so richtig schön zur Geltung kommen und diesen Arschlöchern hoffentlich die Show verderben.
Es kam leider anders.
Nachdem die sich den Film angesehen hatten, waren sie regelrecht aufgedreht, eilten mit rot gefleckten Gesichtern durch die Räume und tuschelten zwischendurch immer wieder miteinander. Ich hab natürlich nichts kapiert, immer noch nicht.
Na, ist Ihnen langsam irgendwie unwohl?
Würde mir an Ihrer Stelle genauso gehen.
Mein nächstes Ziel war wieder eine Frau - und diesmal schärften sie mir extra ein, sie möglichst lange anzusehen. Ich hätte mich schließlich beim letzten Mal viel zu schnell abgewendet, so dass man nicht hätte sehen können, ob ich meinen Job anständig erledigt hätte. So, oder so ähnlich haben sie es mir erklärt. Dass sie meine Reiher-Einlage nicht erwähnten, kam mir seltsam vor, aber ich hab nicht weiter drüber nachgedacht. Ich war bei dem Gedanken, schon wieder eine Frau zusammenschlagen zu müssen, viel zu sehr damit beschäftigt, mich vor mir selbst zu ekeln.
Was soll ich sagen, ich hab's trotzdem getan. Ich bin nicht stolz drauf, ganz bestimmt nicht.
Ich bin mir nicht einmal sicher, ob meine Sorge um Isiani als Entschuldigung reicht. Welches Recht habe ich, den einen Menschen zu schützen, nur weil er mir zufällig etwas bedeutet und den anderen Menschen zu verletzen, der nicht weniger wert ist, nur weil ich ihn nicht kenne.
Ehrlich, ich bin froh, dass Sie mich bald danach erwischt haben, denn das wäre immer so weiter gegangen.
Als ich die Typen zu Gesicht bekam, nachdem sie sich die Aufzeichnung aus meinem Kopf angesehen hatten, da habe ich es nämlich endlich kapiert, hat auch lange genug gedauert.
Ehrlich, was habt Ihr hier nur für ein Problem?
Frauen, denen selbst ausgeschlagene Zähne noch Lust bereiten und Männer, die sich auf Bilder von blutverschmierten Gesichtern einen runterholen.
Da brauchen Sie gar nicht so ungläubig zu gucken junge Dame, checken Sie mal die Einträge des Archivs. Ich verwette meinen knochigen Hintern darauf, dass sich Ihr plötzlich an Stummheit erkrankter Kollege bei jeder passender Gelegenheit die beschlagnahmten Filme aus dem Keller holt, offiziell vermutlich zur "Beweismittelprüfung".
[...]
Kranker Wichser.
Gott sei Dank - und es muss tatsächlich ein wohlmeinendes, übernatürliches Wesen gewesen sein, das Euch die Fähigkeit zu körperlicher Gewalt genommen hat - Gott sei Dank kriegt Ihr diesen Scheiß nicht alleine hin.
Ich sollte nicht hier sein, und ich will auch hier weg.
Schickt mich nach Hause.
Ich werd die Sommer mit Isi in Norwegen verbringen und die Winter in Feuerland, dann hat Sie's immer schön hell. An alles andere wird sie sich gewöhnen, und die Augenfarbe kann man mit Kontaktlinsen erklären. Da wo wir leben werden, gibt es ohnehin nicht viele Leute, die Fragen stellen werden.
Löscht die Toradresse aus der Stargate-Datenbank, oder was auch immer Ihr hier benutzt. Da, wo ich herkomme, gibt es Söldner, Auftragskiller und noch ganz andere kaputte Typen - alles Leute, die Ihr garantiert nicht hier haben wollt. Nebenbei gesagt will ich Euch auch nicht in meiner Welt haben, jedenfalls nicht, solange Ihr so drauf seid wie im Moment.
Brennt die Asservatenkammer mit den Filmen drin ab. Das Zeug ist eine Droge für Euch, und Drogen bewahrt man nicht auf, man vernichtet sie.
Dann macht mit dem weiter, was Ihr sonst so ohne mich getan habt, um Euch die Zeit bis zum Abnippeln zu vertreiben.
Was für eine beschissene Welt.


Anmerkung: 
Die Ausführungen der vernehmenden Beamten wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nachträglich entfernt.

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⏰ Last updated: Dec 31, 2014 ⏰

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