Kapitel 3: Die Sache mit dem Platz einnehmen - Teil 2

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Es war Donnerstag und damit Therapie-Tag Nr. 2 für das kleine Häufchen Elend. Wie beim ersten Tag ging es morgens wieder mit den anderen Patienten die Treppe rauf in den Gruppenraum. Diesmal setzte es sich jedoch direkt auf den Stuhl statt drunter. „Oho Tag 2 und schon ein Fortschritt?" neckte ein Mitpatient das kleine Häufchen Elend freundlich. Es lächelte verlegen. „Keine Sorge!", sagte da ein anderer, „egal wo du sitzt, jeder hat Platz in unserer Gruppe!". Das war ein sehr schönes Wortspiel und dem kleinen Häufchen Elend wurde warm ums Herz. „Danke!", stammelte es. „Nichts zu danken Klei- hey wie heißt du eigentlich? Wie möchtest du, dass wir dich nennen?". Das kleine Häufchen Elend starrte sein Gegenüber verständnislos an. „Na, deinen Namen meine ich, wie sollen wir dich nennen?", erklärte der andere. „M-m-meinen NAMEN?", das kleine Häufchen Elend verstand noch immer nicht so recht was die anderen von ihm wollten... Wollten sie es veräppeln oder meinten sie das womöglich wirklich ernst? „Als ob ich, das kleine Häufchen Elend, einen NAMEN hätte. Kleine Häufchen Elends bekommen keine Namen. Wofür auch? Wir sind quasi Niemande. Nur wichtige Personen bekommen einen Namen.", überlegte das kleine Häufchen Elend. Erst am Entsetzen auf den Gesichtern seiner Gruppenmitglieder erkannte das kleine Häufchen Elend, dass es diese Gedanken laut ausgesprochen hatte. Nun fingen alle an durcheinander zu reden: „Du bist doch kein Niemand!", „Natürlich bist du wichtig und verdienst einen Namen! Was sind das denn für komische Regeln, jeder darf einen Namen haben", „Das müssen wir unbedingt sofort ändern!!!" tönte es aus allen Richtungen und keiner bemerkte, wie Frau Spring und Frau Brandflinte den Gruppenraum betraten. „Was ist hier los?" sagte Frau Brandflinte in bestimmtem Ton. Für eine Millisekunde herrschte Ruhe im Raum, dann überwog jedoch bei einer Patientin die Empörung und es platzte nur so aus ihr heraus: „Das kleine Häufchen Elend hat keinen Namen, es denkt es ist nicht wichtig genug, um einen Namen haben zu dürfen." Das versetzte selbst Frau Spring und Frau Brandflinte erstmal in Sprachlosigkeit. Natürlich war ihnen aufgefallen, dass das kleine Häufchen Elend keinen Namen besaß, doch den Grund dafür hatten sie bisher noch nicht gehört und der war schon ziemlich heftig.

„Nun setzen Sie sich doch erstmal alle auf Ihre Plätze und nachdem wir dann die gewohnte Morgenrunde gemacht haben, können wir das Thema Wichtigkeit gerne näher besprechen. Das ist ein sehr interessantes Thema und ich denke es wird bei allen in irgendeiner Art und Weise Anklang finden.", sagte Frau Spring in beschwichtigendem Tonfall. Die Gruppe wurde still und jeder setzte sich auf seinen Stuhl. Eine gewisse Spannung, Aufregung, Empörung und eine Menge anderer Emotionen lagen jedoch so schwer in der Luft, dass das kleine Häufchen Elend gar nicht wagte diese einzuatmen. Es fühlte sich eingeengt und doch auch irgendwie willkommen und geborgen. Es war so verwirrt von all seinen Gedanken und Gefühlen, dass es sich gar nicht auf die Morgenrunde konzentrieren konnte.

Zum Glück bemerkte Frau Spring, dass das kleine Häufchen Elend nicht wirklich richtig anwesend war mit seinen Gedanken und sie schlug eine kurze Meditationsübung vor. Im Anschluss daran durfte dann jeder etwas zu dem Thema Wichtigkeit sagen. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur das kleine Häufchen Elend sich selbst nicht für wichtig hielt. Es war für viele ein Problem, sich selbst zu akzeptieren und auch ernst zu nehmen. Sie diskutierten die restliche Gruppenstunde über die verschiedensten Aspekte, die dieses Thema in sich barg. Sie hätten wahrscheinlich noch Gesprächsstoff für Wochen gehabt, doch mussten sie gegen 10:30 Uhr zum Ende kommen, wie bei jeder Gruppensitzung. Das war auch gut so, denn dem kleinen Häufchen Elend brummte schon gewaltig der Kopf und es war kaum noch aufnahmefähig. „Wir können dieses Thema gerne beim nächsten Mal weiter vertiefen.", sagte Frau Brandflinte, „bis dahin können Sie sich vielleicht schon ein paar Gedanken dazu machen, wo Sie sich vielleicht nicht wichtig genug nehmen und wie Sie das vielleicht ändern könnten. Das können wir dann alle gemeinsam üben. Aber jetzt machen Sie erstmal Pause." Mit diesen Worten scheuchte sie alle aus dem Gruppenraum und man spürte förmlich wie die Energie, die aus der angeregten Diskussion resultierte, nun wie eine Welle mit der Gruppe die Treppe runter in die Pause schwappte.

Das kleine Häufchen Elend - Band 3: Das kleine Häufchen Elend macht TherapieDove le storie prendono vita. Scoprilo ora