Ich war drauf und dran ungläubig aufzulachen, aber ich schluckte den bitteren Geschmack hinunter. Vielleicht war es ja wirklich möglich. Hier könnte ich neu anfangen. Ich war weit weg von der Schule und alldem. Die Hunter würden den Wall nicht passieren können.

„Warum willst du noch zu uns?"
Ich runzelte die Stirn. Das hatte ich doch eben schon gesagt: „Meine Freunde, sie waren..."
„Verletzt ich weiß. Aber ich spüre da ist noch mehr, als das, was du bereits gesagt hast.."

Ich zögerte einen Moment. Wenn ich zu viel verriet, fanden sie heraus wer ich war. Dann wäre meine letzte Chance auf eine Zuflucht und einen Neuanfang dahin.

„Ich hoffe hier auch auf einen Neuanfang.", gestand ich leise, „Ich habe Menschen wehgetan, weil ich mich nicht unter Kontrolle hatte. Das soll nie wieder vorkommen. Ihr seid die einzigen, die mir helfen können."
Ich wollte versuchen diese grenzenlose Leere zu überwinden. Wenn ich meine Magie kontrollieren konnte, durfte ich auch wieder Gefühle zulassen.
Hier bestand vielleicht eine Chance zu heilen.

Wenn es nicht schon zu spät war.

Verena lächelte warm: „Ich werde dir die Hilfe nicht verweigern. Du kannst bleiben."
Erleichtert atmete ich aus und versuchte ihr Lächeln zu erwidern. Ob es wirklich glaubwürdig war, konnte ich nicht sagen.
„Aber", sie stand auf und ging um den Tisch herum, um sich auf meiner Seite anzulehnen, „dafür musst du jeden von uns hier respektieren."
Ich nickte: „Natürlich." Sie durfte meine Hände nicht sehen.
„Niemand wird für das kritisiert, was er ist. Hier ist jede Art von Mensch und Magie willkommen. Hier sind alle ebenbürtig und keiner ist wertlos.", sie sah zum Ausgang, „Es gibt einmal in der Woche eine Versammlung, wo wir über organisatorische Sachen reden. Neue werden eingeweiht. Im Moment wird aber viel über die Hunter gesprochen, die immer noch auf Jagd nach mehr von uns sind. Aber das wirst du ja sehen."
Ich nickte wieder als Zeichen, dass ich verstanden hatte.

Verena klatschte in die Hände und stellte sich hin: „Also gut. Sieh mal nach deinen Freunden. Du musst die Brücken geradeaus und dann nach rechts. Nach drei Brücken kommt Sanas Haus. Da müssten sie sein."
Auch ich stand auf: „Danke, dass ich bleiben kann."
„Du gehörst zu uns", Verena zwinkerte mir zu.
Das tat ich nicht, ich war ein Monster.
Aber ich schwieg.

Ich wandte mich zum gehen, da meinte sie noch: „Du hast Blut an deinen Händen."
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
„Und woher ihr die Wunden habt oder warum dein Kleid mit Blut befleckt ist würde ich auch gern wissen."
Ich sah an mir herab. Tatsächlich waren ein paar Spritzer an meinem Saum. Dann hob ich meinen Kopf und sah in Verenas forschende Augen.
„Wir... wurden gefangen. Von Huntern.", am besten ich blieb so nah wie möglich an der Wahrheit. Das war einfacher.
„Meine Freunde wurden gefoltert, um Informationen für weitere Prodigias zu finden. Ich konnte uns mit meinen Fähigkeiten befreien, aber das nur knapp."
Ich schluckte und sah auf meine Blutverkrustete Hand: „Es hat ein paar Kämpfe gegeben und ich musste Devons Blutung stillen."

Mein Vater hatte mich gezwungen Blutmond zu durchleben. Stück für Stück. Ich hatte weitere Elementes umgebracht. Das war das Blut der Frau, deren Körper zu Asche zerfallen war, das an meinen Händen klebte. Mein Atem ging schneller und ich riss mich davon los.

Verena schwieg einen Moment: „Ich glaub dir. Du hattest Fesseln, nicht wahr?"
Die deutete auf den weißen Streifen Haut an meinem Handgelenk. „Und das für länger."
Ich nickte und vermied es meine Handgelenke anzusehen. Der Druck von den Trackles, der Käfig, Castriel und seine Peitschenhiebe. Das alles drückte ich runter und stopfte es zu den restlichen Gedanken, die ich ausblendete.

Verenas Blick wurde weich: „Ich höre auf zu fragen. Geh zu Sana und deinen Freunden."
Ich drehte mich schnell um und verließ das Haus.

Nach ihrer Wegbeschreibung ging ich über die Brücken, mir kam niemand entgegen. Dabei machte ich meine Hände hastig mit meinem Wasser sauber. Dafür griff ich nach so wenig Magie wie möglich.

Schließlich erreichte ich das Haus. Es sah genauso aus wie alle anderen. Es war aus verschlungenen Wurzeln und Rinde gebaut, mit einigen Glasscherben, die sanft hin und her pendelten.
Der einzige Unterschied war, dass es größer war als so manche andere Häuser hier. Wenn auch nicht so groß wie das Herz.

Ich klopfte an der Tür. Es ergab einen dumpfen Laut und als Antwort hörte ich Schritte.

Die Tür wurde aufgerissen und grüne Augen sahen mir entgegen.
„Hey, bist du wegen deinen Freunden hier?", fragte Sana und strich sich eine lockige dunkle Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte einen dunkelbraunen Hautton und nahezu schwarzes, wildes Haar. Sie zähmte es mit einem hellgrünen Tuch nach hinten.
Ich nickte und sie trat bei Seite, um mich einzulassen.

Ihr Haus war von oben bis unten gefüllt mit Pflanzen und Kräutern. In Gläsern, Bündeln an der Decke oder verstreut auf dem Tisch. Ihr Duft stieg mir in die Nase, aber es war nicht stechend. Tatsächlich ganz angenehm.

Auf der linken Seite waren fünf Betten aufgereiht. Auf zwei von ihnen lagen nebeneinander meine Freunde, die anderen waren leer.

Alenias blonder Kopf drehte sich zu mir und ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht: „Lillith. Dir geht es gut."
„Natürlich.", ich wusste sie meinte damit, dass ich keine Verletzungen hatte, „Aber was ist mit euch?"
Auch Devon hatte mich gesehen und er setzte sich auf. Diesmal ganz ohne das Gesicht zu verziehen. Dabei rutschte die dünne Decke runter und zeigte seinen Oberkörper. Die Schnitte waren nur noch rosarote Linien.

Verdutzte blinzelte ich, während ich auf ihre Betten zuging.
„Deine Wunden, sie sind weg."
Mein Blick fiel auf Alenias Arme: „Und deine auch."
Bei ihr war gar nichts mehr zu sehen. Die Brandmale waren komplett weg.

Devon grinste und nickte zu Sana, die schweigend in der Nähe der Tür stehen geblieben war.
„Sie hat uns mit ihrer Magie geheilt."

Hi
Korrigiert mich, wenn ihr Fehler seht :)

Vera

Lillith das schwarze Element Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt