Valor war mit Alenia wieder zurück ins Theater gegangen. Er meinte, ich solle wieder kommen, wenn es mir besser ging. Devon hatte darauf bestanden, dass er bei mir blieb. Alenia war nur wiederwillig zum Stück zurückgekehrt.

Während Devon und ich noch eine gute Stunde alleine draußen standen, hatten wir nicht viel geredet. Er hatte mir nur stumm zu verstehen gegeben, dass er jederzeit zuhören würde, mich aber auch nicht bedrängte. Und das war genau das, was ich brauchte. Er setzte mich nicht unter Druck, gab mir nicht das Gefühl mich erklären zu müssen. Gleichzeitig aber fühlte ich mich verstanden.
Und das alles war mehr als ich verdiente.

„Ich will hier keine Minute länger bleiben.", brach ich plötzlich das Schweigen und Devon schaute auf, „Wir werden keine Nacht mehr bei meinen Vater schlafen. Sobald wir wieder bei ihm zu Hause sind, packen wir unsere Sachen."
Devon nickte und schien sogar beruhigt: „Ich traue ihm immer noch nicht. Es ist gut, wenn wir gehen."
„Wie spät ist es?"
Devon sah kurz hoch zur Sonne, da wir keine Uhr hatten: „Kurz Nachmittag. Vielleicht halb zwei?"
„Dann werden wir genügend Zeit zum Aufbruch haben.", stellte ich fest und verschränkte fast schon stur die Arme.

Je länger ich meinen Vater anlügen musste, je länger ich mir Ausreden einfallen lassen musste, desto schneller würde mein Vater etwas bemerkten. Denn wenn ich mich weiter in das Lügennetz verstrickte, würde es irgendwann auffallen. Man würde einen Fehler finden, der die Geschichte verriet.
Außerdem merkte ich, dass ich Hilfe brauchte. Ich schaffte es nicht mehr alleine aus diesem dunklen, kalten Loch. Vielleicht würde die Saver mir helfen können, ohne dass sie wusste was ich war. Wenn noch mehr Prodigias bei den Savern waren, würde sie mich vielleicht verstehen. Vielleicht hatten sie Ähnliches durchgemacht. Vielleicht hatten sie ebenfalls Angst vor ihrer Macht und würde mir mit meiner Helfen.
Ich würde es nicht herausfinden, wenn ich nicht ging. Warten würde ich jetzt nicht mehr.
Meine Entscheidung stand fest.

Als Valor mit Alenia zurückkam, eröffnete ich ihm meinen Entschluss. Alenia schien es für eine ebenso gute Idee zu halten, wie Devon. Aber Valor reagierte sehr überrascht: „Was? Wieso?"
Es klang so, als würde das garnicht in seine Pläne passen.
„Wir waren nur auf der Durchreise. Wir müssen weiter."
Bittend sah er mich an: „Nicht mal einen Tag länger?"
Als ich darauf entschlossen den Kopf schüttelte ließ er seinen hängen.
„Da hatte ich dich gefunden und schon bist du wieder weg. Ich bin doch dein Vater.", murmelte er niedergeschlagen.
Darauf sprach ich den Gedanken aus, der mir schon länger im Kopf rumspukte. Ich hatte mich nur noch nicht getraut ihn laut auszusprechen:
„Ich glaube, du warst zu lange nicht Teil meines Lebens, um jetzt die Vaterfigur in ihm zu sein."
Er blinzelte. Und als Valor nichts darauf erwiderte, wusste ich, dass ich richtig lag.

Kurz entstand ein unangenehmes Schweigen, dann schien mein Vater es zu akzeptieren: „Nun denn. Dann werden wir eure Abreise vorbeireiten sobald wir zu Hause sind."
Entschuldigend sah er in die Runde und nickte zum Theater rüber: „Solange wir auf die Kutschen warten, gehe ich zurück. Ich habe eben gute Bekannte gesehen und würde ein bisschen mit ihnen reden."
Wir nickten als Zeichen unserer Einverständnis und er verschwand im blaugrauen Gebäude.

Alenia zupfte ihre gelbe Strickjacke und ihr Kleid zurecht, dann sah sie auf zu mir: „Wir hätten da nicht reingehen sollen."
Damit wiederholte sie genau das, was Devon eben gesagt hatte.
Ich wedelte es mit der Hand weg und sagte zuversichtlicher als ich mich fühlte: „Passt schon. Es ist ja jetzt vorbei."
Sie beide sagten nichts dagegen. Mir zuliebe.
Weil gar nichts passte.

„Die Priesterin... sie hat von einem Gleichgewicht geredet", schnitt ich ein neues Thema an und meine beiden Freunde nickten wissend.
„Was meint sie damit?"
Devon und Alenia tauschten einen Blick und Devon deutete ihr, zuerst zu reden.
„Also, das Gleichgewicht ist nichts was man anfassen oder sehen kann. Man kann es fühlen."
Sie wirkte sehr ernst. Das war nichts worüber man mal eben redete. Es war etwas wichtiges, was diese Welt genauso prägte, wie ich und Alenia.
„Du hast ja gehört es gibt einen dunklen und einen hellen Teil der Quelle. Deine Magie entspringt dem dunklen, meiner dem hellen Teil.
Normal Elementes haben beides in sich und können auf beides zugreifen. Du und ich wir haben nur einen zu Auswahl."
Ich nickte und versuchte nicht an meine zerstörerische Magie zu denken. An das dunkle Etwas in mir.

„Auf jeden Fall gibt es Elementes, die sich mehr auf die helle bzw. auf die dunkle beziehen. So kann Magie zerstörerisch und sanft sein, wie man will. Viele Elementes tun es nicht mal bewusst. Das ist kein Problem. Das ist alles ganz ausgeglichen."
Sie holte Luft und ich wusste jetzt würde das aber Wort kommen.
„Aber bei Prodigias sieht das anders aus."

Alenia sah abwartend zu Devon, der immer noch neben mir stand, wo wir uns vor einer Stunde aus der Umarmung gelöst hatten. Also übernahm der Hunter:
„Bei Prodigias ist es unausgeglichen. Ein Teil durchfließt sie überwiegend. Das kann sowohl der eine auch der andere sein. Dadurch entstehen ihre besonderen Kräfte, weil sie sozusagend eine andere Kombination der Magie haben."
„Es ist also nicht überall gleichviel Gutes und gleichviel Böses in einem", schlussfolgerte ich.
Devon nickte, aber Alenia warf entschieden ein: „Es ist nicht böse und gut. Es ist Dunkel und hell."
Ich zuckte mit den Schultern: „Wo ist da der Unterschied?"
„Ein großer!", Alenia sah mir eindringlich in die Augen, „Magie ist immer, immer grau. Dunkelheit muss nicht böse sein. Sie kann auch für gutes eingesetzt werden."
Ich verstand, dass die Worte an mich gerichtet waren und wie ich zu mir stand. Aber sie überzeugten mich nicht. Magie war vielleicht grau, aber meine war böse durch und durch.
Und wie meine Magie für gutes eingesetzt wurde, konnte man ja sehen.

„Bei den Huntern ist das der Grund für ein Ungleichgewicht. Weil die Prodigias mehr von dem einen haben, als sie sollten. Damit rechtfertigen wir das töten von ihnen. So gleichen wir die Quelle wieder aus.", fuhr Devon fort und jetzt schien es ihm unangenehm weiter zu reden, „Und weil die Scheinende und der Dunkle Mond nur übers eines von beidem verfügen, werden sie bei dem Huntern eben besonders gejagt."
Das klang logisch. Und ich musste sagen, dass das was die Hunter taten, sich so gesehen richtig anhörte.
Alenia stimmte dem nicht zu, sagte aber auch nichts dagegen. Sah sie das genauso?

Sie musste meine Gedanken erraten haben den sie sagte schnell: „Aber das ist nicht der einzige Weg ein Gleichgewicht zu schaffen. Der zweite wäre..."
Jetzt begann sie zu stocken und ihr Blick richtete sich auf den Boden: „Der zweite wäre, das einer den anderen tötet. Also du mich, oder ich dich."

Darauf wusste ich nichts zu sagen. Das mit den töten, war nichts Neues. Ich wusste schon länger, dass Alenia die Pflicht hatte, mich zu töten. Nur war ich davon ausgegangen, der Grund war der, das ich böse war.
Zu meinem Erschrecken gab es jetzt noch einen dritten Grund, um mich zu töten. Ja es waren drei:
1. Ich hatte Leben ausgelöscht und sollte dafür bestraft werden
2. Ich bin ein Monster, nicht nur mit dem was ich getan habe, sondern auch vom äußeren, wenn ich mich verwandelte.
3. Ich störte das Gleichgewicht.

„Was passiert, wenn das Gleichgewicht zerstört wird?", meine Frage war vorsichtig. Ich hatte Angst vor der Antwort, weil ich eine Chance war, dass die Antwort wahr werden konnte.

„Wenn das Gleichgewicht zerstört wird, dann ist auch die Quelle zerstört.", Alenia lief ein Schauder über den Rücken.
„Und damit stirbt auch alles Leben. Alles würde zu Grunde gehen.", schloss Devon sich an.
Ich schluckte und sah auf das Theater, um die beiden mi Hut anzusehen: „Du hättest mich töten sollen, Alenia."
Die Frage was sie gegen das Ungleichgewicht tun wollte, stellte ich erst garnicht. Sie würde keine Antwort haben.

„Das wäre nicht richtig", flüsterte Alenia und hielt die Arme immer noch verschränkt.
„Ich habe Menschen getötet. Ich bin der Dunkle Mond, ein Monster. Und ich gefährde das Gleichgewicht und damit das Leben jedes einzelnen.", verbittert zählte ich die Gründe auf und sah sie jetzt doch an, „Du solltest mich töten."

Als Alenia nur schweigend den Kopf schüttelte, geschockt über meine Aussage, sah ich wieder weg. Dabei fielen meine Augen auf Devon.

Er sah mich gequält und unglaublich verzweifelt an.
„Lillith...", er sagt nichts weiter. Nur meinen Namen und darin hörte ich einen tiefen Schmerz. Woher kam er? Was quälte Devon so?

Ich kam nicht dazu es herauszufinden. Denn in dem Moment kamen die Kutschen an und kurz darauf mein Vater zu uns. Er hatte das Gespräch gerade beendet, wie er erzählte, und war wohl im perfekten Timing.

Lillith das schwarze Element Where stories live. Discover now