Kapitel Zwei

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 Ich war furchtbar wütend, dass sie sogar an Matts Geburtstag keine Zeit für ihn hatten.

Oder für mich. Ich war siebzehn und ihrer Meinung nach alt genug, um alleine in unserem Haus zu wohnen. Ich wusste nicht, wo sie gerade wieder waren und es war mir auch egal.

,, Hallo, mein Schatz." Die Stimme meiner Großmutter ließ mich zusammenzucken und ich drehte mich zu ihr um.

,, Hallo, Oma." Ich umarmte sie.

,, Maddy-Schatz, bist du wieder gewachsen?" Sie hielt mich prüfend von sich und musterte mich.

Ich lächelte, meine Großmutter war die Einzige, die sich noch darum scherte. Mein Vater gab mir einfach seine Kreditkarte, wenn ich neue Sachen brauchte. Oder er schickte mir die Sachen zu, die ich haben wollte. Ich will nicht sagen, dass sie Rabeneltern sind, nein, sie lieben mich sehr, aber sie lieben auch ihre Arbeit. Ich hab sie trotzdem lieb. Oma lebte mit uns in Kalifornien und ich war sehr froh darüber. Sie hatte sich ein kleines Haus in einem relativ kleinen Ort gekauft, der leider sehr weit weg von meinem Zuhause war. Wir wohnten in Oceanside, San Diego und sie in Salinas, Monterey. Sie lebte schon sehr lange dort, während wir erst vor ein paar Jahren hergezogen waren. Es war Matts größter Wunsch gewesen, einmal in Kalifornien zu wohnen und meine Eltern hatten auch nichts dagegen gehabt.

,, Es ist schon lange her, nicht wahr?" Oma sah auf das Grab und seufzte.

,, Mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen." Murmelte ich traurig.

,, Madeleine, er hat es so gewollt."

,, Ich weiß, aber ... ich denke immer noch, dass er vielleicht wieder aufgewacht wäre, wenn die Ärzte ihm etwas mehr Zeit gegeben hätten!" Der Gedanke machte mich wieder wütend.

,, Er hatte Schmerzen und wollte nicht mehr aufwachen, er hat alles erlebt, was er erleben wollte und vor allem hat er dich erlebt. Dein Bruder hat sich immer eine kleine Schwester gewünscht und er war immer so stolz auf dich. Die wenigen Augenblicke, die ich von seiner Kindheit erlebt habe, waren immer die, in denen er glücklich war. Wenn du in seiner Nähe warst, war er ständig am Strahlen und konnte gar nicht genug von dir kriegen. Wenn du gesungen hast, konnte er alles vergessen und er wäre jetzt bestimmt entsetzt darüber, wenn er wüsste, dass du damit aufgehört hast. - Ach, was red ich denn da. Er weiß es sicherlich. Dein Bruder hat immer über dich gewacht, wacht jetzt über dich und wird auch immer über dich wachen. Ich lass dich jetzt wieder allein, mein Kind. Bis bald."

Meine Oma stellte ihre rote Tulpe mit meiner in die mit Wasser gefüllte Vase, strich mir über den Rücken und ging. 

Ich blieb am Grab meines toten Bruders und versuchte, mich nicht mehr ganz so allein zu fühlen.


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