Ich sah meiner Mum sehr ähnlich, das hatte man mir schon oft gesagt. Ich hatte die gleiche rotbraune Haarfarbe und meine Augen waren das selbe Braun. Sie war ebenfalls eine Feuer- Elementes gewesen, so wie mein Dad.
Allerdings hatte ich nicht die Sanftheit und den Optimismus meiner Mutter. Ich war ernst und zielstrebig. Manchmal auch stur, aber Befehlen gehorchte ich. Was das anging kam ich mehr nach Dad.

Plötzlich legte jemand eine Hand auf meine Schulter und mein Kopf zuckte herum. Es war Lillith die die Augen etwas aufriss: „Was ist los?"
Schnell blinzelte ich die Tränen weg und verbannte die Trauer tief in mein Herz: „Nichts. Was gibt es?"
Sie nahm die Hand wieder runter, wobei ihre Ketten rasselten.
Lillith bat mich um Hilfe das Blut abzuwaschen, da ihre Fesseln zu kurz waren. Also knieten wir uns nebeneinander hin und ich übernahm das abrubbeln.
Aber etwas, was mich zum nachdenken brachte war die Antwort auf meine Frage: „Bereust du es manchmal?"
„Das ich fünfzehn Schüler ermordet habe?", fragte sie bitter und hasserfüllt. Etwas Hass auf sich selbst?
„Jede Sekunde."

Wieso bereute sie es, wenn sie der Dunkle Mond war. Sollte sie nicht abgrundtief Böse sein und sich über ihre Taten freuen? Das Bild vom Dunklen Mond, was bei den Elementes und Huntern herrschte, passte einfach nicht zu diesem Mädchen. Und genau das warf mich völlig aus der Bahn. Ich sollte sie hassen und abschätzig behandeln, aber das konnte ich nicht.

Ihre Überraschung, dass ich ihr etwas zum schlafen aus zwei Decken gemacht hatte kam auch dazu. Sie glaubte von sich selber, dass sie es nicht verdient hatte. Vielleicht tat sie das auch nicht, aber wenn sie böse war, warum wollte Lillith dann für böse Taten bestraft werden?

„Danke", ertönte es plötzlich aus der Dunkelheit des Zeltes und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.
„Gerngeschehen", flüsterte ich genauso leise und schloss die Augen.
War sie jetzt ein Monster und sollte getötet werden, oder war sie es nicht und ich brachte ein Mädchen zur Schlachtbank?
Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

Plötzlich wurde ich von Schreien geweckt und ich riss meine Augen auf. Schnell schoss ich hoch und suchte nach der Ursache. Wurden wir überfallen?
Dann schlug mir jemand gegen den Arm und mein Kopf zuckte zu Lillith herum. Sie wandte sich im Schlaf hin und her und zwischen durch schrie sie auf. Sie musste einen ziemlich üblen Albtraum haben.

Ich rüttelte sie an der Schulter, aber sie wachte nicht auf. Bei meinen anderen Versuchen sie zu wecken musste ich ein paar Schläge einstecken, aber als ich sie an beiden Schultern heftig schüttelte, riss Lillith die Augen auf.
Schwer atmend und verschwitzt starrte sie mich an. Ihre ohnehin schon dunklen Augen waren jetzt fast schwarz und bildeten einen starken Kontrast zu ihre erbleichten Haut. Sie waren dunkel vor... Schuld.

Plötzlich zuckten ihre Augen hin und her, worauf sie fast panisch aufsprang und aus dem Zelt flüchtete, die Decke riss sie halb mit. Mit einem Fluchen kämpfte ich mich aus meinen Schlafsack und stürmte ihr hinterher. Mein Verdacht sie würde abhauen, war unbegründet. Lillith stand nur draußen, die Arme um sich geschlungen und atmete tief die Nachtluft ein.

John, der Wache hielt stand vor seinem Zelt in der Mitte und schaute Lillith überrascht an. Sie schien ihn garnicht gesehen zu haben, sie atmete weiter zittern ein und aus.
Jetzt fiel Johns Blick auf mich und er zog fragend eine Augenbraue hoch, aber ich konnte nur die Achseln zucken.
„Ich übernehme die nächste Wache!", rief ich ihm zu und ging näher an Lillith ran. John nickte gähnend und verkroch sich in seinem Zelt. Er traute mir wohl zu, Lillith und die Steinlandschaft um uns herum zu beaufsichtigen.

Ich trug nur ein Hemd mit Hose und war Barfuß, da ich so schnell aus den Zelt gestürmt war. Mit einem Blick auf Lillith zog ich meine Stiefel aus dem Zelt und streifte sie mir an. Dann stellte ich mich neben Lillith. Inzwischen atmete sie ruhiger.

„Gehts wieder?"
Sie öffnete die Augen und drehte den Kopf zu mir. Mit dumpfen Augen sagte sie: „Ja. Ich hatte nur einen Albtraum." Ihre Stimme war leblos und matt. Als hätte der Traum sie komplett ausgelaugt.
„Worüber war der Traum?", fragte ich etwas vorsichtig und analysierte kurz den Wald, „Es hilft darüber zu reden."
Doch sie schüttelte den Kopf und sagte anstatt einer Antwort: „Kann ich mit dir draußen bleiben während du Wache schiebst?"
Verwundert hob ich die Augenbrauen: „Klar. Aber wieso? Willst du nicht lieber schlafen."
Sie schüttelte den Kopf und ihre schwarzen Haare, die fast mit der Nacht verschmolzen, wippten mit: „Ich habe leichte Platzangst und kriege in engen Räumen manchmal Panik. Eben im Zelt hatte ich das Gefühl ich würde ersticken. Ich brauche jetzt frische Luft."
Deswegen war sie so schnell raus gerannt.

Wir setzten uns nebeneinander hin und während ich den Wald im Auge behielt blickte Lillith düster ins Leere. Reden taten wir beide nicht.

Plötzlich sackte ihr Kopf gegen meine Schulter und ich schaute sie verwundert an. Sie war eingeschlafen, diesmal atmete sie ruhig und gleichmäßig.
Und wieder konnte ich kein Monster in ihr entdecken. Ich sah nur ein verlorenes Mädchen.

Der nächste Morgen brach an und Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht. Ich hatte den Rest der Nacht durch Wache gehalten, während Lillith an mich gelehnt geschlafen hatte.
Aber als die Sonne aufging öffnete auch sie blinzelnd ihre Augen. Als sie bemerkt wie sie schlief richtete sie sich schnell auf und rutschte ein Stück weg.
Ich musste grinsen und stand auf, um mich zu rekeln.
„Lass uns die anderen wecken.", meinte ich und Lillith nickte. Irrte ich mich oder waren ihre Wangen einen Hauch rosa geworden? Nein, das bildetet ich mir sicher nur ein.

Also weckten wir zusammen die anderen und setzten uns dorthin, wo wir gestern Feuer gemacht hatten.
Ellie war als erstes aus ihren Zelt raus und betrachtete uns mit einem undefinierbaren Blick.
„Was?", fragte ich sie verwirrt und zog eine Augenbraue hoch.
Ellie winkte bloß ab: „Ach nichts."

Als dann alle wach waren, teilten wir uns die Arbeit wieder auf. Lillith und ich sollten die Pferde satteln. Lillith stellte sich ratlos vor das Pferd von Max, während ich meines anfing zu satteln.
„Du hast noch nie ein Pferd gesattelt?", stellte ich schmunzelnd fest.
Sie schüttelte den Kopf und beäugte mich und was ich tat: „Bei den Nementes, oder wie auch immer ihr sie nennt, lernt man sowas nur wenn man Reitunterricht nimmt. Und das habe ich nicht also hör bitte auf so dämlich zu Lächeln."
Ich musste nur noch mehr Grinsen und sie warf mir einen dunklen Blick zu.
Immer noch leicht lächelnd fragte ich: „Was für einen Unterricht hast du dann genommen?"

„Fechten."
„Fechten?", wiederholte ich, das kannte ich nicht.
Lillith seufzte und murmelte leise: „Wieso kennt das niemand hier. Es ist so ein cooler Sport."
Dann erklärte sie zu meiner Überraschung: „Man kämpft mit einem Schwert, in meinem Fall Säbel, aber es gibt Regeln."
Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch: „Du kannst mit einem Schwert umgehen?"
Sie nickte.
Mit einer dramatischen Geste hielt ich ihr meine Hand hin: „Lillith, hiermit fordere ich dich zu einem Duell mit dem Schwert heraus!"

Sie hob ihre Fesseln: „Das würde wohl kaum gehen!"
Ich hielt ihr meine Hand weiter hin und sagte sicher: „Dann fessel ich meine Hände auch, ein gerechter Kampf."
Sie schaute mich eine Weile nachdenklich an und Schlug dann ein: „Herausforderung angenommen!"
Wir ließen unsere Hände los und ich sah wie sie ganz kurz leicht lächelte. Das verschwand aber sofort als sie fragte: „Wieso bist du wieder so nett?"

Ich hatte nach wie vor keine richtige Antwort darauf, also stellte ich die Gegenfrage: „Darf ich den nicht nett sein?"
„Klar, aber... zu mir?"
Glücklicherweise musste ich nicht antwortete, mir wäre keine vernünftige Erklärung eingefallen, denn John rief: „Beeilt euch! Wie sind alle gleich fertig."
Also sattelte ich das Pferd von Max schnell selbst fertig und wir alle ritten weiter. Jetzt ging es Richtung Berge.

Lillith das schwarze Element Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt