Kapitel 39 | Feuerprobe II

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„Was ich dir gerade versuche mitzuteilen und wo du dich – wie immer, wenn es um den Erwerb von Wissen geht – trotzig gegen sträubst, ist Folgendes: Flip und ich waren in der Bibliothek, um mehr über den Lichtbringer herauszufinden."

Miles' Lächeln verschwand und er spürte, wie ein Gefühl der Kälte seine eben erworbene Erheiterung unbarmherzig vertrieb.

„Da niemand etwas über seinen Erben weiß", fuhr seine Freundin fort, „schien es Flip und mir ratsam, erstmal alles über den Lichtbringer selbst zu erfahren. Wir haben herausgefunden, dass er Kinder hatte. Das heißt, wir müssen jetzt herausfinden, wer die Nachfahren des Lichtbringers waren und bis heute zurückverfolgen, damit ..."

„Cora", unterbrach Miles ihren Redefluss. Unsanft packte er sie an den Schultern, und drehte sie zu sich herum, um ihr in die Augen zu sehen. „Hör sofort auf, weiter Nachforschungen über den Lichtbringer anzustellen! Und vor allem: Zieh Flip nicht in die Angelegenheit hinein. Die ganze Sache ist ein wenig zu groß für uns."

Cora sah aus, als hätte er gerade behauptet, dass Zitronen blau seien. „Wie bitte?", fragte sie irritiert.

„Ich sagte, das Kapitel Lichtbringer ist abgehakt", verdeutlichte Miles aufgebracht. „Kein Nachforschen mehr, keine unbedachten Aktionen und auch keine verrückte Suche nach einem tausend Jahre totgeglaubten Hexenmeister! Das ist viel zu gefährlich für unausgebildete Jungmagier wie uns. Überlassen wir das also den Hütern. Frau Wasabi hat alles im Griff. Ich hab ihr alles erzählt."

Er wollte sich abwenden und sich auf den Weg zum Veranstaltungsraum machen, aber diesmal war es Cora, die ihn einfach hinten am Hosenbund packte und zurückhielt.

Ärgerlich riss er sich von ihr los. „Ey, nimmst du vielleicht mal die Hand aus meiner Hose?"

Cora tat ihm den Gefallen. „Okay, dass du ein Mädel darum bittest, die Hand aus deiner Hose zu nehmen, ist mehr als ungewöhnlich."

„Vielleicht weil du sie zur falschen Seite hineingesteckt hast", fauchte er nun weniger zurückhaltend.

Cora zitterte, ganz als koste es sie körperliche Anstrengung einen spöttischen Konter zurückzuhalten. „Lass uns nicht schon wieder streiten", schlug sie einen ruhigeren Ton an. „Lass uns diesmal gleich drüber reden, so wie du's letztes Mal versprochen hast. Also spuck aus, was dir über die Leber gelaufen ist! Ich werde gerade echt nicht schlau aus dir."

„Als ob ausgerechnet aus mir jemand schlau wird", brummte Miles. Konnte sie das Thema nicht einfach fallen lassen? Was war so schwer daran? Er wusste ja, dass Mädchen in solchen Beziehungen gerne etwas begriffstutziger waren, aber Cora hatte er eigentlich als klüger eingeschätzt.

Sie holte Luft um zu einer Antwort anzusetzen, als sich eine Gestalt zu ihnen durchs Foyer der Hochschule kämpfte.

„Hey, Leute!", rief Flip, als er die letzten Meter hinter sich brachte und sich zu ihnen gesellte. „Ihr glaubt nicht, wie froh ich bin, euch noch vor dem Kurs zu treffen." Er schnaufte und stützte die Hände auf die Knie, um wieder Luft zum Sprechen zu schöpfen. Vermutlich war er den ganzen Weg von der Bushaltestelle gerannt, in der Hoffnung, sie noch abfangen zu können. Der Schweiß auf seiner Stirn und das ungewohnte Grinsen in seinem Gesicht bestätigten Miles' Annahme.

„Ich habe etwas rausgefunden!", sagte er mit einer Euphorie, die stärker als seine Gabe sein musste, denn ansonsten hätte er die angespannte Stimmung sofort aufgefangen und reflektiert.

„Flip ...", begann Miles, doch der Empath hörte ihm gar nicht zu. Stattdessen ließ er seinen Rucksack zu Boden gleiten, und holte ein schmuddeliges und vor allem zerfleddertes Buch hervor, welches er ihnen triumphierend vor die Nase hielt.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now