Eine Verschwörung

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Marcus'Sicht

Ich sitze in der Küche auf meinem Platz, vor mir eine Schüssel Cornflakes und ein Buch, dass wir für die Schule lesen müssen.
Ich bin jetzt keine wahnsinnige Leseratte, doch morgen müssen wir die Zusammenfassung abgeben und ich hab noch achtzig Seiten zu lesen.
Zusammenfassung googeln und übernehmen funktioniert nicht, ist schon zu oft aufgeflogen.
Während Jack zu Hause ist, komme ich nicht zum lesen, da sind wir meistens... anderwärtig beschäftigt. Außerdem brauche ich eine Ablenkung, während ich auf meinen Vater warte, sonst bin ich viel zu nervös.
Jackson ist mit seiner Mutter unterwechs, Mutter-Sohn-Ausflug. Sie hat darauf bestanden, dass sie einmal im Monat einen Tag zu zweit verbringen, während ich die Zeit mit meinem Vater nutze. Um sich im Familienalltag nicht aus den Augen zu verlieren, hat sie erklärt.
Nun ja, die perfekte Gelegenheit, um unseren Plan in die Tat umzusetzen.
Jetzt fehlt nur noch mein Vater. Ungeduldig blicke ich auf die Uhr. Eigentlich sollte er jeden Moment kommen.
Wie aufs Stichwort höre ich draußen den Wagen vorfahren. Ich atme tief ein und aus. Endlich. Jetzt liegt es an mir.
Ich höre die Haustür auf- und zugehen und seine Schritte im Flur. Langsam betritt er die Küche. Jetzt bloß nichts anmerken lassen. "Hi Dad", sage ich bemüht gleichgültig, ohne von dem Buch aufzublicken. "Hi Marcus. Wie geht's?", fragt er und setzt sich an den Tisch.
"Gut", antworte ich und esse einen Löffel Müsli.
"Und, haben wir an unserem Vater-Sohn-Tag noch etwas besonderes vor?", will er wissen und grinst mir verschwörerisch zu. Ich zucke mit den Schultern. "Von mir aus können wir es ganz normal machen, so wie bevor Jackson und Isabella hier eingezogen sind."
Bloß nicht zu aufgekratzt wirken, beschwöre ich mich.
Er wirkt leicht enttäuscht und starrt mich einen Moment lang an, bevor er sich kurz räuspert. "Ähm, in Ordnung, aber gibt es nicht irgendetwas... über das du mit mir reden möchtest?" Ich zucke leicht zusammen. Hier wären wir also. Bei dem kritischen Punkt an der ganzen Sache.
Er hat meine Reaktion natürlich bemerkt und beugt sich unbewusst weiter vor. "Ja? Du kannst mir alles sagen, das weißt du." Ich nicke, sammle meine Gedanken und beginne langsam zu sprechen. "Du weißt ja, dass ich mit Amanda Schluss gemacht habe..." Er nickt ernst, wirkt gar nicht bedauernd oder entäuscht, einfach nur interessiert und aufmerksam. Das macht mir Mut.
"Jedenfalls... bin ich jetzt wieder in einer Beziehung", fahre ich deshalb fort.
Überrascht hebt er die Augenbrauen. Damit hat er nicht gerechnet. Gut so. "Und wer ist die Glückliche?" Ohne direkt auf seine Frage einzugehen, blicke ich auf meine Hände und rede stur weiter, darauf bedacht, keine verfänglichen Geschlechtsandeutungen zu machen. "Wir hatten die Idee, nächsten Samstag gemeinsam mit euch zu Abend zu essen, damit ihr einander kennenlernen könnt." Kurze Stille am anderen Ende des Tisches. Ich blicke wieder auf. Dad nickt langsam. "Ja, das sollte sich einrichten lassen. Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht, mein Junge. Das muss ja eine ganz besondere Persönlichkeit sein, deine Angebetete."
Ich grinse vor mich hin. Ja, das ist er.

Jackson's Sicht

Langsam trete ich aus dem Auto und schlage die Tür hinter mir zu. Tief atme ich die frische Luft ein und lasse den Blick über die Landschaft gleiten. Mum hatte die Idee von einem gemütlichen Waldspaziergang, um endlich wieder mal ungestört quatschen zu können.
Ich bin überwältigt. Die hohen Wipfel der Nadelbäume schwanken leicht in der kühlen Briese, die Blätter rauschen und erzeugen eine angenehme, ruhige Geräuschkulisse.
Warm lächle ich meine Mutter an, während wir den Schotterweg entlanggehen. Sie lächelt zurück und beginnt das Gespräch: "Wie geht es dir bis jetzt so in der Schule?"
"Bestens", antworte ich grinsend. "Es sind ziemlich coole Leute da. Ich habe mich recht eng mit Honey angefreundet, und mit Rob und Marc's bestem Freund Brian verstehe ich mich auch recht gut..."
"Wie versteht ihr euch mitlerweile eigentlich? Du und Marcus meine ich? Ist es... besser geworden?", fragt sie vorsichtig.
Damit spielt sie auf diesen verhängnisvollen Abend an, an dem alles aus dem Ruder gelaufen ist. Ich bin immer noch erstaunt, wie leicht es anschließend eigentlich war, das Problem aus dem Weg zu räumen. Ich bin so glücklich, dass es so gekommen ist.
Ich lächle. "Ja, viel besser. Wir kommen gut miteinander aus." Erleichtert atmet sie aus. "Das freut mich. Ich hatte Angst, dass ihr... euch hassen würdet, oder so. Ich bin froh, dass ihr euch jetzt doch versteht. Und Brüder müssen sich ja nicht immer mögen. Streits sind unter Geschwistern schließlich ganz normal." Wenn sie wüsste.
Bei diesem Thema mache ich mir doch irgendwie Sorgen, dass sie es nicht so gut aufnehmen könnte. Sie sieht es als ganz selbstverständlich, dass wir Brüder sind. Was, wenn sie es unnormal findet? Doch jetzt hilft es nicht, wir haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen, jetzt muss ich es auch durchziehen.
"Mum?" "Ja, Jackson?" "Ich habe jetzt auch... wieder einen Freund", sage ich vorsichtig. Sie bleibt stehen und mustert mich, dann breitet sich ein Lächeln in ihrem Gesicht aus. "Das erklärt deine gute Laune in letzter Zeit." "Bin ich etwa sonst nicht gut gelaunt?", frage ich verwirrt. "Doch schon, aber die letzten Wochen wirktest du ganz außergewöhnlich ausgeglichen."
Ich muss grinsen. Es hat eben doch hauptsächlich Vorteile, wenn man mit dem eigenen Freund im gleichen Haushalt lebt.
Strahlend geht sie auf mich zu und umarmt mich sanft. "Es freut mich für dich, dass du jemanden gefunden hast", murmelt sie. Ich trete wieder einen Schritt zurück. "Ich würde ihn euch gerne vorstellen. Ich hätte ihn für Samstag zum Abendessen eingeladen. Geht das in Ordnung?" Sie blickt mich ernst an und nickt. "Natürlich." Ich strahle sie an. "Danke, Mum."
Köder auslegen, gecheckt.

Das Abendessen - Fanfiction zum Buch "Stiefbruder" von @okaynotokayyWhere stories live. Discover now