Das Schwert

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Das Land Unrandien war wunderbar. Es hatte alles, was ein vollkommendes Land brauch. Hohe Gebirge im Norden, von dessen Bergspitzen der weiße Schnee in der Sonne herrlich herunterstrahlte, weite Wiesen, die im Morgentau glitzerten, reißende Flüsse, die sich durch die Landschaften ihren Weg bahnen, jedoch auch kleine Bächlein, die gut für kleine Pausen waren. Seen, dessen Wasser glasklar war. Ein großer Wald im Westen, der nur so von Tieren wimmelte. Generell nahmen die Tiere viel Fläche dieses Landes ein. Über die Wiesen hoppelten Hasen, gruppierten sich Wildpferde, im Süden in der Wüste lauerten Wildkatzen auf ihre Beute. Auf Waldnahen Wiesen sprangen Rehe herum, oder stolzierten Hirsche mit ihrem prächtigen Geweih umher. Die Luft wurde regiert von etlichen Vogelarten. Jede Vogelart hatte sein eigenes Lied, jedoch haben die Vögel in Unrandien etwas Besonderes. Wenn sie andere Vögel singen hören, sind sie nicht so egoistisch und singen ihr eigenes Lied, sondern passen sich den der anderen an und es entsteht ein riesiges Konzert der Vögel. Alles in Allem war dieses Land eines der friedlichsten der Welt. Und das, obwohl auch Menschen dieses Land besiedelten. Es gab sogar große Städte. Die größte, und man könnte meinen die Hauptstadt des Landes, war Tarihn. Dennoch gab es keine Regierung, keine König, denn diese Menschen brauchten sie nicht. Sie lebten in Liebe zueinander. Nirgends herrschte Streit oder Neid. Alle akzeptierten sich so, wie sie waren. Und das war wunderbar. Die Menschen waren eins mit der Natur. Sie liebten sie. Natürlich wurden Tiere gejagt, aber das ganze lief genau so, wie wenn eine Raubkatze auf ihre Beute springt und sie zerfleischt, um zu leben. Wenn ein Tier umgebracht wurde, dann nur, um es zu essen, nicht um sich selbst zu bereichern. Und genau in diesem Land beginnt unsere Geschichte. Genauer gesagt auf einem goldenen Getreidefeld, welches zu einem Dorf namens Schrack gehörte. Über dieses Feld lief gerade ein kleiner blonder Junge. Aurin. Und dieser Junge war ich...

„Vater! Vater! Schau mal, was ich gefunden habe!" Mein Vater Gran, ein großer, stämmiger braunhaariger Bauer, war gerade dabei zu ernten. Es war ein gutes Jahr. Eigentlich wie jedes Jahr. Dieses Land ist so gesegnet von den Göttern. „Aurin!" Mein Vater legte die Garbe, die er gerade auf der Schulter zu den anderen bringen wollte ab und kam mir entgegen. Doch je näher ich ihm kam, desto ernster schaute er. Was war los mit ihm? „Aurin, was hast du da?" Ehrlich gesagt wusste ich es zu dem Zeitpunkt selber nicht. Es sah einfach nur interessant aus. „Ich weiß nicht, Vater, aber es schaut interessant aus. Sowas habe ich noch nie gesehen!" „Aurin. Gib mir das. Bitte. Das ist kein Spielzeug." „Was ist das denn?", entgegnete ich und zog das Schwert hinter meinen Rücken, als Zeichen dafür, dass mein Vater erst antworten sollte. „Aurin, das ist ein Werkzeug des Krieges. Ein Schwert. Ein altes Schwert. Zumindest muss es das sein. Wo hast du das her?" „Des Krieges? Was ist ‚Krieg'?" Ja, damals war ich ein kleiner, unerfahrener Junge. „Ein Krieg ist schrecklich, Aurin. Du willst ihn nie erleben. Glaub mir. Und zum Glück gibt es hier in Unrandien keine Kriege. Dementsprechend brauchen wir auch keine Waffen, wie dieses Schwert hier. Niemand besitzt so etwas, Aurin. Man braucht so etwas nicht, wenn man in Frieden lebt. – Und jetzt gib mir bitte das Schwert." Ich, zufrieden mit seiner Antwort, übergab ihm das Schwert. „Das ist ja schrecklich.", gab ich als Antwort auf Vaters Erklärung. Mein Vater fragte noch einmal: „Doch nun sag, woher hast du es?" „Unten... Am... Am Fluss. Ich habe dort gespielt. Und dann ist mir dieses Schwert unter den Steinen aufgefallen. Der Fluss muss es frei gelegt haben!" „Am Fluss? Du sollst da doch nicht spielen! Das ist viel zu gefährlich! Die Strömung könnte dir etwas tun!" „Ich war am Flussübergang. Also nicht im tiefen Gewässer." „Okay. Aber pass trotzdem auf!" „Klar, versprochen." Mein Vater lächelte. Dann legte er eine Hand auf meine Schulter und sagte: „Geh doch schon einmal Heim, zu deiner Mutter. Sie wartet sicherlich schon auf dich. Ich mach noch ein wenig weiter und komme zur Dämmerung nach." „Und das Schwert?", fragte ich. „Das behalte ich hier bei mir. Ich bringe es nachher mit." „Okay, dann bis nachher!" Ich umarmte noch einmal Vaters Unterkörper – ja, so klein war ich noch – und rannte los. Richtung zu Hause. Ich musste zwar ein gutes Stück laufen, aber im Großen und Ganzen war es kein weiter weg. Meine Familie hatte einfach viel Besitz, weshalb ich über viel ländliches Eigentum laufen musste. Mein zu Hause war ein übliches Bauernhaus. Gebaut aus Holz, mit einem Strohdach. Ich öffnete die massive Holztür und rief: „Mutter! Ich bin zu Hause!" Meine Mutter kam freudig aus einem Raum heraus. Sie hieß Sarna und war für eine Frau auch recht groß. Generell waren meine Eltern ziemlich groß, also musste ich auch bald noch groß werden. Meine Mutter hatte die blonden Haare, die ich von ihr geerbt habe. Besorgt fragte meine Mutter: „Schön, dass du wieder da bist, wo warst du?" Ich erzählte ihr die Geschichte. „Ein Schwert?", fragte meine Mutter ungläubig, „Warum, um alles in der Welt, gibt es hier, in Unrandien ein Schwert? Das kann doch nicht sein." „Du wirst es ja sehen. Vater bringt es heut Abend mit. Ich durfte es nicht behalten." „Das ist auch gut so. – Nun denn, so müssen wir warten." Und das taten wir. Meine Mutter fing an, ein Mahl zuzubereiten, damit mein Vater nach der Arbeit gestärkt wird. Ich half ihr dabei. Schließlich müsste ich, auch wenn ich ein Mann bin, früher oder später mal selber Nahrung zubereiten können.

Es war Abend, der Tisch war zubereitet und Mutter und ich saßen wartend daran. Nach einer Weile ging die Tür auf und Vater kam herein. Etwas aufgelöst und wütend zugleich. „Das Schwert!", sagte er sofort. „Es ist weg! Es wurde mir gestohlen!" „Gestohlen?", fuhr es aus meiner Mutter ungläubig heraus. „Aber Vater, du wolltest es mitbringen." „Ja, Aurin. Wollte ich. Aber ich kann da ja auch nichts für." „Wer bestiehlt denn jemand anderes in Unrandien?", fragte Mutter. „Das frag ich mich auch, Sarna. Das ist noch nie vorgekommen." Mir kam ein Gedanke. Ein unschöner Gedanke. „Vater? Du erzähltest, dass man ein Schwert für den Krieg braucht... Meinst du, es wird einen Krieg in der Zukunft geben?" Mein Vater setzte sich an den Tisch. „Nein.", sagte er entschlossen. Dann jedoch kroch eine Spur von Zweifeln in sein Gesicht. Er fügte weniger entschlossen hinzu: „Das hier ist Unrandien. Das gibt es hier nicht."

Die WendeWhere stories live. Discover now