Teil 2

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Ice

Für einen Moment schließe ich die Augen und sauge den schwachen Duft ihres Shampoos, der noch für wenige Sekunden nachdem sie an meinem Tisch war, in der Luft hängt, tief in meine Lungen. Es ist ein sommerlich-frischer Duft, der gut zu ihr passt. Als ich nach Black Falls gekommen bin, hätte ich nicht gedacht, dass Sherwood eine so gut aussehende Tochter zustande gebracht hat. Der alte Mann hat nichts an sich, das auch nur annähernd attraktiv ist. Seine Tochter muss ihr Aussehen wohl den Genen ihrer Mutter verdanken, die spurlos verschwunden ist. Eigentlich bin ich wegen ihr gekommen, dass ich stattdessen auf Sherwoods Tochter treffen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Wie auch, der alte Mann hat niemanden von einer Tochter erzählt. Ich kann ihm nicht einmal verübeln, dass er sie geheimgehalten hat. Wahrscheinlich wollte er sie vor jemanden wie mir beschützen. Damit hat Sherwood mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Seit einer Woche sitze ich jetzt schon Abend für Abend in dieser dunklen Ecke des Pubs und beobachte Raven dabei, wie sie Tische abwischt, Bierkrüge füllt und Gäste bedient, statt endlich meinen Plan umzusetzen. Ich schiebe das, was nötig ist, nur hinaus, indem ich weiter hier sitze und darauf hoffe, dass Sherwoods Exfrau nach Black Falls zurückkehrt. Aber sie wird nicht zurückkommen. Ich habe mich mit fast jedem hier unterhalten und sie alle haben berechtigte Zweifel, dass Ravens Mutter jemals zurückkommen wird. Sie hat ihre Tochter einfach allein zurückgelassen. Und Sherwood scheint keine Ahnung zu davon haben, sonst wäre er jetzt hier, um sie zu beschützen.

Stöhnend reibe ich mir über das unrasierte Kinn und schließe die Augen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Alles ist jetzt anders. Mein Plan war eigentlich, nach Black Falls zu kommen, mir Sherwoods Exfrau zu schnappen und mit ihr irgendwo in einen Wald zu fahren, wo ich sie umbringen wollte. Sherwood wäre dabei noch gut weggekommen, immerhin hätte ich sie nur abgeknallt.

Meine Augen öffnen sich ganz von allein, als ich das helle Lachen von Raven höre. Vor ihr steht schon wieder dieser Typ, der ständig in ihrer Nähe herumhängt und versucht, zwischen ihre Beine zu kommen. Raven scheint nicht einmal zu merken, was er vorhat, sie lacht zwar über seine Witze, aber ihr Blick zeigt deutlich ihr Desinteresse. »Junge, du hast keine Chance«, murmle ich. »Ein Mädchen wie die bekommst du nicht ins Bett.«

Raven ist eine Schönheit, nicht einmal ihre zerschlissene Kleidung und ihre kurzen Haare können das verstecken, auch nicht, dass sie selbst keine Ahnung hat, wie sie auf Männer wirkt. Sogar mir wird ganz heiß im Magen, wenn ich ihren Hüftschwung sehe und ihren nachdenklichen Blick auf mir spüre. Sie sieht mich häufig an, immer dann, wenn sie glaubt, ich würde es nicht bemerken. Wahrscheinlich versucht sie nur herauszufinden, wer ich bin und was ich hier will. In diesem Kaff kennt jeder jeden, niemand bleibt hier freiwillig länger als nötig. Deswegen falle ich hier auf. Alle in diesem Pub sehen mich mit diesem Blick an, selbst nach Tagen noch. Vielleicht auch genau deswegen, weil ich schon viel zu lange hier bin.

»Du verlässt die Stadt?«, höre ich den Jungen entrüstet ausrufen. Er schiebt seine Hände in seine Jeans und tritt etwas vom Tresen zurück, der die beiden trennt. Seine schlaksige Figur wirkt plötzlich noch viel kindlicher.

Ich konzentriere mich auf Raven, damit ich hören kann, was sie ihm antwortet. »Ja, schon heute. Gleich nach der Schicht.«

Ich versteife mich und falle fast in so etwas wie eine Schockstarre. Verdammter Mist, ich habe mich noch nicht entschieden, was ich tun soll. Mein ursprünglicher Plan ist hin, die zweite Option wäre gewesen, mir Raven zu schnappen und sie zu erschießen. Wahrscheinlich würde das Sherwood sogar noch mehr treffen, immerhin hat er seine Tochter vor allen geheimgehalten. Aber bisher konnte ich mich einfach noch nicht dazu durchringen. Meine Hände umklammern zitternd mein Bierglas. Mir läuft die Zeit davon. Ich muss mich entscheiden. Töte ich sie oder vergesse ich meine Rache? Schon der Gedanke, Sherwood mit dem was er mir angetan hat, durchkommen zu lassen, ist mir so zuwider, dass mein Magen krampft und mein Puls sich beschleunigt. Niemals kann ich ihn damit davonkommen lassen.

Ich mustere Raven, die langsam an meinen Tisch kommt und deren Augen bei jedem Schritt fest auf mich gerichtet bleiben. Mein Herz macht einen Satz, als sie neben mir stehenbleibt. »Kann ich dir noch was bringen? Wir schließen gleich.«

Ich lasse mir Zeit damit, jeden Zentimeter ihres Schlanken Körpers zu betrachten, der in Shirt und Shorts nicht wirklich viel von sich verbirgt. Als mein Blick über ihre nackten Oberschenkel gleitet, kann ich sehen, wie sich ihre Muskeln anspannen. Ich sehe in ihr Gesicht, ihre Lippen sind leicht geöffnet und ihre Atmung geht viel schneller als sie sollte. Siehst du Junge, denke ich, was diese Frau braucht, ist ein Mann wie ich. »Nein danke«, antworte ich ihr völlig gelassen, während ich mir in Gedanken schon ausmale, wie sie vor mir knien wird, der Waldboden wird sich in ihre empfindliche Haut drücken, ihre Augen werden schreckgeweitet zu mir aufsehen und über ihre Lippen wird kein einziger wimmernder Ton kommen, denn sie wird mich nicht um ihr Leben anflehen. So ist sie nicht. Und dann werde ich abdrücken.

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