Kapitel 1

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Überall lagen Leichen. Die Wände und der Boden mit Blut bedeckt. Stumm ging eine Gruppe Männer durch die Hallen dieser einst strahlenden Festung. Jetzt war sie nicht mehr als nur eine Ruine. Zerstört durch die Habgier eines einzelnen. Eines einzelnen, der nun noch nicht einmal imstande war, allein zu gehen. Hinter ihm, ein Junge von nicht mal 18 Jahr. Sein Sohn. Die Ähnlichkeit war trotz des Blutes in ihren Gesichtern unverkennbar. Dieselben Wangenknochen und das selbe grauschwarze Haar zu einem Zopf gebunden. Zufrieden belächelte der Ältere die Leichen seiner Feinde. Wie viele seiner Männer darunter waren, es waren gewiss nicht wenige, war ihm egal. Für ihn zählte nur eines: er hatte diese Schlacht gewonnen und so sein Reich vergrößert. Der Junge allerdings wusste nicht, wohin er sehen und treten konnte. Er empfand es als respektlos, auf den leblosen Körpern herumzugehen.

Am Ende eben jener Halle, die sie durchschritten, stand ein Thron. Geschnitzt aus einem mannshohen Baum stand er mächtig auf seiner Anhöhe. Auf ihm saß der Lord dieser Festung. Lebendig. Hinter dem Thron versteckte sich des Lords jüngste Tochter. Ein Mädchen von 15 Jahr. Ihren langen roten Flechtzopf hielt sie in der Hand und lugte vorsichtig um die Ecke. Sah den blutverschmierten, getragenen Mann und dahinter dessen Sohn. Angst spiegelte sich in ihren wald-grünen Augen. "Nun denn. Ihr seid geschlagen. Eure Männer tot. Was wollt ihr tun?", lachte der graugelbe. "Nichts werde ich tun. Was könnt ich auch? So oder so werdet ihr mich töten, da ihr eine Rebellion meiner Treuen fürchtet." "Wohl wahr, doch gäbe es einen Preis, den ihr zahlen könntet. Gebt uns euer Land. Schwört mir den Lehnseid und ihr bekommt ein Haus auf dem Lande, wie es einem alten Manne angemessen ist." Stolz wie es der alte König war, setzte er sich aufrecht hin und gab ein "Was ihr da verlangt, ist Folter." von sich. Der jüngere lachte verächtlich, was das junge Mädchen und selbst seinen eigenen Sohn erschaudern lies. Trotz des Rauches und der aufziehenden Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht konnte man die Zähne des schwarzhaarigen Lords erkennen, die in dem Licht aussahen, wie die eines Wolfes im Mondlicht.

"Ihr verlangt, dass ich alles an euch übertrage. Habt ihr mir denn nicht schon genug genommen? Meine Frau. Meine Söhne. Meine Krieger. Meine Ehre. Mein Banner." Wieder lachte der Lord verächtlich. "Ich bezweifle, dass Ihr in der Position seid, zu entscheiden, wann der Preis gezahlt ist! Ihr seid Euch eures neuen Standes wohl nicht bewusst, alter Mann." Fast unmerklich seufzte der alte König. Was hatte er schon zu verlieren? Bis auf seine Tochter war ihm schon alles genommen worden. "Etwas anderes bleibt mir in Eurer Gegenwart nicht übrig. Ihr benehmt Euch, wie der Wolf, der eine Herde Schafe gerissen und noch immer nicht genug bekommt. Aber gut. Ich gehe auf eure Forderungen ein. Solange meiner Tochter kein Haar gekrümmt wird.", gab der alte König sich geschlagen. "Vater ...", flüsterte sie und nahm seine Hand. Wieder lachte der Lord gehässig, ging ein paar Schritte nach vor und riss das kleine Mädchen an sich. "Sorgt euch nicht, alter Mann. Der kleinen Lady wird nicht ein Haar gekrümmt. Zumindest noch nicht.", spottete er und stieß das Mädchen in die Richtung seines Sohnes, der sie in Empfang nahm und an beiden Armen wie eine Gefangene fest hielt. Ein letzter Blick zwischen Vater und Tochter, danach wurde sie über die Leichen getragen und aus dem Thronsaal gebracht. Das letzte, was sie hört, war ein markerschütternder Schrei, den sie wohl ihr ganzes Leben lang nicht mehr vergessen würde....

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⏰ Last updated: Jan 01, 2018 ⏰

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