Während Name, Geburtsdatum und letzte Wohnanschrift einfach sind, stocke ich bei der Frage nach Kontaktpersonen. Immer wieder setzte ich den Stift auf das Papier auf, bevor ich ihn kopfschüttelnd hochnehme.

„Sie können das auch noch nachträglich ausfüllen, oder mehrere Namen eintragen, wenn Sie sich nicht sicher sind." Leicht nicke ich, bevor ich fortfahre.

Für den Rest brauche ich nicht mehr lange und schiebe der jungen Frau den fast leeren Zettel hinüber. Die Fragen über Berufserfahrungen und Schulabschlüsse konnte ich überspringen, was mir einiges an Arbeit erspart hat.

Auch Talente und Hobbys habe ich ausgelassen. Zwar habe ich mal Football gespielt, und das nicht schlecht, allerdings glaube ich nicht, dass ich immer noch so gut bin wie damals.

Emmy sieht einmal kurz über meine Antworten drüber, bevor sie mir zu lächelt. „Super, das hätten wir dann auch schon mal. Wie gesagt, Sie können immer wieder etwas nachtragen. Aber lassen Sie mich Sie erstmal rumführen."

Stumm folge ich der Blondine durch das überschaubare Gebäude. Neben der großen Halle, gibt es lediglich noch zwei Gemeinschaftsbäder, einen Gruppenraum, einen Vorratsraum - da könnte ich mich wohl auch gleich einkleiden lassen – und einen kleinen Büroraum, mit einem Computer für Bewerbungen und so.

„Also Mister Styles" „Harry", unterbreche ich sie. Mit einem Nicken fährt sie fort: „Also Harry, da drüben ist deine Pritsche. Ich bringe dir gleich noch eine Decke und ein Kissen. Wenn du irgendetwas brauchst oder Fragen hast, kannst du gerne zu mir oder einem meiner Kollegen kommen."

Meinen Rucksack schmeiße ich auf die schlammgrüne Pritsche, um mich im nächsten Moment neben ihn fallen zu lassen.

Ein paar Minuten später bringt Emmy mir wie versprochen das Bettzeug und eine Flasche Wasser. Bevor sie mich für den Abend allein lässt, rät sie mir auf meine Wertsachen acht zu geben.

Ich beobachte noch wie sie davon geht und neige anerkennend meinen Kopf. Arsch und Titten hat sie, das muss man ihr lassen. Zwar ist ihr Bauch nicht so flach wie der von diesen Magermodels, aber wer will schon nur Haut und Knochen? Ich will etwas zum anfassen und angucken. 

Schade eigentlich, dass sie nie ihren hübschen Mund halten kann.

Schnell schüttel ich meinen Kopf. Nur weil ich jetzt nach fünf Jahren das erste Mal wieder eine recht attraktive Frau in meiner Umgebung habe, brauche ich nicht Not geil werden. Außerdem ist sie wahrscheinlich grade erst volljährig, wenn überhaupt.

Aus meinem Rucksack suche ich mir mein Portmonee und das alte Handy, dessen Akku sowieso leer ist, und stecke mir beides in die Hosentaschen, wobei mir auffällt, dass ich schlecht in Jeans schlafen kann. Aber nur in Unterhose möchte ich hier natürlich auch nicht rum rennen. Also sammle ich all meine verbliebene Motivation um die Halle zu durchqueren und in diesen Vorratsraum zu gelangen. Als ich die Tür öffne, erwartet mich bereits ein weiterer übereifriger Helfer in Mitten von Kleidung, Nahrungsmitteln und kleineren Gegenständen.

Bevor er es schaffen kann in einen Redeschwall auszubrechen, lege ich ihm mein Anliegen dar. Scheinbar scheint Bryan, so steht es jedenfalls auf seinem T-Shirt, zu verstehen, dass ich keine Lust auf endlose Gespräche habe. Mit einer knappen Antwort, dass sie sicher etwas da hätten, dreht er sich zu einem Regal um und wühlt dort ein wenig durch den Kleiderstapel, bis er eine graue Jogginghose herauszieht.

„Probier mal an."

Schnell streife ich die unbequeme Jeans von meinen Beinen und wechsle in den weichen Stoff der, zum Glück passenden, Hose. Dankend hebe ich meine Kleidung auf und wende mich zur Tür, als mir noch etwas einfällt. „Wie viele Sachen kriegt man hier also? Also, wenn ich jetzt schon die Jogginghose hab, bekomme ich dann noch-"

„Keine Sorge, wenn du was brauchst, wirst du es kriegen."

Ohne weitere Höflichkeiten begebe ich mich zurück zu meiner Pritsche, wo ich meine Wertsachen schnell wieder in der Jogginghose verstaue und alles andere unter dem provisorischen Bett.

Leider ist an Schlaf nicht zu denken, auch wenn ich nichts lieber tun würde. Die Geräuschkulisse ist einfach zu erdrückend und zudem kommt es, dass es durch die vielen Lampen, nie dunkel hier drin zu werden scheint. Frustriert stöhne ich auf und starre an die Decke.

„Die ersten Nächte sind immer die schwersten." Stirnrunzelnd drehe ich meinen Kopf in Richtung der Stimme, vermeide jede unnötige Bewegung. Ein Mann, er ist sicher über 60, mit verfilztem Bart und Haaren, die bereits alle ergraut sind, mustert mich.

„Kannst mich Morri nennen, Jungchen."

Verstehend nicke ich, bevor ich mich ihm gegenüber auf die Kante meiner Pritsche setze. „Wir teilen uns also dieses luxuriöse Doppelzimmer?" Kurz schmunzel ich über meine eigene Ironie. Der alte Mann erwidert dies. „Anscheinend schon."

Ein paar unangenehme Momente ist es ruhig, bis mein Gegenüber wieder die Stille bricht. „Und mit wem habe ich es hier zu tun?" Seine Augen scheinen jeden Zentimeter meines Gesichtes zu scannen.

„Harry." Unbehagen öffne ich meinen Zopf, um mir durch die Haare fahren zu können. „Und was schlägt dich hier her?"

„Du bist aber ganz schön neugierig", murrend ziehe ich an dem albernen, pinken Haargummi. „Ich wurde heute entlassen. Zwar nur auf Bewährung, aber frei ist frei, nicht wahr? Und naja, dieses Sternehotel hat einfach meinen Namen geschrien." Ein Lächeln, das meine Augen nicht erreicht, setzt sich auf mein Gesicht.

Überrascht sehe ich von meinem Handgelenk auf, als sich die Pritsche neben mir senkt und Morri sich dort niederlässt. „Jungchen, du solltest glücklicher sein und nicht so ein Trübsal blasen. Also was ist los?"

Schulterzuckend sehe ich den bärtigen Mann an. „Was bringt mir ein Neuanfang, wenn ich keine Chance habe, etwas daraus zu machen?"

Ein Schlag auf meine Schulter, der mehr weh tut als erwartet, lässt mich kurz zusammen zucken. „Ey", beschwere ich mich verwirrt und reibe die schmerzende Stelle.

„Dir stehen alle Türen offen, wenn du den richtigen Schlüssel hast. Und hast du keinen Schlüssel, dann tritt sie ein."

ParoleeWhere stories live. Discover now