Kapitel 3 - Hannah

Start from the beginning
                                    

Ganz genau.

„Aber ich glaube nicht, dass ich das hinkriege", zweifelte ich und gab mich innerlich schon mit dem Gedanken zufrieden, morgen einen Fluss zu suchen oder die nächste Stadt.

Steh auf und versuche es! Ich werde dir sagen, was du tun musst.

Ächzend ergab ich mich seinem Befehl und rappelte mich auf die Beine.

Konzentration, Visualisierung, Anwendung. Diese drei Punkte sind die Grundlagen der mächtigen Magie. Vergiss sie nie. Und jetzt fang an.

Ich atmete tief ein, schloss die Augen und konzentrierte mich auf meine Magie. Sie pulsierte kraftvoll in meinen Adern und brachte meine Haut zum Kribbeln. Dann stellte ich mir eine Regenwolke vor. Dunkel, bedrohlich und gewaltig. Malte mir aus, wie sie sich am Himmel zusammenbraute, die Welt verdunkelte und schließlich der Regen prasselnd auf die Erde trommelte. Die Magie schien aus mir herauszufließen, meine Haare wehten im aufkommenden Wind und die Welt vor meinen Augen wurde finsterer. Euphorie flutete durch meinen Körper. Es funktionierte! Ich beeinflusste tatsächlich das Wetter. Als die ersten kühlen Regentropfen durch die Blätter auf meine Haut trafen, hätte ich beinahe gejubelt, doch ich riss mich zusammen.

Mit Stolz betrachtete ich den düsteren Himmel, während der Regen immer heftiger wurde. Innerhalb von Sekunden war ich bis auf die Knochen durchnässt und als es dann auch noch zu blitzen begann, verpuffte meine Euphorie und ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.

Ich fühlte, wie ich die Kontrolle über meine Magie verlor. Der Wind peitschte mir den Regen ins Gesicht, Wasser verschleierte meine Sicht und ich stolperte zurück.

Sehr gut!, dröhnte Raven Dragoni und übertönte mit seiner Stimme sogar den pfeifenden Wind.

„Ich kann es nicht mehr kontrollieren!"; brüllte ich und spürte wie das Anwenden der Magie ihren Tribut forderte. Erschöpfung überwältigte mich und ich hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben.

„Was soll ich machen?"

Nichts!

Nichts? Ich hatte zwar Wasser gewollt, aber doch kein Unwetter. Ein gleißender Blitz erhellte den Himmel und ließ den Wald für den Bruchteil einer Sekunde taghell erscheinen. Der darauffolgende Donner erschütterte mein Trommelfell und ich zuckte zusammen. Mein Herz raste, Wasser tropfte von meiner Nasenspitze, mein Haar klebte mir im Nacken. Ich brauchte einen Unterschlupf.

Tust du nicht, unterbrach Raven meine hektischen Gedanken. Blitze können dir nichts anhaben. Du trägst sie selbst in dir.

„Blitz vielleicht nicht, aber umfallende Bäume schon", erwiderte ich spitz und kämpfte gegen den heftigen Sturm. Daran, meine Magie einzusetzen, um den Wind umzulenken, dachte ich erst gar nicht, denn ich hatte so schon das Gefühl, gleich zusammenzuklappen. Nur der Wille, in diesem Unwetter nicht von einem Ast erschlagen zu werden und der Hass auf meine Tante ließen mich weitergehen.

Mit jedem Schritt glaubte ich, der Sturm würde an Gewalt zunehmen. Krachende Donner folgten direkt auf die zuckenden Blitze, der Regen stach auf meiner Haut, doch ich fühlte es schon gar nicht mehr. Irgendwann erreichte ich einen Hang und stoppte wankend. Hastig ließ ich meinen Blick über das steile, mit Gras und Bäumen bewachsene Gefälle wandern. Verschwommen entdeckte ich einen Überhang, der mir genug Schutz würde bieten können. Mit neuer Energie machte ich mich an den Anstieg. Das war leichter gesagt als getan, denn der Boden war matschig, sodass ich immer wieder abrutschte. Krampfhaft klammerte ich mich an Wurzeln fest, zog mich Stück für Stück höher. Meine Arme brannten vor Anstrengung, ich atmete keuchend und verschluckte mich beinahe an dem sintflutartigen Regen. Verbissen kämpfte ich gegen den Drang an, einfach loszulassen und liegen zu bleiben.
Schließlich rutschte ich auf Knien unter den schützenden Überhang und schnappte nach Luft. Mein pochender Herzschlag erfüllte mein Gehör, während ich zitternd versuchte, meinen keuchenden Atem unter Kontrolle zu bekommen. 

Bleischwer legte die Erschöpfung sich über meine Glieder und sobald das Adrenalin abgeklungen war, drang die Kälte unerbittlich bis in meine Knochen.

Du musst dich aufwärmen!

Ich vernahm Raven Dragonis Stimme mit einiger Verzögerung und reagierte bloß mit schwachem Ächzen.

Willst du dir eine Lungenentzündung holen?

Natürlich wollte ich das nicht, aber ich hatte einfach keine Kraft mehr und war unendlich müde.

Hannah!

Stechender Schmerz durchfuhr meinen Kopf und riss mich aus meiner Benommenheit. Schrecklich langsam hob ich den rechten Arm und beschwor heiße Funken. Sie leuchteten nur schwach und bewiesen meine Erschöpfung, aber es reichte aus, um ein paar der trocken gebliebenen Stöcke und Blätter zu entzünden. Die Wärme des kleinen Feuers lullte mich ein, meine Lider wurden schwer und ich rollte mich neben den stark flackernden Flammen zusammen, während nur einige Meter weiter das Unwetter tobte. Mein Unwetter. Die Donner, der Regen und das Tosen der Blätter im Sturm wurden zu einem einheitlichen Rauschen und dann fielen mir die Augen zu.

     

Academy for Elementarys 2 - Vernichtender KampfWhere stories live. Discover now