„Es wird alles wieder gut werden! Ich bin jetzt da und helfe euch. Versprochen!"

Ich ließ Zoe's Hand los, die nicht verstand, was los war, und umarmte Onkel Jessie. Er roch angenehm und die leichte Kühle, die von ihm ausging, tat mir in diesem Augenblick gut. Onkel Jessie legte die Arme um mich und sprach beruhigend:

„Alles wird gut, Sarah! Alles wird gut!"

Ich wollte ihm so gern glauben. Auch, wenn es sich nicht so anfühlte, als ob alles gut werden würde. Ich hatte eher das Gefühl, als würde heute etwas furchtbar Schlimmes passieren. Etwas, das unser aller Leben verändern würde.

Während meine Mom hektisch im Schlafzimmer herum rannte und sämtliche Schubladen und Schranktüren öffnete und wieder zuknallte, blieb Jessie bei uns und half mir dabei, Zoe für den Ausflug anzuziehen. Für mich suchte Jessie ein weißes Sommerkleid heraus. Er meinte:

„Darin siehst du sehr hübsch aus!" und reichte es mir.

Es war mein Lieblingskleid. Jetzt mochte ich es umso mehr!

„Beeil dich mit dem Umziehen! Ich geh zu deiner Mom. Sie scheint Hilfe zu benötigen!"

„Okay, Zoe und ich warten dann hier."

Während Jessie im Schlafzimmer meiner Eltern meine aufgelöste Mom beruhigte, die einerseits schrie, andererseits aber auch weinte, schlüpfte ich in mein weißes Sommerkleid und versuchte, mich irgendwie zu beruhigen.

Ich war nicht aufgeregt, weil wir mit Jessie einen Ausflug machen sollten. Ich war eher zu nervös wegen dem, was passieren würde...

Mom und Dad waren sehr nervös als wir alle fünf in unser Auto stiegen und in die Innenstadt fuhren. Dad war viel zu fertig, um zu fahren. Mom hatte eine schwarze Tasche dabei, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, die sie hütete wie einen Schatz. Mom hockte auf dem Beifahrersitz und nestelte zappelig am Reißverschluss der Tasche herum, was meine Unruhe noch mehr ansteigen ließ. Der Einzige, der Ruhe im Inneren des Wagens ausstrahlte, war Jessie. Er verströmte dieses Alles-wird-wieder-gut-Gefühl und fuhr uns sicher in die Innenstadt hinein. Zoe, die neben mir saß, war beim Fahren durch das leichte Ruckeln des Autos eingeschlafen und ich fragte mich, wie sie angesichts der Tatsache, dass alle um sie herum dermaßen aufgeregt, nervös und teilweise runter mit den Nerven waren, noch beruhigt schlafen könne. Denn ich konnte es nicht.

Jessie lenkte den Pkw auf den Parkplatz neben dem Supermarkt und wir stiegen aus. Mom hielt die schwarze Tasche mit ihren eisern Klauen fest, während Dad gebeugt daneben stand und Jessie uns beiden Kindern beim Aussteigen aus dem Pkw half.

„Wo müssen wir jetzt hin?" fragte meine Mom gehetzt.

„Da lang..." sagte Dad und zeigte auf die Altstadt, die direkt vor uns lag.

Ich nahm Zoe bei der Hand und wollte mich zu meiner Mom gesellen, doch ihre Art und Weise hielt mich zurück. Sie versprühte Angst und Wut, das mich zurückweichen ließ, so dass Zoe und ich neben Onkel Jessie herliefen bis wir die Altstadt erreicht hatten. Dann hielt Jessie Zoe und mich mit einer Handbewegung kurz zurück, beugte sich zu uns hinunter und flüsterte leise:

„Es werden gleich ein paar Männer zu uns kommen. Ihr braucht keine Angst zu haben, sie werden euch nichts tun."

Zoe und ich nickten. Dennoch wurde mir unheimlich. Ich griff nach Jessie's Hand und folgte ihm mit Zoe langsamer als zuvor.

Die Altstadt sah noch genauso aus, wie vor wenigen Wochen, als ich hier zuletzt mit meiner Schulklasse mit unserer Geschichtslehrerin durchgegangen bin. Sie erzählte uns einiges über die alten Gebäude aus großen Sandsteinwürfeln und der Straße, die vollständig aus Sandstein gepflastert war. Die Gebäude sahen an einigen Stellen hell und sonnig aus, dort, wo sie erneuert wurden. Alles andere wirkte heute düster und unheimlich auf mich.

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