I don't dance

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Eine Bar.
Eine ranzige Tanzbar, in der es mehr als nur nach Puff aussah.
Alles hier war rot.
Die Stühle, die Polstergarnitur, sogar der Fußboden, der schon etwas abgetreten und abgeranzt aussah.
Aber die Leute waren nett, der Türsteher winkte uns freundlich vorbei, als er Annika und mich sah und die Damen hinter der Bar schienen ihren Job gerne zu machen. Annika lud mich auf ein Bier ein und ging vor; zu einem der runden Tische in der Nähe der kleinen Varietébühne, die das Herzstück des Ladens ausmachte.
„Hier treten auch Burlesquetänzerinnen auf", sie beugte sich zu mir herüber und sprach in mein Ohr, weil die Musik so laut war, „aber heute kommt hier irgendein DJ."
„Bist du hier often?"
„Früher war ich sehr oft hier. Die Kneipe gibt es schon, seit ich denken kann. Die war immer mal wieder auf, dann wieder zu, dann ist sie von A nach B umgezogen. Aber ich komm immer wieder gerne hier hin. Ich mag die Atmosphäre. Es ist zwar ranzig aber nicht so sehr, dass man Angst hat, die Toiletten zu benutzen. Die Menschen sind nett und das Personal hat bisher nie gemotzt, wenn man sich mal über einen schlechten Cocktail beschwert hat", Annika stieß mit ihrem Bier gegen meins, „auf einen schönen Abend."
„Auf eine nice evening", gab ich zurück, „thank you, dass du mir zeigst die andere side von Münschen. Die really really red side."
„Gerne", Annika schmunzelte und drehte die Bierflasche in ihrer Hand.
Ich beugte mich ihr entgegen und küsste ihre Wange.
Annika lächelte etwas verlegen.
„Ich hab schon ewig nicht mehr getanzt. Wollen wir?"
„I don't dance."
„Natürlich tust du das. Jeder tanzt. Und wenn es beim Staubsaugen ist. Also komm", Annika stand auf und hielt mir die Hand hin, „ein Lied."
„Ein song", lachte ich, „just one song. Keine mehr."


Der DJ wechselte zwischen aktuellen Remixen von David Guetta und Robin Schulz, sprang dann in die 90er zu Chesney Hawkes und ging noch einen Schritt weiter, als der DJ einige Songs von Madonna spielte. Zu meinem Bedauern konnte ich jedes einzelne Lied mitgrölen, was Annika dazu animierte, mich weiterhin auf der Tanzfläche zu behalten. Ich wippte von einem Bein auf das andere, während Annika umherwirbelte, ihre Hüfte zum Takt der Musik bewegte und laut mitsang. Ich war froh, aufrecht stehen zu können und nicht über meine langen Beine zu stolpern. Wir hatten eine gute Zeit und ich hatte viel Spaß, obwohl das Tanzen ja eigentlich nicht meine Stärke war.
Gegen Mitternacht war der Club randvoll mit Gästen. Alle tanzten und tranken um die Wette, während ich derjenige war, der seine Flasche Bier fest umklammert hielt und am Stehtisch stand. Annika tanzte in der Nähe meines Tisches, warf an den passenden Stellen die Arme rhythmisch in die Luft und schien vollkommen in ihrem Element zu sein. Immer wieder versuchte sie mich zum Mittanzen zu animieren, aber das war einfach nicht mein Ding. Ich war noch nicht betrunken genug, wusste nicht, wohin mit meinen Händen. Und ich würde ganz sicher keine gute Figur dabei machen. Obwohl ich Musiker war. Aber das implizierte nicht, dass ich automatisch auch tanzen konnte. Das Klatschen im Takt oder das Trommeln auf meinem Bein reichte mir vollkommen und ich war froh, dass ich diese Fertigkeiten ganz gut beherrschte. Außerdem war ich – wie schon seit Jahren- der Ansicht, dass Menschen, die tanzten, kein Geld zum Trinken hatten.
Annika kam näher, schlang ihre Arme um meinen Nacken und drückte mir einen Kuss auf.
„Komm!", meinte sie.
Ich grinste und schüttelte den Kopf, woraufhin sie meine Hände um ihren Hals legte und mich nochmal küsste.
„Komm", sie zwinkerte mir zu und drehte die Haare an meinem Nacken ein.
Wieder schüttelte ich den Kopf.
Annika ließ vor mir im Takt der Musik die Hüften kreisen, so dass meine Hände wie automatisch zu ihren Hüften wanderten.
„Du siehst toll aus today", schmunzelte ich.
„Dankeschön", sie küsste mich nochmal, als ich meine Hände an ihren Po legte, „kommst du jetzt?"
Das Lächeln auf ihren rotgeschminkten Lippen war sexy. Und dem konnte ich einfach nicht widerstehen.
Annika tanzte mich offensiv an und irgendwann ließ ich mich von ihr total mitreißen; Und plötzlich war es mir auch vollkommen egal, dass ich nicht tanzen konnte und wollte. Meine Hände flogen über ihren Körper. Ihren Hals, ihre Taille, ihre Hüfte, ihren Po; der sich immer wieder an meinen Schritt drückte, während meine Hände fest an ihrem flachen Bauch lagen. Zwischenzeitlich drehte sie sich immer mal wieder zu mir um und küsste mich vielsagend. Sie sah so super aus in ihrem engen Top und der Jeans, dass es mir schwerfiel, die Finger bei mir zu lassen und sie nicht überall anzufassen. Das schien ihr allerdings nichts auszumachen und so parkte ich meine Hände mal an ihren Hüften und zog sie daran fest zu mir, um sie wieder und wieder zu küssen. Wie sie tanzte und sich bewegte war schön anzusehen und ich freute mich, dass sie mich hierher eingeladen hatte.
„Lass uns gehen", Annika war plötzlich hinter mir und hatte ihre Arme um meine Hüfte gelegt.
„Sure?", ich drehte mich zu ihr um, „sure, dass du willst nicht noch dancen eine few minutes? I like the view."
„Sure", antwortete sie, griff nach meiner Hand und zog daran, „ich weiß jetzt, dass Tanzen nicht dein Ding ist. Aber ich weiß, dass du andere Sachen ganz gut kannst."


Als wir das Paradiso verließen, bekamen wir die Möglichkeit, sofort in ein Taxi zu springen. Der Weg zu Annika war nicht weit; schließlich waren wir über den Weihnachtsmarkt hierher gelaufen, aber es war sehr kalt geworden, meine Beine waren schwer und ich war auch ein wenig müde.
Kaum hatten wir auf der Rückbank des Taxis Platz genommen und dem Fahrer mitgeteilt, wo hin die Reise gehen sollte, zog Annika mich an dem Kragen der Jacke zu sich, presste ihre Lippen hektisch auf meine und ließ ihre Hand in meinen Schritt gleiten.
„Hei", meinte ich leise, als sie anfing, an meinem Gürtel zu zerren.
„Ich bin so scharf auf dich", Annika nuschelte an meinen Lippen und fuhr mit ihrer Hand unter mein Pullover.
Ich grinste, erwiderte den Kuss und zog sie an der Taille nah zu mir, als ich vermutete, durch den Spiegel ein Grinsen in dem Gesicht des Taxifahrers sehen zu können.
Wir knutschten lange und ausgiebig. Annikas Händen glitten über meinen Schritt; derweil parkte ich eine Hand zwischen ihren Schenkeln und die andere in ihrem Nacken.
Die Frau war einfach nur der Wahnsinn und ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder aus diesem Taxi zu steigen und da weiterzumachen, wo wir hier gerade anfingen.
Als wir etwas länger standen, räusperte sich der Taxifahrer, so dass das Blut in meinem Körper kurzzeitig umgeleitet werden musste.
„11 Euro 60", sagte er und drehte sich zu uns nach hinten um.
Annika küsste immer noch meinen Hals, während ich mit Mühe und Not das Portemonnaie aus meiner Tasche zog, ihm 20 Euro in die Hand drückte, nickte und dann zusah, dass ich so schnell wie möglich mit Annika aus dem Taxi in ihre Wohnung kam.


Schon im Hausflur zogen wir die Jacken aus und ich hatte nur noch einen Gedanken: Annika endlich aus dieser engen blue jeans zu pellen. An der Wohnungstür angekommen, schloss Annika hektisch auf, stieß sie mit dem Fuß auf, hing sich danach wieder an meinen Hals und küsste mich fordernd. Ich umschloss sie am Rücken, drückte sie an mich und torkelte in Richtung des Sofas ins Wohnzimmer. Ich ließ mich darauf fallen und zog Annika mit. Meine Hände verkeilten sich in ihren Haaren und drückten sie so fest an mich, während sie ihr Becken nah an meine Mitte presste; bevor sie sich aufsetzte, das Shirt über den Kopf zog und ihren BH öffnete. Augenblicklich beugte sie sich wieder über mich, küsste mich und knöpfte meine Hose auf; denn den Gürtel hatte ich schon auf der Taxifahrt nicht wieder geschlossen.
„Warte kurz", nuschelte Annika an meinen Lippen, bevor sie von mir herunterstieg und mit einem Lächeln auf den Lippen ins Schlafzimmer ging.
Ich lag auf dem Rücken, streckte mich und fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare. Annika brachte mich wirklich um den Verstand und ich war unglaublich froh, sie kennengelernt zu haben. Die Umstände hätten selbstverständlich besser sein können, aber nur, weil die Umgebung eines Kennenlernens nicht gut war, hieß das noch lange nicht, dass das Verhältnis, was daraus entstand, ein schlechtes sein musste. Einige Minuten noch blieb ich so liegen und dachte darüber nach, wo unsere Beziehung hinführen würde. Ich verbrachte meine Zeit gerne mit Annika. Ich liebte ihre Nähe und in ihr schien sich so ziemlich alles zu vereinen, was ich an einer Frau toll fand. Sie war smart, nicht auf den Mund gefallen, schlagfertig, sah super aus. Und das Wichtigste: Sie tat mir einfach nur gut. Selten war ich bei einer Frau so schnell Feuer und Flamme gewesen und die Tatsache, dass sie mich verstand und einen ähnlichen Lebensstil hatte, begeisterte mich nur noch mehr. Irgendwie würde ich es schon hinbekommen, dass ich sie so oft wie möglich um mich hatte. Natürlich war es nicht drin, jedes Wochenende nach München zu fliegen. Das wollte ich auch gar nicht. Ich hatte mein eigenes Leben und fand die Idee, jemanden an meiner Seite zu haben, der sein eigenes hatte und nicht auf mich angewiesen war, spannend und aufregend. Ich konnte mich nicht erinnern, irgendwann mal nicht derjenige gewesen zu sein, der sich kümmerte und alles in die Hand nahm. Eigentlich tat ich das auch gerne, aber das war oft eine zusätzliche Belastung gewesen. Vielleicht war das ja auch genau mein Fehler gewesen. Vielleicht brauchte ich jemanden in meinem Leben, der seinen Kram allein managen konnte und mir auf Augenhöhe begegnete. Wohin das hier auch immer führen würde: Ich war mir ziemlich sicher, dass ich längst Feuer gefangen hatte und mich in diese Frau verknallt hatte. Ich war darauf nicht aus gewesen, aber Annika hatte dieses gewisse Etwas, was mich wahnsinnig anzog. Nachdem wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten, war das – und da war ich mir sicher- einfach nur ein Ventil. Für uns beide. Aber mit der Zeit rückte das in den Hintergrund und ich liebte es, mit ihr zu reden, zu lachen, Zeit zu verbringen.
Ich war verliebt in sie.
Ganz sicher.

Addicted to you?Where stories live. Discover now