Prolog

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Schmerz.

Was genau ist Schmerz? Was ist die genaue Definition von Schmerz? Wer definierte überhaupt Schmerz? Wer weiß wirklich, wie sich Schmerz anfühlt?

Seit Stunden sitze ich auf meinem Bett und starre Löcher in die Wand. Die Vorhänge habe ich zugezogen, weil ich es nicht ertragen konnte, wie die Sonne an so einem Tag scheinen konnte. Warum gab es kein Gewitter, wenn man es wollte?

Ich fühlte mich leer. Kalt. Alleine gelassen. Professor Kavari ist tot. Mein Mentor. Mein Lehrer. Mein Ersatzvater, weil mein eigener mich selber von Zuhause rausgeschmissen hat. Ich weiß nicht, ob meine Eltern überhaupt noch lebten. Es interessiert mich aber auch herzlichst wenig.

Jasper ist irgendwo im Garten. Jake trainiert mit seinem Boxsack. Kol hat sich aufs Dach verzogen. Und ich? Ich sitze hier in meinem Zimmer wie ein Vampir und gehe wieder einmal durch, was alles in den letzten 24 Stunden passiert ist.

Nach dem Frühstück trafen wir uns im Gemeinschaftssaal. Die anderen Schüler und Lehrer gingen ganz normal in ihren Unterricht.

"Leute, wo sind denn Jasper und Jake?", fragte Martina und jeder fing an, sie zu suchen.

Ich wusste es selber nicht. Jasper ist in sein Zimmer, um etwas zu holen. Er meinte, dass ich schon mal vorgehen sollte. Jake war mit Kol unterwegs also könnte sie wissen wo er steckt.
Als jeder jedoch ein weiß nicht murmelte, runzelte Martina die Stirn und wechselte einen undefinierbaren Blick mit Kavari. Dieser nickte und stand auf.

"Ich werde sie suchen gehen.", meinte er dann nur und verschwand.

"So, ihr. Wenn die Jungs hier sind, werden wir dreier Gruppen bilden. Wir teilen uns auf und suchen dann Marcel und die anderen. Wenn eine Gruppe sie gefunden hat, benachrichtigt sofort uns Lehrer. Wir werden sofort da sein und uns um den Rest kümmern. Verstanden?", fragte Mary und sah jeden durchdringend an.

"Ja.", antworteten wir wie aus einem Munde.

"Gut. D-"

Mary wurde durch Emilias Schreien unterbrochen. Es war aber kein normales Schreien. Es war ein durch-Mark-und-Knochen-ohrenbetäubender Schrei. Sie fiel auf ihre Knie und hielt sich die Ohren zu.

"Lia!", schrie Noah und schüttelte sie an den Schultern.

Sie hörte aber nicht auf zu schreien. Geschockt starrten wir sie an, keiner rührte sich.

Plötzlich verstummte sie.

"Lia?", flüsterte Noah und versuchte ihr in die Augen zu gucken. Ganz langsam hob sie den Kopf und starrte geradewegs in meine Augen.

Heiliger Batman.

Mein Herz fing an zu rasen. Emilia stand auf und lief auf mich zu. Als sie vor mir stehen blieb, schlang sie ihre Arme um mich und drückte mich fest an sich.

Verdattert erstarrte ich und sah Kol hilfesuchend an. Sie zuckte aber nur mit den Schultern und auch die anderen schienen ratlos.

"Er ist tot. Ich habs gespürt. Kavari ist tot.", wisperte sie in mein Ohr, so leise, dass nur ich es hören konnte. Ich wünschte, dass ich es niemals gehört habe.

Ich keuchte auf und trat zurück. Kavari war nicht tot. Er war gerade eben noch kerngesund hier. Sie musste sich irren. Doch ihre Miene sagte alles. Ich schluchzte auf und da brach der Damm.

"Nein! Nein! Nein, das kann nicht wahr sein! Nicht er! Nein!", schrie nun auch ich und weinte unkontrollierbar. Emilia fing ebenfalls an zu weinen.

"Was ist denn passiert?", fragte Dorian händefuchtelnd. Wir drehten unsere Köpfe zu den anderen und holten tief Luft.

"Er ist tot. Wir müssen Kavari finden. Und uns verabschieden.", sagte Emilia so ehrfürchtig, wie es nur ging.

Alle rissen ihre Augen auf und schnappten entsetzt nach Luft. Emma, Teala und Eric rannten sofort aus den Raum, um ihn zu suchen. Kol kam schluchzend auf mich zu und bot mir ihre Hand an. Schniefend nahm ich sie an und zusammen machten wir uns ebenfalls auf den Weg, dicht gefolgt von den restlichen.

"Wo suchen wir zuerst?", fragte Kol leise und wischte sich ihre Tränen weg.

Es wird in der Bücherei passieren.

"Bücherei.", knurrte ich verbissen und zog sie prompt zum besagten Ort.

Mit klopfenden Herzen stieß ich die Tür auf und zerdrückte Kols Hand. Das konnte nicht sein. So eine respektlose Bande, verdammt! In mir stieg unbändige Wut auf. Ich biss meine Zähne zusammen und schnaufte. Kol ging es anders. Sie sank auf ihre Knie und hielt sich die Hand vorm Mund. Stumm sahen wir unseren Mentor, Lehrer und stellvertretenden Vater an, der zwei Meter über den Boden an der Wand festgenagelt wurde. Er blutete aus tausenden von Stichen. Die Nägel waren blutverschmiert und sein Kopf wurde grotesk nach hinten gedreht, sodass wir nur seinen Hinterkopf sahen.

Hass uns nicht.

Ich schrie auf und rannte auf Kavari zu. Zwischen seinen Fingern entdeckte ich eine kleine Papierrolle. Wütend rollte ich sie aus und las laut vor, damit Kol auch wusste, was drauf stand.

Liebe Grüße, M.

Kol schüttelte ungläubig den Kopf und ich riss das Papier in Fetzen.

"Marcel!", brüllte ich und zuckte zusammen, als er tatsächlich hinter einem Bücherregal auftauchte. Ohne zu denken rannte ich blitzschnell auf ihn zu und schlug ihm heftig ins Gesicht.

Er hustete erschrocken und trat zurück. Dann hob er die Hand und runzelte die Stirn, doch ich war schneller und erkannte seine Absicht zu schlagen. Ich parierte den Schlag und duckte mich um den nächsten auszuweichen. Mit einem gekonnten Manöver schleuderte ich ihn über meine Schulter zu Boden und drückte ihn eisenhart nieder. "Mel, bitte...Tu es nicht. Ich...bin es...." "Fahr zur Hölle, Marcel!", schrie ich und stieß meinen Dolch in seinen Hals. Er gab ein röchelndes Geräusch von sich und schloss dann seine grünen Augen. Schreiend fiel ich auf meine Knien und ließ meine Tränen freien Lauf.

Kavari wurde ermordet. Ich habe den Zwillingsbruder meines Freundes umgebracht, ohne mit der Wimper zu zucken, und ich habe das Gefühl, von innen zerfressen zu werden.

Schmerz.

Das ist es. Das Gefühl von innen heraus aufgefressen zu werden. Es fängt im Herzen an. Dann verbreitet es sich und der Magen fängt an zu spinnen. Alles tut weh und man kann absolut nichts dagegen unternehmen.

Tränen kullern runter und tropfen mein blutverschmiertes Shirt, das ich immer noch nicht gewechselt habe, nass. Den Krampf in den Beinen ignoriere ich weiterhin, wie die letzten zwei Stunden auch. Ich kann mich einfach nicht bewegen. Ich will es auch nicht.

Leise klopft es an der Tür. Verwundert drehe ich meinen Kopf ganz langsam zur Tür und warte einfach, bis die Person von selber hineinkommt.

Was sie auch tut. Emilia.

"Mel.", bringt sie erstickend raus und umarmt mich stürmisch.

Wortlos erwidere ich ihre Umarmung und streiche ihren Rücken auf und ab. Emilia hat den Vater ihres verstorbenen Sohnes nun ebenfalls verloren.

Kavari und Emilias Geschichte war nicht hübsch. Doch am Ende konnten sie sich vertragen und zusammen über Eric trauern. Jetzt aber sind beide Männer in Lias Leben weg und sie hatte nur noch den Kreis und uns.

"Es tut mir so Leid, Lia. So schrecklich Leid.", flüstere ich auch weinend.

"Mir auch."

So sitzen wir da. Umschlungen auf meinem von vertrocknetem Blut verschmutzten Bett. Weinend. Bis zum nächsten Tag.

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HOLLOW🌹

Ich hoffe euch hat das Prolog  gefallen❤ Voten und Kommentieren nicht vergessen!

Hollow *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt